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Der Versicherungsteuerbescheid vom 23. Januar 2019 für den Anmeldungszeitraum Dezember 2012 wird dahingehend geändert, dass die Versicherungsteuer aufgrund der streitgegenständlichen, von der Klägerin vereinnahmten Versicherungsentgelte nur in Höhe von 19/119 dieser Entgelte berücksichtigt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der festgesetzten Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 84 Prozent und der Beklagte zu 16 Prozent.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 1.084.963,-- € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darum, ob die Klage fristgerecht erhoben wurde, des Weiteren um die Frage, ob eine versicherungsteuerfreie (stille) Mitversicherung (stille Konsortialbeteiligung/Unterbeteiligung) bei der Kautionsversicherung oder eine versicherungsteuerbare bzw. -pflichtige Forderungsausfallversicherung/Rückversicherung vorliegt, sowie um die Methode zur Berechnung ggf. angefallener Versicherungsteuer.
3Die Klägerin ist ein als Aktiengesellschaft organisiertes Versicherungsunternehmen.
4Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2012 durchgeführten Versicherungsteuer-Außenprüfung ergaben sich hinsichtlich verschiedener Sachverhalte seitens des Beklagten Feststellungen, die zur Nacherhebung von Versicherungsteuerbeträgen geführt haben. Hiervon nicht betroffen sind Vertragsgestaltungen, in denen die Klägerin an diversen Kautionsversicherungen bzw. Avalkreditverträgen beteiligt ist und die hinsichtlich ihrer versicherungsteuerrechtlichen Behandlung seitens des Beklagten unbeanstandet blieben. Bei diesen Vertragsverhältnissen ist die Klägerin teilweise – neben anderen Versicherern – als führender Mitversicherer aufgetreten; teilweise hat die Klägerin Verträge unmittelbar mit den Kunden/Versicherungsnehmern geschlossen. Diese Fälle sog. offener Mitversicherungen sind auch nach Ansicht des Beklagten als Kautionserstversicherungen und damit als Vereinbarungen im Sinne von § 2 Abs. 2 VersStG anzusehen und unterliegen aufgrund dessen nicht der Versicherungsteuer.
5Demgegenüber zwischen den Beteiligten noch streitig sind im vorliegenden Verfahren die Prüfungsfeststellungen und die darauf gestützten Steuernachforderungen in Bezug auf die Vereinnahmung von Entgelten im Rahmen einer sog. stillen Mitversicherung durch Verträge mit anderen Versicherungsunternehmen (vgl. Tz. 6 des Prüfungsberichts vom 20. September 2018, Bl. 142 ff. der Gerichtsakte -GA-) sowie mit Kreditinstituten (vgl. Tz. 7 des Prüfungsberichts).
6Die Klägerin unterhält zunächst Vertragsbeziehungen (sog. Beteiligungsverträge/stille Konsortialbeteiligungen) zu anderen Versicherungsunternehmen, die ihrerseits wiederum in Vertragsbeziehungen zu Versicherungsnehmern stehen und mit diesen einen Kautionsversicherungsvertrag abgeschlossen haben. Vertragspartner der Klägerin sind allein die anderen Versicherungsunternehmen (Hauptversicherer); zu den Versicherungsnehmern unterhält die Klägerin selbst keine Vertragsbeziehungen. Bezüglich dieser Sachverhaltsgestaltung waren als Musterverträge die Verträge zwischen der Klägerin und der A (Versicherungsvertrag Nr. 1 betr. Reisekautionsversicherungen), der B Versicherung AG (B; Versicherungsvertrags Nr. 2; ehemals C-D) sowie der E Versicherung AG (E; Versicherungsvertrags Nr. 3) Prüfungsgegenstand.
7Im Einzelnen liegen dem Streitverfahren folgende Feststellungen der Betriebsprüfung zu Grunde: Seit dem 2003 war die Klägerin aufgrund eines Schreibens der A vom 2003 an einem Rahmenvertrag zwischen der A und der F‑Versicherung-Service GmbH (F) beteiligt. Nach diesem Rahmenvertrag vermittelte F als Abschlussagent für A als Versicherer Kautionsversicherungen und erbrachte in diesem Rahmen zusätzliche Dienstleistungen. Versicherungsnehmer konnten alle Unternehmen sein, die ... veranstalten und gemäß § 651k BGB absicherungspflichtig sind. A erhält eine sog. Führungsprovision von 2 % der Prämien. Die Klägerin ihrerseits übernahm während des Prüfungszeitraums einen Anteil i.H.v. 30 % der in dem Rahmenvertrag beschriebenen Risiken (vgl. Bl. 53 ff., 77 ff., 182 ff. der GA).
8Mit Wirkung ab ... 2005 schloss die Klägerin mit der C-D Versicherung AG, die später von der B Versicherung AG übernommen wurde, einen Beteiligungsvertrag. Gegenstand dieses Vertrages war die Übernahme einer Bürgschaft i.H.v. ... EUR zu Gunsten der Mitarbeiter des Versicherungsnehmers für die Absicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeitvereinbarungen. Die Höhe der Bürgschaft wurde später auf ... EUR erhöht. Nach dem für den Prüfungszeitraum 2010 bis 2012 geltenden Mitversicherungsvertrag beteiligte sich die Klägerin „an diesem Kautionsversicherungsvertrag i.H.v. ... EUR (40 %) nach den Regelungen dieses Vertrages“. Als Schäden werden im Vertrag die „Inanspruchnahmen aus Bürgschaften“ bezeichnet. Im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers trägt die B 60 % und die Klägerin 40 % des anfallenden Schadens. Aufgrund des Vertrages erhielt die Klägerin von der B 40 % der vom Versicherungsnehmer geleisteten Versicherungsprämien abzüglich der der B zustehende Führungsposition i.H.v. 15 % (vgl. Bl. 83 ff. der GA).
9Der mit Wirkung ab ... 2009 geschlossene Beteiligungsvertrag zwischen der Klägerin und der E betrifft einen Versicherungsvertrag zwischen E und einem Reiseveranstalter (G) als Versicherungsnehmer. Gegenstand des Vertrages ist eine Reiseinsolvenzversicherung. Nach § 1 des Beteiligungsvertrages beteiligte sich die Klägerin „an diesem Avalkreditrahmen für die vorgenannte Insolvenzabsicherung in Höhe von insgesamt ... CZK (aber max. ... EUR) nach den Regelungen dieses Beteiligung-Vertrages“. Als Schäden wurden die aufgrund von berechtigten Inanspruchnahmen erfolgten Zahlungen seitens E definiert. Die Klägerin verpflichtete sich nach dem Vertrag (§ 3), an jedem dieser Schäden einen Anteil i.H.v. 7,53 % zu tragen. E leitete einen Anteil i.H.v. 7,53 % der von ihr vom Versicherungsnehmer erhaltenen Versicherungsprämien abzüglich einer Führungsprovision i.H.v. 10 % entsprechend dem von der Klägerin übernommenen Risiko an die Klägerin weiter (vgl. Bl. 92 ff. der GA).
10Darüber hinaus unterhielt die Klägerin im Streitzeitraum Vertragsbeziehungen (Beteiligungsverträge/Unterbeteiligungsverträge) zu anderen Kreditinstituten betreffend Avalkredite, die eine Haftungsübernahme gegen Provision zum Gegenstand haben. Grundlage dieser Verträge waren jeweils Avalkreditverhältnisse, bei denen das jeweilige Kreditinstitut einem Kunden einen Avalkredit zur Verfügung stellte und eine Eventual-Haftung für Forderungen eines Dritten gegen den Kunden übernahm. Bezüglich dieser Sachverhaltsgestaltung waren als Musterverträge die Verträge zwischen der Klägerin und der H Bank AG (H Bank; Versicherungsvertrag Nr. 4), der K Bank AG (Versicherungsvertrags Nr. 5) sowie der L Bank eG (L Bank; Versicherungsvertrags Nr. 6) Prüfungsgegenstand.
11Der zwischen der Klägerin und der H Bank AG am ... 2007 geschlossene Unterbeteiligungsvertrag nimmt Bezug auf einen Konsortialkreditvertrag. Hinsichtlich der dadurch gewährten Avallinie übernahm die Klägerin eine Unterbeteiligung i.H.v. ... EUR (entspricht einer Quote von ... %). Als Vergütung erhielt die Klägerin den ihrer Risikoquote entsprechenden Anteil an den vom Kunden (Versicherungsnehmer) der H Bank geschuldeten und an die Bank gezahlten Avalprovisionen bzw. Bereitstellungsprovisionen (vgl. Bl. 95 ff. der GA).
12Mit dem am ... 2012 mit der K Bank AG abgeschlossen Unterbeteiligungsvertrag übernahm die Klägerin im Rahmen einer „stillen Unterbeteiligung“ 100 % des Risikos, das im Zusammenhang mit dem seitens der K Bank AG im Rahmen eines gewährten Avalrahmenkredits gegenüber einem Kunden bestand. Für diese Übernahme der Risikobeteiligung erhielt die Klägerin Provisionen von der Bank, wobei zwischen niedrigeren Bereitstellungsprovisionen und höheren Avalprovisionen differenziert wurde (vgl. Bl. 102 ff. der GA).
13Mit einem am 26. September 2007 mit der M Bank eG, später auf die L Bank eG übergegangen, geschlossenen Beteiligungsvertrag beteiligte sich die Klägerin an sog. Bürgschaftskreditrahmen, die die L Bank Kunden gewährte. Hiernach gewährte die L Bank Kunden zu Gunsten von Gläubigern Bürgschaften und betrieb damit wirtschaftlich das Geschäft von Kautionsversicherungen. Als Schäden wurden die aufgrund von berechtigten Bürgschaftsansprüchen erfolgten Zahlungen der L Bank vereinbart. Hiervon trug die L Bank 40 % und die Klägerin 60 %. Entsprechend dieser Risikoübernahme führte die L Bank von den gegenüber den Kunden in Rechnung gestellten und vereinnahmten Prämien einen Anteil an die Klägerin ab (vgl. Bl. 108 ff. der GA).
14Angesichts dieser – sowohl mit den Versicherungsunternehmen als auch mit den Kreditinstituten bestehenden – Vertragsbeziehungen sah die Klägerin die Fälle der stillen bzw. verdeckten Mitversicherungen – wie die Fälle der offenen Kautionsmitversicherung – als Erstversicherungen, d.h. als Übernahme eigener Risiken und nicht als Übernahme Risiken Dritter (wie bei der Rückversicherung üblich) an. Dem entsprechend verbuchte die Klägerin die den Versicherungsunternehmen sowie den Kreditinstituten ohne Versicherungsteuer in Rechnung gestellten und entsprechend vereinnahmten Prämien unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 VerStG ohne Versicherungsteuer. Zudem wurden die Versicherungen durch die Klägerin der Sparte der Kautionserstversicherungen zugeordnet, ohne dass dies in der Vergangenheit aufsichtsrechtlich beanstandet wurde.
15Der Beklagte beanstandete sodann im Rahmen der Außenprüfung die steuerrechtliche Behandlung der streitgegenständlichen Vertragsbeziehungen bei der Klägerin und sieht in den Verträgen mit den Versicherungsunternehmen, ausgehend von einer zivilrechtlichen Betrachtung, versicherungsteuerpflichtige Kautionsrückversicherungen, da die Klägerin letztendlich das Vermögensschadenrisiko des Versicherers gegen Entgelt übernehme. Bei den Verträgen mit den Banken handele es sich um steuerpflichtige Erstversicherungen in Form von Forderungsausfallversicherungen, durch die die Klägerin die Kreditinstitute als Versicherungsnehmer begünstige.
16Nach der Feststellungen der Betriebsprüfung unterhalte die Klägerin aufgrund dieser vertraglichen Gestaltungen ein Vertragsverhältnis jeweils nur zu anderen Versicherungsunternehmen und nicht zu deren unmittelbaren Vertragspartnern, d.h. den Versicherungsnehmern. Die Versicherungsnehmer hätten keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Klägerin. Demgemäß liege eine stille Mitversicherung (stille Konsortialbeteiligung bzw. stille Unterbeteiligung) vor, die als Rückversicherung einzuordnen sei. Zwar sei die Zahlung eines Versicherungsentgelts für eine Rückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG versicherungsteuerfrei. Allerdings liege auch bei einer Rückversicherung dann ein steuerbares Erstversicherungsverhältnis vor, wenn sich die Rückversicherung auf nicht steuerbare Verträge im Sinne von § 2 Abs. 2 VersStG beziehe (Verweis auf BFH-Urteil vom 19. Juni 2013, II R 46/11).
17Eine entsprechende steuerrechtliche Beurteilung nahm der Beklagte auch in Bezug auf die Verträge mit den Kreditinstituten vor. Bei den Avalkreditverhältnissen handele es sich um bürgschaftsähnliche Geschäftsmodelle aus dem Bankwesen, die insoweit gemäß § 2 Abs. 2 VersStG keine Versicherungsverhältnisse darstellten. Allerdings handele es sich bei dem im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und den Kreditinstituten geschlossenen Unterbeteiligungsverträgen bzw. Beteiligungsverträgen für Avalkredite um steuerbare Versicherungsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG. Denn das Kreditinstitut sichere sich mit den vorliegenden Verträgen gegen das Risiko ab, dass es im Rahmen seiner Bürgschaftshaftung bei der Avalkreditlinie zur Geldzahlung verpflichtet sei. Es handele sich um Forderungsausfallversicherungen, bei denen die Klägerin gegenüber den Kreditinstituten als Begünstigte (und Versicherungsnehmer) gegen Entgelt zumindest teilweise das Wagnis/Risiko der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft übernehme. Die für diese teilweise Risikoübernahme von der Klägerin vereinnahmte Provision stelle das steuerpflichtige Versicherungsentgelts dar. Ebenso wie bei der Vertragsgestaltung mit anderen Versicherungsunternehmen komme auch in der Vertragsbeziehung zu den Kreditinstituten eine Steuerbefreiung für Rückversicherungen gemäß § 4 Nr. 1 VersStG mangels eines Erstversicherungsverhältnisses (im Verhältnis der Kreditinstitute zu ihren Kunden) nicht in Betracht.
