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Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22. Februar 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2020 wird dahingehend geändert, dass der Arbeitslohn des Klägers für seine in Ägypten ausgeübte Tätigkeit in Höhe von ... Euro als steuerfrei behandelt wird, die in diesem Zusammenhang berücksichtigten Werbungskosten in Höhe von ... Euro nicht mehr in Abzug gebracht werden und stattdessen Einkünfte in Höhe von ... Euro dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.
Die Neuberechnung des Steuerbetrags wird dem Beklagten aufgegeben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darum, welchem Staat das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn des Klägers für seine Tätigkeit in Ägypten zusteht.
3Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und seit dem 1. September 2017 bei der A angestellt. Die A gehört zu den .... Sie ist eine privatrechtliche Kapitalgesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), an der der zu % beteiligt ist. Seit dem 2017 wird der Kläger in dem Projekt ... partnerschaften ... in Ägypten im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ägypten als Fachkraft nach Ägypten entsandt und ist dort als tätig. Im Kalenderjahr 2017 hielt er sich insgesamt an 91 Tagen in Ägypten auf. Ausweislich seiner Lohnsteuerbescheinigungen erhielt der Kläger Arbeitslohn für seine Tätigkeit im Inland in Höhe von ... Euro und für seine Tätigkeit in Ägypten einen als steuerfrei behandelten Arbeitslohn in Höhe von ... Euro. In dem sich in den Akten befindenden Antrag für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer auf Erteilung einer Bescheinigung über die Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 31. Dezember 2020 gab die A an, dass der Arbeitslohn des Klägers von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung des Arbeitnehmers (richtig wohl Arbeitgebers) in Ägypten getragen worden sei. Neben seiner seit 2006 bis heute bewohnten Hauptwohnung in B mietete der Kläger für seine Auswärtstätigkeit in Ägypten eine weitere Wohnung in F an.
4Im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22. Februar 2019 behandelte der Beklagte den als steuerfrei behandelten Arbeitslohn als solchen ohne Lohnsteuerabzug und erhöhte den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn des Klägers auf ... Euro. Zur Begründung führte er aus, der Steuerfreistellung des Arbeitslohns in Ägypten könne nicht entsprochen werden, da Deutschland nach dem Kassenstaatsprinzip auch insoweit das Besteuerungsrecht zustehe. Die Arbeitgeberin A GmbH zähle durch die ... %ige Beteiligung des ... als öffentliche Kasse. Die im Einkommensteuerbescheid 2017 berücksichtigten Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit beliefen sich auf Euro.
5Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit in Ägypten seien steuerfrei, da insoweit Ägypten das Besteuerungsrecht zustehe. Der Kassenstaatsartikel nach Art. 19 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ägypten vom 22. September 1991, BGBl. II 1990, 278 (DBA Ägypten), finde auf Mitarbeiter der A keine Anwendung, da das Doppelbesteuerungsabkommen keine Entwicklungshelferklausel beinhalte. Es bleibe bei der Anwendung des Artikels über die unselbständige Arbeit gemäß Art. 15 DBA Ägypten. Als Nachweis werde auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Dezember 2013 – IV C 3 – S 2300/08/10007:004 – verwiesen. Im Übrigen finde der Kassenstaatsartikel keine Anwendung bei Auszahlungen durch eine juristische Person des Privatrechts. Dies gelte auch dann, wenn die juristische Person hinsichtlich ihres Finanzgebarens der Aufsicht oder Prüfung durch die öffentliche Hand unterliege und die gezahlte Vergütung überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werde, vgl. Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 25. Februar 2015 – S-2300 1.1 – 6/29 St 32 –. Auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Mai 2018 – IV B 2 – S 1300/08/10027 –, Rz. 56 ff., regele, dass nur bei Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungshelferklausel das Kassenstaatsprinzip Anwendung finde. Weiterhin werde auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25. April 2018 – 9 K 24/18 –, EFG 2018, 1200, verwiesen, wonach bei Ausschluss der Entwicklungshelferklausel Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens eingreife.
