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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf ... EUR festgesetzt.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, inwieweit Versicherungsentgelt, das zur Absicherung von nicht in Deutschland belegenen Risiken von Konzerngesellschaften an nicht in der EU bzw. im EWR ansässige Versicherer gezahlt wurde, im Inland der Versicherungsteuer unterliegt.
3Die Klägerin ist ein inländisches Kreditinstitut in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie hält mehrheitliche Anteile an verschiedenen – zivilrechtlich selbständigen – Tochtergesellschaften mit Sitz im Ausland („Subsidiaries“). Darüber hinaus unterhält sie im Ausland Zweigniederlassungen/Betriebsstätten („Branches“).
4Für die Streitzeiträume gab die Klägerin zunächst im Jahr 2013 Versicherungsteueranmeldungen sowie in der Folgezeit hierzu Berichtigungen ab (vgl. Bl. 46, 52, 59, 65, 67, 70, 75, 86 der Rechtsbehelfsakte des Beklagten, „Vorakte“ Band 1). Sodann wurde zwischen der Klägerin und dem Beklagten unter Beteiligung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) die Reichweite des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3 VersStG erörtert und hierbei insbesondere die Frage, inwieweit es für eine Versicherungsteuerpflicht bezüglich der bei in Drittstaaten ansässigen Versicherern abgeschlossenen Versicherungen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG in der seit 1. Januar 2013 geltenden Fassung auf die Belegenheit des Risikos ankomme. Der Beklagte vertrat hierbei die Ansicht, dass es für die Anwendbarkeit dieser Norm ausreichend sei, dass das versicherte Risiko einen wie auch immer gearteten Bezug zum Unternehmen bzw. zur Betriebsstätte im Inland aufweise. Unerheblich sei, ob das versicherte Risiko von der Betriebsstätte bzw. ihren Angehörigen ausgehe oder ob es sich bei Eintritt des Versicherungsfalls bei einer Betriebsstätte bzw. ihren Angehörigen verwirkliche. Ein Bezug zur inländischen Einrichtung sei lediglich dann nicht gegeben, wenn sich das versicherte Risiko im Schadensfall ausschließlich im Ausland realisieren würde. Die zivilrechtliche Behandlung einer Niederlassung als rechtlich unselbstständige Einheit führe dazu, dass die Klägerin Versicherungsnehmerin sei und die gesamte von ihr gezahlte Versicherungsprämie in Deutschland der Versicherungsteuer unterliege.
5Die im Jahre 2013 eingereichten Versicherungsteueranmeldungen sowie die nachfolgenden berichtigenden Anmeldungen waren von Verantwortlichen der seinerzeit als Bevollmächtigte für die Klägerin tätigen Z Versicherungs-Vermittlungs GmbH unterschrieben worden (vgl. Bl. 46, 52, 59, 65, 67, 70, 75, 86 der Rechtsbehelfsakte des Beklagten, „Vorakte“ Band 1). Nach einem entsprechenden Hinweis des Beklagten darauf, dass die Unterschrift eines Bevollmächtigten keine eigenhändige Unterschrift im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 VersStG sei, übermittelte die Klägerin (erstmals) am 11. Juli 2018 auf elektronischem Wege (formwirksame) Versicherungsteueranmeldungen für die Streitzeiträume (vgl. Bl. 1 ff., 6 ff. und 11 ff. der Rechtsbehelfsakte des Beklagten, „Hauptakte“)
6Gegenstand dieser Versicherungsteueranmeldungen vom 11. Juli 2018 sind eine Vielzahl von Versicherungsverhältnissen und dazugehöriger Versicherungsprämienzahlungen. In Abprache zwischen den Beteiligten wurden lediglich einzelne der in den Versicherungsteueranmeldungen berücksichtigten Prämienzahlungen als Musterfälle ausgewählt, die den Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren bilden.
7Mit der Versicherungsteueranmeldung für Januar 2012 (vgl. Bl. 11 der Gerichtsakte ‑GA-) wurde ein Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR für eine Kreditausfallversicherung (Versicherungsschein-Nr./Police-Nr. 1...; hierfür gezahltes Entgelt ohne Versicherungsteuer ... EUR, vgl. Bl. 13 der GA) angemeldet. Hierbei handelt es sich um einen im Jahr 2011 durch die in Amerika ansässige Niederlassung der Klägerin als Versicherungsnehmerin mit der Y Insurance Company mit Sitz in den USA abgeschlossenen Versicherungsvertrag, mit dem ausschließlich Risiken der amerikanischen Niederlassung der Klägerin abgedeckt wurden. In der Police-Nr. 1... wurde unter „Declarations“ / „Insured“ als Vertragspartner des Versicherers aufgeführt „W-Bank AG, Q (USA) Branch“, gefolgt von der Adresse der Klägerin in Q (USA) (vgl. Bl. 82 der GA). Des Weiteren ist in der Police unter „Risk Country“ Brasilien und als „Payment Country“ die USA aufgeführt (vgl. Bl. 82 f. der GA). Aufgrund dieses Versicherungsvertrages zahlte die in Q (USA) ansässige Niederlassung der Klägerin entsprechend den versicherten Risiken im Januar 2012 eine Versicherungsprämie i.H.v. ... USD (= ... EUR). Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren ist die sich nach Ansicht des Beklagten daraus ergebende Versicherungsteuer i.H.v. ... EUR.
8Mit der Versicherungsteueranmeldung für Februar 2012 (vgl. Bl. 14 der GA) wurde ein Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR für eine konzernweite Berufshaftpflichtversicherung (Professional Indemnity Insurance, P&I) angemeldet (vgl. Bl. 17 der GA). Dem lag ein durch die Klägerin im Jahre 2009 über den Versicherungsmakler T Limited bei einem Versicherungskonsortium, dem mit der P Insurance Company, Q (USA), auch ein im Drittland ansässiger Versicherer angehörte, abgeschlossener Versicherungsvertrag zu Grunde, mit dem für die Klägerin sowie für ihre ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen Berufshaftpflichtrisiken abgesichert wurden (vgl. hierzu die Police-Nr. 2..., Bl. 99 der GA). „Versicherungsnehmerin“ bzw. „Assured/Reassured“ war laut Versicherungspolice die Klägerin mit der Bezeichnung „W-Bank AG“ und unter Angabe der Adresse der Klägerin in H (vgl. Bl. 101 sowie Bl. 108 der GA). Vom Versicherungsschutz umfasst waren Mitarbeiter der Tochtergesellschaften sowie der Niederlassungen der Klägerin. Die Klägerin belastete auch diese Versicherungsprämien (jährlich insgesamt ... EUR) anteilig nach einem Umlageschlüssel an die mitversicherten ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen weiter. Streitgegenständlich ist dieser weiterbelastete Anteil an der Versicherungsprämie (... EUR gegenüber Niederlassungen und ... EUR gegenüber Tochtergesellschaften mit Sitz außerhalb Deutschlands, mithin insgesamt ... EUR; vgl. Bl. 19 der GA) und die sich nach Ansicht des Beklagten daraus ergebende Versicherungsteuer i.H.v. ... EUR.
9In der Versicherungsteueranmeldung für Februar 2013 (vgl. Bl. 20 der GA) enthalten ist zunächst ein streitiger Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR, dem ein der Fallkonstellation bei der Anmeldung für Januar 2012 vergleichbarer Sachverhalt zugrundeliegt. Hierbei schloss die in Singapur ansässige Niederlassung der Klägerin am 16. Januar 2013 einen Versicherungsvertrag mit der in Singapur ansässigen R Insurance Limited über die Absicherung von Kreditausfallrisiken ausschließlich der Niederlassung der Klägerin in Singapur (Versicherungsschein-Nr. 3..., vgl. Bl. 155 der GA). In der Police-Nr. 3... ist unter „Insured“ als Vertragspartner des Versicherers aufgeführt „W-Bank AG, Singapore Branch“, gefolgt von der Adresse der Klägerin in Singapur (vgl. Bl. 157 der GA). Des Weiteren ist unter „Insured‘s Country“ Singapur vermerkt (vgl. Bl. 159 der GA). Für diese Versicherung wurde durch die Niederlassung der Klägerin in Singapur im Februar 2013 eine Versicherungsprämie i.H.v. ... USD (= ... EUR) gezahlt, woraus sich nach Ansicht des Beklagten ein Versicherungsteuerbetrag von ... EUR ergibt (vgl. Bl. 26 der GA).
10Des Weiteren ist in dem für Februar 2013 angemeldeten Betrag ein streitiger Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR enthalten, dem eine Beteiligung des in Q (USA) ansässigen Versicherers P an der von der Klägerin zugunsten ihrer ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung und damit ein der Fallkonstellation bei der Anmeldung für Februar 2012 vergleichbarer Sachverhalt zugrundeliegt. Streitgegenständlich ist insoweit der weiterbelastete Anteil der an P gezahlten Versicherungsprämie (... EUR gegenüber Niederlassungen und ... EUR gegenüber Tochtergesellschaften mit Sitz außerhalb Deutschlands, mithin insgesamt ... EUR) und die sich nach Ansicht des Beklagten daraus ergebende Versicherungsteuer i.H.v. ... EUR (vgl. Bl. 23, 27 der GA).
