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Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 12.11.2018, zuletzt geändert am 29.10.2020, wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.07.2109 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 geändert und die Steuer unter Berücksichtigung einer im Kalenderjahr 2016 geleisteten Spende in den Vermögensstock einer Stiftung i. H. v. ... € und eines beantragten Abzugs dieser Spende für das Kalenderjahr 2016 i. H. v. ... € neu festgesetzt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten auferlegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die verfahrensrechtliche Möglichkeit, die streitgegenständlichen Bescheide zu ändern (Einkommensteuer 2016 und 2017) bzw. einen entsprechenden Bescheid erstmalig zu erlassen (Feststellung des Spendenvortrags auf den 31.12.2016).
3Am 18.03.2016 leistete die Klägerin eine Spende i. H. v. ... € in den Vermögensstock der Z Stiftung. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2016 vom 27.01.2018 machte sie die Zustiftung nicht geltend. Dementsprechend erfolgte die – vorbehaltlose – Festsetzung der Einkommensteuer ohne Berücksichtigung dieser Spende durch Änderungsbescheid vom 12.11.2018.
4Nachdem am 19.06.2019 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 erging, beantragte die Klägerin durch Schreiben vom 09.07.2019 unter Vorlage einer entsprechenden Spendenquittung die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sowie den erstmaligen Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags nach § 10b Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes (‑‑ EStG ‑‑) zum 31.12.2016. Sie vertrat die Auffassung, der Einkommensteuerbescheid 2016 sei verfahrensrechtlich noch änderbar. Daher begehrte sie, einen Betrag i. H. v. ... € in 2016 gemäß § 10b Abs. 1 EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der Abzug eines weitergehenden Betrags i. H. v. ... € solle in 2016 auf Grundlage vom § 10b Abs. 1a EStG erfolgen. Die restliche Spende sei als Vortrag auf den 31.12.2016 festzustellen und in die Folgejahre vorzutragen.
5Durch Bescheid vom 23.07.2019 lehnte der Beklagte die Änderung der Einkommensteuerbescheide bzw. den Erlass des Feststellungsbescheides ab. Der Antrag der Klägerin sei bezogen auf die Einkommensteuer 2016 offensichtlich außerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt worden, sodass eine Änderung dieses Bescheides ausscheide. Eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags auf den 31.12.2016 könne nicht erfolgen, da gemäß § 10b Abs. 1a Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine materielle Bindung an die Steuerfestsetzung bestehe. Nachdem aber die Spende im Einkommensteuerbescheid 2016 keinen Niederschlag gefunden habe, könne keine ‑‑ in 2016 nicht abgezogene ‑‑ verbleibende Spende gesondert festgestellt werden. Deshalb scheide auch eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 aus. Zwar sei der Antrag der Klägerin insoweit innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt, sodass eine Änderung auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Abgabenordnung (‑‑ AO ‑‑) möglich sei; allerdings fehle es an der Feststellung einer vorgetragenen Spende auf den 31.12.2016.
6Nach erfolglosem und durch Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 abgeschlossenem Vorverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Klagewege weiter. Dabei hat sie zunächst die Auffassung vertreten, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 habe auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu erfolgen.
7Während des laufenden Klageverfahrens hat der Beklagte am 29.10.2020 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2016 erlassen. Darin wertete er aufgrund von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zwei Grundlagenbescheide aus. Während der eine Grundlagenbescheid (X GmbH & Co. Y KG) zu einer Reduktion des zu versteuernden Einkommens um den Betrag i. H. v. ... € führte, hatte der andere Grundlagenbescheid (W GmbH & Co. KG) eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um den Betrag i. H. v. ... € zur Folge.
8Nunmehr vertritt die Klägerin die Auffassung, die durch Auswertung des letztgenannten Grundlagenbescheides erfolgte Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um den Betrag i. H. v. ... € habe eine Durchbrechung der formellen Bestandskraft zur Folge. Diese erlaube und gebiete es, die streitige Spende als kompensatorische Änderung zu berücksichtigen. Die Kompensation sei der Höhe nach zwar auf eine Minderung des zu versteuernden Einkommens um einen Betrag i. H. v. ... € begrenzt. Gleichwohl habe die Spende ‑‑ wenn diese Kompensation erfolgt sei ‑‑ dem Grunde nach Eingang in den Einkommensteuerbescheid 2016 gefunden. Diese Spende müsse daher als Besteuerungsgrundlage i. S. d. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Spendenvortrags berücksichtigt werden.