6Dass die A eine inländische öffentliche Kasse darstelle, sei unstreitig. Das hierzu ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. November 2019 – IV C 5 – S 2300/19/10009:003 – regele darüber hinaus auch den Anwendungsbereich der Entwicklungshelferklausel in Rz. 18 bis 21. Darin sei ersichtlich, dass sogar mit Entwicklungshelferklausel in bestimmten Konstellationen Steuerfreiheit erfolgen könne. Allerdings sei auch hier eine Entwicklungshelferklausel für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips erforderlich.
7Des Weiteren habe er, der Kläger, seit dem 2. Oktober 2017 einen doppelten Haushalt begründet, da er in F eine Zweitwohnung unterhalte. Er beantrage die Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von ... Euro, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften stünden.
8Dem Einspruch der Kläger war eine Bescheinigung der A nach § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beigefügt, nach der Ägypten von Vergütungen, die an im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit entsandte Fachkräfte gezahlt werden, keine Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben erhebt.
9Am 20. November 2020 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2017 zugunsten der Kläger ab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die nachträglich geltend gemachten Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... Euro seien abzüglich des durch die Arbeitgeberin steuerfrei ersetzen Betrags von ... Euro anzuerkennen. Im Übrigen sei der Einspruch unbegründet. Bei der A handele es sich um eine sogenannte öffentliche Kasse. Dies gehe aus dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2012 – 13 K 1178/10 E –, EFG 2012, 1167, hervor. Somit habe der Kläger im Zeitraum vom 2. Oktober bis 31. Dezember 2017 inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b EStG mit der Folge bezogen, dass diese in Deutschland in vollem Umfang zu besteuern seien. Auch das DBA Ägypten weise Deutschland in Art. 19 das Besteuerungsrecht zu. Eine Entwicklungshelferklausel sei nicht erforderlich. Das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25. April 2018 – 9 K 24/18 –, EFG 2018, 1200, sei nicht anwendbar, da es sich auf das DBA Tunesien, das in Art. 19 eine Entwicklungshelferklausel enthalte, die im dortigen Streitfall nicht erfüllt gewesen sei, beziehe. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Mai 2018 – IV B 2 – S 1300/08/10027 – regele in Rz. 56 nur, dass, sofern Vergütungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gezahlt würden, zunächst zu prüfen sei, ob das anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland als Kassenstaat das Besteuerungsrecht zuweise. Dies sei im Streitfall nicht gegeben.
10Die Kläger haben am 14. Dezember 2020 Klage erhoben.
11Zur Begründung führen sie aus, Deutschland stehe nicht nach dem sogenannten Kassenstaatsprinzip gemäß Art. 19 DBA Ägypten das Besteuerungsrecht zu. Aufgrund des Art. 15 Abs. 1 DBA Ägypten stehe vielmehr Ägypten als sogenanntem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu. Der Kassenstaatsartikel 19 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development) zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (OECD-MA) finde auf Mitarbeiter der A keine Anwendung, da die A eine juristische Person des Privatrechts sei, deren alleinige Gesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland sei. Art. 19 Abs. 1 DBA Ägypten entspreche im Wesentlichen Art. 19 Abs. 1 OECD-MA. Dieser finde bei Auszahlungen durch eine juristische Person des Privatrechts keine Anwendung. Insofern verbleibe es bei der Anwendung des Artikels über die unselbständige Arbeit nach Art. 15 OECD-MA und hier des Doppelbesteuerungsabkommens. Einzige Ausnahme hiervon wäre, dass das Doppelbesteuerungsabkommen eine sogenannte Entwicklungshelferklausel beinhalte, mit der Deutschland das Besteuerungsrecht für Einkünfte, die im Rahmen der Entwicklungshilfe tätige Mitarbeiter erzielten, zugewiesen werde. Da das DBA Ägypten keine Entwicklungshelferklausel beinhalte, verbleibe es bei der Anwendung des Art. 15 Abs. 1. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b EStG sei in seinem, des Klägers, Fall nicht anwendbar, da er seinen Wohnsitz gemäß § 8 der Abgabenordnung (AO) im Inland habe und gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei.
