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Es wird festgestellt, dass die Klage in zulässiger Weise durch Einreichung als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach der A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft und unter Gewährung einer Wiedereinsetzung in die Klagefrist auch fristgerecht erhoben worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
I.
2Die Beteiligten streiten im Nachgang zu einer bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung um die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben sowie die Höhe der vom Kläger erzielten Mieteinnahmen.
3Auf Grundlage der von der Betriebsprüfung im Prüfungsbericht vom 28.09.2022 getroffenen Feststellungen wurden die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre mit Bescheiden vom 22.02.2023 nach § 164 Abs. 2 AO geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der Kläger legte hiergegen am 06.03.2023 Einspruch ein. Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.09.2023 zurück.
4Ausweislich des hierzu gerichtsseitig erstellten Prüfvermerkes ist am Freitag, dem 20.10.2023, um 11:53:10 Uhr eine als Klage überschriebene im Namen der Prozessbevollmächtigten des Klägers verfasste Word-Datei (.docx) über deren besonderes Steuerberaterpostfach an das Gericht übermittelt worden. Der Kläger war im Handelsregister seit dem 00.00.2017 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten eingetragen. Ausweislich des Prüfvermerks war das Dokument nicht mit einer qualifizierten Signatur versehen. Das Dokument enthielt zwischen dem Text und der Aufzählung der mitübersandten Anlagen keine Unterschrift oder maschinenschriftliche Namensnennung.
5Das Dokument ist der Vorsitzenden Richterin des Senates am Montag, dem 23.10.2023 delegiert und die Eingangsverfügung durch die Vorsitzende Richterin am selben Tage um 13:58 Uhr bearbeitet worden. Anschließend ist das Verfahren noch am selben Tage an den Berichterstatter delegiert worden. Dieser hat die Eingangsverfügung am folgenden Tag, dem 24.10.2023 bearbeitet. In dieser hat das Gericht die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die Klage nicht wirksam eingereicht worden sein dürfte, da das elektronische Dokument gemäß §§ 52 d, 52a FGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person zu versehen sei oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse. Darüber hinaus sei das elektronische Dokument im pdf-Format zu übersenden. Die Verfügung ist am 24.10.2023 an die Prozessbevollmächtigte des Klägers übermittelt worden, die daraufhin noch am selben Tage die Klageschrift, nunmehr mit einer Unterschrift des Klägers versehen, um 19:53:51 Uhr erneut übermittelt hat. Der gerichtsseitig erstellte Prüfvermerk der erneuten Übermittlung trägt den Hinweis: „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“ und weist als Absender die A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft aus.
6Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klageerhebung am 20.10.2023 formwirksam erfolgt sei. Es sei nicht nachvollziehbar warum es einer textlichen Darstellung des Namens des Verfassers unter dem Schriftstück bedürfe, wenn dieses durch ein zertifiziertes und gesichertes Übertragungsverfahren wie das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) übermittelt werde, das durch die unumgängliche elektronische Zertifizierung und über den elektronisch eingelesenen Personalausweis gesichert sei. Selbst wenn es einer Namenswiedergabe bedürfe, stelle sich die Frage, ob die im Kopf der Klage genannte Namensnennung als Bearbeiter und deren Wiederholung als klageführender Steuerberater nicht ausreiche. Er sei bisher stets von der Rechtmäßigkeit der Übermittlung ausgegangen. Hilfsweise hat der Kläger am 24.10.2023 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
7Der Beklagte hat auf eine Stellungnahme zur Zulässigkeit der Klage verzichtet.
8II.
91. Der Senat entscheidet über die Frage der Formwirksamkeit der Klage sowie der Einhaltung der Klagefrist und den in diesem Zusammenhang gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist durch Zwischen-Gerichtsbescheid gemäß §§ 97, 90a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
10a) Nach § 97 FGO kann über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Das Zwischenurteil kann sich dabei nach dem Zweck des § 97 FGO auf die Bejahung einzelner Prozessvoraussetzung beschränken (vgl. BFH, Urteil vom 22.07.2015 – V R 50/14, BFH/NV 2015, 1694). In den Fällen des § 97 FGO kann die Entscheidung auch durch einen Gerichtsbescheid ergehen (BFH, Zwischenurteil vom 05.11.2019 – X R 15/18, BFH/NV 2020, 526).
11b) Der Erlass einer Zwischenentscheidung gemäß § 97 FGO betreffend die Formwirksamkeit der Klageerhebung sowie über die Einhaltung der Klagefrist unter Berücksichtigung des gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in diese ist im vorliegenden Verfahren sachgerecht. Hierdurch wird die in dieser Hinsicht bestehende Ungewissheit über die Zulässigkeit der Klage beseitigt, so dass sich der Rechtsstreit im weiteren Verlauf auf die materiell-rechtlichen Fragen konzentrieren kann.
