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Der Beklagte wird verurteilt, unter Änderung der Bescheide für die Jahre 2009 bis 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2018 den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 bis 2015 ohne Berücksichtigung der aus der Sprechertätigkeit erzielten Einkünfte festzusetzen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf ... EUR festgesetzt.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die rechtliche Qualifizierung der Einkünfte aus einer selbstständigen Sprechertätigkeit als freiberufliche/künstlerische oder gewerbliche Tätigkeit.
3Der Kläger ist ausgebildeter Journalist. Er erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb “...“, erfasst unter Steuernummer 1) sowie – die unter der Steuernummer 2 erfassten und vorliegend hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Qualifikation streitigen – Einkünfte aus der Tätigkeit als Sprecher ... einiger Fernsehproduktionen ..., Synchronsprecher ... und als Sprecher von Werbe- und Ansagetexten sowie aus Coachingtätigkeiten. Den Großteil seiner Tätigkeit bildet die Tätigkeit als Off-Sprecher bei Fernsehproduktionen.
4Der Kläger ermittelt den Gewinn aus seiner Sprechertätigkeit durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für den Streitzeitraum 2009 bis 2013 wurden die vom Kläger erzielten Einkünfte aus seiner Sprechertätigkeit vom Beklagten zunächst als freiberuflich im Sinne von § 18 EStG behandelt. Im Rahmen der vom 8. Oktober 2014 bis 19. März 2015 beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung wurden unter anderem die Einkünfte aus der Sprechertätigkeit geprüft. Die Tätigkeit des Klägers wurde dabei anhand exemplarischer Tätigkeitsbeschreibungen bzw. typischer Arbeitsabläufe und vom Kläger vorgelegter Unterlagen (Verträge, vereinbarte Rahmenbedingungen, Schriftverkehr) auf ihren künstlerischen Inhalt hin geprüft.
5Die Beteiligten stimmen darin überein, dass die Tätigkeiten in den übrigen Streitjahren (d.h. vor 2013) dem Grunde nach den geprüften Beispieltätigkeiten im Jahre 2013 entsprochen haben. Insbesondere übte der Kläger keine rein journalistischen Tätigkeiten, sondern im Wesentlichen die streitgegenständlichen, unter der Steuernummer 2 erfassten Sprechertätigkeiten bzw. Off-Sprecher-Tätigkeiten für diverse TV‑Formate und in geringem Umfang für Werbetexte sowie Coaching aus. Diese Tätigkeiten werden von den Beteiligten im vorliegenden Streitverfahren übereinstimmend insgesamt unter dem Begriff „Sprechertätigkeit“ erfasst und sind hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Qualifizierung umstritten.
6Nach Prüfung der exemplarisch betrachteten Tätigkeiten und den hierbei getroffenen Feststellungen der Betriebsprüfung wurde der Kläger bei dem Projekt „Y“, bei dem er mit Sprachgefühl und Einfühlungsvermögen die Rolle des „K“ entwickelte, als Synchronsprecher tätig und konnte diese als eigenschöpferisch und künstlerisch im Sinne von § 18 EStG qualifiziert werden. Der Umfang dieser Tätigkeit und die daraus erzielten Einnahmen seien jedoch von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen seien die Tätigkeiten des Klägers nicht als künstlerisch zu qualifizieren, insbesondere da der Kläger hierbei nicht schauspielerisch tätig werde und insoweit keine Rolle mit Sprachgefühl und Einfühlungsvermögen gestaltet werde. Den – über die Tätigkeit als Synchronsprecher für das Projekt Y hinausgehenden – Sprechertätigkeiten fehle es an eigenschöpferischen Leistungen, da die vom Kläger erbrachten Leistungen regelmäßig keinen oder nur einen geringen Spielraum für die Entfaltung einer eigenen schöpferischen Leistung von künstlerischem Rang böten. Der Kläger mache vielmehr lediglich Ansagen oder gebe vorgefertigte Texte wieder, ohne dass ihm ein eigenschöpferischer Spielraum zur Verfügung stehe.
7Bei der sog. „Stimme aus dem off (Hintergrund)“ des Klägers entfalle insoweit die schauspielerische Verkörperung einer größeren Rolle, die in Art und Umfang mit einer typischen schauspielerischen oder sonstigen künstlerischen Tätigkeit vergleichbar sei. Zudem bestehe – anders als bei der Tätigkeit als Synchronsprecher – keine Zuordnung von Schauspieler und Synchronsprecher, wodurch regelmäßig ein erheblicher Wiedererkennungswert gegeben sei. Die Tätigkeit des Klägers sei vielmehr mit der Tätigkeit des Rundfunksprechers (Verweis auf BFH-Urteil vom 24. Oktober 1963, V 52/61 U) bzw. der Moderation von Werbesendungen (Verweis auf BFH-Urteil vom 16. September 2014, VIII R 5/12) vergleichbar. Dies zeige sich deutlich vor allem am Sprechertext zum Projekt „X“, bei dem sowohl der Text im Wesentlichen als auch die Einsatzzeit sekundengenau vorgegeben seien. Zwar nehme der Kläger kleinere Änderungen vor, die jedoch am Inhalt seines Textes, der von der Autorin und dem Texter genauestens vorgegeben sei, nichts veränderten.
8Die vom Kläger daneben erbrachten Coaching-Leistungen seien nicht als erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit anzusehen, sondern vielmehr als individuell beratende Tätigkeit, die ebenfalls als gewerblich anzusehen sei. Eine erzieherische Tätigkeit sei auf die umfassende Schulung des menschlichen Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet. Diese Voraussetzungen erfülle die Tätigkeit des Klägers nicht, da er seinen Auftraggebern durch mentale Techniken, Entspannungsübungen und Audiovisualisierungen bei der Bewältigung von Lampenfieber und Auftrittsangst helfe. Diese Tätigkeit sei gerade nicht darauf gerichtet, die ganze Persönlichkeit der Auftraggeber zu formen. Vielmehr unterstütze der Kläger diese darin, bestimmte individuelle Ängste und Verhaltensprobleme zu überwinden. Wie das Coaching von Frau S zeige, erarbeite der Kläger ein auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestelltes Programm, um auf deren individuelle Probleme und Schwierigkeiten einzugehen, und handele es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit.
9Die Tätigkeit als Synchronsprecher für das Projekt Y sei insgesamt von untergeordneter Bedeutung, so dass diese sowie alle übrigen Sprecher- und Coachingtätigkeiten des Klägers einheitlich als nicht künstlerisch zu beurteilen seien. In der Folge wurden die aufgrund der Sprechertätigkeit erzielten Einkünfte insgesamt als gewerbliche Einkünfte angesehen.
10Schließlich sei die Sprechertätigkeit des Klägers steuerrechtlich zusammen mit dem unter Steuernummer 1 erfassten Betrieb „...“ als ein einheitlicher Betrieb zu behandeln. Beide Betätigungen erfolgten im gleichen Gewerbezweig, der Vertonung, und seien ihrem Wesen nach gleichartig bzw. ergänzten sich. Sie hingen zudem organisatorisch und wirtschaftlich zusammen, insbesondere da beide Betätigungen in denselben Räumen mit geteiltem Personal ausgeübt würden. Ein fehlender finanzieller Zusammenhang schade nicht.
11Der Gewerbesteuer unterliege gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben werde. Gemäß § 95 Abs. 1 BewG gehörten zum Betriebsvermögen eines gewerblichen Betriebs alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dienen. Räumlich weit voneinander ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen würden regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt. Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb würden gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen sprechen.
12Auf die Feststellungen der Betriebsprüfung, zusammengefasst im Bericht vom 19. März 2015 (Bl. 38 ff. der Gerichtsakte sowie Bl. 347 ff. der Betriebsprüfungsakte II-II „Sprecher“), wird Bezug genommen.