11Schließlich ist in der Steueranmeldung für Februar 2013 ein streitiger Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR enthalten (vgl. Bl. 24 der GA), dem eine durch die Deutsche J Ltd., eine Tochtergesellschaft der Klägerin mit Sitz auf den Philippinen, bei einem ebenfalls auf den Philippinen ansässigen Versicherer (K Insurance Co., Inc.) abgeschlossene sog. Directors and Officers Liability Insurance (D&O‑Versicherung) zu Grunde liegt. In der Police-Nr. 4... ist unter „Policyholder“ als Vertragspartner des Versicherers aufgeführt „Deutsche J Ltd., Manila Branch“, gefolgt von der Adresse dieser Gesellschaft auf den Philippinen (vgl. Bl. 180 der GA). Mit dieser D&O-Versicherung wurden Haftpflicht-Vermögensschäden von Organen und Managern der Tochtergesellschaft sowie von Organen und Managern der Niederlassung der Klägerin auf den Philippinen abgedeckt. Die Abrechnung der Versichungsprämie erfolgte gegenüber der Tochtergesellschaft der Klägerin (vgl. Bl. 174 der GA). Von der vertraglich vereinbarten und im Februar 2013 an den Versicherer gezahlten Versicherungsprämie in Höhe von umgerechnet rund ... EUR wurde konzernintern ein Anteil von ... EUR an die mitversicherte Niederlassung der Klägerin in Manila weiterbelastet. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Beklagten ein Versicherungsteuerbetrag von ... EUR.
12Aufgrund dessen liegen den drei streitgegenständlichen Versicherungsteueranmeldungen folgende drei Musterfallgruppen zu Grunde: Die Musterfallkonstellation 1 (hier bzgl. der Anmeldungszeiträume Januar 2012 und – teilweise – Februar 2013) betrifft Fallkonstellationen, in denen jeweils durch Niederlassungen der Klägerin in Q (USA) bzw. Singapur Versicherungsverträge zur Absicherung von Kreditausfallrisiken der Niederlassungen in Q (USA) bzw. Singapur jeweils bei einem Drittlandsversicherer abgeschlossen wurden. Bei der Musterfallkonstellation 2 (hier bzgl. der Anmeldungszeiträume Februar 2012 und – teilweise – Februar 2013) geht es um Versicherungsverträge, die durch die Klägerin abgeschlossen wurden, um Berufshaftpflichtrisiken auch bezüglich ihrer ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen bei einem Versicherungskonsortium im Drittland abzusichern. Die Musterfallkonstellation 3 (hier bzgl. des Anmeldungszeitraums Februar 2013) schließlich erfasst Fälle, in denen durch eine ausländische Tochtergesellschaft der Klägerin ein Versicherungsvertrag zur Absicherung von D&O-Risiken sowohl der Tochtergesellschaft als auch bezüglich der Niederlassung der Klägerin im Ausland bei einem Drittlandsversicherer abgeschlossenen wurde.
13Gegen die am 11. Juli 2018 eingereichten Versicherungsteueranmeldungen legte die Klägerin – vor dem Hintergrund der bereits zuvor mit dem Beklagten unter Beteiligung des BMF geführten Erörterungen – mit Schreiben vom 2. August 2018 Einspruch ein, den sie unter Verweis auf § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG im Wesentlichen damit begründete, dass es bei der Besteuerung auf die Belegenheit des Risikos ankomme. Nur wenn das Risiko in Deutschland belegen sei, falle auch deutsche Versicherungsteuer an. Ein solcher Anknüpfungspunkt im Inland fehle jedoch bei der Versicherung von Kreditrisiken, wenn das versicherte Kreditportfolio buchhalterisch bei der ausländischen Niederlassung geführt werde. Für versicherungsteuerrechtliche Zwecke müsse eine Betriebsstätte als selbständige Einheit behandelt werden, insbesondere da auch nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG eine Betriebsstätte z.B. eigene Mitarbeiter haben könne. Des Weiteren gewähre der Versicherer nicht nur dem Versicherungsnehmer, sondern auch den einzelnen Tochtergesellschaften/Niederlassungen als mitversicherte Personen Versicherungsschutz. Die Versicherungsprämien seien anteilig entsprechend der versicherten Risiken weiterbelastet worden, so dass die Tochtergesellschaften/Niederlassungen die Prämie wie ein unmittelbar beteiligter Versicherungsnehmer getragen hätten. Hätten die Tochtergesellschaften/Niederlassungen die Versicherungsprämien unmittelbar an den Versicherer geleistet, unterläge der Vorgang ohnehin nicht der deutschen Versicherungsteuer.
14Die Einsprüche hinsichtlich der vorstehend aufgeführten Sachverhalte (Musterkonstellationen) betreffend die Anmeldungszeiträume Januar und Februar 2012 sowie Februar 2013 wies der Beklagte sodann mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2019 (vgl. Bl. 28 ff. der GA) als unbegründet zurück. Gleichzeitig entschied der Beklagte, dass hinsichtlich aller weiteren im Einspruchsverfahren strittigen Versicherungsprämien, die aufgrund anderer Versicherungsvertragsverhältnisse gezahlt wurden und hinsichtlich derer mit den Versicherungsteueranmeldungen für die Anmeldungszeiträume Januar 2012, Februar 2012 sowie Februar 2013 Versicherungsteuerbeträge angemeldet worden sind, gemäß § 367 Abs. 2a Satz 2 AO keine Bestandskraft eintreten soll.
15Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass hinsichtlich der streitigen Steueranmeldungen und der dadurch bewirkten Steuerfestsetzungen noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Festsetzungsfrist beginne gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zwar grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde. Vorliegend habe die Festsetzungsfrist jedoch insbesondere nicht aufgrund der im Jahr 2013 eingereichten Steueranmeldungen zu laufen begonnen. Ein Beginn des Fristlaufs scheide aus, soweit eine Steueranmeldung bzw. Steuererklärung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form genüge und damit nicht wirksam erfolgt sei. Vorliegend seien die für die Klägerin eingereichten Versicherungsteueranmeldungen im Jahre 2013 mangels eigenhändiger Unterschrift unwirksam gewesen. Aufgrund dessen habe die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, begonnen, mithin vorliegend 2015 bzw. 2016. In dem Zeitpunkt, zu dem erstmals seitens der Klägerin wirksame Steueranmeldungen eingereicht worden seien (11. Juli 2018), sei daher die Festsetzungsfrist von vier Jahren (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) noch nicht abgelaufen. Gegen die Steueranmeldungen, die gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen, habe die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt.
16Materiellrechtlich unterlägen die Sachverhalte entsprechend den Musterkonstellationen im Inland der Versicherungsteuer. Für die Musterfallgruppe 2 folge die Versicherungsteuerpflicht daraus, dass die Klägerin den Vertrag geschlossen habe und Versicherungsnehmerin geworden sei. Für die Musterfallgruppe 1 ergebe sich Entsprechendes, da mangels Rechtspersönlichkeit der ausländischen Niederlassung/Betriebsstätte der zivilrechtliche Vertragsschluss ebenfalls durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin erfolgt sei. Die Eigenschaft als Versicherungsnehmer richte sich nach dem Versicherungsschein (Police) und danach, wer die für die Versicherungsteuerpflicht maßgebende Prämienzahlung zu leisten habe. Dies gelte auch, wenn der Versicherungsvertrag den Versicherungsschutz für versicherte Personen regele, denn diese könnten dadurch nicht Versicherungsnehmer werden. Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG 1996 (a.F.) bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung (n.F.; VersStG 2012) komme es allein auf den Sitz des Versicherungsnehmers im Inland an. Unerheblich sei hingegen, ob sich das Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs des Versicherungsteuergesetzes beziehe. Bei juristischen Personen begründe deren Sitz die Steuerbarkeit. Eine hiervon abweichende wirtschaftliche Betrachtungsweise sei bei Verkehrssteuern wie vorliegend der Versicherungsteuer nicht anwendbar. Für die Musterfallgruppe 3 schließlich folge die Versicherungsteuerbarkeit aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG, der Versicherungsverhältnisse betreffe, die sich unmittelbar oder mittelbar auf Unternehmen, Betriebsstätten oder sonstige Einrichtungen beziehen, die sich in Deutschland befinden. Dies sei vorliegend der Fall. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber gerade bei Fällen von Konzernversicherungen, bei denen die von Mitarbeitern deutscher Unternehmen bzw. Betriebsstätten unmittelbar oder mittelbar ausgehenden Gefahren mittels einer Betriebsstättenhaftpflichtversicherung oder einer Berufshaftpflichtversicherung abgesichert würden, die Risikobelegenheit im Inland bejaht.
17Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 15. November 2019 bei Gericht eingegangene Klage, zu deren Begründung sie im Wesentlichen wie folgt vorträgt:
18Zur Musterfallgruppe 1 (Vertragsschluss durch zivilrechtlich unselbstständige ausländische Niederlassungen): Nach der für den Besteuerungszeitraum Januar 2012 maßgeblichen Gesetzesfassung von § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG 1996 setze die Steuerbarkeit im Inland voraus, dass der Versicherungsnehmer bei Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Sitz im Geltungsbereich des VersStG habe. Unabhängig davon, ob hinsichtlich des Begriffs des Versicherungsnehmers in diesem Sinne auf den formellen Versicherungsnehmer, d.h. den Vertragspartner des Versicherers, oder auf den materiellen Versicherungsnehmer, d.h. die versicherte Person, abzustellen sei, lägen hier beide Voraussetzungen nicht vor. Sowohl formelle als auch materielle Versicherungsnehmerinnen seien jeweils die Niederlassungen der Klägerin mit Sitz in Q (USA) bzw. Singapur, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des VersStG hätten. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass eine ausländische Niederlassung nach deutschem Zivilrecht keine Rechtsfähigkeit besitze.
19Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des VersStG müsse sich an den besonderen Zwecken des Versicherungsteuerrechts orientieren. Zivilrechtliche Maßstäbe seien grundsätzlich unbeachtlich und erlangten allenfalls nachrangige Bedeutung in Fällen, in denen das VersStG nichts Abweichendes erkennen lasse. Für die vorliegende Konstellation lasse das VersStG erkennen, dass eine Niederlassung bzw. Betriebsstätte versicherungsteuerrechtlich als selbstständig angesehen werden könne. Dies ergebe sich bereits aus der Fassung des VersStG 1996 für die Begründung der Steuerbarkeit von Versicherungsverhältnissen mit EU/EWR-Versicherern, denn hiernach stelle der Gesetzeswortlaut ausdrücklich unter anderem darauf ab, dass sich – alternativ neben dem „Unternehmen“ – das Versicherungsverhältnis auf eine „Betriebsstätte“ beziehe. Dieser Regelung käme keine eigenständige Bedeutung zu, wenn eine Betriebsstätte aus versicherungsteuerlicher Sicht unselbstständig, d.h. transparent zu betrachten wäre, denn bei einer solchen Auslegung würde sich das Versicherungsverhältnis immer auf das hinter der Betriebstätte stehende Unternehmen beziehen.
20Des Weiteren folge die versicherungsteuerliche Selbstständigkeit von Betriebsstätten auch aus dem Wesen der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer, wonach nicht auf in der Person des Verkehrsteilnehmers liegende Umstände, sondern auf die Teilnahme am Verkehr selbst abgestellt werde. Insoweit sei es ausreichend, wenn Betriebsstätten jedenfalls nach ausländischem Recht Vertragspartner des Versicherers und damit formeller Versicherungsnehmer und zur Zahlung der Prämie gegenüber dem Versicherer verpflichtet seien, wie dies auch im vorliegenden Falle gegeben sei, da die ausländischen Niederlassungen der Klägerin als formelle Versicherungsnehmer in den Versicherungspolicen ausgewiesen seien. Dies belege eine selbständige Teilnahme der Niederlassungen an dem gemäß § 1 Abs. 1 VersStG maßgeblichen Verkehr. Im Übrigen gehe auch das BMF (vgl. BMF-Schreiben vom 26. September 1990, Tz. B.1.6) davon aus, dass Betriebsstätten eigene Risiken haben könnten.
21Soweit für diese Fallkonstellation die seit dem 1. Januar 2013 geltende, durch das Verkehrsteueränderungsgesetz 2012 vom 5. Dezember 2012 geschaffene Neufassung von § 1 VersStG maßgeblich sei (betr. Anmeldungszeitraum Februar 2013), ergebe sich auch daraus keine Versicherungsteuerbarkeit. Mangels einer Risikobelegenheit im Inland scheide eine Besteuerung der Prämienzahlungen aus. Gemäß § 1 Abs. 3 VersStG 2012 gelte für die Steuerbarkeit von Versicherungsverhältnissen mit Drittlandsversicherern, dass – soweit für den Streitfall relevant – entweder der Versicherungsnehmer im Inland ansässig sei (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG 2012) oder sich das Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung im Geltungsbereich des VersStG unmittelbar oder mittelbar beziehe (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG 2012). Insoweit sei auch bei einem Abschluss des Versicherungsvertrags durch die Niederlassung der Klägerin in Q (USA) bzw. Singapur (betr. Kreditausfallrisiken) diese – und nicht die Klägerin – als materielle Versicherungsnehmerin anzusehen, so dass beide Tatbestandsvarianten von § 1 Abs. 3 VersStG nicht in Betracht kämen. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG 2012 Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG 2012 entfalte.
22Im Übrigen bestätige sich durch die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2013 die gesetzgeberische Intention hinsichtlich einer versicherungsteuerrechtlichen Selbständigkeit von Betriebsstätten. Dies habe mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG nunmehr noch deutlicheren Niederschlag im Gesetz gefunden, da nunmehr ausdrücklich geregelt sei, dass auch eine Betriebsstätte „Angehörige“, z.B. eigene Mitarbeiter, haben könne. Das Gesetz stelle exemplarisch auf die Betriebsstättenhaftpflichtversicherung und die Berufshaftpflichtversicherung für Angehörige einer Betriebsstätte ab. Dies setze eine Behandlung der Betriebsstätte als selbständige Einheit für versicherungsteuerrechtliche Zwecke und damit eine Belegenheit der Risiken der Betriebsstätte im Ansässigkeitsstaat voraus. Allein diese Auslegung werde dem Prinzip der Risikobelegenheit, welches der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2013 auch für Drittlandsversicherer explizit im Gesetz geregelt habe, gerecht. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/10039, S. 17) komme es dem Gesetzgeber hinsichtlich der materiellrechtlichen Anknüpfung für die deutsche Versicherungsteuer auch bei Versicherungsverhältnissen mit Drittlandversicherern allein auf die Belegenheit des versicherten Risikos im Inland an. Mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG würden diejenigen Fälle der Versicherungsteuer unterworfen, in denen ein Drittlandsversicherer Gefahren abdecke, die z.B. von einer deutschen Betriebsstätte ausgingen. Für diesen Fall knüpfe das Gesetz die Steuerbarkeit demnach ungeachtet der Person und des Sitzes des formellen Versicherungsnehmers ausschließlich an die über die inländische Betriebsstätte vermittelte inländische Risikobelegenheit. Soweit jedoch eine mitversicherte („risikobehaftete“) Betriebsstätte im Ausland belegen sei, müsse die Steuerbarkeit demgemäß ausscheiden, um dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Gebot der Folgerichtigkeit zu entsprechen.
23Dem stehe schließlich auch § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG, der allein auf den Sitz des Versicherungsnehmers abstelle, nicht entgegen. Ungeachtet der Streitfrage, ob es insoweit überhaupt auf den formellen Versicherungsnehmer ankomme, entfalte § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG, der den Fall der Versicherung für fremde Rechnung abschließend regele, insoweit Sperrwirkung. Hingegen erstrecke sich § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG ausschließlich auf den klassischen Fall der Versicherung eigener Risiken. Im Übrigen würde ein subsidiärer Rückgriff auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG in Fällen der Versicherung von im Ausland belegenen Risiken einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 63 AEUV bedeuten. Denn gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG 2012 entstehe die Steuerpflicht in Fällen der Versicherung fremder Risiken durch einen EU/EWR-Versicherer nur, wenn sich das versicherte Risiko im Geltungsbereich des VersStG befinde. Eine hiervon abweichende Behandlung eines Versicherungsverhältnisses mit einem Drittlandsversicherer, das sich jedoch ebenfalls auf im Ausland belegene Risiken beziehe, sei nicht gerechtfertigt.
24Schließlich folge aus Art. II Abs. 1 des Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen vom 15. April 1994 (sog. GATS), dass Deutschland zur Gleichbehandlung ausländischer Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer, soweit sie Mitgliedstaaten der WHO seien, verpflichtet sei. Zwar sei das GATS kein völkerrechtlicher Vertrag und damit kein gegenüber dem VersStG höherrangiges Recht und könnten hieraus einzelne Personen auch keine Rechte ableiten. Jedoch sei das VerStG im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auszulegen. Damit sei die vom Beklagten vorgenommene Auslegung, die zu einer Schlechterstellung von Drittlandsversicherern gegenüber EU/EWR-Versicherern führe, nicht vereinbar.
25Zur Musterfallgruppe 2 (Vertragsschluss durch die Klägerin): Auch soweit die Versicherungsverträge formal durch die Klägerin abgeschlossen worden seien, lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des für den Streitzeitraum 2012 maßgeblichen § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG 1996 nicht vor. Vielmehr sei der Begriff des Versicherungsnehmers im Sinne dieser Regelung insoweit einzuschränken, als die Mitversicherung im Ausland belegener Risiken hiervon nicht erfasst sei. Der Begriff des Versicherungsnehmers sei weder im VersStG noch in der VersStDV definiert. Zwar habe der BFH darauf abgestellt, dass Versicherungsnehmer derjenige sei, der in der Versicherungspolice als solcher ausgewiesen werde. Allerdings sei es bei den hierzu vom BFH entschiedenen Fällen nicht um die Auslegung von § 1 Abs. 4 VersStG 1996 gegangen, sondern um die Tatbestandsmerkmale „Versicherungsverhältnis“ und „Versicherungsentgelt“ im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG. Nur insoweit habe der BFH auf den formellen Versicherungsnehmer abgestellt. Dies verbiete sich jedoch im Zusammenhang mit § 1 Abs. 4 VersStG. Hierfür spreche bereits der Teleos von § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG 1996. Nach der Konzeption der Versicherungsteuer sollen diejenigen Vorgänge besteuert werden, durch die der am maßgeblichen Rechtsverkehr Beteiligte einen Vorteil erlange. In diesem Vorteil liege der Belastungsgrund der Steuer. Trotz der Anknüpfung des Gesetzgebers an den Zahlungsvorgang in der äußeren Form einer Verkehrsteuer gehe es im Kern darum, das – den rechtlichen Vorteil erst erzeugende – Versicherungsverhältnis selbst zu treffen. In den insoweit atypischen Fällen einer Versicherung für fremde Rechnung erlange jedoch nicht der formelle, sondern der materielle Versicherungsnehmer, d.h. die versicherte Person, denjenigen Vorteil, der die Versicherungsbesteuerung rechtfertigen solle.
26Dem stehe auch der Belastungsgrund der Versicherungsteuer, d.h. die Anknüpfung an den Versicherungsaufwand des Versicherungsnehmers, nicht entgegen, denn in Fällen der Versicherung fremder Risiken, in denen die Versicherungsprämie an die versicherte Person weiterbelastet werde, entstehe der Aufwand gerade nicht dem formellen, sondern dem materiellen Versicherungsnehmer. Die mitversicherte Person trage die Versicherungsprämie hier wie ein unmittelbar beteiligter Versicherungsnehmer. Der formelle Versicherungsnehmer agiere lediglich als Zahlstelle.
