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Es wird festgestellt, dass die Klage in zulässiger Weise durch Einreichung als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach der A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft erhoben worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
I.
2Die Beteiligten streiten in der Sache um die Berücksichtigung eines Verlustes aus § 17 EStG und nachträglicher Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an der B GmbH im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres (2017) sowie um die Anpassung des zur Einkommensteuer 2017 festgesetzten Verspätungszuschlages.
3Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung einen Verlust nach § 17 EStG aus seiner Beteiligung an der B GmbH in Höhe von … EUR und nachträgliche Betriebsausgaben zu dieser Beteiligung in Höhe von … EUR geltend.
4Gegen den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 01.09.2020, in dem der Beklagte weder den geltend gemachten Verlust aus § 17 EStG noch die nachträglichen Betriebsausgaben berücksichtigte, legte der Kläger am 25.09.2020 Einspruch ein, mit dem er unter anderem nunmehr die Berücksichtigung eines Verlustes aus der Beteiligung an der B GmbH von … EUR und der bereits erklärten nachträglichen Betriebsausgaben zu dieser Beteiligung begehrte.
5In der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2023 entsprach der Beklagte teilweise – hinsichtlich zwischen den Beteiligten nicht mehr streitiger Punkte – dem Begehren des Klägers, lehnte jedoch eine Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes aus der Beteiligung an der B GmbH ab und wies auch den Einspruch gegen den Verspätungszuschlag als unbegründet zurück.
6Hiergegen erhob der Kläger im Namen der A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft, als seine Prozessbevollmächtigte Klage, die ausweislich des seitens des Gerichts erzeugten Prüfvermerks über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach der A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft übermittelt wurde. Der Kläger war im Handelsregister seit dem 00.00.2017 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft eingetragen. Die nicht qualifiziert signierte pdf.-Datei der Klageschrift war von dem Kläger handschriftlich unterschrieben und ausweislich des gerichtsseitig erstellten Prüfvermerks vom 23.07.2023 an diesem Tage um 13:21:08 Uhr bei Gericht eingegangen. Der Prüfvermerk trägt den Hinweis: „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“
7Mit Hinweisschreiben vom 25.10.2023 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Formwirksamkeit der Klageerhebung bestehen könnten, da aus dem Prüfvermerk nicht ersichtlich sei, ob der Unterzeichner des Schreibens dieses auch abgesendet habe, da der Prüfvermerk als Absender lediglich die Berufsausübungsgesellschaft nenne.
8Der Kläger ist der Auffassung, dass die Formerfordernisse der elektronischen Klageerhebung erfüllt seien und somit die Klage im Sachlichen angegangen werden könne.
9Der Beklagte hat auf eine Stellungnahme zur Zulässigkeit der Klage verzichtet.
10II.
111. Der Senat entscheidet über die Frage der Formwirksamkeit der Klage durch Zwischen-Gerichtsbescheid gemäß §§ 97, 90a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
12a) Nach § 97 FGO kann über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Das Zwischenurteil kann sich dabei nach dem Zweck des § 97 FGO auf die Bejahung einer einzelnen Prozessvoraussetzung beschränken (vgl. BFH, Urteil vom 22.07.2015 – V R 50/14, BFH/NV 2015, 1694). In den Fällen des § 97 FGO kann die Entscheidung auch durch einen Gerichtsbescheid ergehen (BFH, Zwischenurteil vom 05.11.2019 – X R 15/18, BFH/NV 2020, 526).
13b) Der Erlass einer Zwischenentscheidung gemäß § 97 FGO betreffend die Formwirksamkeit der Klageerhebung ist im vorliegenden Verfahren sachgerecht. Hierdurch wird die in dieser Hinsicht durch den gerichtlichen Hinweis vom 25.10.2023 aufgeworfene Ungewissheit über die Zulässigkeit der Klage beseitigt, so dass sich der Rechtsstreit im weiteren Verlauf auf die materiell-rechtlichen Fragen konzentrieren kann.
142. Die Klage ist formwirksam erhoben worden.
15Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, § 64 Abs. 1 FGO. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe des § 52a Absätze 2 bis 6 FGO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden, § 52a Abs. 1 FGO. Gemessen daran wurde die Klage am 23.07.2023 formwirksam erhoben.
16a) Wird die Klage als elektronisches Dokument eingereicht, muss dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein, § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO. Das elektronische Dokument ist dazu nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) im Dateiformat PDF zu übermitteln. Diesen Anforderungen entsprach die am 23.07.2023 bei Gericht eingegangene Klageschrift (vgl. dazu § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO).
17b) Das elektronische Dokument muss des Weiteren entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO. In letzterem Fall dient der sogenannte vertrauenswürdige Herkunftsnachweis (vHN) – ein Zertifikat, das gemeinsam mit dem elektronischen Dokument übermittelt wird – dem Nachweis, dass eine Nachricht aus einem bestimmten Postfach, etwa einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach oder einem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach, versandt wurde (vgl. ausführlich zum vHN: BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28; BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649). Auch diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
18aa) Die Klageschrift ist (einfach) signiert i.S.d. § 52a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. FGO. Die (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. zum wortgleichen § 130a Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO): BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186 und BGH, Beschluss vom 07.09.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. zum wortgleichen § 130a ZPO: BGH, Beschluss vom 07.09.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Dem wird die Klageschrift durch die eigenhändige eingescannte Unterschrift gerecht.