9Die Klägerin beantragt,
10den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 zu verpflichten,
111. den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 12.11.2018 zuletzt geändert am 29.10.2020 zu ändern und die Steuer unter Berücksichtigung einer Spende in den Vermögensstock einer Stiftung i. H. v. ... € und eines beantragten Abzugs dieser Spende für das Kalenderjahr 2016 i. H. v. ... € neu festzusetzen,
122. einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Spendenvortrages gemäß § 10b Abs. 1a EStG zu erlassen, in dem eine vortragsfähige Spende i. H. v. ... € festgestellt wird,
133. den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 19.06.2019 zu ändern und die Steuer unter Berücksichtigung eines beantragten Abzugs der in 2016 geleisteten Spende in den Vermögensstock einer Stiftung i. H. v. ... € neu festzusetzen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen, soweit der Antrag der Klägerin über die Berücksichtigung einer Spende i. H. v. ... € in 2016 hinausgeht,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Zur Begründung verweist er auf den Ablehnungsbescheid. Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass die gebotene Reduktion des zu versteuernden Einkommens im Jahr 2016 um den Betrag i. H. v. ... € nicht zu einer Feststellung des verbleibenden Spendenvortrags führen könne. Zunächst fehle es hierfür an der erforderlichen Wahlrechtsausübung durch die Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2016. Zum anderen sei die insoweit angezeigte Anpassung des Steuerbescheides zugunsten der Klägerin durch § 177 AO einerseits und § 351 AO andererseits auf das Maß der Änderung beschränkt, die Anlass für die gegenläufige Änderung gegeben habe. Mithin könne die Spende nur i. H. v. ... € Berücksichtigung finden. Auch wenn die Spende damit dem Grunde nach Eingang in den Einkommensteuerbescheid 2016 gefunden habe, könne kein Feststellungsbescheid auf den 31.12.2016 ergehen. Denn Eingang in den Einkommensteuerbescheid 2016 finde die Spende nur i. H. v. ... €. Eine Änderung der Einkommensteuer 2017 scheide danach aus, weil es an der gesonderten Feststellung des Spendenvortrags fehle.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist nur im ausgesprochenen Umfang begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29.10.2020 erweist sich insoweit als rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten, als der Beklagte es unterlassen hat, die streitgegenständliche Spende i. H. v. ... € zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, denn eine weitergehende Rechtswidrigkeit der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 ist nicht ersichtlich. Auch hat der Beklagte es zu Recht abgelehnt, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Spendenvortrags i. S. d. § 10b Abs. 1a EStG auf den 31.12.2016 zu erlassen.
201. Bei Erlass des Einkommensteuerbescheides 2016 vom 29.10.2020, der aufgrund von § 68 der Finanzgerichtsordnung (‑‑ FGO ‑‑) zum Gegenstand des Rechtstreits geworden ist, hat der Beklagte es entgegen § 177 Abs. 1 AO und damit rechtswidrig unterlassen, die streitgegenständliche Spende aufgrund von § 10b Abs. 1a EStG mit einem Betrag i. H. v. ... € als Spende in den Vermögensstock einer Stiftung zu berücksichtigen.
21Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind gemäß § 177 Abs. 1 AO, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
22Soweit der Beklagte durch Änderungsbescheid vom 29.10.2020 zur Einkommensteuer 2016 die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der W GmbH & Co. KG um den Betrag i. H. v. ... € erhöht hat, war daher eine kompensatorische Anpassung des zu versteuernden Einkommens geboten. Dem steht – wie der Beklagte zwischenzeitlich auch konzediert hat – nicht entgegen, dass der Beklagte zugleich eine Reduktion der Einkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der X GmbH & Co. Y KG über einen Betrag i. H. v. ... € vorgenommen hat. Denn die zeitgleich vorgenommenen Auswertungen verschiedener Grundlagenbescheide sind für die Bestimmung des für § 177 Abs. 1 AO maßgeblichen Änderungsrahmens nicht zu saldieren (z. B. BFH, Urteile vom 09.06.1993 ‑‑ I R 90/92 ‑‑, BFHE 172, 298, BStBl II 1993, 822; vom 14.07.1993 ‑‑ X R 34/90 ‑‑, BFHE 172, 290, BStBl II 1994, 77).