27Dass statt des formellen Versicherungsnehmers vielmehr der materielle Versicherungsnehmer für die Beurteilung der Versicherungsteuerpflicht maßgeblich sei, ergebe sich auch aufgrund einer verfassungs- und unionrechtskonformen Auslegung des Gesetzes. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG ergebe sich bei Versicherungsverhältnissen mit EU/EWR-Versicherern eine Steuerpflicht in Fällen der Versicherung fremder Risiken nur, wenn sich das versicherte Risiko im Geltungsbereich des VersStG befinde. Werde demgegenüber bei einem Drittlandversicherer allein auf den inländischen Sitz des formellen Versicherungsnehmers abgestellt, obwohl das versicherte Risiko im Ausland belegen sei, läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. In beiden Fallkonstellationen sei kein Unterschied zwischen den jeweiligen formellen Versicherungsnehmern erkennbar. Einziger Unterschied sei der Sitz des Versicherers, der jedoch eine Ungleichbehandlung beider Fälle nicht rechtfertigen könne.
28Entsprechendes gelte auch unter Berücksichtigung der Zahlungsverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 Abs. 2 AEUV. Mit der Ungleichbehandlung der Zahlung eines Versicherungsentgelts an einen EU/EWR-Versicherer einerseits und an einen Drittlandsversicherer andererseits könne ein inländischer Versicherungsnehmer davon abgehalten werden, den fraglichen Versicherungsvertrag mit dem Drittlandsversicherer abzuschließen. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung (vgl. Art. 65 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 AEUV) sei nicht erkennbar. Die Situation der Versicherer sei in beiden Konstellationen identisch. Ein zwingender Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.
29Die fehlende Versicherungsteuerbarkeit der Versicherungsverhältnisse zwischen der Klägerin und Drittlandsversicherern in Bezug auf die Absicherung von Berufshaftpflichtrisiken zugunsten von ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen ergebe sich für den Streitzeitraum Februar 2013 und der hierfür maßgeblichen Gesetzesfassung von § 1 Abs. 3 VersStG 2012 nochmals deutlicher daraus, dass gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG nunmehr eindeutig auf den Sitz des materiellen Versicherungsnehmers abzustellen sei, der jedoch vorliegend nicht im Inland liege.
30Zur Musterfallgruppe 3 (Vertragsschluss durch die ausländische Tochtergesellschaft der Klägerin unter Einschluss von Versicherungsschutz zu Gunsten der ausländischen Niederlassung der Klägerin) trägt die Klägern vor, eine Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG scheide aus, weil hier die streitgegenständliche D&O‑Versicherung nur die originär vor Ort bei der ausländischen Niederlassung eintretenden persönlichen Vermögensrisiken der Vorstände und ähnlicher Personen erfasse. Dies sei nicht das Inland. Maßgeblich sei, wer vor Ort für die Tochtergesellschaft/Niederlassung handele, unabhängig davon, wer zivilrechtlich Arbeitgeber sei. Demgegenüber sei die Klägerin als „Stammhaus“ nicht betroffen, selbst wenn ein mögliches Fehlverhalten der vor Ort für die ausländische Niederlassung handelnden Personen der Klägerin zugerechnet werden könne. Deren eventuell mittelbar betroffenen Haftungsrisiken seinen kein Fall der D&O-Versicherung, sondern würden anderweitig versichert. Bei einer Versicherung eines Betriebsstättenrisikos sei das Risiko mithin einzig am Ort der Betriebsstätte belegen. Bezugspunkt des Risikos sei geographisch der Ort, an dem sich das versicherte Risiko nach konkreten und physischen statt nach rechtlichen Merkmalen realisiere. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die ausländische Betriebsstätte zu einem inländischen Unternehmen gehöre und dadurch ein mittelbares Vermögensrisiko des hinter der Niederlassung stehenden Unternehmens gegeben sei. Eine derartige wirtschaftliche Betrachtungsweise der Vermögensrisiken scheide im Versicherungsteuerrecht aus.
31In der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2023 erzielten die Beteiligten nach Erörterung der Musterfallkonstellation 3 und vor dem Hintergrund, dass insoweit eine Steuerbarkeit überhaupt nur gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG in der ab 2013 geltenden Fassung und aufgrund des damit gesetzlich auch für die Versicherungen bei Drittlandsversicherern geregelten Prinzips der Risikobelegenheit denkbar wäre, es jedoch insoweit an einem ausreichenden Inlandsbezug der übernommenen Risiken fehlen dürfte, dahingehend Einigkeit, dass die hier streitgegenständliche D&O-Versicherung ausschließlich Haftungsansprüche gegen Organe und Manager der ausländischen Tochtergesellschaft sowie der ausländischen Niederlassungen erfasst. Daraufhin änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung entsprechend der Versicherungsteueranmeldung für Februar 2013 vom 11. Juli 2018 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2019 dahingehend ab, dass die angemeldete Versicherungsteuer um 223,99 EUR reduziert wird.
32Die Klägerin beantragt,
331. die Versicherungsteueranmeldung für Januar 2012 vom 11. Juli 2018 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2019 dahingehend zu ändern, dass die angemeldete Versicherungsteuer um ... EUR reduziert wird,
2. die Versicherungsteueranmeldung für Februar 2012 vom 11. Juli 2018 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2019 dahingehend zu ändern, dass die angemeldete Versicherungsteuer um ... EUR reduziert wird,
3. die Versicherungsteueranmeldung für Februar 2013 vom 11. Juli 2018 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2019 und der zu Protokoll des Finanzgerichts erklärten Änderung vom 15. Februar 2023 dahingehend zu ändern, dass die angemeldete Versicherungsteuer um ... EUR reduziert wird,
4. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die Systematik von § 1 VersStG. Hiernach würden sowohl in der bis Ende 2012 als auch in der seit Anfang 2013 geltenden Fassung sowohl hinsichtlich der Besteuerung als auch der Frage der Entrichtungsschuldnerschaft zwischen Versicherungsverhältnissen mit EU/EWR-Versicherern einerseits und Drittlandversicherern andererseits unterschieden und insoweit unterschiedliche Rechtsfolgen geregelt. § 1 Abs. 2 VersStG trage dem Umstand Rechnung, dass für Versicherungsverhältnisse mit EU/EWR-Versicherern europäisches Richtlinienrecht maßgeblich sei. Vor diesem Hintergrund diene § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG nicht der Begründung des deutschen Besteuerungsrechts, sondern dessen Beschränkung zu Gunsten anderer europäischer Mitgliedstaaten. Demgegenüber regele § 1 Abs. 4 VersStG 1 1996 bzw. § 1 Abs. 3 VersStG 2012 das autonom bestimmte Besteuerungsrecht Deutschlands in Fällen, in denen das Versicherungsverhältnis mit einem Drittlandsversicherer bestehe. Für Drittlandsfälle sei es bis zum Verkehrsteueränderungsgesetz 2012 bei der Regelung geblieben, dass eine Steuerbarkeit vorliege, wenn der Versicherungsnehmer im Inland ansässig sei oder sich der versicherte Gegenstand im Inland befunden habe. Der Gesetzgeber habe sodann ab dem 1. Januar 2013 die Aufspaltung des Tatbestands von § 1 VersStG in die beiden Regelungskreise betreffend innerhalb oder außerhalb des EU/EWR-Raums niedergelassene Versicherer beibehalten, um auf diesem Weg seinen umfassenden Steueranspruch in Fällen von Versicherungsverhältnissen mit nicht am freien Dienstleistungsverkehr teilnehmenden Drittlandversicherern aufrechtzuerhalten (vgl. Medert/Axer/Voß, VersStG, § 1 Rnr. 198). Zum 1. Januar 2013 wurde in den Besteuerungstatbestand von § 1 Abs. 3 VersStG mit Nr. 3 lediglich eine zusätzliche Tatbestandsvariante eingefügt, um Versicherungsverhältnisse zu erfassen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf Unternehmen, Betriebsstätten oder sonstige Einrichtungen im Inland beziehen. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtslage – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 10. Juni 2020 (Az. V R 48/19) nicht anders zu beurteilen, denn dieses Urteil sei zur Frage der Risikobelegenheit eines Versicherungsverhältnisses mit einem im EU/EWR-Raum niedergelassenen Versicherer und damit zu § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG ergangen. Für Drittlandsfälle lasse sich daraus aufgrund der systematischen Unterschiede im Vergleich zu § 1 Abs. 3 VersStG nichts ableiten.
41Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass der Begriff des Versicherungsnehmers im Sinne des § 1 Abs. 4 VersStG a.F. (VersStG 1996) sich nicht nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen definieren lasse, sondern vielmehr für Zwecke des Versicherungsteuerrechts eine eigenständige Definition zu entwickeln sei, sei dem nicht zu folgen. Weder aus der Systematik des VersStG noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe sich, dass eine nicht zivilrechtsfähige Niederlassung Versicherungsnehmerin im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG a.F. sein könne. Soweit die Klägerin für die Besteuerung auf eine zivilrechtlich unselbständige Betriebsstätte abstelle, verkenne sie, dass nach dem klaren Gesetzeswortlaut allein die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers maßgeblich sei. In diesem Fall sei irrelevant, worauf sich das Versicherungsverhältnis beziehe, z.B. ob sich das Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder sonstige Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs des VersStG beziehe.
