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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Der am ....1939 geborene Z war alleiniger Gesellschafter der Y Vermögensverwaltung GmbH (GmbH). Mit notariellem Vertrag vom ....2014 übertrug er mit Wirkung zum 1.5.2014 jeweils 23,33 % seiner Anteile auf seine Kinder Z1, Z2 (Kläger) und Z3. Die Übertragung erfolgte unter dem Vorbehalt des lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchs für den Schenker. Die Schenkungsteuererklärung ging am 30.6.2017 beim Beklagten ein.
3Mit Bescheid vom 23.8.2021 setzte der Beklagte für die o.g. Übertragung gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer auf den 1.5.2014 in Höhe von 1.918 € fest (kein Vorbehalt der Nachprüfung). Dabei ging er von einem Wert des Erwerbs in Höhe von 427.458 € aus (Wert der übertragenen Anteile = 781.864 € ./. Nießbrauchsverpflichtung i.H.v. 354.406 € [Jahreswert = 781.864 : 18.6 = 42.036 x Vervielfältiger 8,431]). Der berücksichtigte Wert beruhte auf einem Bescheid des für die GmbH zuständigen Belegenheitsfinanzamts X vom 23.6.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und die gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 1.5.2014. Der Feststellungsbescheid enthält keine Aussagen zum Wert des Nießbrauchs. Der Jahreswert des Nießbrauchs und der Wert der übertragenen Anteile sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
4Gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 23.8.2021 hat der Kläger Sprungklage erhoben, der der Beklagte rechtzeitig zugestimmt hat.
5Der Kläger macht geltend, der Bescheid sei rechtswidrig, da der für die Berechnung der Nießbrauchslast anzuwendende Vervielfältiger richtigerweise 9,509 betragen müsse. Der Ansatz des höheren Vervielfältigers ergebe sich daraus, dass § 14 BewG einen logischen Bruch enthalte. Denn einerseits sei nach § 14 Abs. 1 BewG der Vervielfältiger nach der statistischen Lebenserwartung zu bemessen, andererseits sei in Fällen, in denen sich das Mortalitätsrisiko innerhalb kurzer Zeit verwirkliche (§ 14 Abs. 2 BewG) der Kapitalwert nach der tatsächlichen Laufzeit zu bemessen. Wenn in einem solchen Fall nun die Ermittlung nach der statistischen Lebenserwartung erfolge, aber von vorneherein nur solche Sterbefälle berücksichtigt würden, die nach einer bestimmten Mindestdauer eingetreten seien, so sei der nach den Tabellen des § 14 Abs. 1 BewG ermittelte Wert mathematisch falsch, da er Umstände berücksichtige, die aus den Gründen des § 14 Abs. 2 BewG gar nicht berücksichtigt würden.
6Für den Streitfall ergäbe sich dementsprechend folgende Berechnung:
7Der Nutzungsberechtigte sei zum Zeitpunkt der Übertragung 74 Jahre alt gewesen. Die statistische Lebenserwartung habe 11,021 Jahre betragen. Der Berichtigungszeitraum betrage nach § 14 Abs. 2 BewG 5 Jahre. Sei der Berichtigungszeitraum abgelaufen, so betrage die Lebenserwartung für einen dann 79jährigen Mann noch 8,28 Jahre. Die unter Berücksichtigung des § 14 Abs. 2 BewG am Übertragungsstichtag bestehende Lebenserwartung betrage somit 13,28 Jahre (= 5 Jahre + 8,28 Jahre). Bei einer Lebenserwartung von 13,28 Jahren ergäbe sich ein Vervielfältiger von 9,509. Dem liege folgende (in Microsoft-Excel eingegebene) Formel zugrunde, wobei LE die Lebenserwartung bezeichne:
8((Potenz(1,055; LE+1))+(Potenz(1,055; LE)-1,055-1))/((2*Potenz(1, 055; LE)*(1,055-1)))
9In der Formel sei, wie auch in den vom BMF herausgegebenen Tabellen als Kapitalwert der Mittelwert zwischen dem Kapitalwert bei jährlich vorschüssiger und jährlich nachschüssiger Zahlungsweise berücksichtigt. Zur weiteren Begründung werde auf die Ausführungen in ,,Der Erbschaftsteuerberater 2018, 126ff (ErbStB)." Bezug genommen.
10Der mathematisch-logische Fehler in der BMF-Tabelle zu § 14 Abs. 1 BewG führe in den Fällen, in denen § 14 Abs. 2 BewG anwendbar sei, auch zu einem rechtlich-logischen Fehler, da auf diese Weise der ,,frühe" Sterbefall innerhalb der durch § 14 Abs. 2 BewG gezogenen Grenzen zur Doppelberücksichtigung eines Tatbestandsmerkmals führe, nämlich dem Tod innerhalb des Zeitraumes in § 14 Abs. 2 BewG.
11Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 BewG stehe dieser mathematisch-logisch richtigen Berechnungsmethode nicht entgegen. § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG laute:
12„Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des statistischen Bundesamtes zu ermitteln und ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahres anzuwenden.“
13§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG fordere damit lediglich eine „Ermittlung“ nach der jeweiligen Sterbetafel. Nicht dagegen ergebe sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG, dass die Sterbetafeln „blind“ zu übernehmen seien. Somit könne sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG auch nicht ergeben, dass der Kapitalwert unter Verstoß gegen die mathematische Logik zu ermitteln sei. § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG stehe dem nicht entgegen, da die Vorschrift lediglich eine Informationspflicht aufstelle. Die vom BMF aufgestellten Tabellen hätten weder die Vermutung einer Richtigkeit für sich noch seien sie (sollten sich etwa Rechenfehler einschleichen) allein aufgrund ihrer Veröffentlichung bindend. Gegen die mathematisch-rechnerische Richtigkeit der in ErbStB 2018, 126ff. veröffentlichten Tabellen seien bislang keine Einwendungen erhoben worden. Die in ErbStB 2018, 126 ff. veröffentlichte Tabelle verstoße auch nicht gegen die nach § 14 Abs. 4 BewG „verbotenen" Kriterien.