23Auf den jedenfalls zwischenzeitlich gestellten Antrag der Klägerin hin ist die Spende nicht als solche i. S. d. § 10b Abs. 1 EStG zu behandeln, sondern auf Grundlage von § 10b Abs. 1a EStG als eine Spende in den zu erhaltenden Vermögensstock einer Stiftung. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist das durch § 10b Abs. 1a EStG eingeräumte Wahlrecht keineswegs allein im Rahmen der Steuererklärung auszuüben. Nachdem gesetzlich eine Beschränkung von Form und Zeit der Wahlrechtsausübung nicht geregelt ist, verbleibt es bei den allgemein für Wahlrechte geltenden Grundsätzen. Dieses Wahlrecht kann also bis zum Eintritt formeller Bestandskraft bzw., soweit diese ggf. partiell durchbrochen wird, ausgeübt werden (vgl. für unbefristete Wahlrechte allgemein z. B. BFH, Urteile vom 29. April 2008 ‑‑ VIII R 62/06 ‑‑, BFHE 221, 211, BStBl II 2008, 747; vom 17. September 2008 ‑‑ IX R 72/06 ‑‑, BFHE 222, 571, BStBl II 2009, 639; vom 27. Oktober 2015 – X R 44/13 ‑‑, BFHE 252, 94, BStBl II 2016, 278). Danach steht es der Klägerin frei, die Spende an die Stiftung als eine solche i. S. d. § 10b Abs. 1a EStG zu behandeln.
24Die kompensatorische Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 ist allerdings darauf beschränkt, die materiell fehlerbehafteten Besteuerungsgrundlagen des Bescheides insoweit zu ändern, als die Erhöhung der Steuer infolge der Auswertung des Grundlagenbescheides zu neutralisieren ist. Die Spende kann danach nicht in Höhe von ... € als Besteuerungsgrundlage im Einkommensteuerbescheid 2016 Berücksichtigung finden, um dann infolge des Antrags der Klägerin in ihrer steuerlichen Auswirkung in diesem Bescheid auf eine Höhe von ... € begrenzt und im Übrigen vorgetragen zu werden. Stattdessen ist ihre Berücksichtigung von vornherein auf den Betrag i. H. v. ... € begrenzt.
25Der durch § 177 Abs. 1 AO gezogene Änderungsrahmen bezieht sich wegen der Natur des Steuerbescheides zuvörderst auf die festgesetzte Steuer und nicht auf die herangezogenen Besteuerungsgrundlagen. Letztere sind als unselbständige Feststellungen nicht gesondert anfechtbar und erwachsen nicht in Bestandskraft, § 157 Abs. 2 AO. Gleichwohl ist zur Identifikation des Korrekturgrundes – also bspw. des ausgewerteten Grundlagenbescheides – einerseits, als auch zur Konkretisierung des materiellen Fehlers andererseits auf die Besteuerungsgrundlagen zurückzugreifen. Insofern ist die Rechtsfolge des § 177 Abs. 1 AO darauf gerichtet, die mit einem materiellen Fehler behaftete Besteuerungsgrundlage „insoweit“ zu ändern, als die Änderung einer anderen Besteuerungsgrundlage reicht (so auch v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 177, Rz 152). Damit ist der von § 177 Abs. 1 AO gesteckte Änderungsrahmen an der durch die anlassgebende Änderung geschaffenen partiellen Durchbrechung der formellen Bestandskraft ausgerichtet. Dem entspricht es, dass im Falle unterlassener Kompensation ein Einspruch nur in Reichweite der Änderung statthaft ist, § 351 Abs. 2 AO. Der Änderungsrahmen, der sich aus § 177 AO ergibt, ist daher der begrenzten Anfechtbarkeit von Änderungsbescheiden gemäß § 351 Abs. 2 AO wesensgleich. Die hier wie dort bewirkte Begrenzung der Änderbarkeit bzw. Anfechtbarkeit sichert die im Übrigen zuvor eingetretene Bestandskraft (BFH, Urteil vom 9. Dezember 2015 ‑‑ X R 56/13 ‑‑, BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967). Für Änderungen, die über diesen Rahmen hinausgehen und demnach im Wege eines Verpflichtungsbegehrens zu verfolgen wären, bedarf es folglich einer eigenen Änderungsvorschrift (BFH, Urteile vom 12. Juli 2016 ‑‑ IX R 31/15 ‑‑, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699; vom 9. Dezember 2015 ‑‑ X R 56/13 ‑‑, BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die begehrte weitergehende Änderung der Besteuerungsgrundlagen keine (weitergehende) Auswirkung auf den Ausspruch des angefochtenen Bescheides hätte, sondern sich in einem anderen Bescheid auswirken würde.