122. Die Klage ist formwirksam erhoben worden und unter Berücksichtigung der zu gewährenden Wiedereinsetzung in die Klagefrist auch nicht verfristet.
13a) Innerhalb der Klagefrist ist die Klage nicht formwirksam erhoben worden.
14aa) Ausgehend von einer Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung am 22.09.2023 (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 2 AO) lief die einmonatige Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) am Montag dem 23.10.2023 ab (vgl. §§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB).
15bb) Die Klage ist nicht formwirksam am 20.10.2023 erhoben worden.
16Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe des § 52a Absätze 2 bis 6 FGO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden, § 52a Abs. 1 FGO. Gemessen daran wurde die Klage am 20.10.2023 nicht formwirksam erhoben, weil sie im Dateiformat .docx übermittelt und weder qualifiziert signiert, noch mit einer einfachen Signatur versehen war.
17(1) Wird die Klage als elektronisches Dokument eingereicht, muss dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein, § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO. Das elektronische Dokument ist dazu nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) im Dateiformat PDF zu übermitteln. Die Klageschrift wurde dagegen im Dateiformat .docx übermittelt.
18(2) Das elektronische Dokument muss des Weiteren entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO. In letzterem Fall dient der sogenannte vertrauenswürdige Herkunftsnachweis (vHN) - ein Zertifikat, das gemeinsam mit dem elektronischen Dokument übermittelt wird - dem Nachweis, dass eine Nachricht aus einem bestimmten Postfach, etwa einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach oder einem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach, versandt wurde (vgl. ausführlich zum vHN: BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28; BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649).
19Ist das elektronische Dokument, wie hier, nicht qualifiziert elektronisch signiert, ist bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eine (nicht qualifizierte) Signatur erforderlich. Diese (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. zum wortgleichen § 130a Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO): BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186 und BGH, Beschluss vom 07.09.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. zum wortgleichen § 130a ZPO: BGH, Beschluss vom 07.09.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Das Fehlen einer einfachen Signatur kann - ebenso wie einer Unterschrift - ausnahmsweise unschädlich sein, wenn - ohne Beweisaufnahme - aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Die Nennung des Nachnamens bzw. des Namenskürzels im Kopf des Schriftsatzes reicht dafür jedoch nicht aus, denn dies zeigt lediglich den zuständigen Sachbearbeiter in der Kanzlei auf, trifft jedoch keine Aussage darüber, ob dieser für den sodann folgenden Inhalt auch die Verantwortung übernehmen will (BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186).
20Gemessen daran war die Klageerhebung am 20.10.2023 nicht wirksam, weil die Klage weder qualifiziert, noch einfach signiert war. Der Verweis des Klägers auf die Nennung des Bearbeiters im Briefkopf geht aus den genannten Gründen ebenfalls fehl.
21b) Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren.
22Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Rechtshandlung ist nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
23aa) Es kann dahinstehen, ob die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Schuldvorwurf trifft. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unabhängig vom Verschulden des Beteiligten gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) zu gewähren, wenn sie geboten ist, weil das Gericht seine prozessuale Fürsorgepflicht und damit das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt hat. In solchen Fällen tritt ein in der eigenen Sphäre des Beteiligten liegendes Verschulden hinter das staatliche Verschulden zurück. Ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ein Beteiligter dann, wenn seine Fristversäumnis nicht ursächlich gewesen ist, weil die Frist bei pflichtgemäßem Verhalten des Gerichts hätte gewahrt werden können (vgl. BFH, Beschluss vom 11.08.2005 – VIII B 291/04, BFH/NV 2006, 80). In diesem Fall wirkt sich das mögliche Verschulden des Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BGH, Beschluss vom 29.08.2017 – VI ZB 49/16, NJW-RR 2018, 56). So liegt der Fall hier.
24(1) Aus dem „allgemeinen Prozessgrundrecht“ auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)) folgt die Verpflichtung des Richters zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten prozessualen Situation. Ein zentraler Gehalt des Rechts auf ein faires Verfahren ist dabei, dass es den Gerichten verwehrt ist, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Nachteile für den von diesen betroffenen Beteiligten herzuleiten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.11.2018 – 1 BvR 433/16, NVwZ-RR 2019, 297).
25Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt zwar keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken (BGH, Beschluss vom 21.03.2017 – X ZB 7/15, NJW-RR 2017, 689). Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Eine solche Pflicht überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 2558/05, BVerfGK 7, 198). Die aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens erwachsende gerichtliche Fürsorgepflicht gebietet es jedoch - im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges - eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel, wie eine fehlende einfache Signatur in einem bestimmenden Schriftsatz, hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204). Wenn dieser Fehler ohne weiteres erkennbar ist, muss dieser Hinweis vor Ablauf der Frist notfalls auch per Telefon oder Telefax erfolgen, wenn dies ohne unzumutbare Anstrengung möglich ist (BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186; zustimmend: BSG, Beschlüsse vom 18.11.2020 – B 1 KR 1/20 B –, juris und vom 11.04.2022 – B 4 AS 8/21 R, juris).