18Für den Prüfungszeitraum ergaben sich nach den Feststellungen des Beklagten folgende – betragsmäßig unstreitige – vereinnahmten Entgelte und daraufhin seitens des Beklagten festgesetzte Nachforderungsbeträge, wobei der Beklagte das tatsächlich gezahlte Versicherungsentgelts als Bemessungsgrundlage heranzog und darauf Versicherungsteuer zum Regelsteuersatz in Höhe von 19 % errechnete:
19Jahr |
Stille Mitversicherung bei anderen Versicherungsunternehmen |
Stille Mitversicherung bei Kreditinstituten |
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Vereinnahmte Entgelte EUR |
Nachgeforderte Versicherungsteuer (19 % auf das Entgelt) EUR |
Vereinnahmte Entgelte EUR |
Nachgeforderte Versicherungsteuer (19 % auf das Entgelt) EUR |
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2010 |
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2011 |
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2012 |
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Zwischensummen |
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Gesamtsumme |
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Im Nachgang zur durchgeführten Betriebsprüfung erließ der Beklagte am 23. Januar 2019 gemäß § 10 Abs. 4 VerStG einen Versicherungsteuerbescheid für Dezember 2012 (Bl. 3 der GA), mit dem – neben unstreitigen nachzuzahlenden Steuerbeträgen – aufgrund der vorstehend aufgeführten stillen Mitversicherungen insgesamt ein Versicherungsteuerbetrag i.H.v. ... EUR von der Klägerin nachgefordert wurde, wobei hiervon ein Teilbetrag in Höhe von ... EUR auf die streitgegenständlichen stillen Mitversicherungen entfällt. Zur Begründung der Festsetzung der Steuernachforderung wurde im Bescheid auf die Steueranmeldung vom 19. Mai 2016 sowie den Betriebsprüfungsbericht vom 20. September 2018 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 verwiesen. Dieser Bescheid wurde, da seinerzeit noch keine Bevollmächtigte für die Klägerin bestellt war, mittels einfachen Briefs an die Klägerin übersandt.
21Gegen den Versicherungsteuerbescheid vom 23. Januar 2019 wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 6. März 2019 bei Gericht eingegangenen Klage, mit der sie sich weiter gegen die Nachforderung von Versicherungsteuer aufgrund der Betriebsprüfung für den Zeitraum 2010 bis 2012, die über einen Mehrbetrag von ... EUR hinausgeht (d.h. bezogen auf die Versicherungsentgelte aus den stillen Mitversicherungen und den sich daraus ergebenden Steuerbetrag von ... EUR), wendet. Gleichzeitig beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist. Zur Begründung trägt die Klägerin vor:
22Hinsichtlich der – unstreitig – versäumten Klagefrist sei der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren. Die Fristversäumnis sei nicht durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, sondern aufgrund eines Büroversehens verursacht worden, und könne der Klägerin nicht zugerechnet werden. Den mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid habe die Klägerbevollmächtigte am 31. Januar 2019 per E-Mail erhalten. Die Fristenerfassung und -kontrolle erfolgten bei der Klägerbevollmächtigten sowohl in einem elektronischen als auch in einem manuellen Fristenkontrollbuch. In beiden Fällen sei als Fristablauf der 28. Februar 2019 notiert worden (vgl. Auszüge aus beiden Fristenkontrollbüchern, Bl. 28-30 der GA). Die Klageschrift sei durch die seinerzeit den Fall betreuende Rechtsanwältin N am 26. Februar 2019 ausgefertigt und der angestellten Rechtsanwaltsfachangestellten Frau P zum Versand per Telefax ausgehändigt worden. Aufgrund einer bei der Prozessbevollmächtigten bestehenden allgemeinen Kanzleianweisung seien alle Mitarbeiter angehalten, beim Versand per Fax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob eine ordnungsgemäße vollständige Übermittlung an den Empfänger stattgefunden habe, bevor die Frist im Fristenkalender gestrichen werde. Entsprechende Belehrungen würden regelmäßig erfolgen.
23Vorliegend habe Frau Rechtsanwältin N gegenüber Frau P den Hinweis gegeben, dass es sich um eine wichtige Fristsache handele und deshalb besondere Sorgfalt bei der Übermittlung der Klageschrift geboten sei. Sodann sei am 26. Februar 2019 ein Sendeversuch erfolgt. Allerdings habe keine Verbindung zum Gericht aufgebaut werden können (vgl. Sendebericht Bl. 9 der GA). Dies habe Frau P seinerzeit leider übersehen und den Sendebericht zur Akte genommen. Sodann habe sie am Tag der (vermeintlichen) Faxversendung und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erhalt des Sendeberichts die offene Frist im Fristenkalender als erledigt notiert und diese Information an Frau Rechtsanwältin N weitergegeben.
24An dem besagten 26. Februar 2019 seien im zeitlichen Zusammenhang mit der versuchten Übersendung an das Gericht andere Faxsendungen unproblematisch versendet worden und auch zugegangen, sodass kein Hinweis auf ein technisches Problem bestanden habe. Eine spätere Überprüfung der versandten Faxe anhand des Fax-Journals von 26. Februar 2019 habe ergeben, dass bei dem Übersendungsversuch an die Faxnummer des Finanzgerichts (02212066420) um 12:50 Uhr „belegt“ vermerkt sei (vgl. Sendebericht Bl. 11 der GA). Möglicherweise habe ein generelles technisches Erreichbarkeitsproblem bezüglich dieser Faxnummer bestanden, da auch bei zwei (versuchten) Faxsendungen seitens der Klägerbevollmächtigten am 6. März 2019 im Sendebericht der Übertragungsvermerk „Keine Verbindung“ enthalten sei (vgl. Sendebericht Bl. 12 f. der GA). Eine Zustellung des Klageschriftsatzes habe sodann am 6. März 2019 an die Fax-Nr. 2066474 erfolgen können (vgl. Sendebericht Bl. 14 der GA).
25Die mit der Fax-Übersendung am 26. Februar 2019 beauftragte Frau P arbeite bereits seit über sechs Jahren in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten und habe während dieser Zeit ihrer Aufgaben stets sehr gewissenhaft erledigt und habe sich als äußerst zuverlässige Mitarbeiterin erwiesen. Ein Fehler wie vorliegend, der zu einer Fristversäumnis geführt habe, sei ihr zum ersten Mal unterlaufen. Wie es zu diesem Fehler gekommen sei, lasse sich nicht mehr rekonstruieren. Der Fehler, der der Angestellten bei der Fristenkontrolle unterlaufen sei, sei der Prozessbevollmächtigten jedoch weder zurechenbar noch treffe die Prozessbevollmächtigte hinsichtlich der durchgeführten Fristenkontrolle ein Organisationsverschulden.
26Zur Organisation der Fristenkontrolle trägt die Klägerbevollmächtigte vor, das elektronische Fristenkontrollbuch produziere selbstständig ab dem Zeitpunkt der sog. Vorfrist (eine Woche vor Ablauf der erfassten Frist) Erinnerungen. Diese Erinnerungen würden täglich ausgedruckt und dem mandatsverantwortlichen Rechtsanwalt zugeleitet. Diese Erinnerungen könnten nur durch Eintragung der Erledigung der Sache in das elektronische Fristenkontrollbuch beendet werden. Die Austragung der Frist veranlasse die Rechtsanwaltsfachangestellte regelmäßig dann, wenn der Rechtsanwalt auf den Ausdrucken des elektronischen Fristenkalenders einen handschriftlichen Erledigungsvermerk anbringe und sodann der Rechtsanwaltsfachangestellten aushändige, es sei denn, die Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Versendung und damit die Erledigung selbst vorgenommen. In diesen Fällen, so auch vorliegend, werde die Austragung im manuellen und im elektronischen Fristenkalender unmittelbar durch die Rechtsanwaltsfachangestellte vorgenommen. Daneben werde das manuelle Fristenkontrollbuch durch die Rechtsanwaltsfachangestellte geführt und täglich im Hinblick auf an diesem Tage und am folgenden Tag auslaufende und noch nicht ausgetragene Fristen überwacht. Dabei würden die Eintragungen mit den offenen Erinnerungen des elektronischen Fristenbuchs abgeglichen. Bei offenen Fristen oder Unklarheiten wende sich die Rechtsanwaltsfachangestellte persönlich an den mandatsverantwortlichen Rechtsanwalt. Aufgrund dieser doppelten Überprüfung sei es seit Gründung der Kanzlei im Jahre 1990 noch zu keiner Fristversäumnis gekommen.
27Hinsichtlich der Fristenkontrolle bestehe bei der Klägerbevollmächtigten die allgemeine Büroanweisung, dass ein (per Post eingehendes) Schriftstück, das eine Fristsetzung beinhaltete, noch auf der Poststelle einen Eingangsstempel erhalte. Darauf werde sodann der Fristablauf notiert (vgl. Bl. 31 der GA). Anschließend werde die Frist sowohl in das elektronische als auch in das manuelle Fristenkontrollbuch eingetragen. Die Berechnung der Fristen sowie deren Eintragung, Überwachung und Austragung obliege zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese dürften eine Frist nur dann austragen, wenn sie den fristwahrenden Versand eines Schriftstücks per Post oder per Fax selbst auf Weisung des mandatsverantwortlichen Rechtsanwalts vorgenommen haben oder wenn dieser explizit die Anweisung erteile, die Frist auszutragen oder zu verlängern. Ein Versand von Schriftstücken per Telefax erfolge regelmäßig durch die Rechtsanwaltsfachangestellten auf Weisung des zuständigen Rechtsanwalts. Dabei bestehe die Verpflichtung, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob eine ordnungsgemäße vollständige Übermittlung an den richtigen Empfänger stattgefunden habe. Erst danach dürfe die Frist aus dem Fristenkalender ausgetragen werden.
28Die Eintragung und Austragung von Fristen obliege ausschließlich Rechtsanwaltsfachangestellten mit mehrjähriger Berufserfahrung. Vorliegend verfüge Frau P über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung. Alle Rechtsanwaltsfachangestellten würden halbjährlich in einer Schulung durch einen Rechtsanwalt der Klägerbevollmächtigten unterrichtet. Im Übrigen würden jüngere Mitarbeiter durch erfahrene Mitarbeiter einmal in Quartal durch eine überwachte Ausübung der Fristenkontrolle geschult. Des Weiteren würden notierte und ausgetragene Fristen in Stichproben durch einen Rechtsanwalt der Geschäftsführung im Rahmen einer Qualitätskontrolle mindestens einmal im Monat überprüft.
29Unabhängig davon komme es vorliegend auf die ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle im Ergebnis nicht an, da ausweislich des Sendeberichts vom 26. Februar 2019 ein Versuch, den Klageschriftsatz innerhalb der Klagefrist per Telefax an das Finanzgericht zu übersenden, unternommen worden sei. Einziges Versehen der hierbei handelnden Rechtsanwaltsfachangestellten Frau P sei es gewesen, nicht realisiert zu haben, dass das Fax nicht zugegangen sei, und gleichwohl die Frist ausgetragen zu haben. Ein sonstiger fachlicher Fehler sei ihr nicht unterlaufen. Soweit offenkundig sei oder hinreichend glaubhaft gemacht worden sei, dass eine Fristversäumnis auf einem Verstoß einer sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten gegen eine allgemein erteilte Büroanweisung beruhe, bedürfe es keiner weiteren Darlegung oder Glaubhaftmachung des der Partei nicht zuzurechnenden Verschuldens der Angestellten.
30Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags legt die Klägerin eine entsprechende eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerbevollmächtigten, Herrn Q, bezüglich der regelmäßigen, mehrmals im Monat erfolgenden Überprüfungen der Fristenberechnungen und der ordnungsgemäßen Abwicklung der Ein- und Austragung von Fristen (vgl. Bl. 34 der GA) und eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau P bezüglich der versuchten Übersendung der Klageschrift am 26. Februar 2019, der nicht hinreichenden Kontrolle des Vermerks auf dem Faxsendebericht sowie der Austragung der Klagefrist im Fristenkontrollbuch vor (vgl. Bl. 35 der GA). Hiernach könne sich Frau P ihren Fehler bei der Überprüfung des Sendeberichts nur so erklären, dass am 26. Februar 2019 eine Mehrzahl von Faxsendungen versandt worden sei, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen sei, sodass sie wie selbstverständlich von einem entsprechenden ordnungsgemäßen Versand auch an das Finanzgericht ausgegangen sei und den maßgeblichen Sendebericht nicht konzentriert angeschaut habe. In ihrer mehr als 20‑jährigen Berufstätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte und ihrer Tätigkeit seit 2012 für die Prozessbevollmächtigte sei ihr ein derartiger Fehler noch nicht unterlaufen.
31Zur materiell-rechtlichen Frage der Versicherungsteuerpflicht der streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse trägt die Klägerin vor, vorliegend handele es sich um unmittelbar von der Klägerin für die Kunden der anderen Versicherungsunternehmen bzw. der Kreditinstitute übernommene Risiken im Rahmen einer Kautionsversicherung (im Sinne einer Übernahme des Risikos der potentiellen Nichteinhaltung der vertraglichen Verpflichtungen der Versicherungsnehmer gegenüber ihren Gläubigern). Dieses Risiko übernehme die Klägerin jeweils gemeinschaftlich mit einem anderen Versicherungsunternehmen bzw. Kreditinstitut. Insoweit seien die vorliegenden Fälle der stillen/verdeckten Mitversicherung im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als eine offene Kautionsmitversicherung. Die für die Übernahme eines typischen Kautionsversicherungsrisikos geleisteten Versicherungsentgelte unterlägen gemäß § 2 Abs. 2 VersStG nicht der Versicherungsteuer, da es sich um die Leistung einer Bürgschaft oder einer sonstigen Sicherheit im Sinne dieser gesetzlichen Regelung handele.
32Die Verträge seien als Mitversicherungen und gerade nicht als Rückversicherungen ausgestaltet worden, weil es einen Unterschied darstelle, ob ein Versicherungsunternehmen als Erstversicherer ein Risiko voll übernehme und dann ggf. eine Rückversicherung abziehe, oder ob im Rahmen einer Mitversicherung nur eine Quote des Risikos übernommen werde. Die Mitversicherungen erfolgten hier zudem verdeckt, da dies durch die tatsächlichen Abläufe der Vertragsabsprachen mit den einzelnen Kunden bedingt sei. Das Vertrauensverhältnis der Versicherungsnehmer gegenüber den führenden Mitversicherern solle geschützt bleiben. Dieser Erstversicherer habe die Versicherungsnehmer als alleinige Kunden behalten und diesen gegenüber allein auftreten wollen. Daher sei die Klägerin an den streitgegenständlichen Vertragsverhältnissen im Wege eines „Schuldbeitritts in der Quote“ beteiligt. Aufgrund des abgeschlossenen Vertrages zugunsten Dritter, d.h. der Kunden, würden keine unmittelbaren Ansprüche der Dritten gegenüber der beitretenden Klägerin begründet werden.
