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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Abgrenzung von Dienstreisen zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Arbeitsstätte.
3Der Kläger ist seit 1988 Flugzeugführer (Pilot) bei der A AG (A). Seit Anfang 2014 ist er arbeitsrechtlich dem Stationierungsflughafen B zugewiesen. Insoweit wird auf den Arbeitsvertrag vom 00.00.1988 sowie das Versetzungsschreiben vom 00.00.2013 verwiesen.
4Im Streitjahr flog der Kläger Langstrecke und musste, wie auch die Crew des jeweiligen Fluges, eine Stunde 50 Minuten vor dem Abflug am Flughafen sein und sich dort online einchecken. Im Streitjahr fuhr der Kläger fast ausschließlich mit dem Auto zum Flughafen in B und kalkulierte hierbei zusätzlich zur Fahrzeit von 1 ½ bis 2 Stunden eine Pufferzeit von einer Stunde zur Eincheckzeit ein. Am Flughafen B betrat der Kläger das Flughafengebäude durch einen separaten Eingang der A. In dem Gebäude befand sich eine Cafeteria sowie eine „Kabelstation“ (Backup – Operational Flight Plan), an der die Piloten Flugunterlagen ausdrucken und Updates der zu Hause auf das Notebook geladenen Flugdaten ziehen konnten, falls das elektronische System bzw. das WLAN und Mobilfunk nicht funktionierten, über das die Updates in der Regel gezogen wurden. Neben der Cafeteria befand sich ein Bereich, in dem vor dem elektronischen Eincheckverfahren schriftlich die Anwesenheit bestätigt werden musste. Dort traf der Kläger in der Regel die anderen Piloten sowie die Crewmitglieder. Dort zog er sich im Streitjahr bei der Hälfte der absolvierten Flüge ein Update der Flugdaten. Auch wurde dort der Flug besprochen, was zwischen einer und fünf Minuten dauerte. Von dort begab sich nach Möglichkeit die gesamte Besatzung zur Sicherheitskontrolle und dann mit dem Bus zum Flugzeug. Die Aufbruchzeit aus dem Raum neben der Cafeteria bestimmte sich nach der Fahrzeit zum Flugzeug. Dies war ca. eine Stunde 40 Minuten vor dem Abflug, teilweise auch später. Daneben führte die A Gesundheitsuntersuchungen (Alkohol- und Drogentest) der Crewmitglieder nach einer Zufallsauswahl durch. Der Kläger wurde hierfür ca. einmal im Jahr ausgewählt.
5Im Cockpit übertrug der Kläger die Flugdaten per Kabel ins Flugzeugsystem, teilte dem Tankfahrzeug die konkret zu tankende Treibstoffmenge mit und überwachte den Tankvorgang. Weiterhin musste der Kläger entscheiden, ob eine flugzeugseitige Sicherheitskontrolle durchzuführen war, bei der das Flugzeug auf Bomben o. Ä. untersucht wurde.
6Daneben musste der Kläger das Flugzeug auf Flugsicherheit überprüfen, was mit einem erheblichen Aufwand verbunden war. Hierzu musste er insbesondere Fehlermeldungen überprüfen und einschätzen, ob hierdurch die Flugtauglichkeit beeinträchtigt war. Teilweise hat der Kläger auch Techniker angewiesen, Mängel zu beheben oder ihm zu bescheinigen, dass ein solcher nicht behoben werden konnte. Der Kläger hatte dann abzuschätzen, ob der Flug noch durchgeführt werden konnte. Den Outside-Check des Flugzeugs delegierte der Kläger in der Regel an einen Copiloten.
7Mit der Steuererklärung für 2018 machte der Kläger für 73 Fahrten zum Flughafen B 300 gefahrene Kilometer (Hin- und Rückfahrt) mit einem Betrag von 0,30 € (= 6.570 €) als Werbungskosten/Dienstreisen bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 18.03.2020 berücksichtigte der Beklagte die Fahrten lediglich als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit 3.285 € (73 Fahrten x 150 Km x 0,30 €).