12Die Kläger beantragen,
13den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22. Februar 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2020 dahingehend zu ändern, dass der Arbeitslohn des Klägers für seine Tätigkeit in Ägypten in Höhe von ... Euro abzüglich der in diesem Zusammenhang berücksichtigten Werbungskosten in Höhe von ... Euro als steuerfrei behandelt wird und stattdessen Einkünfte in Höhe von ... Euro dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, an seinem zwischenzeitlich erhobenen Einwand, bei Anwendung des Art. 15 DBA Ägypten falle das Besteuerungsrecht jedenfalls nach § 50d Abs. 8 EStG an die Bundesrepublik Deutschland zurück, halte er aufgrund der vorgelegten Bescheinigung der A vom 10. Januar 2018 nicht mehr fest. Allerdings ergebe sich das Besteuerungsrecht Deutschlands aus § 50d Abs. 7 EStG.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist begründet.
19I. Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22. Februar 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Er ist dahingehend zu ändern, dass der Arbeitslohn des Klägers für seine in Ägypten ausgeübte Tätigkeit in Höhe von ... Euro als steuerfrei behandelt wird, die in diesem Zusammenhang berücksichtigten Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... Euro nicht mehr bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht werden und stattdessen Einkünfte des Klägers in Höhe von ... Euro dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterworfen werden. Die Neuberechnung des Steuerbetrags wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten aufgegeben.
201. Der Beklagte hat den Arbeitslohn des Klägers für seine in Ägypten ausgeübte Tätigkeit in Höhe von ... Euro zu Unrecht als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt, da insoweit nicht der Bundesrepublik Deutschland, sondern Ägypten das Besteuerungsrecht zusteht.
21a) Der Kläger war im Streitjahr nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Seinen Wohnsitz in B hat er – auch während seiner Tätigkeit in Ägypten ab Oktober 2017 – bis heute beibehalten. Darauf, ob er inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt, kommt es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht an.
22b) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Ägypten steht Ägypten als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den vom Kläger bezogenen Arbeitslohn für seine in Ägypten ausgeübte Tätigkeit in Höhe von ... Euro zu.
23aa) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht nicht nach dem sogenannten Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 DBA Ägypten zu. Danach können Vergütungen, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften an eine natürliche Person für die diesem Staat, dem Land oder der Gebietskörperschaft geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
24(1) Der vom Kläger für seine Tätigkeit in Ägypten bezogene Arbeitslohn stellt eine Vergütung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA Ägypten dar. Was Vergütungen in diesem Sinne sind, wird im Abkommen zwar begrifflich nicht bestimmt, ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang zu Art. 15 Abs. 1 DBA Ägypten. Danach können Ge-hälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Diese Besteuerungszuweisung erfolgt erklärtermaßen „vorbehaltlich der Art. 16, 18 und 19“ und weist damit den Weg für ein einheitliches Begriffsverständnis (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juli 2015 – I R 42/13 –, BStBl. II 2016, 14 zum DBA Indonesien).
25(2) Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 DBA Ägypten sind allerdings im Übrigen nicht erfüllt. Denn die Norm verlangt, dass die Vergütungen von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften gezahlt werden. Hieran fehlt es, da es sich bei der A um eine Körperschaft des privaten Rechts handelt, die lediglich vom Bund als alleinigem Anteilseigner getragen wird. Der Umstand, dass die A aus öffentlichen Mitteln finanziert wird oder der staatlichen Aufsicht unterliegt, reicht nicht aus (vgl. zum ähnlich lautenden DBA Kasachstan FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2012 – 13 K 1178/10 E –, EFG 2012, 1167 sowie zum DBA Indonesien Thüringer FG, Urteil vom 25. April 2013 – 2 K 756/10 –, EFG 2013, 1137; Bayerisches Landesamt für Steuern vom 25. Februar 2015 – S 2300.1.1 – 6/29 St32 –; Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner, DBA, 7. Auflage 2021, Art. 19 OECD-MA 2017 Rz. 22a, 27a; Wassermeyer/Drüen, in: Wassermeyer, DBA, Art. 19 OECD-MA 2017 Rz. 41, Stand Januar 2018; Gold/Wessel, in: Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 19 OECD-MA Rz. 17, Stand Februar 2022; Bublitz, IStR 2014, 140 <141>).