19bb) Die Klageschrift ist auch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt), über das die Klage übermittelt wurde, ist ein sicherer Übermittlungsweg in diesem Sinne (vgl. BFH, Beschlüsse vom 08.05.2024 – II R 3/23, juris, vom 02.02.2024 – VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415 und vom 28.04.2023 – XI B 101/22, BStBl II 2023, 763). Es handelt sich um ein auf gesetzlicher Grundlage (§ 86d f. Steuerberatungsgesetz, StBerG) im Zeitpunkt der Klageerhebung errichtetes (vgl. § 157e StBerG) elektronisches Postfach.
20Soweit der 10. Senat des BFH jüngst Zweifel geäußert hat, ob die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung wirksam geworden ist (vgl. BFH, Beschluss vom 17.04.2024 – X B 68, 69/23, DStR 2024, 1127), kann der Senat dies offenlassen. Zwar folgert der 10. Senat des BFH aus diesen Zweifeln an der Wirksamkeit der StbPPV auch Zweifel an der aus § 52d Satz 2 FGO folgenden Pflicht zur Nutzung des beSt. Auf diese kommt es vorliegend indes nicht an, da die Übermittlung über ein beSt-Postfach erfolgte. Allein entscheidend ist vorliegend, ob es sich beim beSt um einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO handelt, was wie dargelegt der Fall ist.
21cc) Soweit in der Rechtsprechung bei Übermittlung eines nicht qualifiziert signierten Dokumentes aus dem besonderen elektronischen Postfach einer Einzelperson verlangt wird, dass die das Dokument (einfach) signierende Person und die des tatsächlichen Versenders übereinstimmen müssen (vgl. dazu zum wortgleichen § 130a Abs. 3 ZPO: BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28 bzw. zum wortgleichen § 65a Abs. 3 SGG: BSG, Beschluss vom 18.11.2020 – B 1 KR 1/20 B, juris), steht dies der Formwirksamkeit der Klageerhebung vorliegend nicht entgegen.
22Zwar lässt sich aus dem gerichtsseitig erstellten Prüfvermerk über die als elektronisches Dokument eingegangene Klageschrift nicht erkennen, welche Einzelperson die Klageschrift über das beSt der Berufsausübungsgesellschaft versendet hat, insbesondere ob die Versendung durch den Kläger als Unterzeichner der Klageschrift erfolgte. Die Frage der Personenidentität zwischen Unterzeichner und Postfachinhaber muss in diesem Fall jedoch berücksichtigen, dass das Postfach hier nicht einer Einzelperson sondern einer Körperschaft zugeordnet ist (ebenso zur vergleichbaren Problematik beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo): BVerwG, Beschluss vom 18.05.2020 – 1 B 23/20, 1 PKH 14/20, juris). Es entspricht dem expliziten Willen des Gesetzgebers, dass auch Berufsausübungsgesellschaften über das beSt wirksam nicht qualifiziert signierte elektronische Dokumente übermitteln können sollen. Das folgt bereits unmittelbar aus § 86e Abs. 2 StBerG wonach die Steuerberaterkammer der Bundessteuerberaterkammer zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs unter anderem die Familiennamen und den oder die Vornamen und die Berufe der gesetzlich vertretungsberechtigten Berufsträger, die befugt sind, für Berufsausübungsgesellschaften Dokumente mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, übermittelt. Zudem leitet der 4. Senat des BFH aus den §§ 86e und 157e StBerG eine Pflicht zur Nutzung des beSt für jede im Steuerberaterverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft (Steuerberatungsgesellschaft) ab (vgl. BFH, Beschluss vom 23.01.2024 – IV B 46/23, Rn. 5, juris). Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Willens und der vom 4. Senat des BFH aus dem Gesetz hergeleiteten Nutzungspflicht des beSt auch für Berufsausübungsgesellschaften, kann der Wirksamkeit einer auf diesem Wege eingereichten Klage nicht entgegengehalten werden, dass der gerichtsseitig erstellte und damit dem Einflussbereich des Beteiligten entzogene Prüfvermerk nur die Berufsausübungsgesellschaft als Absender und keine für diese bei der Übersendung handelnde Einzelperson erkennen lässt. In diesem Fall wird dem Zweck der Formvorschrift in § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass das elektronische Dokument von einer für die Berufsausübungsgesellschaft vertretungsberechtigten Person einfach signiert ist, über das beSt der Berufsausübungsgesellschaft übermittelt wurde und mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) versehen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So war der Kläger als Unterzeichner der Klageschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft, die Klageschrift wurde über das auf diese eingerichtete beSt übermittelt und war zudem mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis versehen („Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“).
23Zwar trifft es zu, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über das beSt einer Berufsausübungsgesellschaft, anders als die qualifizierte elektronische Signatur, keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Dokuments von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen. Dies ist jedoch, genau wie beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo), bei dem ebenfalls keine Möglichkeit besteht, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen, hinzunehmen (ebenso zum beBPo: BGH, Beschluss vom 06.04.2023 – I ZB 84/22, NJW-RR 2023, 906).
243. Da der Senat lediglich eine Zwischenentscheidung erlassen hat, bleibt die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten (vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BStBl II 2023, 267).
254. Die Revision war zuzulassen, weil die Frage der Formwirksamkeit einer über das beSt einer Berufsausübungsgesellschaft eingereichten Klage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).