42Vor diesem Hintergrund unterliege das Entgelt, das von der Klägerin für Kreditausfallversicherungen zugunsten ihre Niederlassungen in Q (USA) bzw. Singapur an im Drittland ansässige Versicherer (Musterfallkonstellation 1) gezahlt wurde, der Versicherungsteuer, da die Klägerin – und nicht etwa die rechtlich unselbständige Niederlassung – Versicherungsnehmerin sei. Darauf, dass mit der Kreditausfallversicherung nur Risiken der Niederlassungen in Q (USA) bzw. Singapur abgedeckt seien, komme es nicht an. Gegenstand der Versicherungsteuer sei nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten. Soweit – wie vorliegend – das Versicherungsverhältnis durch Vertrag begründet werde, sei bei der Bestimmung des Versicherungsnehmers auf die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen. Mangels Rechtspersönlichkeit der Niederlassung bzw. Betriebsstätte der Klägerin, die auch von der Klägerin nicht behauptet würde, sei der Versicherungsvertrag allein mit der Klägerin als Versicherungsnehmerin zustandegekommen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in der Police die Niederlassung der Klägerin in Q (USA) als Versicherungsnehmerin bezeichnet werde und deshalb die für die Versicherungsteuerpflicht maßgeblichen Prämienzahlungen zu leisten habe. Eine nicht zivilrechtsfähige Niederlassung/Betriebsstätte könne schuldrechtlich nicht verpflichtet sein und scheide aus diesem Grund als zur Zahlung verpflichtete Versicherungsnehmerin aus, so dass Versicherungsnehmerin allein die in Deutschland ansässige Klägerin sein könne. Nur eine rechtlich selbständige Betriebsstätte könne als Versicherungsnehmer angesehen werden könnten, da nur Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG über einen Sitz verfügten (Verweis auf Bruschke, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrsteuern, 7. Aufl. 2016, Rn. 4.2.3.4). Die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung sei zum § 1 Abs. 1 VersStG ergangen und auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der § 1 Abs. 1 VersStG als „vor die Klammer gezogener“ erster Teil der Definition des Steuertatbestands zu verstehen sei. § 1 Abs. 1 VersStG regele die sachliche Steuerbarkeit und sei daher als gemeinsame Voraussetzung in die Tatbestände der weiteren Absätze des § 1 VersStG hineinzulesen (Verweis auf Medert/Axer/Voß, VersStG, § 1 Rn. 62; Grünwald/Dallmayr, VersStG, FeuerschStG, § 1 Rn. 2). Der Verweis der Klägerin auf das BMF-Schreiben vom 26. September 1990 überzeuge nicht, da es in diesem Schreiben lediglich um die Neufassung von § 1 Abs. 2 und 3 VersStG 1996, nicht jedoch um § 1 Abs. 4 VersStG 1996 gehe. Zudem könne eine zivilrechtlich unselbständige Betriebsstätte keine eigenen Risiken haben. Risiken könnten sich lediglich – entsprechend dem Wortlaut von 1 Abs. 2 und Abs. 3 VersStG a.F. – bei Versicherungsverhältnissen mit EU/EWR-Versicherern auf Betriebsstätten beziehen.
43Das an Drittlandsversicherer gezahlte Entgelt, das die Klägerin für Berufshaftpflichtrisiken ihrer Tochtergesellschaften und Niederlassungen an diese weiterbelastet hatte (Musterfallkonstellation 2), unterliege ebenfalls im Inland der Versicherungsteuerpflicht, da die Klägerin Versicherungsnehmerin sei und daher die gesamte Prämie steuerbares Versicherungsentgelt darstelle. Hierfür stelle § 1 Abs. 4 Nr. 1 VersStG 1996 eindeutig auf den Sitz des Versicherungsnehmers im Geltungsbereich des VersStG ab. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es unerheblich, ob sich das Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs des VersStG beziehe. Bei juristischen Personen, wie vorliegend der Klägerin, begründe allein der Sitz die Steuerbarkeit.
44Im Hinblick auf die Besteuerung von an Drittlandsversicherer gezahlte Versicherungsprämien habe der Gesetzgeber eine andere Regelungssystematik gewählt und sei nicht an europarechtliche Vorgaben bzw. die EuGH-Rechtsprechung zur Risikobelegenheit gebunden. Dies gelte sowohl dann, wenn der Versicherungsnehmer eigene Risiken – beispielsweise die seines Stammhauses oder seiner Betriebsstätten – versichere, als auch bei der Versicherung fremder Risiken, beispielsweise von (in- oder ausländischen) Tochtergesellschaften. Der Tatbestand des § 1 Abs. 4 VersStG 1996 bzw. § 1 Abs. 3 VersStG 2012 schließe die Besteuerung eines Versicherungsentgelts bei einem Drittlandsversicherer durch einen in Deutschland ansässigen Versicherungsnehmer selbst dann nicht aus, wenn die Risikobelegenheit im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats gegeben sei. Dies folge daraus, dass die maßgeblichen Regelungen der Richtlinie Solvabilität II Ausfluss der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit seien und nicht einer materiellen Harmonisierung des Steuerrechts dienten, wie z.B. die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Eine unionsrechtliche Auslegung der Regelung aufgrund der Zahlungsverkehrsfreiheit scheide zudem deshalb aus, weil § 1 Abs. 4 VersStG 1996 kein Unionsrecht umsetze.
45Die von der Klägerin angestellte Unterscheidung zwischen formellem und materiellem Versicherungsnehmer überzeuge in Zusammenhang mit § 1 Abs. 4 VersStG 1996 nicht. Insoweit verfange auch ein Hinweis auf die Änderung durch das Gesetz zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts (2020) nicht, da sich die dadurch erfolgten Gesetzesänderungen auf § 1 Abs. 2 VersStG und den insoweit maßgeblichen materiellen Versicherungsnehmer bei einer Versicherung für fremde Rechnung bezögen und der Umsetzung von Vorgaben des europäischen Richtlinienrechts zur Bestimmung der Risikobelegenheit dienten. Die Norm regele dabei in der aktuellen (für den Streitzeitraum nicht anwendbaren) Fassung nicht die Frage, wer dem Versicherer die Zahlung des Versicherungsentgelts schulde, sondern bestimme die Versicherungsteuerbarkeit unter der Voraussetzung, dass das Risiko im Geltungsbereich des VersStG belegen sei. Diese Regelung sei jedoch nicht auf den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 4 VersStG 1996 übertragbar, da er sich von § 1 Abs. 2 VersStG fundamental unterscheide und insoweit auch keiner vergleichbaren Auslegung zugänglich sei. Die europarechtlich harmonisierte Risikolokalisierung, mit der die Vermeidung einer Doppelbesteuerung einhergehe, beschränke sich auf EU/EWR-Versicherer, so dass für Drittlandsversicherer bzw. deren Versicherungsnehmer – wie im vorliegenden Fall die Klägerin – eine Mehrfachbesteuerung nicht ausgeschlossen sei. Zudem sei § 1 Abs. 4 VersStG 1996 nicht unionrechtskonform auszulegen. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang auch bei der Versicherung fremder Risiken nur auf die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers abzustellen.
46Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Beide Musterfallkonstellationen unterschieden sich dadurch, dass EU/EWR-Versicherer innerhalb der Mitgliedstaaten am freien Dienstleistungsverkehr teilnehmen würden, hingegen ein Drittlandversicherer nicht zu den Versicherungsunternehmen innerhalb des Unionsgebiets in unmittelbarem Wettbewerb stehe.
47Im Übrigen scheide eine Aufteilung des Versicherungsentgelts in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Anteil aufgrund der unterschiedlichen Tatbestände des § 1 VersStG aus. Vielmehr sei ein umfassendes Besteuerungsrecht Deutschlands gegeben.
48Entscheidungsgründe
49I. Der Senat hat nur noch über die streitgegenständlichen Musterfallkonstellationen 1 und 2, hingegen nicht mehr über die Musterfallkonstellation 3 zu entscheiden, nachdem der Beklagte die Änderung der Steuerfestsetzung für Februar 2013 zu Protokoll erklärt und damit dem Klagebegehren insoweit abgeholfen hat.
50II. Die insoweit noch aufrechterhaltene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Prämienzahlungen in den Musterfallkonstellationen 1 und 2 unterliegen der Versicherungsteuer. Die Steuerfesetzung ist insoweit rechtmäßig erfolgt und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
511. a) Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
52b) Abhängig vom Ort der Ansässigkeit des Versicherers – innerhalb oder der/des EU/EWR – regeln § 1 Abs. 2 VersStG einerseits und § 1 Abs. 4 VersStG 1996 bzw. § 1 Abs. 3 VersStG 2012 andererseits die weiteren Voraussetzungen einer Steuerbarkeit im Inland. Die Differenzierung nach der Ansässigkeit des Versicherers findet sich seit 1990 im Gesetz. Zuvor hatte der deutsche Gesetzgeber seit dem VersStG 1937 den Besteuergegenstand dadurch bestimmt, dass die Zahlung eines Versicherungsentgelts dann steuerlich erfasst wurde, wenn entweder der Versicherungsnehmer im Inland ansässig war oder der versicherte Gegenstand im Inland belegen war. Die deutsche Steuerhoheit wurde demnach vermittelt entweder durch die Person des Versicherungsnehmers oder den versicherten Gegenstand.
53Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung ab 1990 war, dass der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben und damit die Anknüpfungsregeln für die Besteuerung von Versicherungsprämien in das deutsche Recht zu transformieren hatte. Maßgeblich sind hierfür (seinerzeit) Art. 25 der Zweiten Richtlinie Schadensversicherung (Richtlinie 88/359/EWG vom 22. Juni 1988, ABl. EG Nr. L 172, 1) bzw. (aktuell) Art. 157 der Richtlinie Solvabilität II (Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009, ABl. EU L 335, 1) mit Regelungen zur Hoheit über die indirekte Besteuerung der im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs abgeschlossenen Versicherungsverträge, insbesondere die speziellen Regeln zur Risikobelegenheit. Dabei behielt der deutsche Gesetzgeber – europarechtlich zulässig, da den freien Dienstleistungsverkehr nur Versicherungsunternehmen mit Sitz in der EU bzw. dem EWR in Anspruch nehmen können – für Drittlandsversicherer die bis dahin geltenden territorialen Bezugspunkte bei.
54Vor diesem Hintergrund gilt für Versicherer mit Sitz im Drittland gemäß § 1 Abs. 3 VersStG in der für die Streitzeiträume im Jahr 2012 maßgeblichen Fassung:
55„Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem Versicherer, der außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums niedergelassen ist, so entsteht die Steuerpflicht, wenn
561. der Versicherungsnehmer bei der Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder
572. ein Gegenstand versichert ist, der sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Geltungsbereich dieses Gesetzes befand.“
58Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 wurde § 1 Abs. 3 VersStG um die Tatbestandsalternative in Nr. 3 wie folgt ergänzt:
59„(…)
603. sich dieses Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung im Geltungsbereich dieses Gesetzes unmittelbar oder mittelbar bezieht; dies ist insbesondere der Fall bei der Betriebsstättenhaftpflichtversicherung oder der Berufshaftpflichtversicherung für Angehörige des Unternehmens, der Betriebsstätte oder der sonstigen Einrichtung.“
61c) Gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, wobei hierunter insbesondere Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen und Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten fallen.
62Gemäß § 7 Abs. 3 VersStG 1996 bzw. § 7 Abs. 6 VersStG 2012 hat der Versicherungsnehmer die Steuer zu entrichten, wenn weder der Versicherer noch ein zur Entgegennahme des Versicherungsentgelts Bevollmächtigter seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder seine Betriebsstätte in der EU oder im EWR hat.
632. Weder das Versicherungsteuergesetz noch das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz enthalten eine Bestimmung des Begriffs „Versicherungsverhältnis“. Vielmehr muss sein Inhalt aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und, da dieser entscheidend vom Versicherungsrecht geprägt wird, aus dem allgemeinen Versicherungsrecht entnommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977, II R 36/76, BStBl. II 1977, 688). Unter dem Versicherungsverhältnis sind hiernach das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010, II R 12/08, BStBl. II 2012, 383). Wesentliches Merkmal eines „Versicherungsverhältnisses“ im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen, beim Versicherungsnehmer angesiedelten Wagnisses, um damit eine Gefahrengemeinschaft zu bilden mit dem Ziel, Gefahren, d. h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen (vgl. BFH-Urteile 11. Dezember 2013, II R 53/11, BStBl. II 2014, 352; vom 19. Juni 2013, II R 26/11, BStBl. II 2013, 1060; vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09, EFG 2009, 1074).
64Ebenso wenig ist der Begriff des „Versicherungsnehmers“ im VersStG definiert. Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im Versicherungsteuerrecht ist der Begriffsinhalt in erster Linie aus dem allgemeinen Versicherungsrecht (v.a. dem VVG) zu entnehmen, soweit nicht im Einzelfall nach den Vorschriften des VersStG eine andere Auslegung geboten ist.
653. Nach diesen rechtlichen Vorgaben unterliegen die beiden zuletzt noch streitigen Fallkonstellationen 1 und 2 der Versicherungsteuerpflicht im Inland und ist die entsprechend erfolgte Steuerfestsetzung nicht zu beanstanden.
66a) Nach der Gesetzeslage gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG kommt es für die Musterfallkonstellationen 1 und 2 maßgeblich auf den Sitz des Versicherungsnehmers im Inland an. Bei der Klägerin handelt es sich um ein im Inland ansässiges Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG. Dies genügt für die Steuerpflicht, denn das Gesetz stellt bei Versicherungsverhältnissen mit Drittlandsversicherern allein auf die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers im Inland ab.
67Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, ist Versicherungsnehmer grundsätzliche derjenige, der die Versicherung im eigenen Namen abschließt und der dem Versicherer gegenüber verpflichtet ist, das Versicherungsentgelt für die Übernahme des Wagnisses zu bezahlen (vgl. BFH-Urteil 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68). Insoweit wird auf die vertragliche Gestaltung des Versicherungsverhältnisses abgestellt. Dies gilt auch, wenn dritte Personen in den Versicherungsschutz einbezigen werden.
68Bei einer Versicherung für fremde Rechnung ist der Vertragspartner des Versicherers der Versicherungsnehmer. Gemäß § 43 Abs. 1 VVG bedeutet „Versicherung für fremde Rechnung“, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließt. Das Vertragsverhältnis entsteht nur zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, denn die Person des Versicherten muss nicht einmal bekannt sein und wird weder zur Prämienzahlung gegenüber dem Versicherer verpflichtet noch stehen ihr die vertraglichen Gestaltungsrechte zu. Der versicherte Dritte ist am Vertragsschluss nicht beteiligt und aus dem für ihn fremden Rechtsgeschäft nur berechtigt. Über seine Ansprüche verfügen kann er allerdings nur, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist (vgl. § 44 Abs. 2 VVG); im Übrigen stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer zu (vgl. Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 776 f.).
69Sichert der Versicherungsnehmer gleichzeitig sowohl seine Interessen als auch diejenigen eines Dritten (vorliegend der ausländischen Tochtergesellschaft) ab, wird dieser Mitversicherter, wie bspw. bei Konzernversicherungen, bei denen – wie hier in der Fallkonstellation 2 – eine Konzerngesellschaft (typischerweise die Konzernspitze) einen Versicherungsvertrag abschließt, der ihr und anderen Konzerngesellschaften Versicherungsschutz verschafft. Die Muttergesellschaft wird in diesen Fällen regelmäßig alleinige Versicherungsnehmerin und zugleich Versicherte, da auch ihr eigenes Interesse geschützt wird. Die anderen Konzerngesellschaften werden Mitversicherte (vgl. Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 782).
70Diese Grundsätze hat der BFH etwa im Urteil vom 7. Dezember 2016 (II R 1/15, BStBl. II 2017, 360) dergestalt wiederholt, dass Versicherungsnehmer derjenige ist, der nach der Police (Versicherungsschein) Versicherungsnehmer ist, weil dieser die für die Versicherungsteuerpflicht maßgebenden Prämienzahlungen zu leisten hat. Das gilt auch, wenn der Versicherungsvertrag den Versicherungsschutz für versicherte Personen regelt. Die versicherten Personen werden dadurch nicht Versicherungsnehmer (vgl. BFH‑Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360).
71b) Im vorliegenden Streitfall kann in beiden noch streitgegenständlichen Fallkonstellationen jeweils nur die Klägerin als Versicherungsnehmer angesehen werden, nicht jedoch die – rechtlich unselbständigen – ausländischen Niederlassungen bzw. Tochtergsellschaften der Klägerin, die in den Versicherungsschutz einbezogen wurden. Die maßgeblichen Versicherungsverhältnisse betreffen als Vertragsparteien die Klägerin als Versicherungsnehmerin und den jeweiligen Versicherer (Y Insurance Company bzw. P Insurance Company).
72aa) In der Musterfallkonstellation 2 ist der Versicherungsvertrag explizit durch die Klägerin abgeschlossen worden, die dadurch Vertragspartnerin des Versicherers und damit Versicherungsnehmerin geworden ist.
73In der Musterfallkonstellation 1 ergibt sich Entsprechendes. Zum einen konnten die Niederlassungen der Klägerin in Q (USA) bzw. Singapur mangels eigener Rechtspersönlichkeit keine Position als Vertragspartnerin gegenüber dem Versicherer innehaben und damit Versicherungsnehmer sein. Zum anderen bestätigen die Gesamtumstände des Falles, insbesondere die Vertragsunterlagen und die dazugehörigen Korrespondenzen, dass auch in dieser Konstellation allein die Klägerin Vertragspartnerin der Versicherer und formelle Versicherungsnehmerin geworden ist.
74bb) Angesichts der vertraglichen Grundlage für die streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisse ist die Klägerin in beiden Fallkonstellationen Versicherungsnehmerin geworden.
75cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Niederlassungen allein schon deshalb keine Versicherungsnehmer geworden, weil sie nicht über die erforderliche Rechtsfähigkeit verfügen.
76Als Versicherungsnehmer kommt grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person in Betracht, die rechtsfähig ist. Ebenso können Rechtssubjekte ohne Rechtspersönlichkeit Versicherungsnehmer sein, soweit ihnen für einen speziellen Bereich eine Teilrechtsfähigkeit zuerkannt werden kann, bspw. teilrechtsfähige Personengesellschaften und Personenvereinigungen (vgl. oHG, § 124 HGB; KG, § 161 Abs. 2 HGB). Mangels Rechtsfähigkeit können rechtlich unselbständige Niederlassungen bzw. Betriebsstätten eines Unternehmens nicht selbst Versicherungsnehmer sein, v.a. da nur Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG über einen Sitz verfügten (so bereits Gambke/Flick, VersStG, 4. Auflage 1966, Anm. 6, S. 73; ebenso z.B. Grünwald/Dallmayr, VersStG, FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 138; Bruschke, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrsteuern, 7. Aufl. 2016, Rn. 4.2.3.4). In diesen Fällen ist das Unternehmen als rechtliche Einheit der Versicherungsnehmer. Soweit es auf den Sitz des Versicherungsnehmers ankommt, ist daher nicht auf die unselbstständige Niederlassung abzustellen (vgl. Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 767, 1569).