26(3) Entgegen der zuletzt geäußerten Auffassung des Beklagten folgt die Anwendbarkeit des Kassenstaatsprinzips nach Art. 19 Abs. 1 DBA Ägypten auch nicht aus § 50d Abs. 7 EStG.
27Werden Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus einer Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Sinne der Vorschrift eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung über den öffentlichen Dienst gewährt, so ist diese Vorschrift nach § 50d Abs. 7 EStG bei Bestehen eines Dienstverhältnisses mit einer anderen Person in der Weise auszulegen, dass die Vergütungen für der erstgenannten Person geleistete Dienste gezahlt werden, wenn sie ganz oder im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden.
28§ 50d Abs. 7 EStG dehnt die Reichweite der Art. 19 Abs. 1 OECD-MA zugrundeliegenden Ausgestaltung des abkommensrechtlichen Kassenstaatsprinzips unilateral durch eine erweiternde Auslegung des Merkmals „für einem Vertragsstaat geleistete Dienste“ in Art. 19 Abs. 1 OECD-MA mit der Folge aus, dass es im Fall eines Dienstverhältnisses mit einer anderen Person auch dann erfüllt sein soll, wenn die maßgeblichen Vergütungen ganz oder im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden (vgl. Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner, DBA, 7. Auflage 2021, Art. 19 OECD-MA 2017 Rz. 5).
29§ 50d Abs. 7 EStG ist im Fall des unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers allerdings bereits deswegen nicht einschlägig, weil er ausschließlich auf beschränkt Steuerpflichtige im Sinne von § 1 Abs. 4 EStG Anwendung findet (vgl. Cloer/Hagemann, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 50d Rz. 249, Stand Juli 2017; Middendorf/Zink, in: EStG – eKommentar, § 50d Rz. 20, Stand Januar 2020; Lampert, in: BeckOK EStG, § 50d Rz. 311, Stand Oktober 2021; Wassermeyer/Drüen, in: Wassermeyer, DBA, Art. 19 OECD-MA 2017 Rz. 41, Stand Januar 2018; Bublitz, IStR 2007, 77 <82>). Im Übrigen handelt es sich bei der A nicht um eine Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 50d Abs. 7 EStG (vgl. Klein/Hagena, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50d EStG Rz. 102, Stand August 2019). Auf Einkünfte aus inländischen öffentlichen Kassen im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die zwar einer Dienstaufsicht und Prüfung des Finanzgebarens durch die inländische öffentliche Hand unterliegen, aber selbst keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind, ist § 50d Abs. 7 EStG nicht anwendbar (vgl. Middendorf/Zink, in: EStG – eKommentar, § 50d Rz. 20, Stand Januar 2020; Bublitz, IStR 2007, 77 <82>).
30(4) Da auch Art. 19 DBA Ägypten selbst keine Erweiterung des Kassenstaatsprinzips vorsieht, ist dieses auf die Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit in Ägypten nicht anwendbar. Insbesondere enthält das DBA Ägypten keine das Kassenstaatsprinzip zugunsten der Bundesrepublik Deutschland erweiternde sogenannte Entwicklungshelferklausel (vgl. zur Bedeutung einer Entwicklungshelferklausel zur Erweiterung des Kassenstaatsprinzips etwa BFH, Urteil vom 7. Juli 2015 – I R 42/13 –, BStBl. II 2016, 14; BFH, Urteil vom 28. März 2018 – I R 42/16 –, BStBl. II 2019, 671; FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2012 – 13 K 1178/10 E –, EFG 2012, 1167; Hessisches FG, Urteil vom 25. April 2018 – 9 K 24/18 –, EFG 2018, 1200; Hessisches FG, Urteil vom 25. April 2018 – 9 K 1757/16 –, EFG 2018, 1717; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Dezember 2013 – IV C 3 – S 2300/08/10007:004 –; Bayerisches Landesamt für Steuern vom 25. Februar 2015 – S 2300.1.1 – 6/29 St32 –).
31bb) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Ägypten steht Ägypten das Besteuerungsrecht für den vom Kläger für seine Tätigkeit in Ägypten bezogenen Arbeitslohn in Höhe von ... Euro zu.