8Hiergegen erhoben die Kläger am 09.04.2020 mit der Begründung Einspruch, dass es sich bei dem vom Arbeitgeber dem Kläger zugewiesenen Stationierungsflughafen in B nicht um dessen erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele. Daher seien für die Fahrten zum Flughafen B die tatsächlichen Kosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen. Insbesondere sei das Urteil des BFH in den Verfahren VI R 40/16 nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Hierzu führt der Kläger in seinem Schreiben vom 18.05.2020 (persönlich) aus, dass sich durch die Umstellung auf elektronische Dienstpläne, den Wechsel zur rein elektronischen Bearbeitung der Flugvorbereitung und der Abschaffung der bisherigen Postfächer bei der A am Flughafen B mit Umstellung auf elektronische Postfächer die Tätigkeit am Flughafen wesentlich verändert habe. Die Flugvorbereitung umfasse bei einem Langstreckenflug 80 – 120 Seiten und erfolge im Homeoffice. Es seien lediglich 15 Minuten am Flughafen für das Treffen mit der Crew und der Kabinenbesatzung vorgesehen. Diese Zeit diene im Wesentlichen der Kontrolle, ob die Crew vollzählig den Flug antreten könne oder ob ggf. ein Reserve-Besatzungsmitglied zu rufen sei sowie der Anmeldung. Die Cockpit-Besatzung nehme in der Regel ein Update der zu Hause geladenen Daten und Wettermeldungen vor, begrüße am Flughafen die Kabinenbesatzung und gehe zur Sicherheitskontrolle. Bei einer sog. Proceeding/Dead Head-Anreise, die sich häufig auf dem Dienstplan befinde, begebe sich der Pilot wie ein Passagier bspw. ins Ausland, wo dann seine Tätigkeit beginne. Auch fänden die Simulatoreinsätze außerhalb des Flughafens statt. Dies gelte auch für medizinische Untersuchungen, die er bei C in D absolviere. Seine Seminare würden von der A1 GmbH durchgeführt und fänden in E und in anderen Tagungshotels in F und dem G Gebiet statt. Er begebe sich dann unmittelbar von seiner Wohnung zum Tagungshotel.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 02.06.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Beim B Flughafen handele es sich um die erste Tätigkeitsstätte des Klägers nach § 9 Abs. 4 EStG. Damit seien sämtliche Aufwendungen für Fahrten zum Flughafen mit der Entfernungspauschale abgegolten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EStG). Es handele sich beim Flughafen um einen fest mit dem Grund und Boden verankerten Gebäudekomplex, dem der Kläger aufgrund Versetzungsschreiben vom 00.00.2013 zum 01.01.2014 arbeitsrechtlich fest zugeordnet sei. Zwar werde der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im Cockpit ausgeübt, das mangels Ortsfestigkeit keine erste Tätigkeitsstätte sei. Jedoch sei es nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11.04.2019, IV R 40/16) ausreichend, dass zumindest im geringen Umfang Tätigkeiten ausgeübt würden, die zum ausgeübten Berufsbild gehören und arbeitsvertraglich bzw. dienstrechtlich geschuldet würden. Der Kläger habe trotz Aufforderung nicht nachgewiesen, dass keinerlei solche Tätigkeiten am Flughafen B ausgeübt wurden.
10Hiergegen haben die Kläger am 26.04.2021 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Berücksichtigung der Fahrtkosten des Klägers zum Flughafen B als Reisekosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG begehren.
11Zur Begründung wiederholen die Kläger ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend führen sie an, dass im Einspruchsverfahren umfangreich dazu vorgetragen worden sei, dass der Kläger keinerlei Tätigkeiten am Flughafen B ausgeführt habe, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schulde. Insbesondere nehme der Kläger an keinen Briefings am Flughafen B teil. In dem Verfahren IV R 40/16 sei der BFH von dem Sachverhalt ausgegangen, dass aufgrund von dienstlichen Vorschriften ein Aufenthalt und Briefing von 2 Stunden am Flughafen vorgelegen habe. Dies sei vielleicht vor vielen Jahren einmal der Fall gewesen, als es noch keine elektronische Verarbeitung gegeben habe. Dies werde aber schon seit vielen Jahren nicht mehr praktiziert. Auch stelle die A dem Piloten kein Büro am Flughafen zur Verfügung und er, der Kläger, führe dort auch keine Bürotätigkeiten aus. Die Digitalisierung erlaube die Flugvorbereitung und die Updates an jedem Ort, der einen Internetanschluss habe. Nach der Ankunft auf dem Flughafen begebe sich der Kläger zusammen mit der Crew unmittelbar zum Flugzeug, wo er dann im Cockpit sämtliche sicherheitsrelevanten Arbeiten rund um den Flug absolviere. Unter Verweis auf die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie die Manteltarifverträge (Anlage II zum außergerichtlichen Schreiben vom 02.06.2020) stelle der Flughafen keinen Tätigkeitsort und damit erst recht keine erste Tätigkeitsstätte dar. Auch suche der Kläger den Flughafen nicht täglich auf.