77Mangels Rechtspersönlichkeit der Niederlassung bzw. Betriebsstätte der Klägerin, die auch von der Klägerin nicht behauptet würde, sind in den Musterfallkonstellationen die Versicherungsverträge allein mit der Klägerin als Versicherungsnehmerin zustandegekommen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in der Police die Niederlassungen der Klägerin als Versicherungsnehmerin („Insured“ bzw. „Assured“) bezeichnet werden. Eine nicht zivilrechtsfähige Niederlassung/Betriebsstätte kann schuldrechtlich nicht verpflichtet werden. Insoweit muss sich die Klägerin jeweils das Auftreten der verantwortlichen Personen ihrer Niederlassung/Betriebsstätte zurechnen lassen. Ein Vertragsschluss ist jeweils mit der Klägerin zustandegekommen.
78dd) Soweit hiernach die Pflichten aus den Versicherungsverträgen allein die Klägerin treffen, nicht jedoch – bereits mangels Rechtsfähigkeit – die ausländischen Niederlassungen/Betriebsstätten der Klägerin und auch nicht die – vom Versicherungsschutz begünstigten – ausländischen Tochtergesellschaft der Klägerin, erfolgt die Erfüllung der vertraglichen Zahlungspflicht gegenüber den Versicherern letztendlich ebenfalls durch die Klägerin. Denn durch die Zahlung der Prämien wird die Klägerin als alleinige Vertragspartnerin von der Zahlungspflicht befreit. Hingegen können die nicht zivilrechtsfähigen Niederlassungen/Betriebsstätten schuldrechtlich nicht zur Zahlung der Versicherungsprämien verpflichtet sein, so dass sie auch aus diesem Grund als zur Zahlung verpflichtete Versicherungsnehmerinnen ausscheiden.
79Das Merkmal der „Zahlung eines Versicherungsentgelts“ im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG erfasst den rechtlich erheblichen „Geldumsatz” im Versicherungswesen und damit nicht jegliche Zahlung von Geld an den Versicherer, sondern (nur) jede Leistung, die eine im Versicherungsverhältnis begründete Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer erlöschen lässt (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 1977, II R 47/76, BStBl. II 1977, 748; vom 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68; vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097). Gegenstand der Besteuerung ist nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten. Die Versicherungsteuer ist eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des Geldumsatzes (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097; vom 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68).
80Das für die Besteuerung maßgebliche Versicherungsentgelt wird vorliegend im Verhältnis der Klägerin zum Versicherer gezahlt. Durch die Zahlung wird die Klägerin von ihrer Pflicht, das Entgelt für die Versicherung zu entrichten, befreit. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin die Versicherungsprämien den einzelnen Niederlassungen bzw. Tochtergesellschaften im Ausland weiterbelastet und damit im Ergebnis wirtschaftlich nicht mit den Prämien belastet wird. Denn es kommt grundsätzlich nicht darauf an, wer wirtschaftlich die Prämien trägt (z. B. weil der Versicherungsnehmer einem Dritten Versicherungsschutz verschafft und auf diesen dabei die Prämienbelastung überwälzt; so auch Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 809).
81ee) Des Weiteren ist – unabhängig von der Frage der Rechtsfähigkeit – die Ansässigkeit der versicherten Personen, d.h. vorliegend der ausländischen Niederlassungen bzw. ausländischen Tochtergesellschaften der Klägerin, nicht maßgeblich. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG kommt es – gerade anders als in § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG – nicht darauf an, auf wen sich das Versicherungsverhältnis bezieht (vgl. auch Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1558). Nach dem Charakter der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung des Versicherungsentgelts der Versicherungsteuer. Maßgeblich ist allein das Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem das Versicherungsentgelt schuldenden Versicherungsnehmer, vorliegend der Klägerin.
82ff) Im Übrigen spricht auch die Gesetzbegründung zum neuen, ab 1. Januar 2013 geltenden § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG ausdrücklich (nur) davon, dass „der Versicherungsvertrag (..) von einem Unternehmen mit einem Drittlandsversicherer abgeschlossen wird“ (vgl. BT-Drucks. 17/10039, S. 17), obwohl an anderer Stelle in der Begründung von „Unternehmen/Betriebsstätten“ die Rede ist. Dies dürfte ebenfalls dafür sprechen, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein Versicherungsvertrag (nur) von einer zivilrechtlich anerkannten Person mit eigenen Rechtspersönlichkeit abgeschlossen werden kann, während sich das Versicherungsverhältnis, das Gegenstand des Versicherungsvertrages ist, neben dem Unternehmen auch auf Betriebsstätten beziehen kann.
83d) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Begriff des Versicherungsnehmers i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG nicht dergestalt auszulegen, dass auf die versicherte Person bzw. die örtliche Belegenheit des abgesicherten Risikos und damit die Belegenheit der Niederlassung der Klägerin außerhalb des Geltungsbereichs des VersStG abzustellen ist.
84Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Ansässigkeit der versicherten Person statt des formalen Vertragspartners des Versicherers maßgeblich sei, insbesondere weil nach der Gesetzesbegründung zur Ergänzung des neuen Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG „das Grundprinzip der Besteuerung nach der Belegenheit des Risikos für Fälle mit Versicherern aus Drittstaaten ausdrücklich gesetzlich geregelt“ werde, überzeugt dies nicht. Damit würde das sog. Belegenheitsprinzip das materielle Grundprinzip der deutschen Versicherungsteuer darstellen (so aber Crezelius, Festschrift für Haarmann, 2015, S. 424, 435, 438). Dies verkennt jedoch Wortlaut und Systematik des § 1 Abs. 1 bis 4 VersStG 1996 bzw. § 1 Abs. 1 bis 3 VersStG 2012 sowie den historischen Hintergrund der Besteuerung von Prämien an Drittlandsversicherer gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG. Wie ausgeführt, knüpft das Gesetz hierbei an die formal-rechtliche Stellung als Vertragspartner des Versicherers, d.h. des Versicherungsnehmers, an. Es steht allein dem Gesetzgeber zu, zu entscheiden, wie das Belegenheitsprinzips ausgestaltet wird und ob bei der Versicherungsteuerpflicht nicht nur für EU/EWR-Fälle wie gemäß § 1 Abs. 2 VersStG, sondern auch für Drittlandsfälle an die versicherte Person statt an den Versicherungsnehmer angeknüpft wird (ebenso Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1558).
85Zwar wird diskutiert, ob und inwieweit – abweichend vom Grundsatz, dass dem Versicherungsteuerrecht als Verkehrsteuerrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise fremd ist – eine wirtschaftliche, funktionale bzw. materiellrechtliche Auslegung des Begriffs des Versicherungsnehmers angezeigt ist. Allerdings stellt sich diese Frage primär im Rahmen der Anwendung von § 1 Abs. 2 VersStG aufgrund der hiernach geregelten Versicherungsteuerbarkeit von Prämienzahlungen an EU/EWR-Versicherer und der hierbei zu beachtenden europarechtskonformen Rechtsanwendung. Für die vorliegend maßgebliche Regelung in § 1 Abs. 4 VersStG 1996 bzw. § 1 Abs. 3 VersStG 2012 für Versicherungsverhältnisse mit Drittlandsversicherern gibt die Gesetzeslage gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG alternativ eine Anknüpfung an die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers vor.
86e) Nur ausnahmsweise und alternativ zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VersStG knüpft das Gesetz gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG ergänzend auch für die Versicherungen bei Drittlandsversicherern an das Prinzip der Risikobelegenheit an. Insoweit reicht es aus, ist aber auch erforderlich, dass sich eine – von einer im Ausland ansässigen Person abgeschlossene Versicherung – auf im Inland befindliche Einrichtungen (d.h. ein Unternehmen oder dessen Betriebsstätte bzw. deren Mitarbeiter) bezieht. Dann kommt es gerade nicht darauf an, ob ein Versicherungsnehmer im Inland den Versicherungsvertrag abgeschlossen und insbesondere gegenüber dem Versicherer zur Prämienzahlung verpflichtet ist; ansonsten wäre bereits § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG einschlägig.
87Ausweislich der Gesetzbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/10039, S. 17) sind mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG Fälle erfasst, in denen aufgrund von Anlagen oder Mitarbeitern deutscher Unternehmen/Betriebsstätten ausgehende Gefahren, die eine Risikobelegenheit im Inland begründen, bei Drittlandsversicherern abgesichert werden. Hiernach hatte der Gesetzgeber bei Schaffung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG die Konstellation
88- Versicherung von Gefahren durch im Inland tätige Personen oder Anlagen des versicherten Unternehmens
89- durch nicht im Inland ansässigen Versicherungsnehmer
90- bei einem Drittlandsversicherer
91vor Augen (so auch das Beispiel zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG bei BMF vom 4. März 2021, BStBl. I 2021, 325). Dies ist jedoch gerade der umgekehrte Fall, als er hier mit der Absicherung von im Ausland bei der Tochtergesellschaft bzw. der Niederlassung der Klägerin tätigen Personen vorliegt. Hierfür bleibt es bei der Anknüpfung des Besteuerungsrechts an den Sitz des Versicherungsnehmers gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG.
