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Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.Der Streitwert wird auf 58.183 € festgesetzt.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Klägerin die beantragte Kapitalertragsteuererstattung zusteht oder ob dem von ihr geltend gemachten Anspruch insbesondere die materielle Bestandskraft des bereits ergangenen Ablehnungsbescheids entgegensteht.
3Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B Beteiligungs-GmbH, die in I, Österreich ansässig war, hielt ab dem Jahr 2008 u.a. 10 % der Geschäftsanteile an der C GmbH in G sowie eine Beteiligung an der D AG in J i.H.v. 56,67 %.
4Am 24. Oktober 2008 erhielt die Klägerin von der C GmbH eine Ausschüttung i.H.v. 40.000 € und am 15. Dezember 2008 eine Ausschüttung von der D AG in Höhe von 235.747,20 €.
5Mit am 21. November 2012 beim Beklagten eingegangenen Freistellungs- und Erstattungsanträgen begehrte die Klägerin hinsichtlich dieser Ausschüttungen die Erstattung von Kapitalertragsteuer (siehe Bl. 107 ff. eFG-Akte). Anspruchsgrundlage sollte nach ihren Ausführungen im Übersendungsschreiben vom 16. November 2012 § 44a Abs. 9 EStG sein. Die verwendeten Antragsformulare sahen als Überschrift einen Antrag auf Erstattung der deutschen Abzugsteuern auf Kapitalerträge nach dem DBA BRD und Österreich (letzteres händisch eingefügt) oder gemäß § 43b EStG oder gemäß § 44a Abs. 9 EStG vor.
6Bereits zuvor, mit Eingang am 27. Juli 2009, hatte die Klägerin Freistellungs- und Erstattungsanträge gestellt, die der Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2010 unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt hatte (siehe Bl. 59 ff. der Akte des Beklagten zum Vorgang AT ...). Anspruchsgrundlage sollte nach den Ausführungen der Klägerin im damaligen Übersendungsschreiben vom 23. Juli 2009 § 43b EStG sein (siehe Bl. 1 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT ...). In den verwendeten Antragsformularen wählte die Klägerin hinsichtlich des Antrags auf Erstattung der deutschen Abzugsteuern auf Kapitalerträge die Ankreuzoption „gemäß § 43b (bis 31.12.2000 § 44d) Einkommensteuergesetz (EStG)“ und nicht die Ankreuzoption „nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und …“ (siehe Bl. 2, 34 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT ...). Im Antrag hinsichtlich der Ausschüttungen der C GmbH hatte sie ungeachtet des fehlenden Kreuzes „Österreich“ als relevanten DBA-Vertragspartner eingetragen (siehe Bl. 34 der Akte des Beklagten zum Vorgang AT ...). Der Ablehnungsbescheid vom 25. März 2010 war überschrieben mit „Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland - Österreich aufgrund ihres Antrags, eingegangen am 27.07.2009, für die im Festsetzungsteil aufgeführten Erstattungsberechtigten“. Rechtsmittel hiergegen hatte die Klägerin nicht eingelegt.
7Gegen die bereits mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 erfolgte, gleichermaßen auf § 50d Abs. 3 EStG gestützte Ablehnung der ebenfalls mit Eingangsdatum vom 27. Juli 2009 beantragten Freistellungsbescheinigungen gem. § 50d Abs. 2 EStG war sie hingegen erfolgreich vorgegangen. Im Klageverfahren 2 K 1310/13 erließ der Beklagte mit Datum vom 19. Dezember 2018 unter Nichtanwendung von § 50d Abs. 3 EStG geänderte Freistellungsbescheinigungen (siehe Bl. 722 ff. eFG-Akte 2 K 1310/13).
8Unter Verweis auf den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 25. März 2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2013 die Kapitalertragssteuererstattung hinsichtlich der Ausschüttungen der C GmbH und der D AG ab.
9Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte, nachdem der Bescheid mit Datum vom 19. Oktober 2018 aus vorliegend nicht relevanten Gründen – im Hinblick auf die Erstattung von bei einer weiteren, nicht streitgegenständlichen Ausschüttung einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer – geändert worden war, mit Entscheidung vom 26. Oktober 2018 zurück.
10Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach ihrer Auffassung steht ihr der begehrte Erstattungsanspruch sowohl nach § 44a Abs. 9 EStG als auch nach § 50d Abs. 1 EStG in Verbindung mit dem DBA-Österreich sowie unmittelbar aufgrund der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Erstattungsverfahrens entsprechend § 32 Abs. 5 KStG zu.
11Der Ablehnungsbescheid vom 25. März 2010 stünde diesen Ansprüchen nicht entgegen, weil in diesem Bescheid lediglich über einen Erstattungsanspruch nach § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b Abs. 1 EStG entschieden worden sei. Die ursprünglichen Anträge seien eindeutig nur auf dieser Rechtsgrundlage basierend gestellt worden (vgl. Anträge vom 27. Juli 2009, Bl. 69 ff., 94 ff. eFG-Akte).
12Zwar trage der Bescheid vom 25. März 2010 die Bezeichnung „Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland-Österreich aufgrund ihres Antrags, eingegangen am 27.07.2009,…“. Allerdings folge hieraus – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht, dass über sämtliche Anspruchsgrundlagen entschieden worden sei.
13Dies ergebe sich bereits daraus, dass die einzelnen Anspruchsgrundlagen mit einem „bzw.“ verbunden seien, was keine kumulative, sondern eine alternative Verknüpfung darstelle. Die maßgebliche Anspruchsgrundlage müsse durch den weiteren Bescheidinhalt konkretisiert werden. Dies sei vorliegend durch die Bezugnahme auf den Antrag vom 27. Juli 2009 erfolgt. Hierdurch werde klargestellt, dass sich der Bescheid vom 25. März 2010 ausschließlich auf diejenigen Rechtsgrundlagen beziehen könne, die auch Gegenstand des Antrags gewesen seien.
14Allein dieses Verständnis sei bei Betrachtung des Empfängerhorizonts zulässig. Ansonsten hätte der Beklagte alle genannten Rechtsgrundlagen sprachlich durch den Begriff „und“ verknüpfen müssen.
15Bei der Bezeichnung des Bescheids handele es sich offensichtlich um ein Musterformular, das unabhängig vom jeweils gestellten Antrag für sämtliche Erstattungsanträge verwendet worden sei. Folge man der Auffassung des Beklagten, dass jeweils über sämtliche zitierten Anspruchsgrundlagen entschieden würde, ohne dass ihre Anwendung in Gänze beantragt worden sei, würde dies zu standardmäßig nichtigen Entscheidungen des Beklagten führen.
16Die vom Beklagten vertretene Auslegung des Wortlauts der Bezeichnung des Bescheids vom 25. März 2010 sei schließlich treuwidrig. Denn sie, die Klägerin, habe lediglich die Durchführung des Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b EStG beantragt. Sie habe folglich ausdrücklich nur eine Verbescheidung im Rahmen dieses Verfahrens begehrt. Diesen begrenzten Umfang des Antrags habe der Beklagte letztendlich selbst durch die Form des von ihm erstellten Antragsvordrucks mit Ankreuzmöglichkeiten hervorgerufen. Umso bemerkenswerter sei, dass der Beklagte trotz der von ihm vorgenommenen Gestaltung des zu verwendenden amtlichen Vordrucks nunmehr behaupte, es sei nicht nur über das Antragsbegehren der Klägerin, sondern über diverse weitere Erstattungsgrundlagen entschieden worden. Dies widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989, I R 181/85, BStBl. II 1989, 990).
17Aus dem im Steuerrecht geltenden Meistbegünstigungsprinzip folge schließlich für sie, die Klägerin, dass sie einen weiteren Erstattungsantrag stellen könne. Jedenfalls habe der Beklagte durch die Ankreuzoptionen im von ihr 2009 verwendeten amtlichen Antragsvordruck suggeriert, dass sie die Anträge einzeln und getrennt stellen könne. Unter dem Aspekt der Meistbegünstigung müsse es ihr daher noch möglich sein, einen weiteren Antrag zu stellen.
18Sollte hingegen die Auffassung vertreten werden, dass der Bescheid vom 25. März 2010 auch eine Entscheidung über sämtliche alternativ genannten Rechtsgrundlagen enthalte, ergebe sich daraus die Nichtigkeit des Bescheides gemäß § 125 Abs. 1 AO. Dann nämlich liege ein besonders schwerer Fehler, der zudem offenkundig sei, vor.