13Im Verwaltungsverfahren stimmte der Kläger der vom Beklagten vorgenommenen rechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit insoweit zu, als die Einkünfte als Synchronsprecher für das Projekt Y als freiberuflich und allenfalls die Einkünfte als Werbesprecher als gewerblich angesehen wurden. Demgegenüber sah der Kläger die Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Off-Sprecher in Abgrenzung zum reinen Werbesprecher als unterhaltend und somit als künstlerisch an, da es sich insoweit um eine dem Synchronsprecher nahekommende Tätigkeit handele. Insbesondere bei Doku-Entertainment-Formaten komme dem Off-Sprecher eine wesentliche Gestaltungsrolle zu, da dieser ähnlich einem Erzähler die Emotionen und Stimmungen vermitteln, Spannung aufbauen und Pointen setzen müsse. Die Rolle des Off-Sprechers sei umso wichtiger, als die Darsteller in solchen Formaten allesamt Laien und keine ausgebildeten Schauspieler seien, mithin grundsätzlich keine Rolle spielten, sondern ihren tatsächlichen Charakter verkörperten. Insoweit sei der gestalterische Anspruch sogar höher als bei einem Synchronsprecher einzuschätzen, da dem Kläger die Mimik/Gestik des Schauspielers zum Transport der Stimmungen fehle. Des Weiteren gehe es in den Doku-Entertainment-Formaten ganz entscheidend um den Wiedererkennungswert und die Einprägsamkeit der Stimme. Dem Off-Sprecher stehe hierbei im Gegensatz zum klassischen Schauspieler kein Gesicht, d.h. keine Mimik und/oder Gestik zum Ausdruck der Stimmung zur Verfügung. Dem Off-Sprecher biete sich im Vergleich zum Synchronsprecher ein größerer Gestaltungsspielraum insoweit, als er nicht an die Lippen und die Mimik des Schauspielers gebunden sei, sondern sich ihm ein größerer Rahmen biete, um Textpassagen zu kürzen, zu verlängern bzw. umzugestalten. Dieser „redaktionellen“ Tätigkeit, im Vorfeld der Tonaufnahme und auch während der Aufnahme, mit der erforderlichen Improvisation, komme eine zentrale Bedeutung zu. Darüber hinaus wirke der Kläger an der eigentlichen Textgestaltung mit. Hierbei komme ihm seine journalistische Ausbildung und die Tätigkeit als Autor zugute. ... Konkret schildert der Kläger, auf Basis der im Bildschnitt entwickelten Dramaturgie des Films entstünde zunächst lediglich ein grobes Textkonzept, das durch den Texter verfeinert werde. Allerdings werde seitens des TV‑Senders bis kurz vor dem Vertonungstermin noch am Bildschnitt gearbeitet, so dass die vom Texter entwickelten Texte nicht zum Bild passen würden, da sie entweder zu lang oder zu kurz seien oder es zu sog. Text-Bild-Scheren käme. Aufgrund dessen greife der Kläger kurz vor oder noch während der Sprachaufnahme aktiv redaktionell in das Textgeschehen ein, indem er den Text kürze oder verlängere, sprachlich verbessere und Texte dramaturgisch verändere. Dies gelte für alle TV-Produktionen, für die er arbeite, etwa für die TV-Formate „X“, „R“ oder „M“. Ergänzend wird auf die Schilderungen des Klägers gegenüber der Betriebsprüfung sowie die von ihm im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten Beispiele für die von ihm bearbeiteten Sprechertexte (vgl. Bl. 188 f., 202, 215 ff. der Betriebsprüfungsakte II-II „Sprecher“) Bezug genommen.
14Die Tätigkeit als Coach sei ebenfalls als freiberuflich anzusehen, da es sich hierbei um eine unterrichtende Tätigkeit als Dozent handele. Grundsätzlich handele es sich bei den von dem Kläger durchgeführten Schulungen und Seminaren um eine dozierende Tätigkeit. Der Kläger habe auf Grundlage seines Buches „...“ ein Programm gegen Redeangst entwickelt und produziert. In Anlehnung an dieses Programm führe der Kläger das Coaching und die Seminare mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung und einer festgelegten didaktischen Struktur durch.
15Die Sprecher-/Coachingtätigkeit des Klägers sei getrennt vom unter der Steuernummer 1 erfassten Betrieb “…“ zu betrachten. Beide Tätigkeiten stellten keinen einheitlichen Gewerbebetrieb dar, seien nicht gleichartig und ergänzten sich allenfalls insoweit, als dass die persönlich ausgeübte Sprechertätigkeit in Ausnahmefällen mithilfe des technischen Equipments aufgenommen werde. Überwiegend jedoch werde die Sprechertätigkeit des Klägers bei den Produktionsfirmen/TV-Sendern ausgeübt. Zudem werde lediglich der repräsentative Teil (Empfangsbereich und Büros) für beide Tätigkeiten des Klägers genutzt. Im Übrigen bestehe kein finanzieller Zusammenhang zwischen beiden Bereichen, da getrennte Konten geführt und separate Buchführungen und Gewinnermittlungen erstellt würden.
16Der Beklagte änderte im Anschluss an die Feststellungen der Betriebsprüfung die Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2009 bis 2013 gemäß § 164 Abs. 2, 3 AO mit Änderungsbescheiden jeweils vom 21. Mai 2015. Hierbei wurden die vom Kläger erzielten Einkünfte aus seiner Sprechertätigkeit sowie aus dem unter der Steuernummer 1 erfassten Betrieb “…“ als gewerbliche Einkünfte behandelt und insgesamt der Gewerbesteuer unterworfen. Die Sprechertätigkeit des Klägers sei weit überwiegend – bis auf seine Tätigkeit als Sprecher bei einem Projekt Y – nicht als künstlerisch, sondern als gewerblich zu qualifizieren. Insbesondere werde der Kläger nicht schauspielerisch tätig, da insoweit keine Rolle mit Sprachgefühl und Einfühlungsvermögen gestaltet werde. Der Kläger spiele keine Rollen, sondern mache Ansagen bzw. gebe vorgefertigte Texte wieder. Ein Spielraum, eine eigene schöpferische Leistung von künstlerischem Rang zu entfalten, bestehe – anders als bei der Synchronsprechertätigkeit – aufgrund des vorgegebenen Formats nicht oder nur in geringem Maße. Bei der „Stimme aus dem Hintergrund“ (Off-Stimme) entfalte die schauspielerische Verkörperung keine größere Rolle, die in Art und Umfang mit einer typischen schauspielerischen oder sonstigen künstlerischen Tätigkeit vergleichbar sei.
17Die Betriebsprüfung verkenne hierbei nicht, dass der Kläger mit seiner Stimme tatsächlich künstlerisch tätig sein könnte. Zu beurteilen seien jedoch die vom Kläger im Prüfungszeitraum tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten. Insoweit seien vom Kläger angebotene Arbeitsproben, um eine Beurteilung der Sprechertätigkeit zu ermöglichen, nicht entscheidungsrelevant, da sich diese nicht auf die im Prüfungszeitraum tatsächlich ausgeführten Aufträge bezögen.
18Etwas anderes könne auch nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Urheberrechtsübertragungen angenommen werden. Hierbei handele es sich um vertraglich vereinbarte standardisierte Übertragungen. Inwieweit diese eine tatsächliche künstlerische Gestaltungshöhe implizieren könnten, sei jedoch nicht nachvollziehbar.
19Die Tätigkeit des Klägers als Coach könne weder als erzieherische noch als unterrichtende Tätigkeit angesehen werden, da dies eine Tätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form erfordere, die bei der Coachingtätigkeit des Klägers nicht anzunehmen sei. Der Kläger erarbeite und entwickle ein auf die speziellen Bedürfnisse seines Auftraggebers abgestelltes Programm, so dass es sich hierbei um eine beratende Tätigkeit handele (Hinweis auf BFH-Urteile vom 2. Februar 2000, XI R 38/98 und vom 11. Juni 1997, XI R 2/95).