14Gegen diese Auffassung könne auch nicht eingewandt werden, dass sie eine Änderung des Gesetzes erfordere. Vielmehr könne die mathematisch-logische Richtigkeit dieser Auffassung mit herkömmlichen Auslegungskriterien durch teleologische Extension (vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6. Auflage 1991, Kap. 5, Nr. 1 d) Seite 397) gewonnen werden. Stehe die Anwendung des § 14 Abs. 1 BewG in (bestimmten) Fällen unter dem Vorbehalt einer Korrektur nach § 14 Abs. 2 BewG, so müsse § 14 Abs. 1 BewG „doppelt“ gelesen werden, im Grundfall und im „Vorbehaltsfall“.
15Darüber hinaus sei der Bescheid auch deshalb rechtswidrig, weil die nach Geschlecht unterscheidenden Tabellen zu § 14 Abs. 1 BewG gegen Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG verstießen:
16Nach Art. 3 Abs. 3 GG dürfe niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden. Da Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG keinen Gesetzesvorbehalt aufwiesen, könne der Gesetzgeber nicht zu Einschränkungen aufgrund eines Gesetzes ermächtigt werden. Nehme der Gesetzgeber dennoch Differenzierungen zwischen den Geschlechtern vor, so könne eine solche Ungleichbehandlung - außerhalb der Förderungsklausel nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG - nur dann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn und soweit sie zur Lösung von Problemen, die "ihrer Natur nach" entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich seien (Hinweis u.a. auf BVerfG-Urteil vom 28.1.1992 1 BvR 1025/82, BVerfGE 85,191,207). Die Unterscheidung müsse sich also auf biologische Unterschiede beziehen.
17§ 14 BewG unterscheide bei der Bemessung des Kapitalwertes eines vorbehaltenen Nießbrauchrechtes nach der Lebenserwartung von Männern und Frauen. Es existierten geschlechterbezogene unterschiedliche Tabellen. Hierbei sei das Geschlecht Differenzierungsmerkmal für die unterschiedliche Lebenserwartung, ohne dass feststehe, dass das Geschlecht die Lebenserwartung bestimme und nicht unterschiedliche Lebensweisen, die möglicherweise einem Wandel unterlägen und mit dem Geschlecht allenfalls zufällig zusammenhingen. Das Geschlecht sei damit Ausgangspunkt der Differenzierung, aber nicht Grund der Differenzierung. Daher sei die Differenzierung unzulässig. Es solle nicht in Abrede gestellt werden, dass die Lebenserwartung von Männern und Frauen statistisch unterschiedlich sei. Dies aber reiche alleine nicht aus, um eine Differenzierung zu rechtfertigen. Die Statistik selbst könne eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen, wenn das hinter ihr stehende Unterscheidungsmerkmal nicht überzeuge. Daher könne eine unterschiedliche Betrachtung nur dann die unterschiedliche Rechtsfolge der Behandlung von Männern und Frauen rechtfertigen, wenn das Geschlecht tatsächlich das richtige Differenzierungskriterium sei und nicht lediglich geschlechtsspezifische unterschiedliche Lebensgewohnheiten widerspiegele. Wenn nämlich Lebensgewohnheiten in weitem Maße das Lebensalter bestimmten und diese Lebensgewohnheiten zwischen Männern und Frauen unterschiedlich seien, so wären die Lebensgewohnheiten das entscheidende Kriterium, nicht aber das Geschlecht.
18In diesem Zusammenhang werde auch auf die EuGH-Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot verwiesen (EuGH-Urteil vom 01.03.2011, Rs. C‑236/09).
19Das Geschlecht dürfe nur dann zum Ausgangspunkt einer Differenzierung genommen werden, wenn die Differenzierung geschlechtsspezifisch sei, d.h. auf biologischen Unterschieden beruhe (Hinweis auf Kischel in Epping/Hillgruber, GG Art. 3 Rn. 192, und Nußberger in Sachs, GG Art. 3 Rn. 274). Zur Feststellung biologischer Unterschiede sei ein spezifischer, positiver Nachweis erforderlich. Pauschale oder überkommene Vorstellungen reichten nicht aus (Kischel in Epping/Hillgruber, GG Art. 3 Rn. 193).
20Die unterschiedliche Behandlung könne auch nicht vor dem Hintergrund gerechtfertigt werden, dass im Steuerrecht ein verfassungsrechtlich weiter Entscheidungsspielraum bestehe. Dies könne nur im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes gelten. Hier seien aber die besonderen, speziellen Gleichheitssätze nach Art. 3 Abs. 2 Abs. 3 GG betroffen. Die Gestaltungsfreiheit im Steuerrecht reiche aber niemals in diese speziellen Gleichheitssätze hinein.
21Im Übrigen werde auf die „Deutsch-Österreichische Klosterstudie" von Marc Luy verwiesen (vgl. Bl. 13ff. der elektronischen Gerichtsakte). Luy habe herausgefunden, dass Männer und Frauen bei etwa gleichwertigen Lebensverhältnissen - in Klöstern - nur sehr geringe Mortalitätsdifferenzen von weniger als einem Jahr aufwiesen. Sei dies richtig, so liege die unterschiedliche Lebenserwartung in der heutigen allgemeinen Bevölkerung nicht in dem Geschlecht begründet, sondern den Lebensgewohnheiten. Dann wäre der Gesetzgeber berechtigt, bestimmte Lebensgewohnheiten bei der Erstellung von Sterbetafeln mit steuerlicher Wirkung zu berücksichtigen, nicht aber das Geschlecht.