19Bei den Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG und § 44a Abs. 9 EStG handele es sich um echte Antragsverfahren im Sinne des § 86 Satz 2 Nr. 2 AO. Sie könnten nur auf Antrag des Steuerpflichtigen in Gang gesetzt werden. Fehle ein Antrag des Steuerpflichtigen, dürfe die Finanzbehörde keine verfahrenseinleitenden Maßnahmen ergreifen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 86 AO Rz. 10). Der Erlass eines Ablehnungsbescheids betreffend Rechtsgrundlagen, bezüglich derer ein Antrag des Steuerpflichtigen nicht vorliege, sei daher nach der Generalklausel gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig. Denn im Fall einer Verbescheidung ohne Antrag liege ein besonders schwerer Fehler, der zudem offenkundig sei, vor. Dies ließe sich durch den Vergleich mit einer ohne Bauantrag erteilten Baugenehmigung herleiten, die von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als nichtig angesehen werde (vgl. VGH-Urteil vom 13. Dezember 1972, BayVBl. 173, 295).
20Die Nichtigkeit ergebe sich im vorliegenden Fall zudem aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit des Verwaltungsakts, die ebenfalls zu einem schwerwiegenden Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 AO führe.
21Von einer inhaltlichen Unbestimmtheit sei auszugehen, wenn aus dem Bescheid nicht hinreichend deutlich hervorgehe, was von wem verlangt werde, wem was gewährt bzw. versagt werde und wem gegenüber die Behörde was feststellt (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1988, VII R 173/85, BStBl. II 1989, 220; BFH-Urteil vom 15. März 1995, I R 61/94, BFH/NV 1995, 1036; Füssenich in BeckOK AO, § 125, Rz. 32). Würde der Beklagte unabhängig vom jeweils gestellten Antrag über eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen bzw. Erstattungsanträgen entscheiden, wüsste man danach jeweils nicht, was konkret, d. h. welcher Antrag, durch den Beklagten abgelehnt worden sei.
22Schließlich würde durch einen Musterablehnungsbescheid, von dem wohl der Beklagte ausgehe, die zumindest im Antragsvordruck 2009 gegebene Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Anträgen ad absurdum geführt.
23Aus § 44a Abs. 9 S. 4 EStG folge zwar, dass die gemeinsame Bearbeitung von Erstattungsanträgen nach § 44a Abs. 9 EStG mit solchen nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG oder nach einem Doppelbesteuerungsabkommen zulässig sei. Daraus folge indes nicht, dass ein gesondert nach oder neben einem Antragsverfahren nach § 43b EStG gestellter Antrag auf der Basis anderer Rechtsgrundlagen nicht mehr zulässig sei. Es gehe vielmehr aus der Sollvorschrift des § 44a Abs. 9 S. 4 EStG hervor, dass es sich grundsätzlich um getrennte Verfahren handele. Würden die Verfahren durch die Behörde nicht verbunden oder zeitlich versetzt betrieben, sei auch gesondert zu entscheiden.
24Entgegen der Auffassung des Beklagten sei § 44a Abs. 9 EStG bereits auf Ausschüttungen des Jahres 2008 und damit auf die vorliegend relevanten Ausschüttungen anzuwenden.
25Die Neuregelungen in den §§ 43ff. EStG sollten zwar gemäß § 52a Abs. 1 EStG in der Fassung des UntStRefG 2008 erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden sein, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2008 zufließen; für § 44a Abs. 9 EStG sei dies ausdrücklich in § 52a Abs. 16 S. 2 EStG in der Fassung des UntStRefG 2008 geregelt. Dies führe indes im Ergebnis zu einer – möglicherweise europarechtlich bedenklichen – Diskriminierung gegenüber inländischen Körperschaften.