20Gegen die Änderungsbescheide vom 21. Mai 2015 legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Mai 2015 Einspruch ein.
21Aufgrund der eingereichten Einkommensteuererklärungen des Klägers für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 erließ der Beklagte am 2. Februar 2018 ebenfalls Gewerbesteuermessbetragsbescheide, mit denen die in diesen Jahren vom Kläger erzielten Einkünfte aus der Sprechertätigkeit sowie aus dem unter der Steuernummer 1 erfassten Betrieb “…“ als gewerbliche Einkünfte behandelt und insgesamt der Gewerbesteuer unterworfen wurden. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruchsschreiben vom 16. Februar 2018.
22Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren ist hiernach die Qualifizierung der Gewinne aus der Sprechertätigkeit (Off-Sprechertätigkeiten für diverse TV‑Formate einschließlich der Sprechertätigkeiten für Werbetexte sowie des Coachings) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG und die daraus folgenden Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge (vgl. Bl. 342, 346 der Betriebsprüfungsakte II-II „Sprecher“, Steuernummer 2):
23VZ |
Gewinn aus Sprechertätigkeit nach BP EUR |
GewSt-Messbetrag |
EUR |
|
vor BP |
nach BP |
Diff. |
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2009 |
||||
2010 |
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2011 |
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2012 |
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2013 |
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lt. Erkl. |
lt. Veranlagung |
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2014 |
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2015 |
Der Beklagte wies die gegen die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitzeiträume eingelegten Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung trägt der Beklagte im Anschluss an die Feststellungen der Betriebsprüfung im Wesentlichen vor, eine künstlerische Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sei nur gegeben, wenn eine eigenschöpferische Leistung vollbracht werde, in der die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Steuerpflichtigen zum Ausdruck komme und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreiche. Diese Voraussetzung sei vorliegend bei der Tätigkeit des Klägers als Off-Sprecher sowie als Sprecher von Werbe- und Ansagetexten nicht gegeben, da die vom Kläger zu sprechenden Texte vom Auftraggeber vorgegeben seien, der Kläger nur eine kommentierende Rolle einnehme und auf den Text nur einen geringen bis keinen gestalterischen Einfluss habe. Die Möglichkeiten für kleinere Änderungen seien eher redaktionell und stellten keine inhaltlichen Änderungen dar. Die Einsatzzeiten seien nach der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers vorab sekundengenau vorgegeben.
25Auch bei der Coachingtätigkeit des Klägers handele es sich nicht um eine unterrichtende Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG. Zwar sei ein Individualunterricht hiervon nicht ausgeschlossen. Allerdings handele es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern sei eine beratende – und damit gewerbliche – Tätigkeit anzunehmen, wenn Kenntnisse oder Erkenntnisse nicht aufgrund eines allgemein gültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt würden, sondern die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf spezielle Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms erfordere.
26Im Übrigen sei die gesamte selbstständige Tätigkeit des Klägers, d.h. sowohl der Betrieb “…“ als auch die Tätigkeit als Sprecher einschließlich des Coachings als einheitlicher Gewerbebetrieb zu beurteilen. Die beiden Betätigungen seien ihrem Wesen nach gleichartig und ergänzten sich. Zwar bestehe kein finanzieller Zusammenhang. Jedoch würden die Tätigkeiten im gleichen Gewerbezweig, der Vertonung, ausgeübt, hingen organisatorisch und wirtschaftlich zusammen und würden in denselben Räumen mit geteiltem Personal ausgeübt und ergänzten sich beide Betätigungen zumindest. Zudem spreche das Auftreten im Geschäftsverkehr (gemeinsame Anschrift, gemeinsamer Geschäftseingang) ebenfalls für einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Einzig die Tätigkeit des Klägers als Synchronsprecher bei dem Projekt Y könne zwar isoliert betrachtet den freiberuflichen Einkünften zugeordnet werden. Jedoch könne diese Tätigkeit als Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung nicht von der Haupttätigkeit getrennt werden. Schließlich sei aber auch diese Tätigkeit nach außen als Teil der Sprechertätigkeit beworben worden, so dass auch diese nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in den der Gewerbesteuer unterliegenden Betrieb einzubeziehen sei.
27Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Zu deren Begründung trägt er – unter Verweis auf die Korrespondenz im Rahmen der Betriebsprüfung bzw. des Einspruchsverfahrens – im Wesentlichen vor, die Sprechertätigkeit des Klägers sei mit der Tätigkeit eines Synchronsprechers bzw. eines Sprechers für Hörbücher und -spiele vergleichbar. Die Doku-Entertainment-Formate, an denen der Kläger als Sprecher ebenso wie etwa die Schauspieler, der Autor oder die Regie aktiv und (künstlerisch) gestaltend mitgewirkt habe, seien als unterhaltendes TV-Format einzustufen. Ebenso wenig wie den Schauspielern, Autoren und Regisseuren könne auch dem Kläger die Freiberuflichkeit dieser selbständig ausgeübten Tätigkeit nicht abgesprochen werden.
28Die vom Beklagten angeführten Entscheidungen betreffend Nachrichten- oder Rundfunksprecher bzw. Werbemoderator beträfen regelmäßig kein unterhaltendes, sondern ein rein informatives bzw. auf Verkaufszwecke angelegtes Format. Demgegenüber implizierten unterhaltende Formate regelmäßig die künstlerische Tätigkeit der daran mitwirkenden Personen, sofern diese nicht nur und ausschließlich für die rein technische Produktion wie etwa Ton, Licht, Kamera oder Schnitt verantwortlich seien. Nicht ausschlaggebend könne sein, den künstlerischen Wert der Tätigkeit des Klägers einzuschätzen. Genügen müsse vielmehr, dass eine Gestaltungshöhe erreicht werde, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauung einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertige, von einer künstlerischen Leistung zu sprechen.
29In der mündlichen Verhandlung wiederholte und vertiefte der Kläger sein Vorbringen und wies darauf hin, dass er die Aufträge für seine Sprechertätigkeit vor allem auch – neben seiner markanten Stimmlage und seinen variablen Sprechfähigkeiten – seiner journalistischen Ausbildung zu verdanken habe. Dies ermögliche es ihm, redaktionell an der Gestaltung der Sprechertexte gerade bei den Doku-Entertainment-Formaten wie „X“ oder „R“, aber auch im Zuge der Off-Sprechertätigkeit bei Sendungen wie „M“ maßgeblich mitzuwirken.
30Der Kläger verweist zudem auf das BMF-Schreiben vom 27. Januar 2015, wonach für Zwecke der Umsatzsteuer für die steuerrechtliche Betrachtung an die urheberrechtliche Gestaltungshöhe angeknüpft werde. Urheberrechtliche Nutzungsrechte entstünden nur, soweit eine gewisse Schöpfungs- bzw. Gestaltungshöhe erreicht werde. In den Verträgen des Klägers mit den TV-Sendern und Produktionsfirmen werde regelmäßig das Entstehen von Urheberrechten angenommen, wodurch die erforderliche Gestaltungshöhe indiziert sei. Es sei nicht überzeugend, der Tätigkeit des Klägers die für die künstlerische Tätigkeit notwendige Gestaltungshöhe abzusprechen, wenn die Tätigkeit gleichzeitig die für den Urheberschutz notwendige Gestaltungshöhe erreiche.
31Schließlich werde die Tätigkeit des Klägers seitens der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte rentenversicherungsrechtlich als selbständige Tätigkeit angesehen (vgl. hierzu die Bescheinigungen vom 1. Juni 2001 und vom 29. September 2004, Bl. 193, 196 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“).