33Im Einzelnen führt die Klägerin aus, auch bei einer offenen Kautionsmitversicherung würden die Mitversicherer im Innenverhältnis typischerweise vereinbaren, dass nur ein Mitversicherer, in der Regel der führende Mitversicherer, den Kautionsvertrag/Bürgschaftsvertrag zeichne. Gleichwohl leisteten in diesen Fällen alle Mitversicherer eine Kautionserstversicherung, da sie ein für die Kautionsversicherung typisches Risiko trügen. Die Mitversicherer trügen dasselbe Risiko wie der Bürge selbst, wenn sie im Innenverhältnis mit den anderen Mitversicherern für den Fall der berechtigten Inanspruchnahme des führenden Mitversicherers aus dem Bürgschaftsvertrag die umgehende Leistung von Ausgleichszahlungen entsprechend des von ihnen übernommenen Anteils vereinbart hätten. Es sei unerheblich, ob ein Mitversicherer selbst Zahlungen unmittelbar an den Gläubiger des Versicherungsnehmers bzw. den Versicherungsnehmer selbst erbringe oder die Zahlungswege so ausgestaltet seien, dass der Mitversicherer dem führenden Mitversicherer gegenüber bei dessen Inanspruchnahme zum Ausgleich verpflichtet sei. Bei den von der Klägerin vereinnahmten Prämien handele sich um Versicherungsentgelt für eine von der Klägerin geleistete Kautionsversicherung, ungeachtet des Zahlungsflusses über einen Dritten.
34Da es für die versicherungsteuerrechtliche Einordnung als Kautionserst- oder als Kautionsrückversicherung entscheidend darauf ankomme, ob die nach außen, d.h. gegenüber dem Versicherungsnehmer, nicht als Bürge auftretenden Mitversicherer zumindest ein für die Kautionsversicherung typisches Risiko übernehmen, könne die Annahme einer Kautionsmitversicherung nicht wegen fehlender Bürgschaftsübernahme verneint werden. Ausgehend von § 1 Abs. 1 VersStG sei wesentliches Merkmal für die Annahme eines Versicherungsverhältnisses das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses. Hierfür bedürfe es nicht zwingend eines Versicherungsvertrages zwischen dem Versicherungsnehmer und dem stillen Mitversicherer. Entscheidend sei, ob der stille Mitversicherer ein Risiko des Versicherungsnehmers übernommen habe und unmittelbar trage. Damit sei die zivilrechtliche/versicherungsvertragliche Einordnung der verdeckten Mitversicherung letztendlich nicht entscheidend. Maßgeblich sei allein, wessen Risiko der Mitversicherer, vorliegend die Klägerin, tatsächlich übernommen habe, d.h. entweder das Risiko des jeweiligen Versicherungsnehmers (dann Kautionserstversicherung) oder dasjenige des führenden Versicherers (dann gegebenenfalls Kautionsrückversicherung). Hierbei komme es nicht auf die Kenntnis bzw. Sichtweise des Versicherungsnehmers und auch nicht auf die Frage an, gegen wen der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Ansprüche richten dürfe.
35Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BFH zur verdeckten Mitversicherung. Zwar habe der BFH in einer Entscheidung im Rahmen eines obiter dictum (vgl. BFH‑Urteil vom 24. April 2013, XI R 7/11) ausgeführt, dass es sich bei der verdeckten Mitversicherung rechtlich um eine Rückversicherung handele. Gleichwohl habe der BFH in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass entscheidend für die Abgrenzung, ob zivilrechtlich eine Mitversicherung oder eine Rückversicherung vorliege, die Antwort auf die Frage sei, ob sich mehrere Versicherer an der Deckung desselben Risikos beteiligten. Hierfür könne jedoch weder die Bezeichnung des Vertrages noch die Anzahl der geschlossenen Verträge maßgeblich sein.
36In den vorliegenden Fallkonstellationen habe die Klägerin als stiller Mitversicherer neben den anderen Versicherungsunternehmen/Kreditinstituten unmittelbar das Risiko einer Kautionsversicherung gegenüber den Kunden der Versicherungsunternehmen übernommen. Dies folge grundsätzlich daraus, dass Vertragsgegenstand jeweils eine Beteiligung der Klägerin an dem Kautionsversicherungsgeschäft der anderen Versicherungsunternehmen/Kreditinstitute sei. So trage die Klägerin beispielsweise aufgrund des Vertrages mit der A unmittelbar die Risiken der jeweiligen Versicherungsnehmer mit einem Anteil von 30 %. Die Klägerin sei damit zusammen mit der A quotal an der Deckung desselben Risikos beteiligt. Diese sei zwar möglicherweise in dem im Streitzeitraum maßgeblichen Rahmenvertrag der A mit F (vgl. Bl. 191 der GA) nicht so deutlich formuliert worden, diese Intention läge aber der Vereinbarung der Klägerin mit A zugrunde. In dem ab 2014 geltenden Rahmenvertrag (Bl. 197 der GA) sei sodann die Rechtsposition der Klägerin lediglich klarstellend geregelt worden.
37Die vorliegend gewählte Form einer stillen Beteiligung entspreche inhaltlich im Wesentlichen einer verdeckten Mitversicherung. Lediglich der führende Mitversicherer (andere Versicherungsunternehmen/Kreditinstitute) seien nach außen aufgetreten und stellten die Bürgschaft zu Gunsten der Versicherungsnehmer. Der Mitversicherer (vorliegend die Klägerin) beteilige sich im Innenverhältnis mit dem führenden Mitversicherer an diesem Geschäft und übernehme einen eigenen Anteil daran.
38Bei einer stillen Mitversicherung übernehme der gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht in Erscheinung tretende Mitversicherer unmittelbar einen Teil des Risikos des Versicherungsnehmers und nicht etwa nur ein Forderungsausfallrisiko des führenden Versicherers. Dafür sei ein Versicherungsvertrag zwischen dem stillen Mitversicherer und dem Versicherungsnehmer nicht erforderlich. Die stille Mitversicherung sei mit der offenen Mitversicherung wirtschaftlich identisch; einzige Ausnahme sei, dass der Versicherungsnehmer bei der stillen Mitversicherung nicht erkennen könne, dass sich ein anderer Versicherer zu Gunsten des Versicherungsnehmers unmittelbar an dem Risiko beteiligt habe.
39Die unmittelbare Übernahme des Risikos des Versicherungsnehmers durch den stillen Mitversicherer erfolge im Innenverhältnis mittels Schuldbeitritt des stillen Mitversicherers zu der durch Versicherungsvertrag mit dem Versicherungsnehmer begründeten Verpflichtung des führenden Versicherers. Zwischen den beteiligten Versicherungsunternehmen bestehe Einigkeit darüber, dass ein unmittelbarer Anspruch des Versicherungsnehmers bestehe. Deutlich erkennbar sei dies daran, dass die stille Mitversicherung in gleicher Weise bilanziert werde wie die offene Mitversicherung: Nur der endgültig auf den führenden Versicherer entfallende Anteil aus dem Vertrag (Prämie usw.) werde durch ihn bilanziert; der stille Mitversicherer bilde seine Quote (als Erstversicherer) ab. Der stille Mitversicherer sehe sich selbst in der unmittelbaren Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer aus seinem mit dem führenden Versicherer geschlossenen Vertrag, bei dem es sich um einen Vertrag zugunsten des Versicherungsnehmers handele. Erfahre der Versicherungsnehmer davon, dass es einen stillen Mitversicherer gebe, habe er zwar weiterhin aufgrund der überschießenden Erklärung des führenden Versicherers einen Anspruch auf 100 % der Versicherungsleistung gegen diesen Versicherer. Gleichzeitig habe er jedoch einen Anspruch gegen den stillen Mitversicherer in Höhe von dessen Quote. In Höhe der Quote des stillen Mitversicherers schuldete die beiden Versicherer die Versicherungsleistung im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch, im lnnenverhältnis bestehe in Höhe der Quote ein Freistellungsanspruch des führenden Versicherers. Auch im Fall der Insolvenz des führenden Versicherers habe der Versicherungsnehmer einen eigenständigen Anspruch gegen den stillen Mitversicherer entsprechend dessen Quote. Dies entspreche dem Verständnis aller an einer stillen Mitversicherung Beteiligten und der jahrzehntelang gepflegten Praxis. Bei einer derartigen Beteiligung an einem Versicherungsgeschäft handele es sich um etwas anderes als eine Rückversicherung.
40Demgegenüber habe der Versicherungsnehmer im Fall einer Forderungsausfallversicherung/Rückversicherung des führenden Versicherers keinen unmittelbaren Anspruch gegen den hinter seinem Versicherer (Erstversicherer) stehenden weiteren Versicherer (Rückversicherer). Lediglich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise könne dazu führen, dass diese beiden ähnlichen Versicherungen denselben Zweck erfüllen und damit letztendlich gleich zu betrachten seien. Diese sonst im Steuerrecht häufig anzutreffende wirtschaftliche Betrachtungsweise greife bei Verkehrssteuern mit der Versicherungsteuer jedoch nicht.
41Wäre Vertragsgegenstand tatsächlich eine Rückversicherung, sei als versichertes Risiko nicht die Inanspruchnahme des jeweiligen Vertragspartners der Klägerin (andere Versicherungsunternehmen oder Kreditinstitute) selbst anzusehen, sondern der nach Geltendmachung des Regressanspruchs der Vertragspartner gegenüber den Versicherungsunternehmern verbleibende (ggf. anteilige) Vermögensschaden. Ein Regressanspruch des Rückversicherers (in diesem Falle der Klägerin) gegenüber den Versicherungsnehmern sei hingegen nicht vorstellbar.
42Für eine gemeinsame, unmittelbare Risikoübernahme von Klägerin und Versicherungsunternehmen/Kreditinstituten sprächen im Einzelnen die jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen. Maßgeblich seien insbesondere folgende Aspekte:
43- In den von der Klägerin abgeschlossenen Verträgen finde sich die Formulierung, dass sich die Klägerin an den Kautionsversicherungsvertrag „beteiligt“ bzw. in den Verträgen von einer „Beteiligung“ die Rede ist (so die vertraglichen Regelungen mit A, B, E, H Bank, K Bank, L Bank).
44- In den vertraglichen Abreden sei die „Abführung“ (B; L Bank) bzw. „Weiterleitung“ (E; K Bank) des der Klägerin zustehenden Anteils an der von den Versicherungsnehmern/Kunden gezahlten Versicherungsprämien/Entgelten geregelt. Derartiges sei für eine Rückversicherung atypisch.
45- Aus den Schadensklauseln (z.B. Vertrag mit der L Bank) sei deutlich ersichtlich, dass die Klägerin die aus der Kautionsversicherung entstehenden Schäden unmittelbar zu tragen habe und nicht etwa für Schäden der Bank einzutreten habe, wie dies Gegenstand einer Rückversicherung wäre.
46- Die Vereinbarung einer Führungsprovision für den führenden Mitversicherer sei typisch für die Vereinbarung einer gemeinsamen Risikoübernahme.
47- Die vertraglich vereinbarten Regressklauseln belegten ebenfalls das Vorliegen einer (unmittelbaren) Beteiligung dem originären Kautionsversicherungsrisiko. Denn hiernach werde vertraglich vorausgesetzt, dass die Klägerin einen eigenen Regressanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer/Kunden in Höhe ihres Risikoanteils habe und dieser Anspruch von dem Mitversicherer (andere Versicherungsunternehmen/Kreditinstitute) für die Klägerin wahrgenommen werde. Die Versicherungsunternehmen/Kreditinstitute seien verpflichtet, bei ihr eingehende Regresszahlungen an die Klägerin entsprechend ihrem Anteil am übernommenen Risiko weiterzuleiten.
48- Im Falle des Vertrages mit der K Bank bestehe zudem die Besonderheit, dass die Beteiligung nicht nur anteilig erfolge, sondern die Klägerin das gesamte Risiko trage. Hiervon habe der Versicherungsnehmer/Kunde nicht nur Kenntnis, sondern habe dem ausdrücklich vertraglich zugestimmt. Mangels eigenständigen schriftlichen Vertrags zwischen der Klägerin und dem Kunden können ein Kautionsversicherungsvertrag wohl eher nicht angenommen werden, gleichwohl stünden sich die Beteiligten dieser Konstellation in einem unmittelbaren anspruchsbegründenden Verhältnis gegenüber.
49Soweit in den streitgegenständlichen Fallkonstellationen gleichwohl Kautionsrückversicherungen angenommen würden, wären diese jedenfalls gemäß § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit. Zwar habe der BFH (Urteil vom 19. Juni 2013, II R 26/11) die Auffassung vertreten, die Kautionsrückversicherung stelle ungeachtet ihrer Bezeichnung versicherungsteuerrechtlich keine Rückversicherung, sondern eine Erstversicherung dar, die nicht unter § 4 Nr. 1 VersStG falle, da eine Rückversicherung in diesem Sinne begrifflich eine andere nach dem VersStG steuerbare Versicherung voraussetze, deren Wagnis ganz oder teilweise vom Rückversicherer übernommen werde. Diese Voraussetzung sei bei einer Kautionsrückversicherung nach Ansicht des BFH nicht gegeben, da wegen der Fiktion gemäß § 2 Abs. 2 VersStG die Kautionsversicherung versicherungsteuerrechtlich keine steuerbare Versicherung darstelle und es somit an einem Wesensmerkmal der Rückversicherung fehle. Diese Ansicht überzeuge allerdings gesetzessystematisch nicht und verkenne zudem die Intention des historischen Gesetzgebers. Die Regelung in § 2 Abs. 2 VersStG gehe im Grunde von einer Steuerbarkeit der Kautionsversicherung aus. Diese werde jedoch im Wege einer Fiktion versicherungsteuerrechtlich ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des VerStG ausgenommen. Zweck der Regelung sei nicht, der Kautionsversicherung die Qualität einer Versicherung abzusprechen, sondern sie versicherungsteuerlich ebenso steuerfrei zu belassen, wie dies der Fall wäre, wenn sie als steuerbare Versicherung von der Versicherungsteuer befreit wäre. Die Fiktion in § 2 Abs. 2 VersStG sei demnach keine die Steuerbarkeit ausschließende Vorschrift, sondern als Steuerbefreiungsvorschrift zu verstehen.