26Außerdem handele es sich insoweit um einen redaktionellen Fehler des Gesetzgebers, da die zeitliche Anwendung der neuen Regelungen über die Kapitalertragsteuer imUntStRefG 2008 unklar geregelt sei. So sehe § 52 Abs. 1 EStG in der Fassung desUntStRefG vor, dass „diese Fassung des Gesetzes … erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden“ sei. Hieraus könne man schlussfolgern, dass die geänderten §§ 43ff. EStG bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden seien. Zudem handele es sich bei § 52a EStG in der Fassung des UntStRefG 2008 – nach der verwendeten Überschrift – um eine spezielle „Anwendungsvorschrift zur Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne“. Unter dem Begriff „Abgeltungssteuer“ werde gemeinhin die neue Tarifregelung des § 32d EStG im Zusammenspiel mit den §§ 43 ff. EStG verstanden. Allerdings finde § 32d EStG weder auf im Betriebsvermögen anfallende Kapitalerträge noch auf körperschaftssteuerpflichtige Personen Anwendung, sodass man überlegen könnte, die erstmalige Anwendung der geänderten Regelungen in §§ 43 ff. EStG von der Person abhängig zu machen, der die Kapitalerträge zufließen. Dies könne indes nicht gewollt sein, da dies dem Schuldner der Kapitalerträge häufig nicht bekannt sei. Gegen eine derartige Auslegung spreche zudem die Regelung in § 52 Abs. 16 S. 1 EStG in der Fassung des UntStRefG 2008, die die Anwendung des § 44 Abs. 8 S. 1 und 2 EStG auf nach dem 31. Dezember 2007 zufließende Kapitalerträge vorverlege, also die Absenkung des Körperschaftsteuertarifs auf 15 % in bestimmten Bereichen (vgl. zu diesen Überlegungen im Einzelnen: Schönfeld, IStR 2007, 850).
27Jedenfalls werde in der Kommentarliteratur aufgrund des zeitlichen Auseinanderfallens der Einführung der Abgeltungssteuer und der Erstattungsregelung des § 44a Abs. 9 EStG gefolgert, dass insoweit ein redaktioneller Fehler vorliege, der gegebenenfalls im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung zu korrigieren sei (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 44a Rn. 33). Bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ergebe sich daher eine Anwendbarkeit des § 44a Abs. 9 EStG auch auf bereits im Jahr 2008 zugeflossene Kapitalerträge.
28Indem der Beklagte die Auffassung vertrete, im Bescheid vom 25. März 2010 auch über einen Erstattungsanspruch der Klägerin gemäß § 44a Abs. 9 EStG entschieden zu haben, gleichzeitig aber eine Anwendbarkeit dieser Regelung bereits im Jahr 2008 ablehne, sei dies bereits aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips rechtswidrig.
29Außerdem folge aus Art. 10 Abs. 2a DBA-Österreich, dass die Kapitalertragsteuer auf 5 % abzusenken sei. Es bestehe daher i.H.v. 80 % der einbehaltenen Kapitalertragsteuer ein Erstattungsanspruch der Klägerin.
30Schließlich stehe der Klägerin ein unmittelbarer Erstattungsanspruch infolge der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Erstattungsverfahrens nach § 50d EStG zu:
31Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit folge vorliegend aus dem Urteil des EuGH vom 20. Dezember 2017 in den verbundenen Rechtssachen Deister Holding AG (C-504/16) und Juhler Holding A/S (C-613/16) betreffend § 50d Abs. 3 EStG. Ohne Anwendbarkeit dieser Regelung sei nach Auffassung der Klägerin das Antragsverfahren betreffend Dividendenausschüttung gem. § 50d EStG nicht durchführbar und daher insgesamt gemeinschaftsrechtswidrig. Soweit das zur Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG ergangene BMF-Schreiben vom 4. April 2018 (BStBl I, 589) seine Aussagen nur auf Fälle der Mutter-Tochter-Richtlinie beschränke, d. h. die Erstattung nach § 43b EStG, greife es zu kurz. Betroffen seien vielmehr auch die vorliegend relevanten Anspruchsgrundlagen, bei deren Anwendung § 50d Abs. 3 EStG ebenfalls wesentliche Auswirkungen habe (vgl. Beutel/Oppel, DStR 2018, 1469 ff., Schönfeld, IStR 2018, 325 ff.). Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG strahle daher unmittelbar auf die bisherigen Erstattungsverfahren aus.