32Der Kläger beantragt,
33unter Änderung der Bescheide für die Jahre 2009 bis 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2018 den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 bis 2015 ohne Berücksichtigung der aus der Sprechertätigkeit erzielten Einkünfte festzusetzen.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Zur Begründung verweist der Beklagte auf den Betriebsprüfungsbericht vom 19. März 2015 (Bl. 347 ff. der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“), die Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2018 (Bl. 12 der Gerichtsakte) sowie die mit dem Kläger geführte Korrespondenz.
37Entscheidungsgründe
38Die zulässige Klage ist begründet.
39Die streitgegenständlichen Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die vom Kläger in den Streitjahren erzielten, unter der Steuernummer 2 erfassten Gewinne aus seiner Sprechertätigkeit (einschließlich Werbetexte sowie Sprechcoaching in geringem Umfang) zu Unrecht als gewerblich im Sinne von § 15 EStG qualifiziert und insoweit zu Unrecht Gewerbesteuermessbeträge festgesetzt. Vielmehr erzielte der Kläger mit seiner Sprechertätigkeit einschließlich der in geringem Umfang ausgeübten Sprechertätigkeiten für Werbetexte sowie des Sprechcoachings in den Streitjahren Einkünfte aus freiberuflicher (künstlerischer) Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG.
401. a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht um private Vermögensverwaltung handeln (vgl. BFH vom 16. September 2015, X R 43/12, BStBl. II 2016, 48; BFH vom 19. Oktober 2010, X R 41/08, BFH/NV 2011, 245).
41Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.
42b) Einen einheitlichen Oberbegriff für alle freien Berufe gibt es nicht. Aufgrund der im Laufe der Jahre ständig erfolgten Erweiterung der Katalogberufe sind frühere gemeinsame Voraussetzungen weitgehend verloren gegangen. Eine wissenschaftliche Ausbildung ist nicht erforderlich. Gemeinsam ist den zugeordneten Berufen die vornehmlich durch die persönliche, qualifizierte geistige Leistung geprägte Ausübung der Tätigkeit.
43Übt jemand sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, muss hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht geprüft werden, ob eine Trennung beider Tätigkeiten vorgenommen werden kann oder ob die gesamte Tätigkeit einheitlich zu beurteilen ist. Besteht zwischen zwei betrieblichen Tätigkeiten ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang, liegt eine gemischte Tätigkeit vor, die nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich getrennt zu erfassen ist, wenn nicht nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche Tätigkeit anzunehmen ist. Eine Trennbarkeit im Schätzungswege setzt voraus, dass derjenige, der eine gemischte Tätigkeit ausübt, sich mit jeder der verschiedenen Tätigkeitsformen in unterschiedlicher Weise am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt (vgl. Hutter in Blümich, § 18 EStG, Rn. 64 ff. m.w.N.).
44c) Die Einordnung einer selbstständig ausgeübten Tätigkeit als künstlerische Tätigkeit bereitet insofern Schwierigkeiten, als es einen allgemeinen Kunstbegriff nicht gibt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der auch der erkennende Senat folgt, ist bei der Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit zwischen zweckfreier Kunst einerseits und Gebrauchskunst andererseits zu unterscheiden. Bei der freien Kunst kann auf die Feststellung einer gewissen künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet werden; es reicht aus, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann.
45Bei künstlerischen Tätigkeiten, deren Ergebnisse einen praktischen Nützlichkeitszweck haben, ist hingegen eine eigenschöpferische Leistung zu verlangen, in der die individuelle Anschauungsweise und besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommen, die über die hinreichende Beherrschung einer Technik hinausgeht, so dass eine gewisse objektiv festzustellende künstlerische Gestaltungshöhe erreicht wird (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 2014, VIII R 5/12, BStBl. II 2015, 217; vom 15. Oktober 1998, IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465; vom 23. September 1998, XI R 71/97, BFH/NV 199, 460; vom 4. November 2004 IV R 63/02, BStBl. II 2005, 362). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist von den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall abhängig (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998, IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465 m.w.N.). Dabei kommt der allgemeinen Verkehrsauffassung besonderes Gewicht zu (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1998, IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465; vom 14. August 1980, IV R 9/77, BStBl. II 1981, 21). Auf eine Ausbildung des Künstlers kommt es nicht an, vielmehr auf die natürliche Begabung. Bei der Gebrauchskunst, also der Kunst, die einen praktischen Wert hat, ist entscheidend, dass dem Künstler wegen der besonderen Zweckbestimmung ein genügender Raum zur eigenschöpferischen Leistung verbleibt (vgl. Hutter in Blümich, § 18 EStG, Rn. 95 ff. m.w.N.). Lassen die Vorgaben des Auftraggebers keinen nennenswerten Spielraum für eigenschöpferische Leistungen oder überwiegen die handwerklichen Elemente, handelt es sich in der Regel um gewerbliche Einkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998, IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465). Künstlerisch ist nur eine selbstständige, eigenschöpferische Arbeit, die dem Werk eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende Aussagekraft verleiht. Ist das Werk nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern wird lediglich die Wirklichkeit ohne eigene künstlerische Aussage kopiert, so fehlt es an der der Kunst eigentümlichen Gestaltungshöhe (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 1998, IV R 70/97, BFH/NV 1999, 456).
46d) Unterrichtende Tätigkeit ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form (vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 1994, IV R 79/92, BStBl. II 1994, 362, und vom 18. April 1996, IV R 35/95, BStBl. II 1996, 573). Dies schließt einen Individualunterricht zwar nicht aus. Werden die Kenntnisse oder Erkenntnisse aber nicht aufgrund eines allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1997, XI R 2/95, BStBl. II 1997, 687).
47e) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein für eine künstlerische Tätigkeit erforderlicher genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bei Sprechern von Werbetexten zu verneinen, da hierbei regelmäßig nicht die schauspielerische Leistung, sondern der sachliche Inhalt des Textes im Vordergrund stehe (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459). Das Sprechen von Werbetexten im Rahmen der Hörfunk- und Fernsehwerbung könne nur dann im Einzelfall als eigenschöpferische Leistung von künstlerischem Rang angesehen werden, wenn der jeweilige „Sprecher“ eine größere Rolle verkörpert, die ihrer Art und ihrem Umfang nach mit einer typischen schauspielerischen oder sonstigen künstlerischen Tätigkeit vergleichbar sei, d.h. über die bloße Vermittlung des Textes hinausgehe und die „Rolle“ nach Art und Umfang die Gestaltung eines Textes durch den Einsatz schauspielerischer Erfahrung und künstlerischer Gestaltungskraft in einer Weise verlangt, die trotz der Vorgaben des jeweiligen Auftraggebers einen erheblichen Spielraum zur Entfaltung der künstlerischen Fähigkeiten lässt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1991, IV R 102/90, BStBl. II 1992, 413; ebenso FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2008, 3 K 2240/04, EFG 2008, 1292).
48Der BFH hat für den Fall eines Rundfunksprechers, der sowohl vorbereitete Texte (Nachrichten, Börsenzettel, Wetterberichte) als auch freiformulierte Programmansagen vorlas und dabei die Freiheit besaß, „bei leichter Musik und bei unbedeutenden Sendungen“ die Texte selbst zu formulieren, eine Tätigkeit als Künstler abgelehnt. Ein Nachrichtensprecher oder Ansager habe keine Möglichkeit, eigene schöpferische Leistungen zu erbringen; denn sie könnten keine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck bringen. Dies gelte auch für die sog. Rahmenansage bei leichter Musik oder sonst wenig bedeutsamen Programmen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1963, V 52/61 U, BStBl. III 1963, 589). Maßgeblich stellte der BFH darauf ab, dass die Möglichkeit des freien Formulierens durch den Gegenstand der Ansage in engen Grenzen gehalten sei. Die hierfür erforderliche Geschicklichkeit und Allgemeinbildung reiche für die Entfaltung einer künstlerischen Tätigkeit nicht aus. Eine solche setze vielmehr größere Sprechrollen wie z.B. in einem Hörspiel voraus (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1963, V 52/61 U, BStBl. III 1963, 589).