12Ergänzend verweist der Kläger auf die damals anhängigen, nunmehr rechtskräftig entschiedenen Verfahren beim FG Nürnberg (8 K 672/22) und beim FG Hamburg (6 K 80/20). Daneben verweist er auf das Urteil des BFH vom 02.09.2021 (VI R 25/19), wonach ein Müllwerker am Betriebshof keine erste Tätigkeitsstätte habe, wenn er dort von der Tourenleitung in einem dafür vorgesehenen Raum Ansagen erhalte, das Tourenbuch, die Fahrzeugpapiere und den Schlüssel abhole sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliere. Damit komme es nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an. Zeitlich und sachlich werde er, der Kläger, am Flughafen nicht mehr tätig, als der Müllwerker am Betriebshof. Insoweit habe der BFH ganz offensichtlich seine frühere Rechtsansicht in den Urteilen VI R 40/16 und 17/17 aufgegeben.
13Weitergehend erläutert der Kläger (persönlich) mit Schreiben vom 21.12.2023 erneut seine Tätigkeiten am Flughafen sowie deren rechtliche Rahmenbedingungen. Hiernach habe die Kontrolle der Crew oder das Einchecken im Streitjahr 2018 regelmäßig online stattgefunden, was mit dem Computer auf dem elektronischen Flugbuch (EFB = Electronic Flight Bag) keine 5 Minuten und auf dem Diensthandy 20 Sekunden gedauert habe. Hierfür könne auch ein öffentliches WLAN genutzt werden. Das Check-In müsse 30 Minuten vor der von A festgelegten Meldezeit erfolgen. Insoweit wie auch im Übrigen wird auf das Schreiben vom 21.12.2023 (Blatt 57 ff. GA) Bezug genommen.
14Der Kläger beantragt,
15den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 18.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2021 insoweit zu ändern, dass 3.285 € als weitere Werbungskosten von den Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 02.06.2021. Ergänzend führt er an, dass die Schilderungen des Klägers zum Umfang seiner Tätigkeiten am Flughafen in seinen Schriftsätzen vom 18.05.2020 und 21.12.2023 erheblich voneinander abweichen würden. So habe er im Schreiben vom 18.05.2020 noch ausgeführt, dass seitens des Arbeitgebers 15 Minuten zum Treffen der Crew am Flughafen vorgesehen seien, wo im Wesentlichen die Anmeldung sowie die Kontrolle der Crew auf Vollzähligkeit erfolge und das Update der Wetterdaten geladen werde. Demgegenüber trage der Kläger im Schreiben vom 21.12.2023 vor, dass die Vorbereitung des Fluges ohne jede Tätigkeit im Flughafen erfolgen könne und sogar können müsse und dass das letztmalige Update der Flugdaten im Cockpit erfolge.
19Es liege eine arbeitsrechtliche Zuordnung des Klägers zum Flughafen B vor und dort würden auch in ausreichendem Maße arbeitsvertraglich geschuldete und zum Berufsbild des Piloten gehörende Arbeiten ausgeführt. Hierzu zählten die Kontrolle der Crew, der Check-In sowie die Prüfung der Flugtauglichkeit des Personals. Das Tätigwerden am Flughafen sei unerlässlich, um die Sicherheit zu gewährleisten. Hierbei sei es unerheblich, ob diese Tätigkeiten zur bezahlten Flugzeit zählten. Auch wenn die Tätigkeiten im Cockpit nicht in die Betrachtung einbezogen würden, seien alle Tätigkeiten zu berücksichtigen, die auf dem Flughafen als großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet erbracht würden. Hierzu zählten auch Nacharbeiten nach Flügen (bspw. bei Unregelmäßigkeiten auf dem Flug), die idealerweise direkt nach dem Flug erfolgen würden.