32Bei inländischen Empfängern wären die streitgegenständlichen Dividenden unproblematisch nach § 8b KStG von der Besteuerung freigestellt worden. Die verschiedenen von der Europäischen Union gewährleisteten Grundfreiheiten würden leerlaufen, wenn dem ausländischen (EU-)Steuerpflichtigen hier nachträglich, ohne jeglichen Prüfungsmaßstab ein Erstattungsverfahren aufgenötigt werden könnte, das der inländische Steuerpflichtige nicht zu durchlaufen habe.
33Hieraus wiederum sei gleichlaufend zur Situation nach der Entscheidung des EuGH vom 20. Oktober 2011 (Az. C-284/09) der Schluss zu ziehen, dass mangels einer europarechtskonformen Regelung ein unmittelbarer Erstattungsanspruch bestehe, der gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden könne.
34In der Folge der Entscheidung des EuGH vom 20. Oktober 2011 hätten Steuerpflichtige entsprechend der Ausführungen im BMF-Schreiben vom 23. Mai 2012 (DB 2012, 552) die Möglichkeit gehabt, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 EStG 2002 bei den Finanzämtern Erstattungsanträge auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG 2002 zu stellen.
35Dieses habe sie, die Klägerin, durch Antragstellung bei den Finanzämtern G und H jeweils mit Schreiben vom 7. Februar 2011, 24. April 2012 und 10. Oktober 2012 umgesetzt. Für diese noch nicht entschiedenen Verfahren sei nunmehr der Beklagte zuständig, was sich unter Bezugnahme auf § 32 Abs. 5 KStG herleiten ließe: So sei im Hinblick auf die EuGH-Entscheidung vom 20. Oktober 2011 mit Wirkung ab dem 29. März 2013 § 32 Abs. 5 KStG als Entlastungsvorschrift eingeführt worden. Für Anträge, die in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fielen, aber bereits zuvor bei den Landesfinanzbehörden gestellt worden seien, werde vertreten, dass hierfür im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 39 FVG der Beklagte zuständig sei. Gleiches gelte entsprechend auch für den der Klägerin zustehenden Erstattungsanspruch.
36Klarstellend sei schließlich darauf hinzuweisen, dass mit der Bezugnahme auf § 32 Abs. 5 KStG kein unmittelbarer Anspruch hieraus geltend gemacht werde, sondern sie, die Klägerin, eine entsprechende Anwendung begehre. Gleichfalls werde zur näheren Begründung auf eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Urteils des FG Nürnberg vom 12. April 2018 (6 K 1390/16, DStRE 2019, 974) verwiesen.
37Die Klägerin beantragt,
38den Beklagten zu verpflichten unter Änderung des bisherigen Bescheids über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem DBA Deutschland-Österreich vom 19. Oktober 2018 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2018 die für die Ausschüttung der D AG vom 15. Dezember 2008 einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer i.H.v. 47.149,44 € und Solidaritätszuschlag i.H.v. 2.593,22 €, d.h. insgesamt i.H.v. 49.742,66 €, sowie die für die Ausschüttung der C GmbH vom 24. Oktober 2008 einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer i.H.v. 8.000 € und Solidaritätszuschlag i.H.v. 440 €, d.h. insgesamt i.H.v. 8.440 €, zu erstatten,
39hilfsweise die Revision zuzulassen.
40Der Beklagte beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Zur Begründung weist er zunächst darauf hin, dass im Bescheid vom 25. März 2010 ausdrücklich die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen zitiert worden seien, über die entschieden worden sei:
43„Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland - Österreich aufgrund Ihres Antrags, eingegangen am 27.07.2009, für die im Festsetzungsteil aufgeführten Erstattungsberechtigten“.