50Die für die Rückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG geltende Steuerbefreiung solle sicherstellen, dass sich diese hinsichtlich der hier zu Grunde liegenden Erstversicherung prämiensteuerlich neutral verhalte, d.h. im Falle einer Besteuerung der Erstversicherung diese nicht erneut besteuert bzw. in den Fällen der Befreiung der Erstversicherung von der Steuer diese Steuerbefreiung im Rahmen der Rückversicherung ausgehebelt werde. Hingegen sei der aus dem Urteil des BFH zu ziehende Umkehrschluss, dass ein versichertes Risiko mindestens einmal besteuert werden müsse, um zur Steuerbefreiung der Rückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG zu gelangen, unzutreffend. Zudem hätte die Sichtweise des BFH, dass die Steuerbefreiung für eine Rückversicherung eine steuerbare Erstversicherung voraussetze, zur Konsequenz, dass auch außerhalb der Kautionsrückversicherung diese Steuerbefreiung nur dann zum Zuge käme, wenn der Rückversicherung eine nach den konkreten Umständen des Einzelfalles steuerbare Vorversicherung zu Grunde liege. Die vom BFH angenommene Tatbestandsvoraussetzung einer steuerbaren Erstversicherung für die Annahme einer steuerbefreiten Rückversicherung sei jedoch nicht zutreffend. Auch wenn diese Steuerbefreiungsnorm bezwecke, eine mehrfache Besteuerung des wirtschaftlich betrachtet selben Risikos zu vermeiden, sei sie dennoch auch auf die Rückversicherung nicht steuerbarer oder steuerbefreiter Erstversicherungen anzuwenden. Die Wertung des Gesetzgebers, eine Erstversicherung – aus welchen Gründen auch immer – von der Versicherungsteuer zu befreien, könne nicht durch eine Besteuerung der Prämienzahlungen für die Rückversicherung ausgehebelt werden.
51Berücksichtigt werden müsse zudem die mit § 2 Abs. 2 VersStG vom historischen Gesetzgeber verfolgte Intention. Hiernach sollte wegen verwaltungstechnischer Schwierigkeiten weder das Avalgeschäft der Banken noch die Kautionsversicherung der Versicherungsunternehmen der Versicherungsteuer unterliegen. Dies werde mittels der Fiktion in § 2 Abs. 2 VersStG dergestalt erreicht, dass die Kautionsversicherung nicht der Versicherungsteuer unterliegen solle, auch wenn es sich dabei um eine Versicherung handeln sollte. Das Avalgeschäft der Banken sei demnach ebenfalls als (aufsichtsrechtlich nicht zu untersagendes) „Nicht-Versicherungsgeschäft“ anzusehen. Die – gerade nicht erfolgte – Aufnahme der Kautionsversicherung in den Katalog der Steuerbefreiungen hätte dagegen bedeutet, dass die Kautionsversicherung als Versicherung qualifiziert werden müsse.
52Schließlich habe der Beklagte – soweit entgegen der Ausführungen der Klägerin gleichwohl von einer der Versicherungsteuer unterliegenden Kautionsversicherung ausgegangen werde – die Versicherungsteuer fehlerhaft berechnet. Die Versicherungsteuer sei nicht auf die festgestellten, von der Klägerin vereinnahmten Versicherungsentgelte, sondern aus diesen gezahlten Prämien zu berechnen. Dies folge aus § 7 Abs. 9 VersStG, wonach die gemäß § 1 Abs. 1 VersStG mit der Zahlung des Versicherungsentgelts entstandene Versicherungsteuer im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer als Teil des Versicherungsentgelts gelte. Der Versicherungsnehmer müsse die von ihm geschuldete Steuer grundsätzlich, außer in Fällen gemäß § 7 Abs. 6 VersStG, in denen der Versicherungsnehmer selbst zur Entrichtung der Steuer verpflichtet sei, an den Steuereinrichtungsschuldner zahlen. Bei dem Versicherungsentgelt als Bemessungsgrundlage für die Versicherungsteuer (vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 VersStG) handele es sich um einen Nettobetrag ohne Versicherungsteuer. § 7 Abs. 9 VersStG fingiere im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ein vom Versicherungsnehmer an den Versicherer zu zahlendes einheitliches Bruttoentgelt. Letztendlich müsse die gleiche Betrachtung wie im Umsatzsteuerrecht Anwendung finden, denn auch dann werde die Steuer regelmäßig nach dem vom Leistungsempfängern gezahlten Entgelt bemessen, wobei die Steuer selbst nicht als Teil dieses Entgelts gelte, sondern aus diesem herauszurechnen sei. Bei der Umsatzsteuer gelte dies auch dann, wenn die Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer vereinbart hätten. Der vereinbarte Betrag sei danach in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen (Verweis auf BFH-Urteil vom 22. April 2015, XI R 43/11).
53Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerbevollmächtigten vom 8. März 2019, 19. März 2019, 12. Juni 2019, 18. November 2019 und 28. April 2020 Bezug genommen.
54Die Klägerin beantragt,
551. unter Änderung des Versicherungsteuerbescheids vom 23. Januar 2019 die Versicherungsteuer für den Anmeldungszeitraum Dezember 2012 auf ... EUR und damit die Steuernachforderung (Mehrbetrag) auf ... EUR festzusetzen,
562. hilfsweise, unter Änderung des Versicherungsteuerbescheids vom 23. Januar 2019 die Versicherungsteuer für den Anmeldungszeitraum Dezember 2012 und damit die Steuernachforderung (Mehrbetrag) dahingehend festzusetzen, dass die Steuernachforderung bzgl. der im Zusammenhang mit den stillen Mitversicherungsverträgen von der Klägerin vereinnahmten Entgelten mit 19/119 des gezahlten Versicherungsentgelts berechnet wird,
573. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
58Der Beklagte beantragt,
59die Klage abzuweisen.
60Zur Begründung trägt der Beklagte vor, er stimme, wie im vorgerichtlichen Verfahren zugesagt, der Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO zu, halte die Klage jedoch wegen nicht fristgerechter Klagerhebung bereits für unzulässig.
61Die Sprungklage sei wegen Versäumens der Rechtsbehelfsfrist unzulässig. Die Frist zur Einlegung der Klage gegen den Versicherungsteuerbescheid vom 23. Januar 2019 sei gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 355 Abs. 1 Satz 1 AO am 28. Februar 2019 abgelaufen. Der am 6. März 2019 bei Gericht eingegangene Klageschriftsatz sei verfristet.
62Hinsichtlich der versäumten Klagefrist sei der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Versäumung der Klagefrist nicht als schuldlos anzusehen sei.
63Die Klägerin berufe sich lediglich auf eine allgemeine Kanzleianweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten, nach der alle Mitarbeiter bei der Versendung von Faxen angehalten seien, den Versand anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und erst danach Fristen im Fristenkalender auszutragen. Hierüber gebe es regelmäßige Belehrungen. Allerdings habe die Klägerin weder die Kanzleianweisung noch den Nachweis über die erfolgten Belehrungen vorgelegt. Es fehle an einer nachvollziehbaren Darstellung, in welchem Zeitabstand solche Belehrungen erfolgt seien, wer diese durchführe, welchen Inhalt diese Belehrungen haben sollen sowie wie die Konzeption dieser Belehrungen erfolgt sei. Der lediglich erfolgte Vortrag dazu, dass ein Rechtsanwalt halbjährlich entsprechende Belehrungen durchführe, genüge nicht. Auch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Prozessbevollmächtigten genüge nicht, da darin lediglich eine „ausreichende“ Schulung/Unterweisung erwähnt werde, ohne dass diese spezifiziert werde.
64Des Weiteren sei ein Auszug aus den Fristenkalendern oder aus der nach der Rechtsprechung des BFH zusätzlich erforderlichen Postausgangskontrolle nicht vorgelegt worden. Die Klägerin habe lediglich den Sendebericht vom 26. Februar 2019 vorgelegt. Offenbar werde bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein Postausgangsbuch geführt. Unabhängig davon ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen kein vollständiger und damit ausreichender Nachweis des entsprechenden Tatsachenvortrags bezüglich der Anweisungen an die Mitarbeiter der Prozessbevollmächtigten. Ebenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht sei der Vortrag dazu, dass die sachbearbeitende Rechtsanwältin der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau P den ausdrücklichen Hinweis auf die wichtige Fristsache erteilt habe. Zudem sei nicht nachvollziehbar, welche Folgen dieser besondere Hinweis haben solle, da Frau P ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung lediglich nach der allgemeinen Kanzleianweisung verfahren sei. Vorliegend seien irgendwelche Besonderheiten, die bei einer offenbar besonderen Einstufung als „wichtige Fristsache“ ergriffen werden sollen, nicht erwähnt. Da die Klägerin sich gerade auf den erteilten Hinweis auf eine wichtige Fristsache stütze, sei ein vom normalen Vorgehen abweichendes, besonders sorgfältiges Handeln bei der Prozessbevollmächtigten zu erwarten gewesen. Da die Prozessbevollmächtigte weit überwiegend mit Fristsachen zu tun habe, könne die allgemeine Kanzleianweisung nur für normale Fälle gelten, nicht jedoch für besonders wichtige Fristsachen abdecken.
65Darüber hinaus bestünden Zweifel am Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus den Fristenkontrollbüchern der Prozessbevollmächtigten. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund sich die Einträge im elektronischen Fristenbuch und im manuell geführten Fristenbuch unterschieden. Während im elektronischen Fristenbuch lediglich eine „Einspruchsfrist“ mit Ablaufdatum 28. Februar 2019 vermerkt sei, fänden sich im manuell geführten Fristenbuch zwei Einträge mit dem Vermerk „Einspruchsfrist (Sprungklage)“. Insoweit sei jedoch, wenn die Einträge – wie von der Klägerin vorgetragen – direkt bei Erfassung des Posteingangs durch die Rechtsanwaltsfachangestellte erfolgten, zu erwarten gewesen, dass die Einträge deckungsgleich seien. Die Frage, ob eine Sprungklage infrage komme, dürfe nicht der Rechtsanwaltsfachangestellten, sondern dem sachbearbeitenden Berufsträger obliegen. Dieser erhalte den Vorgang jedoch erst nach der Eintragung in den Fristenbüchern. Zudem weist der Beklagte darauf hin, dass die zur Glaubhaftmachung vorgelegte Kopie des bei der Prozessbevollmächtigten eingegangenen Bescheids einen Fristenstempel, jedoch keinen Eingangsstempel aufweise, der jedoch nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten zur allgemeinen Handhabung von Fristsachen in der Kanzlei hätte vorhanden sein müssen.
66Unabhängig davon sei auch bei hinreichender Glaubhaftmachung des Vortrags der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Versäumung der Frist nicht zu entschuldigen. Vielmehr sei die Fristversäumnis durch die Prozessbevollmächtigte, für die erhöhte Sorgfaltspflichten bestünden, schuldhaft verursacht worden. Jedenfalls könne nicht von einem entschuldbaren Büroversehen ausgegangen werden. Vielmehr sei vorliegend von einer fahrlässigen Verursachung der Fristversäumnis durch unzureichende Organisation und Überwachung durch die Berufsträger bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auszugehen. Von einer schuldlosen Fristversäumung kann bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der vorgelegte Sendebericht vom 26. Februar 2019 in dreifacher Hinsicht auf eine nicht erfolgte Übertragung der Klageschrift hinweist. Neben der angegebenen Übertragungsdauer („00:00:00“) und der Angabe der übertragenen Seiten („00“) jeweils mit „null“ finde sich ausdrücklich der Vermerk „KEINE VERBINDUNG“. Dieser Vermerk weise eine auffällige Optik auf und sei deutlich länger als die übliche Kennzeichnung „OK“ bei ordnungsgemäß versendeten Faxschreiben, sodass sie eigentlich nicht übersehen werden könnten.
67Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax unter anderen die verwendete Faxnummer in jedem Einzelfall abzugleichen. Außerdem müsse eine Anweisung vorliegen, wonach unter anderem der Sendebericht dahingehend zu prüfen sei, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Erst nach einer solchen Prüfung dürfe die Frist im Fristenkalender ausgetragen werden. Fehle es an einer solchen Anweisung oder sei, wie vorliegend, eine Anweisung nicht klar und eindeutig formuliert, sei jedenfalls eine Mitursächlichkeit für die Fristversäumung gegeben. Gleiches gelte bei Fehlen eines mehrstufigen Schutzes gegen Fristversäumnisse durch unvollständige Übermittlungen bzw. Übermittlungen an falsche Empfänger (Verweis auf BGH-Beschluss vom 14. November 2019, IX ZB 18/19). Im Streitfalle habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin es unterlassen, den Sendebericht entsprechend dieser Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu prüfen.
68Die Rechtsprechung des BFH bestätige, dass eine Frist im Fristenkalender nicht als erledigt gestrichen werden dürfe, bevor die fristwahrende Handlung ausgeführt worden sei. Zudem müsse die Durchführung der fristwahrenden Handlung am Abend eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft anhand des Fristenkalenders noch einmal selbstständig überprüft werden (Verweis auf BFH-Urteil vom 21. Mai 2019, IX R 43/17). Vorliegend sei bereits nicht klar, ob die vom BFH geforderte selbstständige und damit zusätzliche Prüfung am Abend eines jeden Arbeitstages in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten erfolgt sei. Jedenfalls aber sei eine solche Prüfung nicht mit der ausreichenden Sorgfalt vorgenommen worden, so dass die Klagefrist schuldhaft versäumt worden sei.
69Des Weiteren sei von der Rechtsanwaltsfachangestellten vor dem Hintergrund, dass es sich nach dem Hinweis der sachbearbeitenden Rechtsanwältin um eine besonders wichtige Fristsache handele, zu erwarten gewesen, dass sie sich unmittelbar nach der vermeintlichen Übertragung beim Gericht erkundige, ob die Übertragung der Klageschrift in lesbarer Form erfolgt sei. Diese Vorgehensweise erfolge im Übrigen auch beim Beklagten. Vorliegend sei nicht ersichtlich, weshalb dies seitens der Prozessbevollmächtigten nicht geschehen sei.
70Ebenso sei, zumal vorliegend noch eine Zeitspanne von fast anderthalb Tagen bis zum Ablauf der Klagefrist zur Verfügung gestanden hätte, zu erwarten gewesen, dass sich die sachbearbeitende Rechtsanwältin selbst von der Fristeinhaltung überzeugt hätte, gerade da es um eine wichtige Fristsache gegangen sei. In wichtigen Fristsachen bestünden für Berufsträger besondere Sorgfaltspflichten, sodass für diese Fälle allgemeingültige („normale“) Kanzleianweisungen nicht ausreichen würden. Ansonsten liefe die Einstufung als „wichtige Fristsache“ ins Leere. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin hätte angesichts der Wichtigkeit der Fristsache zudem selbst anhand der Akte die Richtigkeit der Austragung der Frist eigenständig prüfen müssen.
71Nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten fehle es an einem Postausgangskontrollbuch, wie es von der Rechtsprechung gefordert werde (Verweis auf BFH, Urteil vom 22. Mai 2018, XI R 22/17) und wodurch einer Fristversäumnis hätte vorgebeugt werden können. Darüber hinaus sei es im vorliegenden Fall zu Abweichungen von den – nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten – üblichen Kanzleiabläufen gekommen, insbesondere da der Posteingang (d.h. der streitgegenständliche Bescheid) keinen Eingangsstempel der Kanzlei aufweise.
72Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht selten Verfahren beim Finanzgericht Köln führe und ihr daher bekannt sein müsse, dass das Finanzgericht zeitnah zum Eingang einer Klageschrift eine Eingangsbestätigung mit Angabe des Aktenzeichens versende. Daher wäre zu erwarten gewesen, dass im Falle einer wichtigen Fristsache die sachbearbeitende Rechtsanwältin eine Prüf-Wiedervorlage zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Versendung der Klageschrift rechtzeitig vor Fristablauf verfügt hätte. Aus dem Fehlen der Eingangsbestätigung, die seitens des Finanzgerichts – eine Klageeinreichung am 26. Februar 2019 angenommen – sicherlich am 27. Februar 2019 versandt worden wäre, hätte die sachbearbeitende Rechtsanwältin erkennen können, dass die Klageschrift nicht übermittelt sei. Die zeitnahe Versendung der Eingangsbestätigung durch das Finanzgericht ergebe sich auch daraus, dass die Eingangsbestätigung hinsichtlich des am 6. März 2019 übertragenen Schriftsatzes zumindest beim Beklagten bereits am Folgetag eingegangen sei. Bei der Versendung an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei von einer ähnlichen Zeitdauer auszugehen. Bei einer derartigen Überwachung des Eingangs der Eingangsbestätigung des Finanzgerichts auf Seiten der Prozessbevollmächtigten hätte die Fristversäumnis selbst bei fehlerhafter Austragung der Frist verhindert werden können. Ein solches Vorgehen sei angesichts der vorgenommenen Einstufung als wichtige Fristsache zu erwarten gewesen.
73Schließlich weist der Beklagte darauf hin, dass die Prozessbevollmächtigte lediglich eine einzige Übertragung an das Finanzgericht versucht und die Übertragung nicht wiederholt habe und auch keine alternativen Übermittlungswege versucht habe (etwa mittels einer Übertragung über das besondere elektronische Anwaltspostfach oder durch Einwurf in den Briefkasten des von der Prozessbevollmächtigten nur rund 4,5 km entfernten Finanzgerichts).
74Selbst bei einer zulässigen Klage hält der Beklagte die Klage jedenfalls für unbegründet, da die Mitversicherungsverträge bzw. Beteiligungsverträge mit den Versicherungsunternehmen und den Banken als Versicherungsverhältnisse anzusehen seien und die von der Klägerin dafür vereinnahmten Entgelte der Versicherungsteuerpflicht unterlägen. Hierzu trägt der Beklagte im Anschluss an die Feststellungen der Betriebsprüfung vor, die von der Klägerin übernommenen Mitversicherungen seien als steuerbare (Rück-)Versicherungen zu behandeln. Eine Steuerbefreiung für Rückversicherungen gemäß § 4 Nr. 1 VersStG komme nicht in Betracht, da es sich im Erstversicherungsverhältnis um nicht steuerbar Verträge gemäß § 2 Abs. 2 VersStG handele.
75Die vorliegenden Fallkonstellationen sieht auch der Beklagte nicht als typische Rückversicherungsverträge an. Diese seien jedoch steuerlich wie Rückversicherung zu behandeln. Maßgeblich für die versicherungsrechtliche Einordnung sei die Frage, welches Risiko die Klägerin mit der stillen Mitversicherungen übernommen habe, d.h. entweder das Kautionsrisiko vom Versicherungsnehmer aus dem Erstversicherungsverhältnis oder das Ausfallrisiko der Erstversicherer, d.h. Vertragspartner der Klägerin (Versicherungsunternehmen/Kreditinstitute). Entgegen der Auffassung der Klägerin sei hierbei die zivilrechtliche Beurteilung maßgeblich. Die zivile Rechtslage sei zwar grundsätzlich unmaßgeblich, wenn die besonderen Regelungen des VersStG eine andere Beurteilung vorgäben oder zuließen. Jedoch enthalte das VersStG keine Regelung dazu, wie ein Risiko und die Übernahme desselben bei der stillen Mitversicherung zu definieren sei. Eine Regelung zur Mitversicherung enthalte lediglich § 7 Abs. 4 VersStG, wonach alle Mitversicherer zu einem bestimmten Anteil berechtigt und verpflichtet sein müssten. Diese Voraussetzung könne nur eine offene Mitversicherung erfüllen, denn bei einer stillen Mitversicherung würden gerade keine Rechte und Pflichten aus dem originären Vertrag mit den Versicherungsnehmern begründet werden. Hieraus folge, dass sowohl das VVG als auch das VersStG lediglich das Konstrukt der offenen Mitversicherung kennen würden, so dass auf die zivilrechtliche Beurteilung abzustellen sei. Ein Schuldbeitritt der Klägerin zu Versicherungsverträgen ihrer Vertragspartner könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die Klägerin nur quotal am Risiko beteiligt worden sei.
76Zu den einzelnen vertraglichen Gestaltungen und deren rechtlicher Beurteilung trägt der Beklagte vor:
77- Die Vereinbarung einer Führungsprovision sei im Mitversicherungsgeschäft üblich, aber auch bei der Rückversicherung anzutreffen, so dass dies kein Indiz für eine gemeinsame Risikoübernahme aller Mitversicherer sei.
78- Aus dem Vertrag mit der B Versicherung AG folge keine unmittelbare Schadentragung durch die Klägerin. Vielmehr ergebe sich aus § 6 des (seinerzeit noch mit D geschlossenen) Vertrages, dass der Vertragspartner der Klägerin befugt sei, „Schäden anzuerkennen, abzulehnen und vergleichsweise zu erledigen.“ Er, d.h. der Vertragspartner, habe dabei „so zu handeln, wie es eine selbstständige, nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns handelnde Kreditversicherung tun würde, die nicht rückversichert ist. Insoweit ist die W an alle Handlungen von D‑Garantie gebunden.“
79- Die vereinbarten Zahlungswege seien entgegen der Ansicht der Klägerin für die versicherungsteuerliche Einordnung von Sachverhalten nicht entscheidend. Es komme vielmehr auf die Wagnisübernahme gegen Zahlung eines Entgelts an. Im Übrigen folge auch insoweit aus der vertraglichen Formulierung (z.B. Vertrag mit der E Versicherung AG), dass der Vertragspartner „so zu handeln habe, als wäre sie [gemeint: E Versicherung AG] nicht rückversichert“. Diese Formulierung stelle ein Indiz dafür dar, dass letztendlich keine andere Vertragsgestaltung als die einer Rückversicherung gemeint gewesen sei.
80- Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe ihr aufgrund der abgeschlossenen Verträge kein Regressanspruch gegen den Versicherungsnehmer zu. Es fehle bereits an einem Vertrag, der einen solchen Anspruch begründen könne. Die Klägerin habe auch mit ihren Vertragspartnern keinen eigenen Regressanspruch zulasten der Versicherungsnehmer vereinbaren können. Insoweit sei es schlüssig, dass lediglich den Vertragspartnern der Klägerin Regressansprüche in Höhe der an die Gläubiger der Kunden bewirkten Zahlungen zustünden.
81Im Anschluss an die Entscheidung des BFH (Verweis auf Urteil vom 24. April 2013, XI R 7/11) sei die hier vorliegende Fallgestaltung, in dem ein Versicherungsnehmer nur mit einem Versicherer einen Versicherungsvertrage schließe und der Versicherer wiederum weitere Verträge mit anderen Versicherern abschließe, bei denen Prämien und Risiko aufgeteilt würden, als stille Mitversicherung anzusehen, die als Rückversicherung zu qualifizieren sei. Hierbei handele sich allerdings nicht um typische Rückversicherung. Eine rechtliche (echte) Beteiligung der Klägerin an dem Erstversicherungsverhältnis – wie sie die Klägerin sehe – gebe es nur in Form einer offenen Beteiligung, die unmittelbar gegenseitige Ansprüche zwischen den Versicherungsnehmern/Kunden und den Versicherern begründe. Vorliegend unterhalte die Klägerin jedoch nur ein Vertragsverhältnis mit einem anderen Versicherungsunternehmen und gerade keine Vertragsbeziehungen zu den Versicherungsnehmern. Im Falle der Insolvenz des anderen Versicherers, d.h. des Hauptversicherers, hätte der Versicherungsnehmer/Kunde keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Klägerin. Es bestehe zudem auch kein eigener Regressanspruch der Klägerin gegen den Versicherungsnehmer. Letztendlich habe die Klägerin das Vermögensschadenrisiko des Hauptversicherers übernommen.
82Entsprechendes gelte auch für die im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und den Kreditinstituten geschlossenen Unterbeteiligungsverträgen bzw. Beteiligungsverträgen für Avalkredite. Allein die Formulierung in den Verträgen, dass es sich um eine „Beteiligung“ handele, spreche nicht für eine Risikoübernahme unmittelbar zwischen Kunde und Klägerin. Zudem habe die Klägerin selbst ausgeführt, dass es keinen unmittelbaren Regressanspruch gegen den Kunden/Versicherungsnehmer gebe. Insoweit könne auch keine Risikoübernahme der Klägerin vom Kunden gegeben sein.
83Letztendlich handele es sich bei den Verträgen mit den Kreditinstituten um Forderungsausfallversicherungen zu Gunsten der Banken, denn die Kreditinstitute sicherten sich nach den mit der Klägerin abgeschlossenen Verträgen gegen das Risiko ab, dass sie im Rahmen ihrer Bürgschaftshaftung bei der Avalkreditlinie zu Geldzahlungen verpflichtet seien. Für diese teilweise Risikoübernahme erhalte die Klägerin als Versicherer ein als Provision bezeichnetes Entgelt.
84Eine Steuerbefreiung für eine Rückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG komme mangels Erstversicherungsverhältnisses ebenfalls nicht in Betracht. Hinsichtlich der Steuerpflicht von Kautionsrückversicherungen verweist der Beklagte auf die Entscheidung des BFH vom 19. Juli 2013 (II R 26/11).
85Zur Frage der Berechnung der Versicherungsteuer verweist der Beklagte darauf, dass die Versicherungsteuer auf die vollen Prämienzahlungen als Versicherungsentgelt gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG aufgeschlagen werden müsse. Entgegen der Ansicht der Klägerin dienten § 7 Abs. 4 VersStG a.F. und § 7 Abs. 9 VersStG n.F. lediglich dazu, die Steuerschuld als versicherungsvertragliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers in das Zivilrechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer einzufügen. Dadurch werde sie ggf. zivilrechtlich einklagbar bzw. würden im Falle der Zahlungsverweigerung versicherungsvertragsrechtliche Sanktionen möglich werden. Daraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, in denen Prämien sei die Versicherungsteuer enthalten. Dem entspreche letztendlich auch der Gesetzesbegründung bei Verabschiedung von § 7 Abs. 9 VersStG n.F. (vgl. BT-Drucks. 17/10036). Dann gelte ausschließlich zum Zwecke der Einziehung und Geltendmachung der Forderung im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer die Steuer ausnahmsweise als Bestandteil des Versicherungsentgelts, da der Versicherer regelmäßig der Verpflichtung unterliege, die Steuer einzuziehen und abzuführen. Auf die gesetzliche Unterstellung, dass die Versicherungsteuer Bestandteil des Versicherungsentgeltes sei, könne sich die Klägerin nicht berufen, da diese Fiktion über das Innenverhältnis hinaus gerade keine Wirkung entfalte. Die Klägerin sei von einer Nichtsteuerbarkeit der Prämien ausgegangen und habe aus diesem Grund rein faktisch „Nettoprämien" erhoben. Konsequenterweise müsse die Steuer auf die vollen Prämienzahlungen aufgeschlagen werden.
86Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 1. April 2019, 9. September 2019, 25. Februar 2020 und 27. Mai 2020 Bezug genommen.
87Entscheidungsgründe
88Die zulässige Klage ist im Wesentlichen unbegründet und hat lediglich im Hinblick auf die vom Beklagten vorgenommene Steuerberechnung teilweise Erfolg.
89I. Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, da der Klägerin hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren ist.
901. Die Frist zur Einlegung einer Anfechtungsklage wie im vorliegenden Fall beträgt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat beginnend mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bzw. in den Fällen von § 45 FGO, wie vorliegend, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts.
91Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Gemäß § 108 Abs. 1 AO gelten vorbehaltlich der Absätze 2 bis 5 für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend. Gemäß § 108 Abs. 3 AO endet eine Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.
92Im Streitfall wurde der streitgegenständliche Versicherungsbescheid mit Datum 23. Januar 2019 mit einfachem Brief an die Klägerin übersandt, so dass nach der Bekanntgaberegelung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO sowie der auch für diese 3-Tages-Fiktion geltenden Regelung von § 108 Abs. 3 AO, da der 26. Januar 2019 ein Samstag war, dieser Bescheid als am 28. Januar 2019 (Montag) zugegangen gilt. Die Monatsfrist für die Klageerhebung endete damit am 28. Februar 2019 (Donnerstag vor dem Karnevalswochenende).
932. Diese Klagefrist hat die Klägerin vorliegend versäumt, da der Klageschriftsatz erst am 6. März 2019 (Mittwoch nach den Karnevalstagen) bei Gericht eingegangen ist. Allerdings ist der Klägerin hinsichtlich dieser Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren.
94a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der entsprechende Antrag ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Zudem ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Gemäß § 56 Abs. 4 FGO entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Gemäß § 56 Abs. 5 FGO ist die Wiedereinsetzung unanfechtbar.
95b) Hiernach schließt jedes Verschulden, damit auch einfache Fahrlässigkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten muss sich der Betroffene wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Keine Vertreter bzw. Bevollmächtigte im vorstehenden Sinne sind jedoch Personen, die Weisungen unterworfen sind, wie typischerweise angestellte oder Boten eines Prozessbeteiligten oder des Prozessbevollmächtigten. Aufgrund dessen kann sich ein Prozessbevollmächtigter exkulpieren, wenn es sich um Aufgaben gehandelt hat, die er selbst nicht hätte wahrnehmen müssen. Beruht ein Fristversäumnis demnach auf dem Fehlverhalten eines von dem Prozessbevollmächtigten beauftragten Mitarbeiters/Boten, so hat der Auftraggeber (Prozessbevollmächtigter) das Versäumnis nur dann zu vertreten, wenn er selbst bei der Auswahl oder Beaufsichtigung schuldhaft gehandelt hat bzw. ihm insoweit der Vorwurf einer nicht ausreichenden Büroorganisation und damit ein Verstoß gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht trifft. In derartigen Fällen beruht die Fristversäumnis auf einem Büroversehen, das dem Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden kann (vgl. ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH-Urteil vom 10. Juni 1999, V R 33/97, BStBl. II 2000, 235; BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1997, VIII B 27/97, BFH/NV 1998, 1218).