22Der BGH habe mit Beschluss vom 8.3.2017 (XII ZB 697/13, FamRZ 2017, 863ff.) entschieden, dass die Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren zu einer nicht mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu vereinbarenden Ungleichbehandlung führe. Das BVerwG habe mit Urteil vom 7.10.2020 (2 C 19/19, juris) entschieden, dass die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln wie in § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle (Fall der Beamtenversorgung). Da die entsprechenden Regelungen bereits wegen Verstoßes gegen Unionsrecht nicht anzuwenden gewesen seien, sei es auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs.3 GG nicht mehr angekommen. Da jedoch nicht anzunehmen sei, dass das Schutzniveau des Unionsrechts geringer sei als das Schutzniveau des Art. 3 Abs. 3 GG, ergebe sich auch hier, dass das BVerwG wohl – soweit es entscheidungserheblich gewesen wäre – einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG annehmen würde.
23Die geschlechterspezifische Anwendung von Sterbetafeln wie in § 14 Abs. 1 BewG verstoße dementsprechend gegen Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG. Die einzig denkbare Rechtfertigung – nämlich die Gewohnheit – zwinge nicht dazu, an dem Verfassungsverstoß festzuhalten.
24Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 1 S. 4 BewG sei in dem vorliegenden Fall entscheidungserheblich, soweit nicht bereits aufgrund der Ausführungen zu der Anwendung des richtigen Kapitalisierungsfaktors die Klage begründet sei. Wäre nämlich eine nicht geschlechterbezogene Berechnung der Lebenserwartung vorzunehmen, würde sich ein Vervielfältiger in der Nähe des Mittelwertes zwischen 8,431 und 9,546 und dementsprechend eine niedrigere Schenkungsteuer ergeben. Die Vorlagekompetenz ergebe sich aus Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.
25Der Kläger beantragt,
26den Schenkungsteuerbescheid vom 23.8.2021 dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer auf 0 € festgesetzt wird, hilfsweise,
27das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG mit Art 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG insoweit vereinbar ist, als bei der Bemessung des Kapitalwertes lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen die Lebenserwartung nach dem Geschlecht unterscheidet.
28Der Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Der Vervielfältiger für die Berechnung des Kapitalwerts der Nießbauchbelastung gemäß § 14 Abs. 1 BewG sei entsprechend dem BMF-Schreiben vom 26.10.2012, BStBI. I 2012, 950, für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2013 (gilt auch für 2014 und 2015) nach der am 2.10.2012 veröffentlichten Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamtes in Höhe von 8,431 zu berücksichtigen. Gemäß § 14 Abs. 1 BewG sei der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger seien nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln und ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahres anzuwenden. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 BewG und des § 14 Abs. 4 BewG lägen im Streitfall nicht vor.
31Der beantragte Vervielfältiger in Höhe von 9,509 könne nicht berücksichtigt werden, da dem zwingend die oben genannten gesetzlichen Regelungen entgegenstünden. An den Vervielfältiger nach der amtlichen Sterbetafel sei die Finanzbehörde selbst dann gebunden, wenn dieser Vervielfältiger einen mathematisch-logischen Fehler enthalten sollte. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn diese Vorschrift verfassungswidrig wäre. Darüber hinaus könnten die Sterbefälle, die innerhalb der kürzeren Lebensdauer nach § 14 Abs. 2 BewG eintreten, auch deshalb beim Vervielfältiger nicht berücksichtigt werden, weil es sich bei dem Tod, der zu Beendung des Nießbrauchs führe, um eine aufschiebende, oder wohl eher auflösende Bedingung handele. In beiden Fällen könne eine solche Bedingung nach § 5 BewG oder § 7 BewG erst bei Bedingungseintritt berücksichtigt werden. Die nicht laufend veranlagten Steuern seien in einem solchen Fall zu berichtigen. Selbst wenn die Sterbetafeln einen mathematisch-logischen Fehler enthalten sollten, einen rechtlich-logischen Fehler enthielten sie nicht.
32Auch in Bezug auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Ermittlung des Kapitalwertes der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen gemäß § 14 Abs. 1 BewG unter Zugrundelegung der geschlechtsbezogenen allgemeinen Sterbetafeln sei die Klage nicht begründet.
33In den meisten Fällen sei die Laufzeit wiederkehrender Nutzungen und Leistungen insofern unbestimmt, als sie von der Lebensdauer einer Person, z. B. des Berechtigten oder des Verpflichteten abhänge. Hier müsse dann die Laufzeit jeweils nach der voraussichtlichen Lebenserwartung dieser Personen geschätzt werden, was jedoch im Allgemeinen schwierig sein dürfte. Um diese Schwierigkeit zu vermeiden, sei die Anwendung der besonderen Vervielfältiger über § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG vorgeschrieben. Mit dieser Vorschrift soll ein möglichst wahrscheinlicher, der tatsächlichen voraussichtlichen Laufzeit der Last/des Erwerbs entsprechender Wert ermittelt werden. Zur Vermeidung einer unangemessen niedrigen Bewertung von Ansprüchen und Lasten aus Nutzungen und Leistungen auf Lebenszeit sei die Maßgeblichkeit der jeweils aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes gesetzlich verankert.