26Dass weitere Änderungsvorschriften einschlägig sein könnten, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin zwischenzeitlich auch nicht mehr vorgetragen. Insbesondere scheidet eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 aufgrund von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO aus, nachdem der Bescheid in formelle Bestandskraft erwachsen ist. Auch eine Änderung auf Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kann nicht erfolgen. Dass die Klägerin unverschuldet gehindert war, die nachträglich vorgelegte Spendenquittung früher vorzulegen, hat sie nicht vorgetragen. Eine Änderung auf Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ‑‑ wie die Klägerin zwischenzeitlich vorgetragen hat ‑‑ ist ebenso nicht möglich. Namentlich ist ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Abflussjahres der Spende.
272. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den erstmaligen Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Spendenvortrags gemäß § 10b Abs. 1a EStG i. H. v. § 10d Abs. 4 EStG auf den 31.12.2016. Auf den 31.12.2016 gibt es keinen festzustellenden Spendenvortrag i. S. d. § 10b Abs. 1a EStG.
28Gemäß § 10b Abs. 1a Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist eine Spende in den Vermögensstock einer Stiftung auf das Ende des Zuwendungsjahres bzw. der darauf folgenden acht Jahre gesondert festzustellen, wenn und soweit sie nicht durch antragsgemäßen Abzug im Zuwendungsjahr oder den acht folgenden Veranlagungszeiträumen verbraucht wurde. Dabei sind die Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Feststellung so zu berücksichtigen, wie sie Eingang in den jeweiligen Einkommensteuerbescheid gefunden haben, § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2010 (vom 8. Dezember 2010 ‑‑ JStG 2010 ‑‑, BGBl I 2010, 1768). Sonach ergibt sich eine inhaltliche Bindung des jeweiligen Feststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid im verfahrensrechtlichen Sinne ist (BFH-Urteile vom 13. Januar 2015 ‑‑ IX R 22/14 ‑‑, BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829, Rz 15; vom 10. Februar 2015 ‑‑ IX R 6/14 ‑‑, BFH/NV 2015, 812, Rz 13).
29a) Der in § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG ausgebrachte Verweis auf § 10d Abs. 4 EStG ist ‑‑ entgegen der Auffassung der Klägerin ‑‑ nicht aufgrund historischer oder teleologischer Auslegung auf die Sätze 1 bis 3 des § 10d Abs. 4 EStG zu beschränken. Zwar ist der Klägerin insoweit zuzugeben, dass der Verweis auf § 10d Abs. 4 EStG in § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG bereits enthalten war, bevor § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG durch das JStG 2010 die heutige Fassung erhielt. Auch ist der Klägerin zuzustimmen, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 17. September 2008 ‑‑ IX R 70/06 ‑‑, BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897), durch welche die Änderung von § 10d Abs. 4 Satz 4 (und 5) EStG veranlasst war, und die Gesetzesbegründung zum JStG 2010 ausschließlich die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages in den Blick genommen haben. Daraus kann indessen nicht abgeleitet werden, dass § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags keine Anwendung findet. Der (unveränderte) Wortlaut des § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG ist insoweit eindeutig. Darüber hinaus erlaubt auch die historisch-systematische Einordnung des Verweises keine Verengung auf § 10d Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG. Denn bereits vor Änderung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG durch das JStG regelte dieser Satz in verfahrensrechtlicher Hinsicht, wann ein (Verlust‑)Feststellungsbescheid erlassen, geändert oder aufgehoben werden konnte. Nachdem durch das JStG 2010 dem Festsetzungsbescheid in materieller Hinsicht die Funktion eines Grundlagenbescheides beigelegt wurde, konnte der Gesetzgeber insoweit eine entsprechende Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anordnen, § 10d Abs. 4 Satz 4 2 Halbsatz EStG. Sollte man diesen Verweis für die Feststellung eines verbleibenden Zuwendungsvortrags nicht fruchtbar machen, weil § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG ‑‑ wie die Klägerin meint ‑‑ in seiner Anwendung auf § 10d Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG beschränkt sein soll, könnte bei Änderung eines Einkommensteuerbescheides in Ermangelung einer Änderungsnorm keine Anpassung des Vortragsbescheides erfolgen. Auch eine Reduktion des Verweises in § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG auf die in § 10d Abs. 4 EStG enthaltenen verfahrensrechtlichen Vorschriften – also unter Außerachtlassung der materiellen Bindungswirkung infolge von § 10d Abs. 4 Satz 4 1. Halbsatz EStG – erscheint systematisch nicht denkbar. Denn auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu verweisen, ohne dass eine materielle Bindung besteht, erscheint sinnwidrig.