20Aufgrund des unterschiedlichen Umfangs der anfallenden Arbeiten scheine weder eine ausschließliche Erledigung im Flugzeug noch ein ausschließliches Tätigwerden außerhalb des Flughafens (online, unterwegs, im Arbeitszimmer etc.) glaubhaft. Die eingereichten arbeitsvertraglichen Unterlagen ließen weder Rückschlüsse auf den Zeitpunkt noch auf den Ort, an dem solche Arbeiten zu erledigen seien, zu.
21Daneben habe der Kläger vorgetragen, dass er 3 Stunden vor dem Abflug zum Flughafen aufbreche, so dass er bei normaler Verkehrslage 1 Stunde vor Abflug am Flughafen sei. Hier stelle sich die Frage, welche Tätigkeit er dann vor Ort ausübe.
22Schließlich könne ein Arbeitnehmer – insbesondere bei erfolgter Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte – das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer solchen nicht dadurch beeinflussen, dass er Tätigkeiten nicht an diesem Ort ausübe. Der Arbeitgeber untersage ein Tätigwerden am Flughafen nicht.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist unbegründet.
25Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO).
26Der Beklagte hat die geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Flughafen B zu Recht nicht berücksichtigt. Die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten sind mit der vom Beklagten berücksichtigten Entfernungspauschale abgegolten.
271.
28Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).
292.
30Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
31a)
32Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (BFH-Urteil vom 11.04.2019, VI R 40/16).
33b)
34Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.
35c)
36Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
37d)
38Daneben ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an diesem Ort auch tätig werden soll (BFH-Urteile vom 11.04.2019, VI R 40/16 und vom 02.09.2021, VI R 25/19, juris, Rdnr. 26).
393.
40Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger im Streitjahr am Flughafen B seine erste Tätigkeitsstätte.
41a)
42Der Flughafen B ist eine großräumige, räumlich abgrenzbare und ortsfeste Einrichtung, die in einem organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit der A steht. Er dient als Stationierungsort von Flugzeugen der A und ist Ausgangspunkt von deren Flügen. Hierbei ist es unerheblich, dass dieser nicht im Eigentum der A steht, da erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG auch eine betriebliche Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten sein kann. Der Flughafen umfasst als ortsfeste betriebliche Einrichtung sowohl die Gebäude als auch das übrige Gelände, wie bspw. die Zu- und Abfahrtswege, Rollbahnen und Parkplätze der Flugzeuge.
43b)
44Der Kläger ist auch arbeitsrechtlich von der A dem Flughafen B zugeordnet. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
45c)
46Die Zuordnung war auch dauerhaft, weil in dem vorgelegten Arbeitsvertrag sowie den Versetzungsschreiben keine Befristung für die Zuweisung zum Flughafen B vorgesehen wurde. Der arbeitsvertragliche Vorbehalt der A, den Kläger jederzeit an einem anderen Ort einsetzen zu können, ändert daran nichts.
47In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass der Kläger nicht arbeitstäglich zum Flughafen B gefahren ist. Auf dieses in § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 EStG enthaltene Tatbestandsmerkmal kommt es nur hilfsweise an, wenn es an einer Dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte fehlt oder diese nicht eindeutig ist (§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG). Vorliegend ist der Kläger jedoch unstreitig dem Flughafen B arbeitsrechtlich zugeordnet.
48Dies gilt entsprechend für die sog. „Dead-Head-Flüge“, bei denen der Kläger sich wie ein Passagier zunächst zu einem anderen Flughafen begibt und dann von dort aus seinen Flug beginnt.
49d)
50Schließlich wurde der Kläger in Erfüllung seines Arbeitsvertrages auch im hinreichenden Umfang seinem Berufsbild als Pilot entsprechend am Flughafen B tätig, um diesen als erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG einzuordnen.
51aa)
52Wie der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekundet hat, musste er sich im Streitjahr, in dem er Langstrecke flog, eine Stunde und 50 Minuten vor der Abflugzeit am Flughafen online einchecken. Da er eine Pufferzeit von einer Stunde einplante, war er bei normalen Verkehrsverhältnissen sogar mindestens zwei Stunden und 50 Minuten vor dem Abflug am Flughafen. In der Zeit bis zum Abflug traf er sich mit der Crew und führte bei der Hälfte der Flüge im Flughafengebäude ein Update der Flugdaten durch, besprach den Flug, was eine bis fünf Minuten dauerte und unterzog sich dort im Wege der Zufallsauswahl einer Gesundheitsuntersuchung (Alkohol- und Drogentest), was ihn ca. einmal im Jahr traf. Daneben unterzog sich der Kläger dort der Sicherheitskontrolle.