49Die Tätigkeit einer Moderatorin von Verkaufssendungen, die in Verkaufssendungen die Produkte nach den Vorgaben des Auftraggebers präsentiert, sah der BFH ebenfalls nicht als freiberufliche, sondern als gewerbliche Tätigkeit an (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2014, VIII R 5/12, BStBl. II 2015, 217). Der BFH stellte hierbei darauf ab, dass aufgrund der von Auftraggebern vorgegebenen Produktinformationen mit den Produkteigenschaften, den zu präsentierenden Verkaufsargumenten sowie teilweise ausformulierten Detailbeschreibungen kein bzw. nur in beschränktem Ausmaß durch Abstrahieren oder Verfremden Raum für eine eigenschöpferische Leistung der Fernsehmoderatorin gegeben sei. Die Moderatorin habe sich an diese Vorgaben und über die Produkte so informieren müssen, dass ein Kaufanreiz entstand. Nach den vom BFH nicht beanstandeten Feststellungen des FG standen der sachliche Inhalt des gesprochenen Textes nebst Verkaufsargumenten, die Eigenschaften der Produkte sowie deren körperliche Präsentation im Vordergrund, so dass kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung vorlag.
50Die Beurteilung der Tätigkeiten für das Fernsehen folgt den gleichen Grundsätzen wie beim Hörfunk. Das Sprechen von Nachrichten, das Lesen von Berichten oder Abhandlungen oder das einfache Ansagen von Sendungen werden nicht schon deshalb zu einer künstlerischen Tätigkeit, weil die Mimik des Sprechers sichtbar wird (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459). Eine andere Betrachtung stellt der BFH jedoch dann an, wenn das Sprechen oder Ansagen wesentlicher Teil der optischen Darbietung wird. So soll bspw. bei einer Moderation bzw. Ansage bei einer Unterhaltungssendung, die oft durch bekannte Persönlichkeiten gestaltet wird, der Charakter einer schauspielerischen oder kabarettistischen, in jedem Fall künstlerischen Tätigkeit in der Regel nicht zu verneinen sein (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459).
51Allein der Umstand, dass eine bekannte Person oder ein Schauspieler als Sprecher von Werbetexten tätig wird, begründet hingegen in der Regel – wie bereits dargelegt – noch keine künstlerische Tätigkeit, da nicht die schauspielerische Leistung, sondern der sachliche Inhalt des Textes im Vordergrund steht (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459). Darüber hinaus stellte der BFH jedoch klar, dass – bezogen auf eine Abgrenzbarkeit von journalistischen und schauspielerischen/künstlerischen Tätigkeiten – die schöpferische Textgestaltung (bspw. Fertigstellung einer Zeitung) als journalistische Tätigkeit regelmäßig nicht von der optischen Gestaltung und dem Drucken der Texte abgegrenzt werden könne. Allerdings ergebe sich bei Hörfunk und Fernsehen eine besondere Differenzierung, weil das Ergebnis der journalistischen Leistung, also die Texte, im Hörfunk durch Ton und im Fernsehen durch Bild und Ton dargebracht würden und deshalb gestaltet werden müssten. In der Folge bleibe für die Vermittlung der Texte durch eine künstlerische Tätigkeit des Regisseurs, der Sprecher und der Schauspieler grundsätzlich Raum (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459).
52Wie der BFH ebenfalls entschieden hat, kann ein Sprecher in einer Hörspielrolle eine selbständige künstlerische Leistung vollbringen, wenn es nicht mehr allein darum geht, Texte durch Sprechen hörbar zu machen, sondern darum, einen geschriebenen Dialog zu aktualisieren, also so zu gestalten, als ob er zwischen den gedachten Personen zu dem gedachten Zeitpunkt in Wirklichkeit so stattgefunden hätte, d.h. eine Rolle verkörpert wird. In einem solchen Fall ist die Darstellung einer Sprechrolle eine schauspielerische und damit eine künstlerische Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459 unter Verweis auf BFH-Urteil vom 24. Oktober 1963, V 52/61 U, BStBl. III 1963, 589).
532. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann vorliegend die Mitwirkung des Klägers als Off-Sprecher bei TV-Sendungen, TV-Dokumentationen oder ähnlichem einschließlich der damit verbundenen Textbearbeitung sowie in geringem Umfang das Sprechen kürzerer Werbetexte in den Streitjahren zwar nicht als journalistisch, jedoch noch als künstlerisch im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit als freiberuflich angesehen werden. Auch die Coachingtätigkeit des Klägers zählt nicht zu den gewerblichen, sondern zu den freiberuflichen Einkünften.
54a) Trotz der Ausbildung des Klägers handelt es sich bei seiner Sprechertätigkeit nicht um eine journalistische Tätigkeit, wie dies wohl auch der Kläger zuletzt nicht mehr behauptet hat.
55Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Berufstätigkeit des Journalisten auf Informationen über gegenwartsbezogene Geschehnisse ausgerichtet, bei der die Sammlung und Verarbeitung von Informationen des Tagesgeschehens, die „kritische Auseinandersetzung“ mit diesen Informationen und die Stellungnahme zu den Ereignissen auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet das Berufsbild ausmacht (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 2014 – VIII R 5/12, BStBl. II 2015, 217; vom 25. April 1978, VIII R 149/74, BStBl. II 1978, 565; Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG Rn. 24).
56Die Sprechertätigkeit des Klägers ist schon ihrer Funktion nach nicht durch die journalistentypische „kritische Auseinandersetzung“ mit Informationen und Stellungnahmen zu den Ereignissen auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet geprägt. Im Mittelpunkt dieser Tätigkeit steht nicht das Ziel, über ein die Allgemeinheit interessierendes Thema zu berichten oder Zustände politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Natur zu schildern, sondern die textliche Begleitung eines Doku-Entertainment-Formats, das auf die Unterhaltung der Zuschauer abzielt.
57b) Allerdings genügt die Sprechertätigkeit des Klägers und seine sonstige Mitwirkung bei TV‑Sendungen, TV-Dokumentationen den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine Anerkennung der sog. Gebrauchskunst als künstlerische Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt.
58aa) Nach dem gesamten schriftsätzlichen Vortrag des Klägers, den auch dem Gericht bekannten TV-Sendungen, an denen der Kläger mitwirkte, sowie unter dem Eindruck des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass Wesenskern der Sprechertätigkeit des Klägers nicht die schlichte Wiedergabe eines vorgegebenen Textes ist. Seine Tätigkeit ist vielmehr zum einen durch die Mitwirkung an der konkreten Ausgestaltung der Textfassung des jeweiligen Projekts geprägt. Der Kläger wirkt gestaltend insoweit mit, als die finale Textfassung an die Film- und Bildgestaltung angepasst wird, damit der von ihm wiederzugebende Text zu den Filmsequenzen passt. Des Weiteren wird der Text dramaturgisch bearbeitet, damit für die Zuschauer das filmisch dargestellte Geschehen kommentierend oder erklärend begleitet wird. Zum anderen ist die Tätigkeit des Klägers insbesondere durch einen vielfältigen, variantenreichen Einsatz seiner Sprache geprägt. Der Kläger sorgt hierdurch dafür, dass die Dramaturgie der Handlung und die jeweiligen Rollen der Darsteller durch den Einsatz unterschiedlicher Stimmlagen und Sprechweisen unterstrichen werden. Hierbei steht dem Kläger ein großer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Insbesondere hierin erkennt der Senat die für die Annahme seiner künstlerischen Betätigung erforderliche eigenschöpferische Leistung, die der Sprechertätigkeit des Klägers das Gepräge gibt.