92Das Eingreifen eines Tatbestands des § 1 Abs. 3 VersStG sperrt nicht die Anwendung einer anderen Tatbestandsvariante, da alle drei Tatbestandsvarianten von § 1 Abs. 3 VersStG alternativ – mit „oder“ verknüpft – nebeneinanderstehen, wenngleich auch Überschneidungen gegeben sein können (so auch Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rn. 439 ff.; Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1532, 1552). Dem Gesetzgeber ging es mit § 1 Abs. 3 VersStG darum, eine Regelungslücke zu schließen und möglichst weitgehend „deutsche“ Risiken zu erfassen und zu besteuern. Insoweit handelt es sich bei § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG um eine Erweiterung der Anknüpfungspunkte für eine Besteuerung auch für Drittlandsfälle, die – unabhängig von einer Ansässigkeit des Versicherungsnehmers im Inland (Nr. 1) und einer Belegenheit des versicherten Gegenstands im Inland (Nr. 2) – im Übrigen an das Prinzip der Risikobelegenheit anknüpft (so auch Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1533).
93Anders als die Klägerin vorträgt, läßt sich nach dem Gesetzeswortlaut und der Systematik von § 1 Abs. 2 und 3 VersStG nicht erkennen, dass der Versicherungsteuer ein übergeordnetes materielles versicherungsteuerrechtliches Prinzip der Risikobelegenheit (so aber Crezelius, Festschrift für Haarmann, 2015, S. 427, 436) zugrundeliegt und allein dies – statt einer Anknüpfung an die formale Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses – maßgeblich sein soll. Eine solche Entscheidung obliegt allein dem Gesetzgeber (so im Ergebnis wohl auch Crezelius, Festschrift für Haarmann, 2015, S. 427, 436).
94f) Im Übrigen folgt auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – aus der Rechtsprechung des EuGH (v.a. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2001, C-191/99 – Kvaerner, HFR 2001, 919) nicht, dass für die Risikobelegenheit und damit die Frage der Steuerbarkeit auf die Verhältnisse der versicherten Person abzustellen ist. Der EuGH hat in dieser Entscheidung zwar den Begriff der „Niederlassung“ im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. d) der Richtlinie 2009/138/EG weit ausgelegt und hierunter auch selbständige Konzerngesellschaften des Versicherungsnehmers gefasst, soweit diese einen Versicherungsvertrag für eine andere konzernangehörige Gesellschaft als versicherte Person abschließen. Aus dem Wortlaut der EU-Richtlinie ergibt sich dies nicht explizit. Der EuGH wollte mit seiner Auslegung jedoch der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen entgegentreten, die dadurch möglich sein könnten, dass die Belegenheit des Risikos innerhalb der EU bzw. des EWR dadurch gestaltet werden könnte, dass ein in einem anderen Staat (mit niedriger Versicherungsteuer) ansässige Person den Versicherungsvertrag für ein fremdes Risiko in eigenem Namen abschließt. Hätte es der EuGH als mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar angesehen, zur Bestimmung der Risikobelegenheit bereits auf die Ansässigkeit der versicherten Person abzustellen, hätte sich eine derartige extensive Auslegung des Begriffs der Niederlassung und eine grundsätzlich unveränderte Orientierung an der Ansässigkeit des Versicherungsnehmers erübrigt (so auch Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rn. 422 f.). Insoweit hat auch der EuGH weiter an die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers bei der Beurteilung der Belegenheit des Risikos angeknüpft und nur den Begriff des Versicherungsnehmers weit ausgelegt (ebenso Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rn. Rdnr. 425).
95g) An dem Ergebnis ändert die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I 2020, 2659) eingetretenen Änderungen in § 1 Abs. 2 VersStG und vor allem in § 1 Abs. 5 VersStDV, wonach Versicherungsnehmer im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 3 VersStG bei der Versicherung für fremde Rechnung der materielle Versicherungsnehmer ist, also die Person, deren Risiken durch die Versicherung gedeckt werden, nichts. Diese Neuregelungen bezwecken die Umsetzung von Vorgaben des europäischen Richtlinienrechts zur Bestimmung der Risikobelegenheit und beziehen sich ausdrücklich nur auf Versicherungsverhältnisse mit EU-/EWR-Versicherern, nicht jedoch auf Drittlandsfälle.
96h) Auch unter Berücksichtigung des Europarechts und sowie der Ergänzung in § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG ergibt sich kein anderes Ergebnis.
97Umstritten ist zwar, worauf auch die Klägerin abstellt, ob § 1 Abs. 3 VersStG im Lichte des EU-Recht – hinsichtlich des Begriffs des Versicherungsnehmers – europarechtskonform einschränkend auszulegen ist. Dies betrifft jedoch Fälle, in denen das – bei einem außerhalb von EU/EWR niedergelassenen Versicherer – versicherte Risiko in einem anderen EU/EWR-Staat belegen ist. Insoweit soll, um eine Kollision bzw. Doppelbesteuerung zu vermeiden, § 1 Abs. 3 VersStG bereits dadurch ausgeschlossen sein, dass das Risiko nach den Risikobelegenheitsvorschriften der EU-Richtlinien außerhalb Deutschlands, aber innerhalb der/des EU/EWR belegen ist. Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben.
98Unabhängig davon kommt den europarechtlichen Vorgaben keine Ausstrahlungswirkung auf außerhalb des EWR niedergelassene Versicherer zu. Die Richtlinien knüpfen die Risikobelegenheitsvorschriften seit jeher an das Vorliegen des freien Dienstleistungsverkehrs an, den aber nur Versicherer mit Sitz innerhalb der EU bzw. des EWR in Anspruch nehmen können (vgl. dazu etwa Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1529 f.).
99i) Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor, da es sich bei der Besteuerung von Prämienzahlungen an Drittlandsversicherer einerseits und EU/EWR-Versicherer andererseits nicht um gleichartige Sachverhalte handelt, denn das Gesetz knüpft für die unterschiedlichen – je nach territorialer Ansässigkeit des Versicherers – Anwendungsregelungen daran an, ob sich die maßgebliche Niederlassung des Versicherers inner- oder außerhalb der EU bzw. des EWR befindet.
100j) Schließlich liegt kein Verstoß gegen die Pflicht zur Wahrung des sog. Meistbegünstigungsprinzip nach den Regeln des GATS (Art. II) vor. Zum einen erlaubt Art. V des GATS im Bereich der Dienstleistungen Ausnahmen für regionale Integrationsabkommen und damit für den EU-Binnenmarkt. Zum anderen entfalten die GATS-Regelungen keine unmittelbare Geltung für einzelne Personen, sondern sind daran nur die Mitgliedsstaaten der WHO gebunden (vgl. Franz/Franz, VersStG/FeuerschStG, § 1 VersStG Rn. 1523).
1013. Die Klägerin ist hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Musterfallkonstellationen 1 und 2 auch rechtmäßig als Versicherungsnehmerin hinsichtlich der Steuernachforderungen als Steuerentrichtungsschuldnerin in Anspruch genommen worden. Sie hat gemäß § 7 Abs. 6 VersStG in der durch das Verkehrsteueränderungsgesetz vom 5. Dezember 2012 mit Wirkung zum 12. Dezember 2012 in Kraft getretenen Fassung bzw. gemäß § 7 Abs. 3 VersStG a.F. in der bis zum Dezember 2012 geltenden Gesetzesfassung die Versicherungsteuer zu entrichten. Dem entsprechend hat die Klägerin vorliegend auch die Versicherungsteuer angemeldet und entrichtet. Auch sonst werden keine Einwände gegen die formale Inanspruchnahme der Klägerin erhoben.
1024. Den erfolgten Steuerfestsetzungen für die Streitzeiträume steht keine Festsetzungsverjährung entgegen. Aufgrund der im Jahr 2013 von der Klägerin ohne die gemäß § 8 Abs. 1 VersStG erforderliche eigenhändige Unterschrift (eines gesetzlichen Vertreters) und damit formunwirksam eingereichten Steueranmeldungen (zum Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1998, X R 84/95, BStBl. II 1999, 203 und vom 30. Oktober 2008, III R 107/07, BStBl. II 2009, 352; Medert/Axer/Voß, VersStG, § 8 Rnr. 11; Franz/Matthes, VersStG/FeuerschStG, § 8 VersStG Rn. 33 ff., 36) begann gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist von vier Jahren (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, somit im Streitfall erst Ende 2015 bzw. Ende 2016 zu laufen. Vor Ablauf von vier Jahren seit diesem Fristbeginn hat die Klägerin sodann am 11. Juli 2018 formwirksame Versicherungsteueranmeldungen für die Streitzeiträume eingereicht und hiergegen Einspruch eingelegt, so dass der Ablauf der Festsetzungsfrist seither durch das Rechtsbehelfsverfahren gehemmt ist. Auch die Klägerin hat hiergegen keine Bedenken geäußert.
1035. Die Berechnung der – entsprechend den Steueranmeldungen der Klägerin – gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 VersStG festgesetzten Versicherungsteuer lässt keine Fehler erkennen. Entsprechend den Anmeldungen der Klägerin wurde die streitige Versicherungsteuer auf die festgestellten Prämienzahlungen betreffend die Musterfallkonstellationen 1 und 2 ermittelt. Einwände hiergegen hat die Klägerin auch nicht erhoben.
104III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Klägerin hat die volle Kostenlast zu tragen, da die Abhilfeentscheidung des Beklagten bzgl. der Musterfallkonstellation 3 mit einer steuerlichen Auswrikung in Höhe von ... EUR im Hinblick auf den übrigen Streitgegenstand nur geringfügig ist und sich damit im Ergebnis nicht auf die Kostenentscheidung auswirkt.
105IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da es im Streitfall lediglich auf die Beurteilung der konkreten vertraglichen Gestaltungen und die Anwendung der gefestigten Rechtsprechung auf den Einzelfall ankommt.
106V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.