32Nach Art. 15 Abs. 1 DBA Ägypten können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.
33(1) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 DBA Ägypten steht grundsätzlich der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zu, weil der Kläger dort ansässig ist.
34(a) Der aufgrund seines Wohnsitzes in B unbeschränkt steuerpflichtige Kläger ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA Ägypten in Deutschland ansässig. Denn danach bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Die Einschränkung nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA Ägypten ist nicht einschlägig.
35(b) Ob der Kläger darüber hinaus im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Ägypten auch in Ägypten ansässig ist, weil er auch nach ägyptischem Recht in Ägypten aufgrund eines Wohnsitzes, eines ständigen Aufenthalts, des Orts seiner Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, kann dahinstehen. Denn selbst wenn der Kläger in beiden Vertragsstaaten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Ägypten ansässig wäre, würde er jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) DBA Ägypten als in der Bundesrepublik Deutschland ansässig gelten. Danach gilt eine Person als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
36(aa) Der Kläger verfügte im Streitjahr sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Ägypten über eine ständige Wohnstätte.
37Der Begriff der ständigen Wohnstätte ist ein spezifisch abkommensrechtlicher, da er dazu dient, bei mehrfacher Ansässigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Ägypten vorrangig dem einen oder dem anderen Vertragsstaat die Wahrnehmung seines Besteuerungsrechts zu belassen. Er ist nach allgemeinen völkerrechtlichen Regeln, d.h. anhand des Wortlauts, seinem Sinn und Zweck und seinem systematischen Zusammenhang auszulegen. Das deutsche Recht kennt zudem weder den Begriff "Wohnstätte" noch den der "ständigen Wohnstätte" (vgl. BFH, Urteil vom 16. Dezember 1998 – I R 40/97 –, BStBl. II 1999, 207 zum DBA Schweiz m.w.N.).
38Wohnstätte sind alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Jemand verfügt über eine ständige Wohnstätte, wenn er die Möglichkeit hat, jederzeit (rechtmäßig) die Räumlichkeiten als Wohnstätte zu nutzen und sie tatsächlich nutzt. Eine ständige Wohnstätte setzt nicht ein ständiges Bewohnen der Wohnung oder ein Mindestmaß an Nutzung in jedem Veranlagungszeitraum voraus. Die Notwendigkeit eines ständigen Bewohnens ergibt sich aus dem Abkommenswortlaut nicht (vgl. BFH, Urteil vom 16. Dezember 1998 – I R 40/97 –, BStBl. II 1999, 207 zum DBA Schweiz). Eine ständige Wohnstätte wird in der Regel an dem Ort liegen, an dem die Familie des Steuerpflichtigen lebt (vgl. Kramer, DStR 2019, 2573 <2575>; Wassermeyer/Kaeser, in: Wassermeyer, DBA, Art. 4 OECD-MA 2017 Rz. 56 f., Stand März 2013; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Mai 2018 – IV B 2-S 1300/08/10027, 2018/0353235 –, BStBl. I 2018, 643, Rz. 13). Eine ständige Wohnstätte liegt regelmäßig auch dort, von wo aus Steuerpflichtige ihrer Arbeit nachgehen (vgl. Kramer, DStR 2019, 2573 <2575>; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Mai 2018 – IV B 2-S 1300/08/10027, 2018/0353235 –, BStBl. I 2018, 643, Rz. 13).
39Nach diesen Grundsätzen verfügte der Kläger im Streitjahr seit dem ...2017 sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Ägypten über eine ständige Wohnstätte im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) DBA Ägypten. Die auch während seiner Tätigkeit in Ägypten beibehaltene Wohnung des Klägers in B stellt seine Familienwohnung dar. Die zusätzliche Wohnung in F hat er zur Ausübung seiner Tätigkeit in Ägypten bezogen.