44Hiermit habe er, der Beklagte, gemäß § 124 AO inhaltlich wirksam bekannt gegeben, dass die Klägerin nach keiner der einschlägigen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen, d. h. § 44a Abs. 9 EStG oder § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG oder § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. dem DBA/AT, im Hinblick auf die angeführten Dividendenausschüttungen des Jahres 2008 freizustellen sei. Durch den Verweis auf alle einschlägigen anspruchsbegründenden Rechtsnormen sei der Regelungsinhalt und -umfang für die Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe offensichtlich gewesen. Sofern sie sich hierdurch in ihren Rechten verletzt gesehen hätte, wäre der Bescheid insoweit gegebenenfalls rechtswidrig, keinesfalls aber nichtig gewesen. Der Klägerin habe die Möglichkeit offen gestanden, hiergegen mit einem Rechtsbehelf vorzugehen, worauf sie jedoch verzichtet habe. Deshalb sei der Bescheid vom 25. März 2010 in Bestandskraft erwachsen. Der Umfang der materiellen Bestandskraft bestimme sich nach der im Verwaltungsakt verbindlich mit Außenwirkung getroffenen Regelung (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 2006, VIII R 10/05).
45Eine Änderung könnte nur noch auf Grundlage einer Korrekturnorm herbeigeführt werden. Eine derartige Berichtigungsoption sei jedoch weder seitens der Klägerin angeführt worden noch für den Beklagten sonstwie ersichtlich.
46Soweit sich die Klägerin auf einen Erstattungsanspruch nach § 44a Abs. 9 EStG berufe, bleibe eine Freistellung ausgeschlossen, selbst wenn dieser Anspruch nicht in den Regelungsinhalt und -umfang des Bescheids vom 25. März 2010 fiele. Denn diese Regelung sei erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2008 zugeflossen seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich dies eindeutig aus den Anwendungsregelungen in § 52a EStG. Denn in sämtlichen Fassungen der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 16 EStG in den Jahren 2007 bis 2014 sei unabhängig von sonstigen Formulierungsänderungen ausnahmslos die Anwendbarkeit auf Kapitalerträge statuiert worden, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2008 zufließen (siehe § 52a Abs. 16 Satz 3 EStG, gültig vom 29. Dezember 2007 bis 24. Dezember 2008; § 52 Abs. 16 Satz 5 EStG, gültig in vier Fassungen vom 25. Dezember 2008 bis 13. Dezember 2010; § 52 Abs. 16 Satz 6 EStG, gültig in sechs Fassungen vom 14. Dezember 2010 bis 30. Juli 2014; im Einzelnen: Darstellung des Beklagten, Bl. 127 f. eFG-Akte). Vor diesem Hintergrund sei die von der Klägerin vertretene These, der Gesetzgeber habe seine gesetzliche Regelung zur erstmaligenNormanwendung nur „versehentlich eingefügt“ oder sich bei der Gesetzesabfassung verschrieben, nicht haltbar.
47Der Klägerin stehe auch unmittelbar aus EU-Recht kein Freistellungsanspruch zu. Im Ergebnis beanspruche die Klägerin für sich eine Besserstellung gegenüber Steuerpflichtigen, die sich auf eine Rechtsposition des innerstaatlichen Rechts berufen können und sich nach Ablauf der Einspruchsfrist in § 355 Abs. 1 AO die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzung entgegen halten lassen müssen.
48Die Argumentation der Klägerin zu diesem Gesichtspunkt trage nicht. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätige, dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid auch bei einem erst nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar sein könne. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regele die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Nach den Vorgaben des Unionsrechts müsse das steuerrechtliche Verfahrensrecht auch keine weitergehenden Korrekturmöglichkeiten für Steuerbescheide vorsehen (vgl. BFH-Urteile vom 23. November 2006, V R 67/05 und vom 16. September 2010, V R 57/09).
49Schließlich stehe der Klägerin auch kein Erstattungsanspruch aus § 32 Abs. 5 KStG zu. weil sie einen Anteil von 10 % und mehr an den hier betroffenen deutschen Gesellschaften gehalten habe. Gemäß § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KStG setze die Anwendung dieser Norm materiellrechtlich voraus, dass der Antragsteller mit einem Anteil von weniger als 10 % an dem ausschüttenden inländischen Unternehmen beteiligt sei.
50Die FG-Akte des Verfahrens 2 K 1310/13 sowie die Verwaltungsakte der Freistellungs- und Erstattungsanträge vom 27. Juli 2009 (AT ...) wurden beigezogen.
51Entscheidungsgründe
52I. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19. Oktober 2018 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).