34Die geschlechterspezifische Unterscheidung in den allgemeinen Sterbetafeln stelle demnach keine Diskriminierung, sondern eine faktische Unterscheidung hinsichtlich der wahrscheinlichen Laufzeit der Belastung/des Erwerbs dar. Der demographischen Entwicklung werde dadurch Rechnung getragen, dass eine ständig angepasste Sterbetafel der Kapitalisierung zugrunde gelegt werde. Hierbei werde demnach auch dem vom Kläger vorgebrachten Umstand, dass die Sterbewahrscheinlichkeit nicht allein durch das Geschlecht, sondern auch durch die sich bei Männern und Frauen angleichenden Lebensgewohnheiten bestimmt werde, Rechnung getragen. Die Sterbetafeln würden jeweils im Herbst für den mit dem Vorjahr abgeschlossenen Dreijahreszeitraum veröffentlicht. Sie basierten auf der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes und der Statistik der Sterbefälle. Da es sich um Erhebungen der gesamten Bevölkerung handele, wiesen die Sterbetafeln generell eine sehr hohe Genauigkeit aus. Sterbetafeln für die Bevölkerung insgesamt (ohne Berücksichtigung des Geschlechts) besäßen lediglich eine eingeschränkte demographische Aussagekraft.
35Die geschlechterspezifische Differenzierung der nach § 14 Abs. 1 BewG anzuwendenden Sterbetafeln zur Ermittlung einer realitätsgerecht ermittelten voraussichtlichen Laufzeit einer an das Lebensalter gebundenen Last bzw. Leistung stelle einen zulässigen Rechtfertigungsgrund zur geschlechterspezifischen Ungleichbehandlung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes dar (Hinweis auf BVerfG-Beschluss vom 14.6.2016 2 BvR 323/10, juris) und verstoße somit nicht gegen Art. 3 GG.
36Auch die „Deutsch-Österreichische Klosterstudie" könne keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 14 Abs. 1 BewG begründen. Eine als allgemeingültig zu wertende Studie müsse eine gewisse Repräsentativität entfalten. Eine Klosterstudie, bei der über einen Zeitraum von 1890 bis 2005 die Lebenserwartung von ca. 43.000 Ordensfrauen und ca. 20.000 Ordensmännern gegenübergestellt werde, könne keine Repräsentativität entwickeln. Die gegensätzlichen Ausführungen des Klägers hierzu seien nicht zielführend. Die der angeführten Rechtsprechung zugrundeliegenden Rechtsgebiete und Sachverhalte seien nicht mit der Frage der Wertermittlung einer der Besteuerung zugrunde zu legenden Nutzung oder Leistung vergleichbar und daher nicht geeignet. die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 14 Abs. 1 BewG in Frage zu stellen.
37Entscheidungsgründe
38Die zulässige Klage ist unbegründet.
39A. Die Klage ist als Sprungklage zulässig, da der Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber der Sprungklage des Klägers zugestimmt hat (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 1 FGO). Die Klageschrift ist dem Beklagten am 24.9.2021 zugestellt worden. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 28.9.2021 der Sprungklage zugestimmt.
40B. Die Klage ist unbegründet.
41Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 23.8.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Recht bei der Ermittlung des Wertes der Nießbrauchsverpflichtung den Vervielfältiger in Höhe von 8,431 angewandt. Der vom Beklagten angewandte Vervielfältiger entspricht den gesetzlichen Vorgaben in § 14 Abs. 1 BewG. In diesem gesetzlichen Rahmen verbleibt kein Spielraum für die Anwendung des vom Kläger selbst ermittelten Vervielfältigers in Höhe von 9,509 (I.).
42Der Senat kann von der Anwendung des § 14 Abs. 1 BewG auch nicht im Hinblick auf einen (möglichen) Verstoß der anzuwendenden Vorschriften gegen Art. 3 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 GG absehen. Insoweit kommt im Streitfall auch keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen einer Normenkontrollklage nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht (II.).
43I. Der Beklagte hat im Streitfall bei der Ermittlung des Wertes der Nießbrauchsverpflichtung zu Recht gemäß § 14 Abs. 1 BewG den Vervielfältiger in Höhe von 8,431 angewandt.
441. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG). Hat eine nach § 14 Abs. 1 BewG bewertete Nutzung oder Leistung bei einem Alter von mehr als 70 Jahren bis zu 80 Jahren nicht mehr als fünf Jahre bestanden und beruht der Wegfall auf dem Tod des Berechtigten, ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach der wirklichen Dauer der Nutzung oder Leistung zu berichtigen. Ist eine Last weggefallen, so bedarf die Berichtigung keines Antrags (§ 14 Abs. 2 Satz 3 BewG).
45Da die zu besteuernde Vermögensübertragung im Streitfall auf den 1.5.2014 stattgefunden hat, ergibt sich der anzuwendende Vervielfältiger aus den Vervielfältigern zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG auf der Grundlage der am 2.10.2012 veröffentlichten Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamtes ermittelt und im Bundessteuerblatt veröffentlicht hat (siehe BMF-Schreiben vom 26.10.2012 - IV D 4 – S 3104/09/10001, BStBl 2012 I S. 950; BMF-Schreiben vom 13.12.2013, IV D 4-S 3104/09/10001, BStBl I 2013, 1609). Die darin veröffentlichten Vervielfältiger sind für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2013 bis zum 31.12.2015 anzuwenden (siehe hierzu auch BMF-Schreiben vom 21.11.2014 IV D 4 - S-3104 / 09 / 10001, und vom 02.12.2015 - IV C 7 - S 3104/09/10001, BStBl 2015 I S. 954; OFD Frankfurt vom 2.12.2021 S 3104 A-009-St 71).
46Nach der danach für den Stichtag 1.5.2014 maßgeblichen Tabelle ist bei der Ermittlung einer lebenslangen Nutzung für einen 74-jährigen Mann bei einer voraussichtlichen (durchschnittlichen) Lebenserwartung von 11,21 Jahren ein Vervielfältiger von 8,431 anzuwenden. Diesen Vervielfältiger hat der Beklagte zutreffend seiner Berechnung zu Grunde gelegt.
472. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 BewG liegen im Streitfall nicht vor, da das Nießbrauchsrecht unstreitig mehr als fünf Jahre bestanden hat. Auf diese Vorschrift kann dementsprechend eine abweichende Ermittlung des anzuwendenden Vervielfältigers nicht gestützt werden.
483. Dem Klagebegehren, einen Vervielfältiger in Höhe von 9,509 anzusetzen, kann das Gericht demnach nicht entsprechen, weil ein solcher Vervielfältiger nach der gesetzlich anzuwendenden Sterbetafel für 74-jährige Männer nicht vorgesehen ist.
49Der vom Beklagten angewandte Vervielfältiger entspricht den gesetzlichen Vorgaben in § 14 Abs. 1 BewG. In diesem gesetzlichen Rahmen verbleibt kein Spielraum für die Anwendung des vom Kläger selbst ermittelten Vervielfältigers in Höhe von 9,509. Nach § 14 Abs. 1 BewG sind die Vervielfältiger nach der amtlichen Sterbetafel anzusetzen. Daran ist das Gericht nach dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Vorbehalt des Gesetzes gebunden.
50Der Senat dürfte den vom Kläger errechneten Vervielfältiger selbst dann nicht ansetzen, wenn er diesen für besser bzw. mathematisch richtiger halten würde. Andernfalls würde sich der Senat als normsetzende Instanz gerieren; eine Stellung, die ihm verfassungsrechtlich nicht zusteht. Auch eine grundsätzlich zulässige richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (BVerfG-Beschluss vom 25.1.2011 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter ggf. gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 26.6.1991 1 BvR 779/87, BVerfGE 84, 212). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG-Beschluss vom 25.1.2011 1 BvR 918/10 , BVerfGE 128, 193-224, Rn. 53 - 54).
51Im Streitfall liegen hinsichtlich der Anwendung der vom Gesetzgeber normierten Vervielfältiger bereits weder gewandelte Verhältnisse noch eine planwidrige Regelungslücke vor, wie sie für eine richterliche Rechtsfortbildung erforderlich wären. Der Kläger begehrt vielmehr eine (mathematisch-logische) „Korrektur“ der geltenden Vervielfältiger, zu der der Senat verfassungsrechtlich nicht befugt ist.
52Der Senat kann den vom Kläger geltend gemachten „mathematisch-logisch richtigen“ Vervielfältiger auch nicht im Wege einer Gesetzesauslegung durch teleologische Extension berücksichtigen.
53Die sogenannte teleologische Extension, setzt, ebenso wie die teleologische Reduktion, eine Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck voraus. Beide Verfahren ermöglichen Abweichungen vom Gesetz durch gedankliches Hinzufügen einer Einschränkung - Reduktion - oder einer Erweiterung (BFH-Urteile vom 1.6.1995 VII R 109/94, BFH/NV 1996, 76, und vom 7.3. 1995 VII R 84/94, BFHE 177, 189). Eine solche Divergenz besteht hier nicht. Der Zweck des Gesetzes hat in dessen Wortlaut Ausdruck gefunden. In § 14 Abs. 1 BewG wird eindeutig und zweifelsfrei auf die amtlichen Sterbetafeln verwiesen, so dass die Annahme fernliegend ist, dass der Gesetzgeber andere Zahlen gemeint haben könnte. Der Gesetzgeber wollte bei der (schätzweisen) Ermittlung des Kapitalwertes lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen grundsätzlich auf die aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zurückgreifen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG ), die das BMF zur vereinfachten Anwendung nach Lebensalter und Geschlecht des Berechtigten in einer im Bundessteuerblatt zu veröffentlichenden Tabelle zusammenfassen sollte (§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG; BT-Drucks. 16/7918). Es finden sich weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des Kapitalwertes von lebenslangen Nutzungen und Leistungen bei der Anwendung der Sterbetafeln nach § 14 Abs. 1 BewG regelmäßig die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 2 BewG berücksichtigt haben wollte, ohne dass die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Hiergegen sprechen im Übrigen auch die Systematik und der Wortlaut des Gesetzes, wonach die (vorrangige) Bewertung der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen nach § 14 Abs. 1 BewG bei nicht laufend veranlagten Steuern nur (ausnahmsweise) dann nach § 14 Abs. 2 BewG entsprechend der „wirklichen Dauer“ korrigiert werden soll, wenn die Lebenserwartung zum Stichtag und die „wirkliche Dauer“ in einem unvertretbaren Missverhältnis stehen. Für die vom Kläger bei seiner Berechnung vorgenommene Verknüpfung zwischen der Anwendung der Sterbetafeln nach § 14 Abs. 1 BewG und dem „Korrekturzeitraum“ nach § 14 Abs. 2 BewG ergeben sich hieraus keinerlei Hinweise.
54Gegen die Berechnung des Klägers spricht nach Auffassung des Senats im Übrigen auch der Umstand, dass die Anwendung der Sterbetafeln eine praxistaugliche Rechtsanwendung gewährleistet, weil der Vervielfältiger durch einfaches Ablesen aus der Tabelle ermittelt wird.
55Der vom Kläger begehrte Vervielfältiger könnte daher allenfalls de lege ferenda im Rahmen einer Gesetzesänderung Anwendung finden, für die die gesetzgebende Gewalt und nicht die Rechtsprechung zuständig ist.