96In der Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist anerkannt, dass ein Rechtsanwalt das Versehen einer zuverlässigen Kanzleiangestellten, die er durch konkrete Einzelanweisung mit der Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes betraut, nicht als eigenes Verschulden zu vertreten hat, wenn diese über den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung unterrichtet ist. Es ist auch nicht notwendig, dass sich der Prozessbevollmächtigte noch am selben Tage durch Rückfrage bei der beauftragten Angestellten oder durch Einsichtnahme in den Sendebericht vergewissert, ob seine Anweisung zur Fristwahrung befolgt ist. Da ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen kann, dass eine konkrete Einzelanweisung von seinem sonst zuverlässigen Personal auch befolgt wird, ist er ohne besonderen Anlass nicht zu Überwachungsmaßnahmen verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Januar 2003, VII R 13/02, BFH/NV 2003, 639; BFH-Beschlüsse vom 19. März 1996, VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818; vom 12. Juli 1999, VII B 81/99, BFH/NV 1999, 1655, und vom 18. Februar 2000, I B 136/99, BFH/NV 2000, 1108). Insoweit ist grundsätzlich keine besondere Kontrolle von beauftragten Angestellten durch den Prozessbevollmächtigten erforderlich. Der Prozessbevollmächtigte kann sich auch ohne besondere Rückfrage oder sonstige Kontrollmaßnahmen darauf verlassen, dass die einer angestellten und zuverlässigen Person übertragene Übersendung einer Klageschrift durch Telefax ordnungsgemäß erledigt wird (vgl. BFH‑Beschlüsse vom 19. März 1996, VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818; BFH-Urteil vom 8. Januar 2003, VII R 13/02, BFH/NV 2003, 639). Des Weiteren darf sich ein Rechtsanwalt bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax grundsätzlich darauf verlassen, dass sein zuverlässiges Büropersonal bei einem richtig adressierten Schreiben die richtige Telefax-Nummer ermittelt und in das Gerät eingibt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juli 2002, VII B 292/01, BFH/NV 2002, 1338).
97c) Vorliegend ist vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung die verspätete Einreichung der Klageschrift infolge des am 26. Februar 2019 fehlgeschlagenen Versuchs der Übermittlung per Telefax nicht auf ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sondern auf ein Büroversehen der mit der Übermittlung der Klageschrift per Telefax beauftragten Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Weder im Hinblick auf die allgemeine Büroorganisation hinsichtlich der Kontrolle von zu wahrenden Rechtsbehelfsfristen noch bei der konkreten Aufgabenübertragung ist ein Verstoß gegen die der Prozessbevollmächtigten obliegenden Sorgfaltspflichten zu erkennen.
98aa) Bei der Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes an ein Gericht handelt es sich auch um eine Tätigkeit, die ein Prozessbevollmächtigter als Berufsträger nicht selbst ausführen muss, sondern einer zuverlässigen Kanzleikraft übertragen kann, so wie dies vorliegend erfolgt ist.
99bb) Vor diesem Hintergrund ist es nicht relevant, aufgrund welcher Umstände die mit der Faxübersendung der Klageschrift am 26. Februar 2019 beauftragte Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten die Klageschrift tatsächlich nicht ordnungsgemäß übersandt hatte. Nach den Schilderungen der Klägerbevollmächtigten, an deren Richtigkeit keine Zweifel erkennbar sind, handelte es sich bei der Mitarbeiterin um eine entsprechend ausgebildete, zudem regelmäßig geschulte und zuverlässige Bürokraft, die seit Jahren mit der fristwahrenden Versendung von Schriftstücken betraut ist, ohne dass in der Vergangenheit ein Anlass für Beanstandungen bestanden hatte. Die Mitarbeiterin hatte den Faxsendebericht schlicht nicht ordnungsgemäß überprüft. Ansonsten wäre ihr – worauf der Beklagte zutreffend hinweist – ohne weiteres aufgefallen, dass am 26. Februar 2019 keine Verbindung zum Fax des Finanzgerichts bestanden hatte. Hätte die Mitarbeiterin den Faxsendebericht ordnungsgemäß überprüft, wäre es sehr wahrscheinlich nicht zur Fristversäumnis gekommen. Für den vorliegend gegebenen Fall, dass es zu einer Fristversäumnis zusammengekommen ist, besteht gerade die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dass das Versäumnis der nicht ordnungsgemäßen Kontrolle des Faxsendeberichts möglicherweise gar als grob fahrlässig beurteilt werden könnte, ändert nichts daran, dass sich die Prozessbevollmächtigte dieses Verhalten nur ausnahmsweise zurechnen lassen muss, wenn sie selbst ein Organisationsverschulden trifft.
100cc) Ein solches Organisationsverschulden ist bei der Prozessbevollmächtigten vorliegend nicht ersichtlich.
101Nach den Schilderungen der Prozessbevollmächtigten ist die Fristenkontrolle so organisiert, dass zu den üblichen Bürozeiten noch offene Fristen auffallen bzw. Fristen nicht vor Erledigung der fristwahrenden Handlung im Fristenkalender ausgetragen werden. Die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten geltende allgemeine Anweisung entspricht der Rechtsprechung, wonach ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 2007, I R 39/04, BFH/NV 2008, 81). Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle kann sich entweder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 2007, I R 39/04, BFH/NV 2008, 81). Unter diesen Voraussetzungen darf die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer die Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und wenn nötig hinreichend überwachten Kanzleikraft überlassen werden. Des Weiteren ist ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 2007, I R 39/04, BFH/NV 2008, 81). Zudem darf eine Frist im Fristenkalender nicht als erledigt gestrichen werden, bevor die fristwahrende Handlung ausgeführt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Mai 2019, IX R 43/17, BFH/NV 2019, 1134).
102Die Organisation der Fristenkontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten genügt diesen Anforderungen. Die Mitarbeiter sind angewiesen und entsprechend geschult, die zu übersendenden Schriftstücke auf Vollständigkeit sowie die zutreffende Adresse bzw. Telefaxnummer des Empfängers zu überprüfen. Des Weiteren besteht die allgemeine Anweisung, dass Fristen erst dann ausgetragen werden dürfen, wenn die fristwahrende Handlung, d.h. typischerweise die Übersendung des fristwahrenden Schriftstücks, ausgeführt worden ist.
103Genau diesen Anweisungen entsprechend hat auch im vorliegenden Fall die Kanzleibeschäftigte der Prozessbevollmächtigten gehandelt. Sie hat die Frist erst dann im Fristenkalender ausgetragen, nachdem sie (objektiv gesehen irrtümlich) davon ausging, die fristwahrende Handlung ausgeführt zu haben. Sie hat dabei auch die richtige Faxnummer des Empfängers gewählt. Bei der (versuchten) Übersendung ist ihr allerdings ein Fehler dahingehend passiert, dass sie sich offensichtlich nur unzureichend von der ordnungsgemäßen Übersendung durch Überprüfung des „OK-Vermerks“ überzeugt hatte. Darin liegt gerade das schuldhafte Verhalten, das die Fristversäumnis verursacht hat, ändert jedoch nichts daran, dass eine zulässige und von der Prozessbevollmächtigten ausreichend organisierte Übertragung von fristwahrenden Kanzleitätigkeiten vorliegt, bei deren konkrete Ausführung im Einzelfall schlichtweg ein Fehler passiert ist.
104dd) Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht aus der seitens des Beklagten angeführten Rechtsprechung. Soweit der Beklagte anführt, dass neben einem Fristenkontrollbuch auch ein (separates) Postausgangsbuch zu führen sei, lässt sich diese allgemeine Aussage weder aus der Rechtsprechung des BFH noch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Anforderungen an eine Fristenkontrolle erkennen. Zwar stellt der BFH etwa in der vom Beklagten angeführten Entscheidung (BFH‑Beschluss vom 22. Mai 2018, XI R 22/17, BFH/NV 2018, 961) darauf ab, dass neben einer Eintragung von Fristen im Fristenkalender eine ordnungsgemäße Postausgangskontrolle erfolgen müsse, ehe eine Frist ausgetragen werden könne. Eine Aussage dazu, wie konkret eine Postausgangskontrolle organisiert werden müsse, findet sich hierbei allerdings nicht. Entscheidend und insoweit ausreichend für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle ist, wie der BFH explizit erwähnt, dass neben der Dokumentation im Fristenkalender die rechtzeitige Absendung des fristwahrenden Schriftstücks überwacht wird. Damit wird letztendlich nur klargestellt, dass eine Frist erst nach Erledigung der fristwahrenden Handlung im Fristenkalender ausgetragen und damit als erledigt vermerkt werden darf. Konkret hatte der BFH Im entschiedenen Fall bei der Dokumentation des Postausgangs ein Organisationsverschulden nicht ausgeschlossen, weil die Wiedervorlagefristen lediglich in Form einer Worddatei sowie daneben durch Eintragung in einem Eingabefeld für Wiedervorlagen im elektronischen Dokumentationssystem verwaltet wurden. Bei einer solchen Verfahrensweise sei – so der BFH – keine korrekte Kontrolle, wann die Frist abläuft und ob die in jenem entschiedenen Fall zu wahrende Beschwerdebegründungsschrift rechtzeitig abgesandt wurde, möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2018, XI R 22/17, BFH/NV 2018, 961 m.w.N).
105ee) Das fehlende eigene Verschulden der Klägerbevollmächtigten und damit die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Tatsachen sind seitens der Klägerbevollmächtigten mit den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Kanzleiangestellten sowie des Geschäftsführers der Klägerbevollmächtigten auch hinreichend glaubhaft gemacht worden.
106Insoweit ist es ausreichend, dass die Prozessbevollmächtigte anwaltlich versichert, dass es sich bei der von ihm beauftragten Mitarbeiter um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft handelt, die regelmäßig kontrolliert wurde und die ihr obliegenden Aufgaben, insbesondere auch die Übersendung von Schriftsätzen durch Telefax, seit Jahren sorgfältig und fehlerfrei erledigt hat (vgl. zu diesen Anforderungen BFH-Urteil vom 8. Januar 2003, VII R 13/02, BFH/NV 2003, 639). Dies genügt der erforderlichen Darlegung, durch welche geeigneten organisatorischen Vorkehrungen die Kontrolle und Abzeichnung der Faxabsendung durch die Bürokraft gewährleistet werden sollte, d.h. konkret durch einen Vergleich der anzuwählenden Faxnummer mit der in einem nach Absendung auszudruckenden Sendebericht oder Journalauszug ausgewiesenen Nummer. Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten, dass und wie sie durch regelmäßige (auch stichprobenweise) Überwachung ihrer Bürokräfte für die Einhaltung entsprechender Anordnungen Sorge trägt (vgl. zu entsprechenden Anforderungen an die Darlegung z.B. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2000, I B 136/99).
1073. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren vorliegend gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO entbehrlich, da der Beklagte innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber der Sprungklage zugestimmt hat.
108II. Die Klage ist nur insoweit begründet, als der Beklagte die nachzuerhebende Versicherungsteuer nicht in Höhe von 19 % bezogen auf die festgestellten, von der Klägerin vereinnahmten Versicherungsentgelte berechnen konnte, sondern statt dessen die Versicherungsteuer aus diesen Versicherungsentgelten mit dem Faktor 19/119 herausrechnen muss. Der angefochtene Versicherungsteuerbescheid ist demnach nur insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als der Nachforderungsbetrag (Mehrbetrag) entsprechend dem Urteilstenor zu korrigieren ist (d.h. den Betrag von ... EUR übersteigt). Die Klägerin hat insoweit mit ihrem Hilfsantrag (Antrag zu 2.) und einer begehrten entsprechenden Reduzierung des streitigen Steuernachforderungsbetrages (d.h. um ... EUR) Erfolg.
109Im Übrigen – und damit im Hinblick auf die grundsätzliche Frage, ob die vorliegenden Fallgestaltungen der Versicherungsteuer unterliegen – ist die Klage jedoch unbegründet, da der Versicherungsteuerbescheid insoweit rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
1101. a) Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Gemäß § 2 Abs. 1 VersStG gilt als Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsteuergesetzes auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können. Ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, gilt nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag. Gemäß § 3 Abs. 1 VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, wobei hierunter insbesondere Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen und Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten fallen. Nicht zum Versicherungsentgelt gehört gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 VersStG, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird, insbesondere Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde und Mahnkosten.
111b) Weder das Versicherungsteuergesetz noch das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz enthalten eine Bestimmung des Begriffs „Versicherungsverhältnis“. Vielmehr muss sein Inhalt aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und, da dieser entscheidend vom Versicherungsrecht geprägt wird, aus dem allgemeinen Versicherungsrecht entnommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977, II R 36/76, BStBl. II 1977, 688). Unter dem Versicherungsverhältnis sind hiernach das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010, II R 12/08, BStBl. II 2012, 383). Dabei ist der Begriff der Versicherung weit gefasst und nach dem besonderen Zweck des Versicherungsteuerrechts zu deuten. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt; die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungsteuerrecht.
112Wesentliches Merkmal für ein „Versicherungsverhältnis“ im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses (BFH-Urteile 11. Dezember 2013, II R 53/11, BStBl. II 2014, 352; vom 19. Juni 2013, II R 26/11, BStBl. II 2013, 1060; vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097). Das Wagnis des Versicherers besteht darin, bei Eintritt des schädigenden Ereignisses den vereinbarten Ersatz leisten zu müssen. Die Gegenleistung dafür sind die von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsentgelte (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; FG Köln, Urteil vom 10. November 2004, 11 K 7893/00, EFG 2005, 656; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09 EFG 2009, 1074). Gegenstand einer Versicherung kann insbesondere auch der Schutz des Gläubigers gegen Forderungsausfälle sein, die infolge Zahlungsunfähigkeit seiner Schuldner eintreten (Kreditversicherung, Delkredereversicherungoder Forderungsausfallversicherung, vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977, II R 36/76, BStBl. II 1977, 688).
113c) Gegenstand der Besteuerung ist, da es sich bei der Versicherungsteuer um eine Verkehrsteuer handelt, nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010, II R 12/08, BStBl. II 2012, 383). Versicherungsentgelt ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist. Zahlung des Versicherungsentgelts ist danach jede Leistung, die die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer erlöschen lässt (BFH-Urteil vom 20. April 1977, II R 47/76, BStBl. II 1977, 748).