53Der Bescheid vom 19. Oktober 2018, mit dem der Bescheid vom 15. August 2013 geändert wurde, hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte hat eine Entscheidung über den Erstattungsanspruch gemäß § 50d Abs. 1 EStG zu Recht abgelehnt, weil hierüber bereits mit Bescheid vom 25. März 2010 entschieden wurde (1.). Ebenfalls zutreffend hat der Beklagte einen Erstattungsanspruch der Klägerin gemäß § 44a Abs. 9 EStG abgelehnt. Unabhängig, ob hierüber ebenfalls bereits mit Bescheid vom 25. März 2010 entschieden wurde, kann sich die Klägerin jedenfalls für die vorliegend streitgegenständlichen im Jahr 2008 erfolgten Dividendenausschüttungen hierauf nicht mit Erfolg stützen (2.). Schließlich steht der Klägerin auch kein Erstattungsanspruch infolge der von ihr geltend gemachten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gemäß § 32 Abs. 5 KStG analog zu (3.).
541. Einer materiell-rechtlichen Entscheidung über den Erstattungsantrag vom 21. November 2012 steht die Bestandskraft des Bescheides vom 25. März 2010 entgegen, soweit sich die Klägerin auf § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. DBA Österreich als Anspruchsgrundlage beruft. Dabei ist zwischen formeller und materieller Bestandskraft zu unterscheiden.
55a) Formelle Bestandskraft bedeutet Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes; sie ergibt sich für Steuer-Verwaltungsakte aus dem Ablauf der Einspruchs- bzw. Klagefrist gemäß § 355 AO, § 47 FGO (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO, Rz. 12; von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172-177 AO, Rz. 10; Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 AO Rz. 366; s.a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 43 Rn. 29) bzw. mit der erfolglosen Erschöpfung des gegebenen Rechtswegs (Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 AO, Rz. 366).
56b) Der Begriff der materiellen Bestandskraft wird hingegen nicht einheitlich verstanden.
57aa) Es finden sich unterschiedliche Definitionen der materiellen Bestandskraft, wie etwa „inhaltliche Verbindlichkeit“ (vgl. Beermann/Gosch, AO, Vor §§ 172 ff. Rz. 17), „Bindungswirkung“ (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021 § 43 Rn. 31) oder „Unabänderbarkeit“ (vgl. Frotscher, in Schwarz, Vor §§ 172 ff. Rz. 5). Rechtlich folgen daraus im Ergebnis jedoch keine Unterschiede (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 13). Den formal voneinander abweichenden Definitionen liegt der allgemein anerkannte Grundgedanke zugrunde, dass der Verwaltungsakt als hoheitliche Regelung aufgrund seiner Bestandskraft für Bürger und Behörde verbindlich und dauerhaft sein soll, indem ein grundsätzliches Aufhebungs- und Abweichungsverbot besteht (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 13).
58bb) Der Sinn und Zweck der materiellen Bestandskraft ist darin zu sehen, dass der durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelung eine Dauerhaftigkeit verliehen werden soll. Schon der Wortlaut „zur Regelung“ in § 118 AO setzt diese Beständigkeit voraus. Denn ein Sachverhalt wird nicht geregelt bzw. diese Regelung ist nutzlos, wenn die Regelung nicht von Dauer ist, sondern jederzeit ohne weiteres geändert werden könnte (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 20). Die Bestandskraft dient damit sowohl den Interessen der Allgemeinheit als auch denen des Bürgers (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 20).
59Die materielle Bestandskraft eines Verwaltungsaktes dient auch der Effektivität der Verwaltung. Eine einmal getroffene Entscheidung soll nicht ständig erneut infrage gestellt werden dürfen (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 21). Dies ist im Steuerrecht von ganz besonderer Bedeutung. Denn das Steuerrecht ist ein Massenverfahrensrecht. Die damit einhergehende Verwaltungstätigkeit ist nur zu bewältigen, wenn die abgabenrechtlichen Verwaltungsakte prinzipiell beständig sind und den Einzelfall stabil regeln. Eine unbeschränkte, freie Abänderbarkeit der im Massenverfahren ergangenen Steuerverwaltungsakte wäre mit einer nochmaligen Sachverhaltsprüfung durch die Finanzbehörden verbunden und folglich nicht praktikabel (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 21).