56II. Der Senat kann von der Anwendung des § 14 Abs. 1 BewG auch nicht im Hinblick auf einen (möglichen) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG absehen. Eine Vorlage an das BVerfG im Rahmen einer Normenkontrollklage nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
571. Für den Senat steht nicht zur vollen Überzeugung fest, dass die Ermittlung des Kapitalwertes nach unterschiedlichen Vervielfältigern für Männer und Frauen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG darstellt; wenngleich er auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung hat. Diese entbinden ihn jedoch nicht von der Anwendung des Gesetzes.
58Er kann die Sache auch nicht dem BVerfG im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen. Denn die Einholung einer Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Norm voraus (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14.10.2009, 2 BvL 3/08 u.a., ZBR 2010, 165; vom 13.5.2009, 1 BvL 7/08, MMR 2009, 606; vom 8.9.2008, 2 BvL 6/03, HFR 2009, 72). Damit ist die volle Überzeugung gemeint. Soweit (lediglich) Zweifel an der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes bestehen, ist die Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG unzulässig und die Norm anzuwenden (vgl. FG Köln, Urteil vom 7.7.2010 2 K 3093/08, EFG 2010, 1860).
592. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand unter anderem wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn die Regelung nicht unmittelbar auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt. An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur dann vereinbar, wenn und soweit sie zur Lösung von Problemen, die "ihrer Natur nach" entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 24.1.1995 1 BvL 18/93, BVerfGE 92, 91; BVerfG-Beschluss vom 28.4.2011 1 BvR 1409/10, NZA 2011, 857, 858 f.). Mit dieser Formulierung hat die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung die frühere Bezugnahme auf "die objektiven biologischen und funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses zwischen Männern und Frauen" ersetzt. Unmittelbar geschlechterdifferenzierende Regelungen sind nunmehr - nach einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung - nur noch zur Lösung solcher Probleme zulässig, die allein auf biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen zurückzuführen sind (vgl. u.a. BGH-Beschluss vom 8.3.2017 XII ZB 697/13, BGHZ 214, 169).
603. Zweifelhaft ist, ob nach diesen Maßstäben eine unterschiedliche Behandlung von (gleichaltrigen) männlichen und weiblichen Nießbrauchsberechtigten bei der Berechnung des Wertes der Nießbrauchsbelastung mit der Begründung gerechtfertigt werden kann, dass mit den geschlechtsspezifischen Kapitalwertfaktoren lediglich die höhere Lebenserwartung von Frauen und die damit einhergehende längere Belastung des Nießbrauchsbelasteten abgebildet werde und damit eine höhere Schätzungswahrscheinlichkeit erzielt werde.
61a) Unstreitig ist insoweit, dass Männer und Frauen eine statistisch nachweisbar unterschiedlich hohe Lebenserwartung haben (vgl. hierzu auch BGH-Beschluss vom 8.3.2017 XII ZB 697/13, BGHZ 214, 169). Dies wird in den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Sterbetafeln entsprechend abgebildet und zeigt sich u.a. auch in der im Streitfall maßgeblichen am 2.10.2012 veröffentlichten Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamtes. Danach beträgt die Lebenserwartung einer 74-jährigen Frau noch 13,36 Jahre, während ein 74-jähriger Mann lediglich noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 11,21 Jahren hat.
62b) Es ist demgegenüber aber stark umstritten, ob die statistisch höhere Lebenserwartung von Frauen auf biologische Gründe zurückgeführt werden kann (vgl. hierzu im Einzelnen BGH-Beschluss vom 8.3.2017 XII ZB 697/13, BGHZ 214, 169, m.w.N.). Teilweise wird - gestützt auch auf medizinische und soziologische Studien (vgl. etwa die Nachweise bei Temming ZESAR 2005, 72, 74 Fn. 16 f.) - die Auffassung vertreten, dass die unterschiedlich hohe Lebenserwartung von Frauen und Männern gerade nicht auf biologischen Unterschieden, sondern in erster Linie auf soziokulturellen Prägungen (Lebensgewohnheiten, Ernährungsweise, Suchtverhalten, Familienstand, Berufstätigkeit oder Bildungsniveau) beruhe, für die das Geschlecht lediglich als stellvertretender Indikator herangezogen werde (vgl. Temming ZESAR 2005, 72, 74; Wrese/Baer NJW 2004, 1623, 1625; Hensche NZA 2004, 828, 832; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. September 2010 in der Rechtssache C-236/09 - Association Belge des Consommateurs Test-Achats - VersR 2010, 1571 Rn. 62 f.). Demgegenüber wird von der Gegenansicht die Bedeutung möglicher biologischer Ursachen für die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen betont (vgl. etwa Steinmeyer NZA 2004, 1257, 1258 f.; Armbrüster VersR 2010, 1578, 1581). In diesem Zusammenhang wird einerseits auf genetische Einflüsse im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Anfälligkeit der Geschlechter für Erbkrankheiten (vgl. Höhn ZVersWiss 2002, 237, 240 f.; vgl. auch Schwintowski VersR 2011, 164, 170) und andererseits auf hormonelle Faktoren hingewiesen: Das männliche Sexualhormon Testosteron fördere die Entstehung von Arteriosklerose und Thrombosen, während das weibliche Sexualhormon Östrogen eine höhere Produktion von Antikörpern gegen Infektionen und mittelbar über die Verbesserung der Cholesterinwerte einen verbesserten Schutz gegen Gefäßkrankheiten und Schlaganfälle bewirke (vgl. Kürvers Betriebliche Altersversorgung in Deutschland und den USA im Rechtsvergleich S. 236); darüber hinaus ergebe sich aufgrund der hormonellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auch eine unterschiedlich ausgeprägte Neigung zu risikoreichen Lebensgewohnheiten (Höhn ZVersWiss 2002, 237, 241).