1142. Nach diesen Maßstäben sind vorliegend die Voraussetzungen für eine Versicherungsteuerpflicht der von der Klägerin vereinnahmten Entgelte aufgrund der gegenüber den anderen Versicherungsunternehmen bzw. den Kreditinstituten übernommenen „Mitversicherungen“ bzw. „(Unter-)Beteiligungen“ mit Kautionsversicherungen bzw. Avalkrediten gegeben.
115a) Diese Entgelte, die die Klägerin von den anderen Versicherungsunternehmen für die mit diesen abgeschlossenen Mitversicherungen vereinnahmt hat, unterliegen der Versicherungsteuer, denn diese Entgelte hat die Klägerin dafür erhalten, dass sie sich gegenüber den Versicherungsunternehmen aufgrund der abgeschlossenen Mitversicherungsvereinbarungen verpflichtet hat, sich im Falle der Inanspruchnahme aus den von den Versicherungsunternehmen geleisteten Kautionsversicherungen bzw. Bürgschaften nach den vereinbarten Anteilen an den daraufhin seitens der Versicherungsunternehmen geleisteten Zahlungen zu beteiligen. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den Vereinbarungen mit den Versicherungsunternehmen nicht um eine Kautionsversicherung bzw. um eine Mit-Kautionsversicherung. Versicherer der Kautionsversicherung (gegenüber den Kunden der Versicherungsunternehmen) sind allein die Versicherungsunternehmen, nicht aber (auch) die Klägerin.
116aa) Eine Kautionsversicherung bezweckt allgemein die Sicherstellung der von einem Schuldner gegenüber dem Gläubiger übernommenen Verpflichtung durch Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch den Versicherer. Trotz der in der Versicherungsbranche üblichen Bezeichnung als „Versicherung“ handelt es sich hierbei um eine Dienstleistung zum Zwecke der Erbringung einer Sicherheit, die nach ihrem rechtlichen Gehalt mit dem Avalgeschäft der Kreditinstitute vergleichbar ist. Derartige Sicherheitsleistungen sind aufgrund der in § 2 Abs. 2 VersStG explizit geregelten Fiktion, wonach die Verpflichtung des Versicherers, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, nicht als Versicherungsvertrag gilt, keine Versicherungsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG.
117Eine Kautionsversicherung ist vergleichbar mit einer Bürgschaftsvereinbarung und von dieser kaum zu unterscheiden. Eine Bürgschaft (im Sinne von § 765 BGB) ist explizit in § 2 Abs. 2 VersStG genannt. Von einer Bürgschaft bzw. Kautionsversicherung wiederum zu unterscheiden ist eine Forderungsausfallversicherung, bei der der Versicherer gegenüber dem Gläubiger das Risiko der Nichtzahlung durch den Schuldner übernimmt. Eine derartige Versicherung sind Versicherungsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG und fallen nicht unter § 2 Abs. 2 VersStG.
118Die Abgrenzung einer Bürgschaft zu einer (Forderungsausfall-)Versicherung ist im Einzelfall mitunter schwer vorzunehmen. Maßgeblich ist hierbei, dass für eine Bürgschaft das Bestehen einer Hauptverbindlichkeit unerlässlich ist, da die Bürgschaft das Einstehen für Verbindlichkeiten eines bestimmten Dritten voraussetzt (vgl. BFH vom 11. Mai 1967, V 5/64, BStBl. III 1967, 643). Für die Bürgschaft gilt der Grundsatz der Akzessorietät, d.h. die (Neben-)Verpflichtung des Bürgen ist vom Bestand der (Haupt‑)Schuld des Schuldners gegenüber dem Dritten abhängig. Die Bürgschaft stellt gerade auf die Person des Hauptschuldners ab (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 2015, II B 79/14, DStR 2015, 1172). Demgegenüber begründet etwa eine Forderungsausfallversicherung als Versicherungsvertrag eine selbständige Verbindlichkeit des Versicherers gegenüber dem Gläubiger, die nicht von einer Hauptschuld abhängig ist, sondern bei Realisierung des vertraglich vereinbarten Risikos entsteht (vgl. Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 2 Rn. 38).
119bb) Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung, im Innenverhältnis zu den Versicherungsunternehmen deren Risiko, aufgrund der von den Versicherungsunternehmen gegenüber ihren eigenen Kunden übernommenen Kautionsversicherungen tatsächlich in Anspruch genommen zu werden, zumindest teilweise mit zu übernehmen, nicht als Beteiligung an der originären Kautionsversicherung anzusehen. Die Klägerin hat gegenüber den Versicherungsnehmern, die von der Kautionsversicherung/Bürgschaftsübernahme letztendlich begünstigt sind, gerade nicht die Stellung einer Sicherungsgeberin, wie dies die Vertragspartner der Klägerin, d.h. die Versicherungsunternehmen, haben. Insoweit ist die Klägerin gerade nicht in die für die Bürgschaftsübernahme typische Akzessorietät im Verhältnis zur abgesicherten Hauptverbindlichkeit eingebunden. Ein Gläubiger der Versicherungsnehmer kann aus der Kautionsversicherung allein die anderen Versicherungsunternehmen, nicht aber die Klägerin in Anspruch nehmen. Die Klägerin ist ausschließlich im Verhältnis zu den Versicherungsunternehmen als ihren alleinigen Vertragspartnern verpflichtet, diesen für die ihnen gegenüber geltend gemachten Ansprüchen aus der Kautionsversicherung vereinbarungsgemäß anteilig Ersatz zu leisten. Die Klägerin hat damit ausschließlich gegenüber den Versicherungsunternehmen (und nicht mit deren Kunden/Versicherungsnehmer) ein Versicherungsverhältnis begründet und durchgeführt und hierfür ein Versicherungsentgelt erhalten.
120Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass man, wie die Klägerin vorträgt, die Vertragsgestaltung als stille Mitversicherung, d.h. als lediglich im Innenverhältnis zwischen Klägerin und Versicherungsunternehmen begründet, um im Außenverhältnis das Vertrauensverhältnis des führenden Mitversicherers zum Versicherungsnehmer wahren möchte, betrachtet. Denn auch bei dieser Betrachtung bleibt es dabei, dass – wie ausgeführt – die Rechtsposition der Klägerin, d.h. ihre Verpflichtung gegenüber den Versicherungsnehmern, nicht mit der eines Versicherers bei einer Kautionsversicherung bzw. Bürgschaftsvereinbarung vergleichbar ist. Auch nach den internen vertraglichen Abreden bzgl. einer derartigen Mitversicherung bleibt es dabei, dass die Klägerin ausschließlich im Verhältnis zu den anderen Versicherungsunternehmen als ihren alleinigen Vertragspartnern verpflichtet ist und hierfür das vereinbarte Entgelt erhält. Eine ein Versicherungsverhältnis begründende Rechtsposition gegenüber den Kunden der anderen Versicherungsunternehmen nimmt die Klägerin nicht ein.
121cc) Für die Annahme eines eigenständigen Versicherungsverhältnisses zwischen der Klägerin und den Versicherungsunternehmen, das von dem Versicherungsverhältnis zwischen den Versicherungsunternehmen und deren Kunden aufgrund der diesen gegenüber übernommenen Kautionsversicherung zu trennen ist, sprechen darüber hinaus – worauf der Beklagte zutreffend abstellt – die tatsächlichen Vertragsgestaltungen.
122Hierfür spricht insbesondere, dass ausschließlich die Versicherungsunternehmen in die unmittelbare Schadenstragung gegenüber den Kunden eingebunden sind, nicht aber die Klägerin. Des Weiteren stehen der Klägerin keine Regressansprüche gegen die Versicherungsnehmer zu.
123Gegenüber der A hat die Klägerin lediglich eine Beitrittserklärung (Bl. 75 f. der GA) zu dem von der A mit dem Versicherungsnehmer (F) abgeschlossenen Rahmenvertrag (Bl. 191 ff. der GA) abgegeben. Nach dem für den Streitzeitraum maßgeblichen Rahmenvertrag (vgl. § 2 Nr. 3 des Rahmenvertrages, Bl. 192 der GA) stehen dem Versicherungsnehmer die Rechte allein gegenüber A zu. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass gemäß § 6 Nr. 1 des Rahmenvertrags (Bl. 193 der GA) der Versicherungsnehmer gegenüber anderen am Risiko beteiligten Versicherern „alle für die Risikobeurteilung und Vertragsverwaltung erforderlichen Informationen auf Aufforderung zur Verfügung stellen“ muss. Hieraus folgen bereits keine unmittelbaren Verpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Versicherungsnehmer, sondern allein ein Recht der A, die angesprochenen Informationen auch zur Weitergabe an andere „am Risiko beteiligt(e)“ Versicherer verlangen zu können. Auf welche Art und Weise, in welchem Umfang, auf welcher vertraglichen Basis und vor allem in welchem Vertragsverhältnis (quasi Rückversicherung im Innenverhältnis zwischen Klägerin und A – so der Beklagte – oder Schuldbeitritt im Außenverhältnis – so die Klägerin – ) diese Risikobeteiligung erfolgt, lässt dieser Vertragspassus völlig offen, jedenfalls fehlen hinreichende belastbare Regelungen, die eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber dem Versicherungsnehmer begründen können.
124Hiervon abweichend enthält der ab 2014 und damit nicht für den vorliegenden Streitzeitraum geltende Rahmenvertrag explizit die Regelung zur Stellung der A als „führender Versicherer“ neben weiteren im Konsortium zusammengeschlossenen Versicherern und hierbei explizit die Bestimmung, wonach die Versicherer des Konsortiums allen Teilnehmern (versicherten Personen) der vom Versicherungsnehmer veranstalteten Reisen Versicherungsschutz gewähren (vgl. Bl. 198 der GA). Angesichts dieser auf eine vertragliche Bindung weiterer Versicherer (wie der Klägerin) im Verhältnis zum Versicherungsnehmer hindeutenden Vertragsformulierung, die jedoch nicht Verfahrensgegenstand ist, handelt es sich – anders als die Klägerin meint – im Vergleich zum Rahmenvertrag, der – wie ausgeführt – keine Verpflichtungen der Klägerin im Verhältnis zum Versicherungsnehmer enthält, nicht um eine bloße Klarstellung, sondern eine abweichende Vertragsregelung.
125Aus dem Beteiligungsvertrag mit B (zuvor D) folgt gemäß § 4 des Vertrages „im Insolvenzfall“ lediglich eine quotale Beteiligung der Klägerin am „anfallenden Schaden“ (vgl. Bl. 84 der GA). Bereits die Erwähnung des Insolvenzrisikos spricht dafür, dass es im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und B darum geht, B vor eventuellen Schadensausfällen für den Fall, dass B von den Versicherungsnehmern in Anspruch genommen wird, entsprechend der vereinbarten Quote freizuhalten. Das Geschäftsführungsrecht und insbesondere die Befugnis, Schäden anzuerkennen, abzulehnen und vergleichsweise zu erledigen, steht zudem gemäß § 6 des Vertrages allein B (zuvor D) zu; die Klägerin ist hierbei an alle Handlungen von D gebunden. Auch hier fehlt es an Regelungen betreffend Verpflichtungen der Klägerin im Verhältnis zum Versicherungsnehmer.
126Auch der Vertrag mit E hat die „Insolvenzabsicherung“ zum Gegenstand (vgl. Bl. 92 der GA). Zudem sind nach § 3 dieses Vertrages als „Schäden“ die „aufgrund von berechtigten Inanspruchnahmen erfolgten Zahlungen von E zu verstehen“ (vgl. Bl. 93 der GA). Die Regelung zum Geschäftsführungsrecht (§ 6 des Vertrages; vgl. Bl. 93 der GA) entspricht der Regelung mit B (zuvor D).
127dd) Insoweit ist das Versicherungsverhältnis zwischen ihr und den Versicherungsunternehmen von dem Versicherungsverhältnis zwischen den Versicherungsunternehmen und deren Kunden zu trennen mit der Folge, dass sich mit den hier streitgegenständlichen Vereinbarungen die Versicherungsunternehmen faktisch bei der Klägerin rückversichern, d.h. das Risiko, aufgrund der Kautionsversicherungen Zahlungen leisten zu müssen, zumindest teilweise auf die Klägerin übertragen (weitergeben). Ein solches Versicherungsverhältnis mit dem Charakter einer Rückversicherung ist wiederum abzugrenzen von einer Mitversicherung.
128Bei einer Rückversicherung versichert sich ein Versicherer (Erstversicherer) für die gegenüber dem Versicherungsnehmer übernommene Gefahr und die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung gegen Zahlung einer Versicherungsprämie bei einem anderen Versicherer (Rückversicherer). Bei einer Mitversicherung übernehmen mehrere Versicherer (bezogen auf eine Erstversicherung) gemeinsam nach Maßgabe der miteinander bzw. mit dem Versicherungsnehmer getroffenen Vereinbarung zu jeweils gesondert vereinbarten Entgelten gemeinsam ein Wagnis des Versicherungsnehmers. Dies begründet ein Versicherungsverhältnis (Erstversicherung) mit mehreren Verpflichteten auf Seiten des Versicherers (vgl. Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 4 Rn. 32).
129Wie ausgeführt, ist das Versicherungsverhältnis der Klägerin zu den Versicherungsunternehmen aber nicht als Mitversicherung (weder als offene noch als stille) und damit als Beteiligung an der zwischen den Versicherungsunternehmen und deren Kunden getroffenen Kautionsversicherung anzusehen. Die Klägerin hat gerade nicht die Rechtsposition inne, wie sie für einen Versicherer bei einer Kautionsversicherung vergleichbar ist. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Klägerin im Innenverhältnis zu den Versicherungsunternehmen durch die anteilige Weiterreichung des Risikos, aus der Kautionsversicherung in Anspruch genommen zu werden, letztendlich an derSchadenstragung beteiligt ist. Denn dieses Wagnis hat die Klägerin auf der Ebene eines eigenständigen Versicherungsverhältnisses gegenüber den Versicherungsunternehmen, nicht aber gegenüber den Versicherungsnehmern übernommen. Die Übernahme dieses Risikos gegen Entgelt durch die Klägerin ist der maßgebliche Inhalt der als „Mitversicherung“ geschlossenen Vereinbarung. Hierbei hat sich Klägerin jedoch ausschließlich gegenüber den Versicherungsunternehmen verpflichtet, im Falle der Inanspruchnahme aus den Kautionsversicherungen nach dem vertraglich vereinbarten Anteil einzustehen. Sinn und Zweck dieser „Mitversicherung“ ist es, dass die Versicherungsunternehmen im Falle ihrer Inanspruchnahme aus den Kautionsversicherungen für die daraufhin geleisteten Bürgschaftszahlungen an Vertragspartner der Kunden zumindest teilweise Ersatz erhalten konnten, und zwar von der Klägerin.