30b) Für Verlustfeststellungsbescheide folgt aus der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG angeordneten materiellen Bindung, dass im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrags die Einkünfte nicht eigenständig zu ermitteln sind. Die Bindung an den Einkommensteuerbescheid greift nach dem Gesetzeswortlaut in § 10d Abs. 4 Satz 4 1. Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2010 ein, wenn die streitigen Besteuerungsgrundlagen "den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums (...) zu Grunde gelegt worden sind". Danach reicht es für die Berechtigung zum Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag oder der Änderung eines solchen Feststellungsbescheids nicht aus, dass sich die Besteuerungsgrundlagen als Bezugsgröße betragsmäßig geändert haben; darüber hinaus ist vielmehr erforderlich, dass diese auch zur Änderung der Steuerfestsetzung führen. Diese zuletzt genannte Voraussetzung sichert die Bestandskraft des vorausgehenden Steuerbescheids; anderenfalls könnten durch den Erlass oder eine Änderung des Feststellungsbescheids in einem bestandskräftigen Steuerbescheid enthaltene Fehler ohne verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage nachträglich korrigiert werden. Gründe dafür, dass § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 abweichend von dem Gesetzeswortlaut auszulegen wäre, sind nicht ersichtlich (BFH, Urteil vom 12. Juli 2016 ‑‑ IX R 31/15 ‑‑ BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699). Für diese Auslegung streitet auch die teleologische Auslegung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass der Steuerpflichtige in größerem zeitlichen Abstand nach der Bestandskraft der Steuerfestsetzung Gründe für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 10d Abs. 4 EStG vorträgt und dadurch die "Abstimmung der materiellen und formellen Änderungserfordernisse" (BTDrucks 17/2249, S. 51 rechte Spalte) von Verlustfeststellung und Steuerfestsetzung des Folgejahres nicht mehr gewährleistet ist.