26Dem steht nicht entgegen, dass nach älteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des BFH die Fürsorgepflicht eines unzuständigen Gerichts von Verfassungs wegen keinen sofortigen Hinweis durch Telefonanruf oder Telefax erfordert (hierzu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.01.2001 – 1 BvR 2147/00, NJW 2001, 1343; BFH, Beschluss vom 11.08.2005 – VIII B 291/04, BFH/NV 2006, 80). Der Unterschriftsmangel war im vorliegenden Fall für die zuständigen Richter, nachdem ihnen die Klageschrift im ordnungsgemäßen Geschäftsgang vorgelegt worden war- anders als die fehlende Zuständigkeit des Gerichts - ohne nähere Lektüre der Klageschrift ohne weiteres erkennbar und ist, wie der am 24.10.2023 ergangene Hinweis zeigt, auch tatsächlich erkannt worden. In dieser Situation ist es deshalb geboten, durch entsprechende Eilmaßnahmen einen richterlichen Hinweis in Bezug auf den Formmangel zu erteilen. Anderenfalls könnte der Richter „sehenden Auges“ die Klagefrist verstreichen lassen, um dann die Klage wegen fehlender Unterschrift oder Signatur als unzulässig abzuweisen, obwohl ihm ohne unzumutbare Anstrengung ein schriftlicher Hinweis per beSt oder jedenfalls ein telefonischer Hinweis möglich gewesen wäre (BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186).
27(2) Gemessen daran hätten die Vorsitzende Richterin des Senates und der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigte des Klägers noch so rechtzeitig auf die fehlende einfache Signatur am Ende der Klageschrift und das falsche Dateiformat hinweisen können und müssen, dass der Kläger die Klage noch vor Fristablauf formgerecht hätte einlegen können. Die Klageschrift wurde der Vorsitzenden des Senates spätestens am 23.10.2023 vorgelegt und von dieser um 13:58 Uhr bearbeitet und noch am selben Tag an den Berichterstatter delegiert. Wie sich aus dem in die Eingangsverfügung aufgenommenen Hinweis ergibt, waren die fehlende Unterschrift und das falsche Dateiformat auch erkannt worden. Ein Hinweis an die Klägerseite erging jedoch erst am folgenden Tag. Wäre der Hinweis noch am 23.10.2023 erteilt worden, hätte der Mangel, angesichts der durch § 52a FGO eröffneten Möglichkeiten elektronischer Kommunikation, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit ohne weiteres behoben werden können. Bei dieser Sachlage wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten für die Fristversäumung nicht mehr aus.
28b) Der Kläger hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in der 2-wöchigen Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt und zugleich die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist formwirksam nachgeholt (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Der Kläger hat den Wiedereinsetzungsantrag am 24.10.2023 gestellt und an diesem Tag auch eine formwirksame Klageschrift eingereicht. Diese entspricht insbesondere den Anforderungen des § 52a Abs. 2 und Abs. 3 FGO.
29aa) Die Klageschrift vom 24.10.2023 wurde als pdf-Datei übermittelt und entspricht damit den Anforderungen des § 52a Abs. 2 FGO i.V.m. § 2 ERVV.
30bb) Die am 24.10.2023 übermittelte Klageschrift entspricht zudem den o.g. Anforderungen des § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO.
31(1) Die am 24.10.2023 übermittelte Klageschrift ist (einfach) durch die eingescannte eigenhändige Unterschrift des Klägers signiert i.S.d. § 52a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. FGO.
32(2) Die Klageschrift ist auch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt), über das die Klage übermittelt wurde, ist ein sicherer Übermittlungsweg in diesem Sinne (vgl. BFH, Beschlüsse vom 08.05.2024 – II R 3/23, juris, vom 02.02.2024 – VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415 und vom 28.04.2023 – XI B 101/22, BStBl II 2023, 763). Es handelt sich um ein auf gesetzlicher Grundlage (§ 86d f. Steuerberatungsgesetz, StBerG) im Zeitpunkt der Klageerhebung errichtetes (vgl. § 157e StBerG) elektronisches Postfach.