63Die vom Kläger angeführte Klosterstudie (Stand 22.1.2012) kommt in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass für die auch in der Klosterpopulation bestehenden Unterschiede zu einem erheblichen, allerdings nicht quantifizierbaren Anteil „biologische Faktoren“ verantwortlich seien. Dass biologische Faktoren als alleiniger oder überwiegender Auslöser für die immer größer werdenden absoluten Differenzen in den Überlebensbedingungen von Frauen und Männern in der Allgemeinbevölkerung verantwortlich seien, sei aber weitgehend auszuschließen. Gleichzeitig wird aber auch auf die stark unterschiedlichen vorgeburtlichen Verluste hingewiesen, die grundsätzlich nicht verhaltensbedingt sein könnten. Diese wiesen auf die Wirkung biologischer Faktoren hin. Letztlich sei, so die Studie, wohl von Anfang an eine Kombination von verhaltensbedingten und biologischen Faktoren für die unterschiedlichen Lebenserwartungen verantwortlich.
64Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des BGH an, der den derzeitigen Kenntnisstand dahingehend zusammenfasst, dass die statistisch unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen - in einem letztlich nicht aufklärbaren Umfang - sowohl von genetischen und hormonellen Faktoren einerseits als auch von soziokulturellen Faktoren andererseits beeinflusst werde (vgl. BGH-Beschluss vom 8.3.2017 XII ZB 697/13, BGHZ 214, 169, m.w.N.).
65c) Ob ein solcher Befund am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG einen hinreichenden (biologischen) Anknüpfungspunkt für eine unmittelbar an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung darstellen kann, ist bisher (höchstrichterlich) nicht geklärt.
66aa) Der BGH hat in seinem o.g. Beschluss vom 8.3.2017 (XII ZB 697/13, BGHZ 214, 169, m.w.N.). zum Versorgungsausgleich insoweit zumindest Zweifel geäußert. Er konnte die Frage aber seines Erachtens mangels Entscheidungserheblichkeit offenlassen, weil es - jedenfalls - an einem zwingenden Grund für die Ungleichbehandlung fehle. Dabei kam der BGH zu dem Ergebnis, dass bei der internen Teilung eines Anrechts der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zwar keine grundlegenden rechtlichen Bedenken dagegen bestehen, dass die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) die ehezeitlich erworbenen Versorgungspunkte auf der Basis der biometrischen Faktoren des Ausgleichspflichtigen in einen versicherungsmathematischen Barwert umrechnet und die Hälfte dieses Barwerts - gekürzt um die Hälfte der Teilungskosten - auf der Basis der biometrischen Faktoren des Ausgleichsberechtigten wieder in Versorgungspunkte zurückrechnet. Allerdings führe die Verwendung von geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Barwertfaktoren für Männer und Frauen im Rahmen dieser Berechnung bei der Umrechnung bzw. Zurückrechnung von versicherungsmathematischen Barwerten zu einer mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von ausgleichsberechtigten Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. Selbst wenn die unterschiedlich hohe Lebenserwartung einen hinreichenden (biologischen) Anknüpfungspunkt für eine unmittelbar an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung darstelle, so fehle es in dem von ihm entschiedenen Fall jedenfalls an einem zwingenden Grund für die Ungleichbehandlung, weil die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs grundsätzlich auch durch die Verwendung geschlechtsneutraler Rechnungsgrundlagen sichergestellt werden könne.
67bb) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Heranziehung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln und den darauf beruhenden Barwertfaktoren durch die VBL und andere Zusatzversorgungsträger des öffentlichen Dienstes ist allerdings in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
68So macht z. B. auch das OLG Celle gegen diese Praxis der VBL sowohl verfassungs-rechtliche als auch unionsrechtliche Bedenken geltend (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.10.2013 10 UF 195/12,, juris, FamRZ 2014, 305)
69Demgegenüber werden geschlechtsspezifische Barwertfaktoren von einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (weiterhin) akzeptiert (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 31.7.2015 14 UF 42/15,FamRZ 2016, 371, 372; OLG Köln, Beschluss vom 6.1.2015 II-12 UF 91/14, juris, FamRZ 2015, 1108, 1109; OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.12.2010, 14 UF 128/10, FamRZ 2011, 1148 f).
70Diese Gerichte stützen ihre gegenteilige Auffassung im Wesentlichen darauf, dass bei der versicherungsmathematischen Kalkulation künftiger Rentenleistungen seit jeher (auch) nach Geschlechtern differenzierende Sterbetafeln und daraus abgeleitete Barwertfaktoren verwendet würden. Diese Vorgehensweise sei mit dem in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, da dieser verbiete, vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Die sachliche Rechtfertigung der Berücksichtigung eines nach Geschlecht differenzierenden Barwertfaktors liege in der tatsächlich statistisch unterschiedlichen Lebenserwartung von Mann und Frau. Ein darin liegender Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG sei nicht erkennbar (OLG Köln, Beschluss vom 6.1.2015 II-12 UF 91/14, 12 UF 91/14, FamRZ 2015, 1108, 1109; OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.12.2010 14 UF 128/10, FamRZ 2011, 1148). Die Anwendung der entsprechenden geschlechtsbezogenen Barwertfaktoren bei der Berechnung von Ausgleichswerten im Versorgungsausgleich führe nicht zu einer unmittelbar unterschiedlichen Leistung je nachdem, welchen Geschlechts der jeweilige Ausgleichsberechtigte ist. Vielmehr werde dem Berechtigten ungeachtet des Geschlechts dasselbe Vorsorgekapital zugewendet, wie es dem Ausgleichspflichtigen zustehe. Dass dieses im Wert identische Kapital aufgrund einer statistischen Risikobewertung der allgemeinen Lebenserwartung einer weiblichen Ausgleichsberechtigten im Leistungsfall zu einem anderen monatlichen Zahlbetrag führe, schmälere die Versorgungsleistung insgesamt nicht und könne daher auch nicht als Benachteiligung wirken (OLG Köln, Beschluss vom 6.1.2015 II-12 UF 91/14, 12 UF 91/14, FamRZ 2015, 1108, 1109). Weil die Vergleichsgruppe der Frauen sich durch eine höhere Lebenserwartung von der Vergleichsgruppe der Männer unterscheide, dürfe diesem Umstand durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Barwertfaktoren bei der Berechnung der Versorgungspunkte Rechnung getragen werden. Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz sei darin nicht zu erkennen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.12.2010 14 UF 128/10, FamRZ 2011, 1148). Die Kalkulation künftiger Rentenleistungen nach Geschlechtern differenzierenden Sterbetafeln und daraus abgeleiteten Barwertfaktoren sei mit dem in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, weil nur dadurch die tatsächlich statistisch unterschiedliche Lebenserwartung von Mann und Frau berücksichtigt werden könne (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.7.2015 14 UF 42/15, FamRZ 2016, 371).