31c) In entsprechender Anwendung dieser Grundsätze gemäß § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG ergibt sich für Bescheide über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Spendenvortrags, dass eine Spende i. S. d. § 10b Abs. 1a Satz 1 EStG nur insoweit festgestellt werden kann, wie sie im Einkommensteuerbescheid Berücksichtigung gefunden hat. Die geleistete Spende einerseits sowie der in Anspruch genommene Abzug andererseits stellen insoweit die maßgeblichen und im Einkommensteuerbescheid bindend berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 10b Abs. 1a Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG dar. Soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, der Begriff der Besteuerungsgrundlage i. S. d. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG rekurriere allein auf den für die Feststellung des Zuwendungsvortrags unmaßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte, kann dem nicht gefolgt werden. Zutreffend hat die Klägerin insoweit auf die Legaldefinition des Begriffs der Besteuerungsgrundlage in § 199 Abs. 1 AO verwiesen. Ohne weiteres kann eine steuererhebliche Spende aber unter diesen Begriff subsumiert werden. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass für Zwecke der Verlustfeststellung auf den Gesamtbetrag der Einkünfte verwiesen wird (z. B. Hallerbach in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10d EStG, Rn. 127). Dies ist nämlich eine der für die Verlustfeststellung gemäß § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG maßgeblichen Größen (so auch Hallerbach a. a. O.). Bei entsprechender Anwendung auf die Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags sind mithin die in § 10b Abs. 1a EStG genannten Größen ‑‑ die geleistete Spende und der im Veranlagungszeitraum in Anspruch genommene Abzug ‑‑ in den Blick zu nehmen. So werden ‑‑ wie die für diesen Fall erstellte Prüfberechnung (Bl. 197 d. A.) zeigt ‑‑ die Spenden i. S. d. § 10b Abs. 1a EStG unter Beachtung des Höchstbetrages in voller Höhe bei den Besteuerungsgrundlagen des Abflussjahres ausgewiesen („im Kalenderjahr 2016 geleistete Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung“) und ihr Abzug infolge der Wahlrechtsausübung beschränkt („beantragter Abzug für Kalenderjahr 2016“). Selbst wenn die Finanzverwaltung bspw. aufgrund technischer Schwierigkeiten oder, weil dies für die Begründung der Steuerfestsetzung nicht zwingend geboten ist, davon absehen sollte, die Spende in der insgesamt abzugsfähigen Höhe im Abflussjahr auszuweisen, kann eine Spende nur insoweit in einem Feststellungsbescheid Berücksichtigung finden, als sie auch bei der Einkommensteuerfestsetzung im Abflussjahr unter Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften hätte berücksichtigt werden können.
32Soweit die Klägerin demgegenüber meint, die Spende habe ‑‑ nach der unter Ziff. 1 ausgeführten kompensatorischen Änderung ‑‑ dem Grunde nach als Besteuerungsgrundlage Eingang in den Einkommensteuerbescheid 2016 gefunden und könne danach in materiell zutreffender Höhe festgestellt werden, geht dies fehl. Hierdurch würde die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides in weitergehendem Maße durchbrochen, als dies aufgrund der hier angewandten Änderungsvorschriften (§§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 177 Abs. 1 AO) zulässig ist. Diese zu schützen ist indessen Zielrichtung der mit § 10b Abs. 1a Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG begründeten materiellen Bindung. So hat für den vergleichbaren Fall eines materiell fehlerhaft zu niedrigen Verlustausweises im Einkommensteuerbescheid der Bundesfinanzhof selbst unter Berücksichtigung des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG entschieden, dass die Bestandskraft zu schützen und ein weitergehender Verlust nicht im Rahmen des Verlustvortrages festzustellen sei. Denn die Höhe des Verlustes ‑‑ und hier die Höhe der „im Kalenderjahr 2016 geleistete[n] Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung“ ‑‑ ist im Feststellungsbescheid nicht gesondert zu ermitteln (BFH, Urteil vom 12. Juli 2016 ‑‑ IX R 31/15 ‑‑ BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699). Daher sind die Besteuerungsgrundlagen aus dem Festsetzungsbescheid nicht nur dem Grund nach bindend; vielmehr sind sie mit den „der Einkommensteuerfestsetzung zu Grunde gelegten Beträgen“ (BTDrucks 17/2249, S. 51 linke Spalte) im Rahmen der Feststellung zu berücksichtigen.
33Danach scheidet die Feststellung eines Zuwendungsvortrags auf Grundlage von § 10b Abs. 1a EStG aus. Festzustellen ist namentlich nur die vorzutragende Zuwendung. Nachdem die geleistete Spende der Klägerin lediglich i. H. v. ... € zu berücksichtigen wäre, ergibt sich nach Minderung um den Abzug im Jahr 2016 i. H. v. ... € keine vortragsfähige Spende mehr.
343. Der Einkommensteuerbescheid 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die steuermindernde Berücksichtigung der in 2016 abgeflossenen Spende ist nicht möglich. Ein am 31.12.2016 noch nicht verbrauchter Zuwendungsvortrag ist nicht gesondert festgestellt. Einer solchen Feststellung bedürfte es indessen, um den Spendenabzug im Jahr 2017 zu eröffnen (vgl. BFH, Urteil vom 6. Dezember 2018 ‑‑ X R 11/17 ‑‑, BFHE 263, 203, BStBl II 2021, 899).
354. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
365. Die Revision war zur Fortentwicklung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.