33Soweit der 10. Senat des BFH jüngst Zweifel geäußert hat, ob die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung wirksam geworden ist (vgl. BFH, Beschluss vom 17.04.2024 – X B 68, 69/23 –, DStR 2024, 1127), kann der Senat dies offenlassen. Zwar folgert der 10. Senat des BFH aus diesen Zweifeln an der Wirksamkeit der StbPPV auch Zweifel an der aus § 52d Satz 2 FGO folgenden Pflicht zur Nutzung des beSt. Auf diese kommt es vorliegend indes nicht an, da die Übermittlung über ein beSt-Postfach erfolgte. Allein entscheidend ist vorliegend, ob es sich bei dem beSt um einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO handelt, was wie dargelegt der Fall ist.
34(3) Soweit in der Rechtsprechung bei Übermittlung eines nicht qualifiziert signierten Dokumentes aus dem besonderen elektronischen Postfach einer Einzelperson verlangt wird, dass die das Dokument (einfach) signierende Person und die des tatsächlichen Versenders übereinstimmen müssen (vgl. dazu zum wortgleichen § 130a Abs. 3 ZPO: BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28 bzw. zum wortgleichen § 65a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): BSG, Beschluss vom 18.11.2020 – B 1 KR 1/20 B, juris), steht dies der Formwirksamkeit der Klageerhebung vorliegend nicht entgegen.
35Zwar lässt sich aus dem gerichtsseitig erstellten Prüfvermerk über die als elektronisches Dokument eingegangene Klageschrift nicht erkennen welche Einzelperson die Klageschrift über das beSt der Berufsausübungsgesellschaft versendet hat, insbesondere ob die Versendung durch den Kläger als Unterzeichner der Klageschrift erfolgte. Die Frage der Personenidentität zwischen Unterzeichner und Postfachinhaber muss in diesem Fall jedoch berücksichtigen, dass das Postfach hier nicht einer Einzelperson sondern einer Körperschaft zugeordnet ist (ebenso zur vergleichbaren Problematik beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo): BVerwG, Beschluss vom 18.05.2020 – 1 B 23/20, 1 PKH 14/20, juris). Es entspricht dem expliziten Willen des Gesetzgebers, dass auch Berufsausübungsgesellschaften über das beSt wirksam nicht qualifiziert signierte elektronische Dokumente übermitteln können sollen. Das folgt bereits unmittelbar aus § 86e Abs. 2 StBerG wonach die Steuerberaterkammer der Bundessteuerberaterkammer zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs unter anderem die Familiennamen und den oder die Vornamen und die Berufe der gesetzlich vertretungsberechtigten Berufsträger, die befugt sind, für Berufsausübungsgesellschaften Dokumente mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, übermittelt. Zudem leitet der 4. Senat des BFH aus den §§ 86e und 157e StBerG eine Pflicht zur Nutzung des beSt für jede im Steuerberaterverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft (Steuerberatungsgesellschaft) ab (vgl. BFH, Beschluss vom 23.01.2024 – IV B 46/23, Rn. 5, juris). Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Willens und der vom 4. Senat des BFH aus dem Gesetz hergeleiteten Nutzungspflicht des beSt auch für Berufsausübungsgesellschaften, kann der Wirksamkeit einer auf diesem Wege eingereichten Klage nicht entgegengehalten werden, dass der gerichtsseitig erstellte und damit dem Einflussbereich des jeweiligen Beteiligten entzogene Prüfvermerk nur die Berufsausübungsgesellschaft als Absender und keine für diese bei der Übersendung handelnde Einzelperson erkennen lässt. In diesem Fall wird dem Zweck der Formvorschrift in § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass das elektronische Dokument von einer für die Berufsausübungsgesellschaft vertretungsberechtigten Person einfach signiert ist, über das beSt der Berufsausübungsgesellschaft übermittelt wurde und mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) versehen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So war der Kläger als Unterzeichner der Klageschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft, die Klageschrift wurde über das auf diese eingerichtete beSt übermittelt und war zudem mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis versehen („Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“).
36Zwar trifft es zu, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über das beSt einer Berufsausübungsgesellschaft, anders als die qualifizierte elektronische Signatur, keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Dokuments von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen. Dies ist jedoch, genau wie beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo), bei dem ebenfalls keine Möglichkeit besteht, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen, hinzunehmen (so zum beBPo: BGH, Beschluss vom 06.04.2023 – I ZB 84/22, NJW-RR 2023, 906).
37c) Vor dem Hintergrund der ohnehin zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es hinsichtlich des bei ursprünglicher Klageeinreichung verwendeten unzulässigen Dateiformats auf § 52a Abs. 6 Satz 2 FGO nicht an.
383. Da der Senat lediglich eine Zwischenentscheidung erlassen hat, bleibt die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten (vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BStBl II 2023, 267).
394. Die Revision war zuzulassen, weil die Frage der Formwirksamkeit einer über das beSt einer Berufsausübungsgesellschaft eingereichten Klage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).