714. Vor diesem Hintergrund ist der erkennende Senat nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Anwendung unterschiedlicher - geschlechtsspezifischer - Sterbetafeln bei der Ermittlung des Kapitalwertes der Belastung einer Nießbrauchsbelastung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer tatsächlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darstellt. Diese Zweifel beruhen insbesondere auch darauf, dass es sich bei der in Frage stehenden Regelung um eine typisierende Schätzung im Rahmen des Steuerrechts handelt.
72a) Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich (Differenzierungsverbot) und wesentlich Ungleiches ungleich (Differenzierungsgebot) zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7.4.2022 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, NJW 2022, 2169-2185). Bei formal gleichbehandelnden Vorschriften ist der allgemeine Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Differenzierungsverbot einschlägig, wenn durch sie eine Belastungsungleichheit normativ veranlasst wird; demgegenüber ist Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Differenzierungsgebot in Ansatz zu bringen, wenn die Belastungsungleichheit auf tatsächlichen Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts beruht. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem sind im Ausgangspunkt die für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen geltenden Maßstäbe in Ansatz zu bringen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist darauf zu beziehen, ob gerade die nicht differenzierende Regelung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ist dann nicht erforderlich, wenn der Gesetzgeber durch eine stärker zugunsten der hierdurch Benachteiligten differenzierende Regelung das angestrebte Regelungsziel ohne Belastung Dritter oder der Allgemeinheit gleich wirksam erreichen oder fördern kann. Eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn die Bedeutung der mit der gleichen Behandlung verfolgten Ziele in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Ungleichheit des zu ordnenden Lebenssachverhalts und zum Ausmaß der sich hieraus bei gleicher Behandlung ergebenden Benachteiligung stehen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7.4.2022 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, NJW 2022, 2169-2185).
73Geht es um die Prüfung einer typisierenden Regelung, ist insbesondere der mit der Typisierung verfolgte Zweck der Verwaltungsvereinfachung als ein Sachgrund für die Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung heranzuziehen. Eine zulässige Typisierung setzt voraus, dass der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählt, sondern realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.3. 2017 2 BvL 6/11, BStBl II 2017, 1082, stRspr). Die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten dürfen also nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen. Darüber hinaus darf das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8.10.1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; stRspr). (vgl. BVerfGE 84, 348 <360>; 145, 106 <146 f. Rn. 108>; 151, 101 <146 Rn. 117>; stRspr). Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfG-Beschluss vom 8.10.1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; stRspr). Geht es um die Bewältigung einer mehrpoligen Interessenlage, sind die für die typisierende Regelung sprechenden Gesichtspunkte zugleich zu den Nachteilen und Belastungen ins Verhältnis zu setzen, die durch eine stärker differenzierende Regelung für Dritte oder die Allgemeinheit entstünden.
74b) Der Senat hält es nicht für zwingend, dass die Regelung in § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. den Geschlechter spezifischen Sterbetafeln diesen Vorgaben widerspricht. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall zum Versorgungsausgleich geht es vorliegend nicht um Kostenneutralität, die ggf. auch durch die Verwendung geschlechtsneutraler Rechtsgrundlagen erreicht werden könnte. Im Rahmen des § 14 Abs. 1 BewG soll durch die Anwendung unterschiedlicher Sterbetafeln gerade eine wirtschaftliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen erreicht werden. Eine Geschlechterdiskriminierung soll gerade vermieden werden. Es handelt sich zwar nur um eine rein statistische Gleichbehandlung, weil sich die Regelung in jedem Einzelfall je nach Lebensdauer vorteilhaft oder nachteilig auswirkt Bei Männern, die nach ihrem "statistischen Lebensende" versterben, führt sie bei Sachverhalten wie im Streitfall zwar regelmäßig dazu, dass bei ihnen eine geringere Belastung berücksichtigt wird, als bei im selben Alter versterbenden Frauen (vgl. BVerwG-Urteil vom 5.9.2013 2 C 47/11, ZBR 2014, 98). Gleichwohl legt der Gesetzgeber doch realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde und passt diesen durch die Zugrundelegung der jeweils aktuellsten Sterbetafeln zeitnah den aktuellen Gegebenheiten an.
75c) Eine andere Beurteilung ergibt sich im Streitfall auch nicht im Hinblick auf die vom Kläger angeführte EuGH-Rechtsprechung, weil diese nicht das Steuerrecht, sondern die Dienstleistungsrichtlinie bzw. Art. 157 AEUV betreffen. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des BVerwG vom 7.10.2020 (2 C 19/19, juris), wonach die Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 und der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG 2008 gegen den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten unionsrechtlichen Grundsatz der Entgeltgleichheit verstößt.
76III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO
77IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).