53bb)
54Der Senat kann offenlassen, ob diese im Flughafengebäude ausgeführten Tätigkeiten bereits ausreichen, um dort eine erste Tätigkeitsstätte anzunehmen. Zu den Tätigkeiten gehören nämlich alle auf dem Flughafengelände als großräumige ortsfeste betriebliche Einrichtung ausgeführten Tätigkeiten. Hierzu zählen mithin auch die Tätigkeiten des Klägers im Flugzeug bis zu dessen Abheben von der Rollbahn.
55Vor dem Abheben spielte der Kläger die Flugdaten per Kabel ins Flugzeugsystem ein, teilte dem Tankfahrzeug die konkret zu tankende Treibstoffmenge mit und überwachte den Tankvorgang. Weiterhin entschied der Kläger, ob eine flugzeugseitige Sicherheitskontrolle durchzuführen ist, bei der das Flugzeug auf Bomben o. Ä. untersucht wird. Daneben musste der Kläger das Flugzeug auf Flugsicherheit überprüfen, was laut seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung mit einem erheblichen Aufwand verbunden war. Hierzu hatte er insbesondere Fehlermeldungen zu überprüfen und einzuschätzen, ob hierdurch die Flugtauglichkeit beeinträchtigt war. Teilweise hat der Kläger auch Techniker angewiesen einen Mangel zu beheben oder ihm zu bescheinigen, wenn ein solcher nicht behoben werden konnte. Der Kläger hatte dann abzuschätzen, ob der Flug noch durchgeführt werden konnte.
56Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um die dem Berufsbild eines Piloten entsprechenden Tätigkeiten, der u. a. für die Sicherheit des Fluges verantwortlich ist.
57cc.
58Entgegen der Ansicht des Klägers widerspricht dies nicht der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 26.02.2014, VI R 68/12. Hierin hat der BFH noch zur alten Rechtslage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (bis VZ 2014) entschieden, dass das Cockpit eines Flugzeuges mangels Ortsfestigkeit keine regelmäßige Arbeitsstätte ist. Der Senat geht, wie der BFH, davon aus, dass das Cockpit eines Flugzeuges keine ortsfeste Einrichtung ist. Hieraus kann jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sämtliche Tätigkeiten eines Piloten im Cockpit eines Flugzeugs für die Frage unberücksichtigt bleiben, ob er im hinreichenden Umfang arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten erbringt, die dem Berufsbild als Pilot entsprechen. Vielmehr sind, wie oben ausgeführt, sämtliche arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten des Piloten auf der „großräumigen Tätigkeitsstätte Flughafen“ zu berücksichtigen. Der Umstand, dass sich der Pilot hierbei teils in einem ortsveränderlichen Fahrzeug (hier Luftfahrzeug) befindet, ändert hieran nichts. Denn auch Tätigkeiten in seinem Fahrzeug auf einer großräumigen Tätigkeitsstätte werden an dieser erbracht. Es kommt mithin nicht auf die Ortsveränderlichkeit des Fahrzeugs, sondern auf die Ortsfestigkeit des Flughafengeländes an, wo die Tätigkeiten erbracht werden.
59dd.
60Auch steht die Entscheidung des Senats nicht im Widerspruch mit dem sog. Müllwerker-Urteil des BFH vom 02.09.2021, VI R 25/19. Hiernach ist der Betriebshof eines Müllwerkers jedenfalls dann keine erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert. Diese vom Finanzgericht festgestellten Tätigkeiten stufte der BFH als geringfügig ein und hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
61Im Verhältnis zum vorliegenden Verfahren sind die Sachverhalte jedoch nicht vergleichbar. Anders als der Müllwerker wurde der Kläger am Flughafen B qualitativ und quantitativ in erheblichem Umfang tätig (s. o.). Hierfür spricht auch, dass der Kläger mindestens eine Stunde und 50 Minuten vor dem Abflug im Flughafen B war und dann zeitnah zum Flugzeug aufbrach, um den Flug vorzubereiten.
624.
63Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Satz 1 FGO zuzulassen. Soweit ersichtlich, hat der BFH bisher noch nicht die Frage entschieden, ob nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage die Tätigkeiten eines Piloten im Cockpit eines Flugzeugs der großräumigen Tätigkeitsstätte Flughafen zuzuordnen sind.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.