130ee) Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es allein auf das Vertragsverhältnis der Klägerin zu den Versicherungsunternehmen, mit denen sie, die Klägerin, die streitgegenständlichen Mitversicherungsverträge abgeschlossen hat, an. Innerhalb dieser Vertragsbeziehung sind die Versicherungsunternehmen Schuldner des Entgelts für die Übernahme des Wagnisses der Inanspruchnahme aus den (von den Versicherungsunternehmen gegenüber ihren Kunden geleisteten) Kautionsversicherungen/Bürgschaften, mithin als Versicherungsnehmer gegenüber der Klägerin Schuldner des Versicherungsentgelts. Mit der Begleichung der hierfür vereinbarten Prämien wurden die Versicherungsunternehmen von ihrer Pflicht, an die Klägerin das aufgrund der Mitversicherungsvereinbarung geschuldete Entgelt zu leisten, frei. Allein dieser Vorgang der Zahlung eines Versicherungsentgelts ist Gegenstand der Besteuerung nach dem VersStG.
131b) Entsprechendes gilt auch für die streitgegenständlichen (Unter-)Beteiligungen der Klägerin an den Avalkreditzusagen der Kreditinstitute H Bank, K Bank AG und L Bank.
132Auch insoweit ergibt sich – trotz der Vertragsbezeichnung als „Beteiligung“ (vergleichbar der Bezeichnung als „Mitversicherung“) – allein eine Risikoübernahme seitens der Klägerin im Verhältnis zu den Kreditinstituten, nicht aber gegenüber den Kunden der Kreditinstitute. Die Klägerin ist ausschließlich im Verhältnis zu den Kreditinstituten als ihren alleinigen Vertragspartnern verpflichtet, diesen für die ihnen gegenüber geltend gemachten Ansprüchen aus den Avalkreditzusagen vereinbarungsgemäß anteilig Ersatz zu leisten. Die Absprachen zur Beteiligung der Klägerin erstrecken sich ausschließlich auf das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und den Kreditinstituten. Die Klägerin hat damit ausschließlich gegenüber den Kreditinstituten (und nicht mit deren Kunden) ein Versicherungsverhältnis begründet und durchgeführt und hierfür ein Versicherungsentgelt erhalten. Demgegenüber fehlt eine Risikoübernahme unmittelbar zwischen den Kunden der Kreditinstitute und der Klägerin.
133Hierfür sprechen insbesondere die vertraglichen Regelungen dergestalt, dass die Klägerin gemäß Ziffer 1.2 des Unterbeteiligungsvertrages mit der H Bank eine „stille Risikobeteiligung in Form einer Haftungsübernahme“ bzw. gemäß Ziffer 2.1 die „uneingeschränkte Haftung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kreditnehmers“ (d.h. des Vertragspartners der H Bank) übernimmt und gemäß Ziffer 4 die H Bank die Geschäftsführung bzgl. der Rechte aus dem Unterbeteiligungsvertrag ausübt (vgl. Bl. 96 f. der GA). Hieraus folgt gerade keine unmittelbare Rechtbeziehung zwischen der Klägerin und dem Kreditnehmer im Hinblick auf die von der H Bank zugunsten des Kreditnehmers übernommene Beteiligung an einem Konsortialkreditvertrag, sondern quasi auf „zweiter Ebene“ lediglich eine Absicherung für den Haftungsfall, d.h. die tatsächliche Inanspruchnahme der H Bank (als Kreditgeber) und sodann auch der Klägerin (als Haftende).
134Der Unterbeteiligungsvertrag mit der K Bank AG soll explizit dazu dienen, „das Risiko aus [der seitens der K Bank AG gegenüber der R GmbH & Co. KG übernommenen] Kreditgewährung (…) im Rahmen eines offen gelegten Innenkonsortiums zu 100% von der Unterbeteiligten (zu übernehmen)“ (vgl. Päambel des Vertrages; Bl. 102 der GA). Verbindliche Regelungen betreffend die Klägerin zur Kreditgewährung gegenüber der Kreditnehmerin existieren nicht. Auskunfts- und Vorlagepflichten (vgl. Ziffer 3.1 des Vertrages; Bl. 104 der GA) ändern auch insoweit nichts an dem fehlenden Versicherungsvertragsverhältnis der Klägerin mit der Kreditnehmerin.
135Schließlich enthält auch der mit der L Bank abgeschlossene Beteiligungsvertrag keine die Klägerin gegenüber der von der Bürgschaft der L Bank begünstigten Kreditnehmerin verpflichtende Regelungen bzgl. einer Risikoübernahme, sondern allein Regelungen im Verhältnis der Klägerin zur L Bank. Insbesondere wird unter Schäden „die aufgrund von berechtigten Bürgschaftsinanspruchnahmen erfolgten Zahlungen der Bank“ verstanden (vgl. Bl. 109 der GA). Auch dies bezieht sich allein auf das Innenverhältnis der Klägerin zur L Bank und nicht auf das Außenverhältnis zur Kreditnehmerin.
136Wie auch der Beklagte anführt, handelt es sich insoweit (noch deutlicher als bei den Vereinbarungen mit den Versicherungsunternehmen) um eine besondere vertragliche Konstellation, die letztendlich aber mit einer Forderungsausfallversicherung zu Gunsten der Banken vergleichbar ist. Die Kreditinstitute sichern sich mit einem an die Klägerin zu leistenden Entgelt gegen das Risiko ab, dass sie im Rahmen ihrer Bürgschaftshaftung bei der Avalkreditlinie zu Geldzahlungen verpflichtet sind und hieraus tatsächlich in Anspruch genommen werden.
137c) Trotz des Charakters der streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisse als Rückversicherung sind die in diesem Zusammenhang von der Klägerin vereinnahmten Versicherungsentgelte nicht gemäß § 4 Nr. 1 VersStG von der Steuer befreit.
138aa) Gemäß 4 Nr. 1 VersStG ist die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Rückversicherung von der Besteuerung ausgenommen. Die Steuerbefreiung bezweckt die Vermeidung einer Doppelbesteuerung sowohl der Erst- als auch der Zweitversicherung.
139Eine Steuerbefreiung für die Rückversicherung setzt eine steuerbare Erstversicherung voraus, deren Risiko abgesichert wird. Allerdings ist nicht Voraussetzung, dass die Erstversicherer auch tatsächlich besteuert wird, so dass auch die Rückversicherung eines Versicherungsverhältnisses, dessen Prämienzahlung gemäß § 4 steuerbefreit ist, als Rückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG steuerfrei ist (vgl. Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 4 Rn. 24 f.).
140bb) Im Streitfall greift diese Steuerbefreiung für das (Rück-)Versicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und den Versicherungsunternehmen bzw. den Kreditinstituten nicht ein, da auf der Ebene der Erstversicherung (d.h. der „Mitversicherung“ bzw. der „Beteiligung“) eine Kautionsversicherung bzw. Bürgschaft vorliegt, die – insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig – unter die Regelung von § 2 Abs. 2 VersStG fallen und demgemäß nicht als Versicherungsverhältnisse gelten.
141Entgegen der Ansicht der Klägerin scheitert die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschriften daran, dass es an einer steuerbaren Erstversicherung mangelt. Hierzu hat der BFH, deren Rechtsansicht der Senat folgt, entschieden, dass eine Kautionsversicherung (auf der Ebene der Erstversicherung) aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherung im Sinne des VersStG und damit nicht als Verhältnis im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2013, II R 26/11, BStBl. II 2013, 1060). Bei dieser gesetzlich geregelten Fiktion handelt es sich nicht um eine Steuerbefreiung, sondern um eine Regelung zur Nichtsteuerbarkeit. In der weiteren Folge unterliegt das Versicherungsentgelt für eine solche Kautionsversicherung nicht der Versicherungsteuer. Soweit ein Versicherer das Risiko aus einer derartigen Kautionsversicherung entgeltlich übernimmt, handelt es sich demgemäß – trotz der Bezeichnung als „Kautionsrückversicherung“ – nicht um eine steuerfreie Zweit- bzw. Rückversicherung, sondern um eine steuerbare Erstversicherung.
142Demgegenüber vertritt die Klägerin im Anschluss an die gegenteilige Literaturauffassung (Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz, § 4 Rn. 34 ff.; Medert, DStR 2013, 2315) die Ansicht, dass Zweck des § 2 Abs. 2 VersStG nicht sei, der Kautionsversicherung versicherungsteuerrechtlich die Qualität einer Versicherung abzusprechen, sondern sie lediglich versicherungsteuerfrei zu belassen. Die von der gegenteiligen Literaturauffassung geäußerten Bedenken gegen die Sichtweise des BFH mögen für bestimmte Konstellationen beachtlich sein, greifen jedenfalls im Streitfall jedoch nicht durch. Zwar kann diskutiert werden, ob auch die Rückversicherung eines – etwa wegen der Belegenheit des versicherten Risikos außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes – nicht im Inland steuerbaren Versicherungsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG mit der Ansicht des BFH nicht von der Steuerbefreiung von § 4 Nr. 1 VersStG erfasst sei. Tatsächlich allerdings dürfte zum einen in diesen Fällen die Steuerbefreiung eingreifen, da der BFH in der Entscheidung vom 19. Juni 2013 gleichfalls auf das BMF‑Schreiben vom 17. Juli 2007 (BStBl. I 2007, 570) verweist, in dem ausgeführt wird, dass die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG das Bestehen eines Erstversicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG voraussetzt. Insoweit ist nicht anzunehmen, dass der BFH die Steuerfreiheit auch dann versagen würde, wenn ein Erstversicherungsverhältnis vorliegt, das nur deshalb nicht der deutschen Versicherungsteuer unterliegt, weil das versicherte Risiko nicht im Geltungsbereich des Gesetzes belegen ist (vgl. Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 4 Rn. 31; ebenso Schmidt, Versicherungsteuergesetz, § 4 Rn. 6). Diese Frage kann indes offengelassen bleiben, denn eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
1433. Die Berechnung der vom Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 VersStG festgesetzten Versicherungsteuer ist jedoch insoweit rechtswidrig, als die Versicherungsteuer auf die vereinnahmten Versicherungsentgelte hinzugerechnet wurde. Im Ergebnis nimmt der Beklagte damit an, dass es sich bei den von der Klägerin vereinnahmten Prämien um Nettoprämien ohne Umsatzsteuer handelt. Dies ist nicht rechtmäßig. Der Nachforderungsbetrag im Versicherungsteuerbescheid ist um ... EUR niedriger als bislang festzusetzen. Diese Korrektur ergibt sich daraus, dass bei der Steuerberechnung die Versicherungsteuer aus den festgestellten, in den Zeiträumen Januar 2010 bis Dezember 2012 vereinnahmten Versicherungsentgelten mit dem Faktor 19/119 herauszurechnen sind.
144a) Für die Sichtweise des Beklagten (Bruttoberechnung) spricht zwar, dass für die Versicherungsteuer das aufgrund des Versicherungsverhältnisses nach § 1 Abs. 1 VersStG gezahlte Entgelt maßgeblich ist, da dieses der Versicherungsteuer unterliegt. Vorliegend stellt das gezahlte Entgelt die Nettoprämie dar. Auch nach der gesetzgeberischen Intention ist die Versicherungsteuer nicht Teil des Versicherungsentgelts. Lediglich zum Zwecke der Einziehung und Geltendmachung der Forderung im Innenverhältnis, d.h. im „Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer gilt die Steuer ausnahmsweise als Teil des Versicherungsentgelts“ (so ausdrücklich § 7 Abs. 9 VersStG), da der Versicherer regelmäßig der Verpflichtung unterliegt, die Steuer einzuziehen und abzuführen.
145b) Für die Sichtweise der Klägerin (Nettoberechnung) spricht hingegen, dass der Versicherungsnehmer gemäß § 1 Satz 2 VVG verpflichtet ist, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Das zivilrechtliche Entgelt ist ein Endpreis, d.h. ein Bruttopreis (vgl. Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 7 Rn. 96). In der Regel wird der Versicherungsnehmer auch davon ausgehen können, dass mit der in Rechnung gestellten Versicherungsprämie auch die Versicherungsteuer beglichen ist (vgl. hierzu FG Niedersachsen vom 15. Mai 2002, IStR 2003, 354; Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 7 Rn. 96).
146c) Der Senat geht davon aus, dass ausgehend von der zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer im Zweifel ein Versicherungsentgelt als Bruttobetrag vereinbart werden sollte (so auch Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 3 Rn. 14). Dies muss zumindest dann gelten, wenn die Vertragsparteien irrtümlich davon ausgegangen sind, dass die Zahlung einer Versicherungsprämie nicht der Versicherungsteuer unterliegt und dieser Irrtum erst im Rahmen einer Außenprüfung ausgeräumt wird. Insoweit muss dann die Steuer auf Grundlage des Zahlungsbetrages ermittelt und mit 19/119 aus diesem (Brutto-)Betrag herausgerechnet werden (ebenso Grünwald/Dallmayr, Versicherungsteuergesetz, § 3 Rn. 16). Im Ergebnis ist daher – vergleichbar der Umsatzsteuer – bei einer rechtsirrtümlich ohne Versicherungsteuer in Rechnung gestellten Versicherungsprämie, soweit im Einzelfall – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte für eine abweichende Vereinbarung der Beteiligten gegeben sind, die vom Versicherungsnehmer gezahlte Versicherungsprämie in das (eigentliche) Entgelt und die darauf entfallende Versicherungsteuer aufzuteilen (vgl. dazu BFH‑Urteil vom 22. April 2015, XI R 43/11, BStBl. II 2015, 755).
147Insoweit ist die erfolgte Steuerfestsetzung dahingehend zu berichtigen, dass aus den festgestellten Entgeltzahlungen (insgesamt 5.710.334,47 EUR) die Versicherungsteuer mit 19/119 herauszurechnen ist.
148d) Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuern auf den Beklagten stützt sich auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
149III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
150IV. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen, da der Frage, ob eine Netto- oder eine Bruttoberechnung hinsichtlich der nachzuerhebenden Versicherungsteuer für den Fall, dass die am Versicherungsverhältnis Beteiligten von einer nicht steuerbaren bzw. steuerfreien Leistung ausgegangen sind und eine Versicherungsteuerpflicht erst später festgestellt wird, grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine höchstrichterliche Entscheidung geboten erscheint.
151V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
152VI. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.