59Dies ergibt sich maßgeblich aus den vom Kläger vorgelegten und vom Beklagten geprüften exemplarischen Unterlagen sowie den verschiedenen dem Gericht bekannten Doku-Entertainment-Formaten (z.B. „X“, „R“, „N“), an denen der Kläger im Streitzeitraum mitgewirkt hat.
60bb) Der Kläger hat in einem maßgeblichen Umfang an der redaktionellen Über-/ Bearbeitung der Sprechtexte mitgewirkt.
61(1) Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass der vom Kläger zu sprechende Text weitgehend unter teilweise sekundengenauer Zeitangabe vorgegeben war. Zudem handelte es sich bei den seitens des Klägers vorgenommenen Korrekturen vielfach um die Abänderung hinsichtlich der verwendeten Zeitform, der Austausch des verwendeten Verbes oder der Umgestaltung von Satzanfängen, Satzbau, Texteinleitung bzw. Textübergängen. Diese Änderungen im Text wären für sich genommen nicht ausreichend, um dies als künstlerische Mitwirkung anerkennen zu können, da sie weder formal noch inhaltlich so wesentlich sind, dass sie Ausfluss eines eigenschöpferischen Gestaltungsspielraums des Klägers sein können.
62Ebenfalls verkennt der Senat nicht, dass in der Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und dem Kläger bezüglich der TV-Show „M“ bezüglich der vom Kläger erbrachten Sprachaufnahmen ausdrücklich geregelt ist, dass hinsichtlich der für die Sendung benötigten „diversen Voice-Over“ der Kläger als Sprecher „diverse von der Redaktion vorgegebenen Texte spricht.“ Gleichzeitig ist ausdrücklich geregelt, dass „die redaktionelle Verantwortung für den Sprechertext (…) in jedem Falle“ bei dem Auftraggeber liegt (vgl. hierzu die entsprechende Formulierung im Vertrag zwischen dem Kläger und O GmbH & Co. KG, Bl. 201 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“).
63(2) Allerdings hat der Kläger die Texte an anderen Stellen inhaltlich deutlich verändert, sodass der Senat feststellen konnte, dass dem Kläger tatsächlich ein maßgeblicher Gestaltungsspielraum zustand, um sich eigenschöpferisch zu betätigen. Dies folgt aus den im Rahmen der Betriebsprüfung zur exemplarischen Beurteilung seiner Sprechertätigkeit vom Kläger vorgelegten Unterlagen zum Projekt „X“ sowie aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen zu seiner Sprechertätigkeit für die TV‑Sendung „M“.
64So hat der Kläger auf dem Textblatt für die Sendung „M“ zu den Stichworten mit wichtigen Ereignissen, die im Stil eines Reporters betont werden sollten, neben den reinen Textvorgaben („...“) handschriftlich Stichworte für die tatsächliche und spannende Wiedergabe des Textes („unglaublich“; fantastisch“; vgl. Bl. 202 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“) ergänzt.
65Im Textskript zur Sendung „X“, Folge ..., nahm der Kläger unter anderem folgende Änderungen an dem von ihm zu sprechenden Text vor:
66- Die Vorgabe „Auf die Familie wartet ein Rückschlag nach dem anderen.“ wurde zu „Die Familie hat zu kämpfen! Ein Rückschlag jagt den nächsten.“
67- Die Vorgabe, dass die Sammelleidenschaft eines der in der TV‑Dokumentation auftretenden Darstellers seiner Familie „große Sorgen“ bereitet, änderte der Kläger dahingehend ab, dass der Familie „schlaflose Nächte“ bereitet werden.
68- ...
69(vgl. Bl. 216, 218 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“).
70Die vorgenommenen Abänderungen mögen jeweils für sich betrachtet geringfügig erscheinen, dies folgt jedoch lediglich daraus, dass die abgeänderten Texte selbst nur kurz sind und die zeitlichen Vorgaben durch die Bildfolge einen nur begrenzten Umfang an Änderungsmöglichkeiten zulassen. Dennoch verdeutlicht der Gesamtblick auf die vorgenommenen Änderungen den Gestaltungsspielraum des Klägers, die einzelnen Textpassagen im Hinblick auf die Dramaturgie der textlichen Kommentare entscheidend abzuändern, in dem gänzlich andere, das Geschehen dramatischer darstellende Worte gewählt werden oder aus einer bisherigen schlichten Aufzählung einzelne Begriffe herausgehoben und besonders betont werden.
71cc) Darüber hinaus unterstreicht auch die Sprechertätigkeit im eigentlichen Sinne, d.h. die Darbietung des Textes in der Endfassung, die künstlerische Tätigkeit des Klägers. Denn hierbei handelt es sich nicht um das bloße Ablesen oder den reinen Vortrag eines Textes, sondern um eine auf die Bildfolge sowie die dokumentierten Geschehnisse bzw. die schauspielerischen Leistungen abgestimmte textliche Begleitung der Zuschauer des jeweiligen TV-Formats.
72(1) Der Kläger verfügt – wie auch der Beklagte im Grunde anerkennt – über eine vielfältig einsetzbare, von vielen Zuschauern und Zuhörern angenehm empfundene Stimme bzw. über eine besondere Fähigkeit und Kreativität, diese Stimme als Off-Sprecher einzusetzen. Dies allein reicht zwar noch nicht aus, um eine künstlerische Betätigung annehmen zu können. Denn die reine Sprechertätigkeit ist in erster Linie handwerklicher Natur, worauf der Beklagte maßgeblich abstellt.
73(2) Die Tätigkeit des Klägers beschränkt sich jedoch nicht auf eine handwerklich saubere Ausführung der Sprechertätigkeit im Hinblick auf Verständlichkeit und Textbetonung, sondern geht deutlich darüber hinaus. Entgegen der Ansicht des Beklagten fehlt es nicht an dem für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit erforderlichen Abstraktionsgrad und damit an der gewissen Gestaltungshöhe. Dem Kläger ist angesichts der Doku-Entertainment-Formate der TV-Projekte, an denen er maßgeblich mitwirkt, in einem hinreichenden Maße ein künstlerischer Freiraum eingeräumt, da es dem Kläger obliegt, abhängig vom jeweiligen Auftrag (Sendeformat) die Stimm- und Tonlage variabel einzusetzen, die Sprechgeschwindigkeit und weitere für die Stimme maßgebliche Faktoren den individuellen Gegebenheiten anzupassen und den Text passend zu den Bildern der Sendung dramaturgisch anzupassen. Diese Tätigkeit geht über die für eine reine Sprechertätigkeit erforderliche notwendige Beherrschung der Technik eines Sprechers hinaus. Dies eröffnet dem Kläger jedenfalls einen für die Annahme einer eigenschöpferischen Gestaltungsfreiheit erforderlichen Freiraum, der eine künstlerische Tätigkeit darstellt.
74Die Sprechertätigkeit des Klägers hängt zwar von den bildlich in Erscheinung tretenden (Haupt-)Personen sowie den Vorgaben der Auftraggeber/Kunden hinsichtlich Inhalt und Darbietungsart der zu sprechenden Texte ab. Primär prägendes Element der TV‑Formate, an denen der Kläger als Sprecher mitwirkte, sind die Darbietungen der in den Sendungen agierenden Personen (Moderatoren, Gäste, Schauspieler, Laiendarsteller etc.) bzw. die in den Dokumentationen dargestellten Geschehnisse. Die vom Kläger hierzu aus dem Off gesprochenen Texte sind jedoch mindestens ebenso maßgeblich, denn sie dienen der Erläuterung, Kommentierung und ergänzenden Information für die Zuschauer und prägen den Charakter dieser TV-Formate ebenfalls mit. Die Off-Sprechertätigkeit beschränkt sich nicht darauf, dass für die Zuschauer diese Texte als von einem nicht am unmittelbar dargestellten Geschehen Beteiligten, sondern von einem neutralen Sprecher („aus dem Off“) stammend erkennbar sind, wie dies etwa bei einem (klassischen) Nachrichtensprecher der Fall ist. Die Sprechertätigkeit ist nicht etwa von nachgeordneter Bedeutung, sondern betont den Charakter des Doku-Entertainment-Formats, bei der die Dokumentation eines tatsächlichen Geschehens, teilweise unter Mitwirkung von Laiendarstellern, unterhaltsam und dramaturgisch bearbeitet dem Fernsehpublikum dargeboten wird. Hierbei kommt es gerade auf die sprachlichen und sonstigen stilistischen Fähigkeiten des Klägers mit einer markanten und bekannten Stimme an, die für die Beschäftigung des Klägers und die Erzielung der hier streitgegenständlichen Einkünfte maßgeblich sind.