40(bb) Nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) Halbsatz 2 DBA Ägypten gilt der Kläger als in der Bundesrepublik Deutschland ansässig, da er zu diesem Vertragsstaat die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Das Innehaben von persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ist an objektiven Kriterien zu messen. Die persönlichen Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung. Dazu gehören familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen. Wirtschaftliche Beziehungen bestehen vor allem zu örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen (vgl. BFH, Urteil vom 31. Oktober 1990 – I R 24/89 –, BStBl. II 1991, 562). Der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt jedenfalls dann in einem bestimmten Staat, wenn zu diesem Staat die deutlich engeren persönlichen Beziehungen und darüber hinaus gewichtige wirtschaftliche Beziehungen bestehen und die vorhandenen wirtschaftlichen Beziehungen zu dem anderen Staat nur gegenwartsbezogen sind und sich voraussichtlich in der Zukunft abbauen werden (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – I B 94/14 –, BFH/NV 2016, 748; BFH, Beschluss vom 27. März 2007 – I B 63/06 –, BFH/NV 2007, 1656; BFH, Urteil vom 31. Oktober 1990 – I R 24/89 –, BStBl. II 1991, 562).
41Nach diesen Grundsätzen lag der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers im Streitjahr in der Bundesrepublik Deutschland, da zu diesem Vertragsstaat die deutlich engeren persönlichen und zudem gewichtige wirtschaftliche Beziehungen bestanden, wohingegen die wirtschaftlichen Beziehungen zu Ägypten lediglich gegenwartsbezogen und zeitlich begrenzt waren. Der Kläger ist in Deutschland geboren und deutscher Staatsangehöriger. Er hat seine seit 2006 bis heute bewohnte Wohnung in B auch während seiner Tätigkeit in Ägypten beibehalten. Er lebte dort im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau und mit ... seiner Kinder. Zu berücksichtigten ist darüber hinaus, dass der Kläger die Tätigkeit in Ägypten im Streitjahr überhaupt erst aufgenommen hat. Die A als Arbeitgeberin des Klägers, an der der ... zudem zu ... % beteiligt ist, hat ihren Sitz in C und in D und damit ebenfalls in Deutschland. Demgegenüber bestanden die wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu Ägypten ausschließlich in seiner dort im Streitjahr erst aufgenommenen und zudem nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeit als ....
42(2) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 DBA steht das Besteuerungsrecht jedoch dem Tätigkeitstaat und nicht dem Ansässigkeitsstaat zu, wenn die Tätigkeit nicht im Ansässigkeitsstaat, sondern im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. In diesem Fall können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Da der Kläger seine Tätigkeit für die A in Ägypten ausgeübt hat, steht Ägypten als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den dafür bezogenen Arbeitslohn des Klägers in Höhe von ... Euro zu.
43(3) Das Besteuerungsrecht steht der Bundesrepublik Deutschland schließlich nicht nach Art. 15 Abs. 2 DBA Ägypten zu. Danach können ungeachtet des Absatzes 1 Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn a) der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Kalenderjahrs aufhält und b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls nicht alle erfüllt. Denn ausweislich des sich in den Akten befindenden Antrags für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer auf Erteilung einer Bescheinigung über die Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist der Arbeitslohn des Klägers von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung des Arbeitgebers in Ägypten getragen worden, so dass jedenfalls die Voraussetzung des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c) DBA Ägypten nicht erfüllt ist.
44c) Das Besteuerungsrecht fällt – zwischen den Beteiligten unstreitig – auch nicht nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG an die Bunderepublik Deutschland zurück. Der Kläger hat nachgewiesen, dass Ägypten auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat.
452. Nach alledem sind die ausländischen Einkünfte des Klägers von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da Ägypten insoweit das Besteuerungsrecht zusteht, vgl. Art. 24 Abs. 1 Buchstabe a) DBA Ägypten. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, jedoch dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. Dabei sind die auf den steuerfreien Anteil der Einnahmen entfallenden Werbungskosten, die nach § 3c EStG nicht angesetzt werden dürfen, von den steuerfreien Einnahmen in Abzug zu bringen. Daraus folgt, dass die mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von ... Euro nicht als Werbungskosten bei den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden dürfen. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung mindern jedoch die dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfenden Einnahmen. Die sich hieraus ergebenden Einkünfte in Höhe von ... Euro sind im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigten.
46II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3,151 Abs. 3,155 Satz 1 FGO und 708 Nr. 10,709 Satz 2,711 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).