75Neben der ihm eingeräumten Möglichkeit, den Text dramaturgisch zu verändern, steht dem Kläger bei der Sprechertätigkeit ein nicht nur geringer künstlerischer Freiraum, die Stimme variantenreich einzusetzen, zur Verfügung, der jedenfalls den (bloß) handwerklich geprägten Einsatz der Stimme überwiegt. Die Doku-Entertainment-Formate der TV‑Projekte wie „X“ und „R“, an denen der Kläger mitwirkt, zeichnen sich dadurch aus, dass das bildlich dargestellte Geschehen bzw. die Filmsequenzen der (Laien‑)Darsteller vom Off-Sprecher begleitet werden. Die Sprechertexte bilden hierbei einen Rahmen, in den die Filmsequenzen eingebettet sind, ordnen das Geschehen durch Erläuterungen und Hintergrundinformationen ein, kommentieren dieses, leiten die Dramaturgie und führen die Zuschauer damit durch die Sendung. Wenngleich der Unterhaltungscharakter der Doku-Entertainment-Formate zunächst durch die filmischen Darstellungen geprägt wird, ist die Sprechertätigkeit inhaltlich und sprachlich daran angelehnt und ein weiteres essenzielles Element der besagten TV‑Formate.
76dd) Dem steht nicht entgegen, dass der BFH (vgl. Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459) für den Fall der Wiedergabe von Texten in Werbesendungen die Entfaltung einer eigenen schöpferischen Leistung von künstlerischem Rang auch vor dem Hintergrund ablehnt, dass häufig Sportler mit hohem Bekanntheitsgrad in Werbe-Fernsehsendungen eingesetzt würden und daher nicht die schauspielerische Leistung, sondern der sachliche Inhalt des Textes im Vordergrund stehe. Ebenso hat das FG Rheinland-Pfalz bei der Verneinung einer künstlerischen Tätigkeit darauf abgestellt, dass derartige „Rollen“ in Werbesendungen häufig nicht nur von Künstlern, sondern auch von Prominenten aus anderen Lebensbereichen, aber auch von unbekannten Laien gespielt werden, und sich dadurch zeige, dass nach der allgemeinen Verkehrsauffassung der Einsatz von Künstlern, wie etwa (Berufs‑)Schauspielern, wegen der Natur der Anforderungen nicht geboten sei (vgl. dazu auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2008, 3 K 2240/04, EFG 2008, 1292). In einem solchen Falle fehle es an einem Gestaltungsspielraum für die Entfaltung einer eigenen schöpferischen Leistung, da sich die Tätigkeit dann lediglich darauf beschränke, die Rolle eines normalen Produktbenutzers zu sprechen oder zu spielen sowie lediglich den Gegenstand der Werbung anzupreisen.
77Mit dieser Konstellation ist der Streitfall indes nicht vergleichbar. Es geht – anders als in den vom BFH und vom FG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fällen – hier nicht um die bloße Wiedergabe von Texten. Vielmehr ist es – wie ausgeführt – Aufgabe des Klägers, eine das dokumentierte Geschehen kommentierende Sprecherrolle zu verkörpern.
78Auch bei der Tätigkeit eines Rundfunksprechers, wie sie vom BFH als gewerblich zu qualifizierende Tätigkeit angesehen wurde, geht es – anders als im Streitfall – weniger bzw. gar nicht darum, Emotionen und Stimmungen zum Ausdruck zu bringen oder zu unterhalten, sondern Informationen möglichst neutral zu übermitteln. Hierbei stehen handwerkliche Fähigkeiten wie eine deutliche Aussprache im Vordergrund.
79Insoweit weist die vom Kläger ausgeübte Sprechertätigkeit im Rahmen der Doku-Entertainment-Formate Elemente der modernen Nachrichtenberichterstattung, die sich nicht mehr nur auf die rein sachlich-nüchterne, teils noch abgelesene Information über aktuelle gesellschaftliche und politische Geschehnisse beschränken. Auch im Bereich der Nachrichtensendungen gibt es mittlerweile Berichterstattungsformate, in denen tagesaktuelle Geschehnisse mit modernen Medienelementen anschaulich dargestellt, durch Hintergrundberichte ergänzt und mit persönlichen Stilelementen der Moderatoren und ggf. auch mit Witz, Ironie und ähnlichem, mithin auf eine insoweit durchaus unterhaltende Art und Weise präsentiert werden. Trotz dieser unterhaltenden Elemente der Berichterstattung dürfte die Zuordnung dieses Bereichs zur journalistischen Tätigkeit nicht zweifelhaft sein (dazu FG Köln, Urteil vom 13. Juni 2017, 2 K 1865/15, juris).
80ee) Soweit das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 2. April 2008, 3 K 2240/04, EFG 2008, 1292) bei der Tätigkeit als (Werbe-)Sprecher einen eigenen künstlerischen Gestaltungsraum verneint, weil es auf die Entwicklung einer eigenen Formensprache und des Einfließens eigener Empfindungen und Ideen in das Arbeitsergebnis ankomme und allein der je nach Auftrag unterschiedliche Einsatz der Stimm- und Tonlage, der Sprechgeschwindigkeit sowie weiterer stimmlicher Faktoren die notwendige Beherrschung der Technik eines Sprechers darstelle und eine eigenschöpferische Gestaltung nicht zu ersetzen vermöge, kann dies auf den Streitfall nicht übertragen werden. Die vorliegende Fallkonstellation ist bereits hinsichtlich Länge und Inhalt des Sprechertextes nicht mit der Mitwirkung bei in Rundfunk und Fernsehen üblicherweise gesendeten Werbespots vergleichbar. Vielmehr hat sich das Gericht anhand des Vorbringens des Klägers sowie der auch dem Gericht bekannten TV-Sendungen, an denen der Kläger mitwirkte, davon überzeugt, dass der Kläger über die reine sprachliche Qualität des Off-Sprecher-Textes hinaus inhaltlich und unter Einsatz seiner Stimme eine besondere, eigene Handschrift und damit eine eigenschöpferische Leistung in die TV-Projekte eingebracht hat.
81ff) Der künstlerische Charakter einer Sprechrolle ist zudem nicht deshalb zu verneinen, weil die Sendungen selbst, an denen der Kläger mitwirkt – möglicherweise – nicht dem künstlerischen Bereich zuzuordnen sind, denn maßgeblich ist in erster Linie die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers und nicht die Einordnung der Sendung (so auch bzgl. der künstlerischen Tätigkeit als Sprecher bei einem Rundfunkbericht oder eine Schulfunksendung BFH-Urteil vom 3. Februar 1977, IV R 112/72, BStBl. II 1977, 459).
82c) Da das Gericht aus den vorstehenden Gründen bereits die Überzeugung gewonnen hat, dass die streitgegenständlichen Einkünfte des Klägers aus einer künstlerischen Tätigkeit herrühren, kommt es auf die Frage, ob die in den Verträgen des Klägers mit den Auftraggebern enthaltenen Regelungen zur Übertragung von Urheberrechten zu Gunsten der Auftraggeber (vgl. hierzu beispielhaft die entsprechende Formulierung im Vertrag vom ... 2013 zwischen dem Kläger und L, Bl. 372 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten, Band II-II „Sprecher“) für eine künstlerische Tätigkeit des Klägers sprechen, nicht an. Ebenso wenig muss entschieden werden, ob der Umstand, dass die Tätigkeit des Klägers seitens der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sozialversicherungsrechtlich als selbständige Tätigkeit angesehen wurde, für die steuerrechtliche Qualifikation maßgeblich ist.
83d) Auch hinsichtlich der Coachingtätigkeit des Klägers ist das Gericht nach Aktenlage sowie den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass diese Tätigkeit als freiberuflich im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist.
84Der Senat sieht nach dem schriftsätzlichen Vortrag sowie den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung die – vom Umfang her ohnehin begrenzte – Coachingtätigkeit des Klägers noch als unterrichtend im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG an. Im Rahmen des Coaching vermittelt der Kläger den einzelnen Auftraggebern Rede- und Sprechtechniken auf Basis des von ihm verfassten Buches sowie des erstellten Lernmaterials. Der Umstand, dass der Kläger hierbei den Wünschen des jeweiligen Auftragsgebers entsprechend Anpassungen an den Lerninhalten vornimmt und unterschiedliche Schwerpunkte bildet, steht der Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit nicht entgegen. Jedenfalls hat der Beklagte keine konkreten tatsächlichen Umstände vorgetragen, aus denen ersichtlich ist, dass der Kläger für seine Coaching-Auftraggeber jeweils ein gänzlich oder zumindest maßgeblich individuelles Arbeitsprogramm erstellt. Soweit der Beklagte eine unterrichtende Tätigkeit verneint, weil es etwa an Arbeitsmaterialien fehlt, die über den Einzelfall hinaus vom Kläger beim Coaching verwendet werden, weist das Gericht darauf hin, dass ein Coaching bzgl. Sprechtechniken und Umgang mit Auftrittsangst in erster Linie anhand von praktischen Übungen und weniger anhand von klassischen Unterrichtsmaterialien erfolgen dürfte. Der Kläger schöpft zur Überzeugung des Senats bei seiner Coachingarbeit und den hierbei angewandten Sprech- und Entspannungsübungen – neben den theoretischen Recherchen für sein Buch sowie die Lehrmaterialien – aus seiner langjährigen Erfahrung als professioneller Sprecher. Auf Basis seiner Sprechererfahrungen und Sprechtechniken ist es dem Kläger auch ohne konzeptionelle Vorbereitung möglich, individuelle Übungen anzubieten. Dass sich diese Tätigkeit nicht in einer organisierten und institutionalisierten Form dokumentiert, wie sie eine klassische Lehrtätigkeit regelmäßig mit sich bringt, ist dem Umstand geschuldet, dass der Kläger soweit ersichtlich nur Einzelcoaching anbietet. Eine darüber hinausgehende organisierte oder institutionalisierte Form dürfte sich aus der Natur der vom Kläger angebotenen Tätigkeit heraus erübrigen. Der Kläger gibt seine Kenntnisse in Sachen Rede-/Sprechtechnik aufgrund seines Erfahrungsschatzes, der quasi das allgemeingültige „Lernprogramm“ des Klägers bildet, weiter und passt dieses im Einzelfall dadurch an, dass er die konkreten Inhalte nach den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers auswählt. Bezogen auf die von ihm vermittelten Sprech- und Entspannungstechniken handelt es sich – trotz der möglicherweise aus Marketinggründen gewählten Bezeichnung „Coaching“ – der Sache nach um unterrichtende Tätigkeiten.
85Insoweit ist der vorliegende Streitfall von der vom BFH (Urteil vom 2. Februar 2000, XI R 38/98, HFR 2000, 500) entschiedenen Konstellation zu unterscheiden, in der eine psychotherapeutische Tätigkeit nicht als unterrichtend, sondern als beratende Tätigkeit angesehen wurde, weil die Tätigkeit in besonderem Maße ein Eingehen auf die individuellen Probleme und Schwierigkeiten der einzelnen Patienten erforderte.
86e) Unabhängig davon sind die vom Kläger erzielten streitgegenständlichen Einnahmen aus der Sprechertätigkeit sowie aus der Coachingtätigkeit des Klägers einheitlich als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu qualifizieren.
87Die Tätigkeit des Klägers beim Coaching lässt sich nicht von seiner Sprechertätigkeit und seinen den besonderen Sprechstil bildenden Fähigkeiten trennen. Zwar ließe sich grundsätzlich das Coaching getrennt von seiner Sprechertätigkeit betrachten. Allerdings steht die letztgenannte, vom Kläger hauptsächlich ausgeübte Tätigkeit inhaltlich und sachlich in engem Zusammenhang mit dem Coaching, denn bei diesem geht es gerade darum, aufgrund der langjährigen Erfahrung des Klägers als Sprecher und Redner anderen Personen Hilfestellungen zu geben. Das Coaching ist insoweit Ausfluss der Sprechertätigkeit. Die Coachingtätigkeit des Klägers ist im Vergleich zur Sprechertätigkeit nach den jeweils erzielten Einnahmen deutlich geringer und letztendlich eine eng damit verbundene Nebentätigkeit zu der insoweit prägenden und den Hauptzweck der Beschäftigung des Klägers ausfüllenden Tätigkeit als Sprecher im TV.
88f) Dass der Kläger darüber hinaus möglicherweise auch einzelne Tätigkeiten (wie etwa das Sprechen kürzerer Werbetexte), die nicht als künstlerisch betrachtet werden können, ausgeübt hat, führt nicht dazu, dass die gesamte Tätigkeit des Klägers als gewerblich anzusehen wäre. Nach Auffassung des Gerichts sind diese Bestandteile der Tätigkeit des Klägers von nicht wesentlicher Bedeutung. Zwar werden auch bei einem nur geringfügigen gewerblichen Anteil an der Gesamttätigkeit sämtliche Tätigkeiten steuerlich als gewerblich beurteilt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1994, l R 133/93, BStBl. II 1995, 171). Jedoch ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hiervon eine Ausnahme geboten, wenn der Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit, wie vorliegend, extrem niedrig ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. August 1999, XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229).
89g) Schließlich ist die Sprechertätigkeit des Klägers steuerrechtlich getrennt von dem unter der Steuernummer 1 erfassten Betrieb “…“ zu betrachten. Dafür spricht bereits, dass der Kläger den weit überwiegenden Teil seiner Einnahmen aus der Sprechertätigkeit aufgrund von Tätigkeiten erzielt, die er in den Tonstudios der TV-Sender bzw. der Produktionsfirmen ausübt. Dass darüber hinaus ein maßgeblicher Teil der Sprechertätigkeit des Klägers in … ausgeübt wird, ist weder ersichtlich noch seitens des Beklagten substantiiert vorgetragen worden. Ein finanzieller Zusammenhang zwischen beiden Bereichen besteht unstreitig ohnehin nicht. Soweit lediglich der Empfangsbereich und das Büro des Klägers auch für Aktivitäten, die der Sprechertätigkeit zuzuordnen sind, genutzt wird, kann dieser gelegentliche räumliche Zusammenhang keine steuerrechtliche einheitliche Betrachtung der beiden Tätigkeitsbereiche des Klägers rechtfertigen.
90II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
91III. Die Revision war zuzulassen, da das Verfahren angesichts der im Streitfall zu entscheidenden Frage, ob der Charakter der Tätigkeit eines Off-Sprechers bei TV-Doku-Entertainment-Formaten eine Qualifizierung als künstlerische Tätigkeit zulässt, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO aufweist. Höchstrichterliche Rechtsprechung ist hierzu soweit ersichtlich noch nicht ergangen.
92IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
93V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.