60Die Bestandskraft dient darüber hinaus der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, welche grundgesetzlich im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verankert sind. Im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden kann oder muss unter Umständen auch eine falsche Entscheidung aufrechterhalten werden (vgl. Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 130-133 AO Rz. 21). Eine Durchbrechung der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes kann nur im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Korrekturnormen erfolgen, z.B. der §§ 172 ff. AO (hierzu von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172-177 AO Rz. 25).
61cc) Der Umfang der materiellen Bestandskraft erstreckt sich auf die nach außen getroffene Regelung – den Ausspruch, Entscheidungssatz, Verfügungssatz oder das Thema eines Verwaltungsaktes (vgl. Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 Rz. 370; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. August 2011 – III R 71/10, BStBl. II 2013, 380). Die in der Begründung des Ausspruchs getroffenen Feststellungen und entschiedenen Vorfragen sind für sich (isoliert) weder bindend noch materiell bestandskräftig, sondern nur im Zusammenhang mit dem jeweiligen Ausspruch (vgl. Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 Rz. 370; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 43 Rn. 31). Dementsprechend erwächst auch die Begründung des Verwaltungsaktes nicht in materieller Bestandskraft (vgl. Krumm, DStR 2005, 631).
62dd) Zur Bestimmung des Umfangs der materiellen Bestandskraft ist die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung über den bloßen Wortlaut hinaus gegebenenfalls entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 – VIII R 10/05, BStBl. II 2007, 96; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 56).
63Ausgangspunkt der Auslegung ist dabei der Entscheidungsausspruch des Verwaltungsaktes, ggf. im Gesamtzusammenhang mit dessen Regelungsgehalt (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 58). Insbesondere die inhaltliche Tragweite ablehnender Entscheidungen lässt sich in der Regel nur bestimmen, indem nicht nur auf die gestellten Anträge, sondern auch auf die jeweiligen Ablehnungsgründe abgestellt wird (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 58).
64Entscheidend ist, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen – nach seinem objektiven Verständnishorizont – den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 – VIII R 10/05, BStBl. II 2007, 96, m.w.N.).
65c) Im Streitfall steht die materielle Bestandskraft des Bescheides vom 25. März 2010 der materiell-rechtlichen Entscheidung über die Anträge auf Kapitalertragsteuererstattung vom 21. November 2012 jedenfalls insoweit entgegen, als die Klägerin die Kapitalertragsteuererstattung gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. dem DBA Österreich begehrt. Mit dem Bescheid vom 25. März 2010 hat der Beklagte über diese Anträge materiellrechtlich bereits – anlässlich der Anträge der Klägerin auf Kapitalertragsteuererstattung vom 27. Juli 2009 – entschieden. Die zeitlich früher gestellten Anträge betreffen in der Sache den gleichen Gegenstand wie die zeitlich später gestellten Anträge.
66aa) Die materielle Bestandskraft des Bescheides vom 25. März 2010 und damit dessen Bindungswirkung erstreckt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf die Ablehnung der Kapitalertragsteuererstattung unter ausschließlicher Zugrundelegung von § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG. Vielmehr erstreckt sich diese auf eine betragsmäßig exakt bezifferte Kapitalertragsteuererstattung bezüglich konkret benannter Gewinnausschüttungen basierend auf sämtlichen in § 50d Abs. 1 EStG genannten Freistellungsgrundlagen. Diese für bestimmte Kapitalerträge im Antragsverfahren gemäß § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG geltend gemachten Steuererstattungsbeträge sind Gegenstand der Ablehnung durch den Beklagten; sie sind Gegenstand der nach außen hin erkennbaren Regelung. Dies ergibt sich auch aus der Auslegung des Bescheides.
67Der Bescheid vom 25. März 2010 betrifft im Ausspruch die abgelehnte Erstattung deutscher Kapitalertragsteuer aufgrund der Anträge der Klägerin vom 27. Juli 2009. Gegenstand dieser Anträge ist ein der Höhe nach konkret benannter Betrag von Kapitalertragsteuer, der auf die beiden Gewinnausschüttungen der dort aufgelisteten Kapitalgesellschaften, d.h. der D AG und der C GmbH, im Streitjahr 2008 entfällt. Dieses Verständnis wird auch durch die Gesamtschau des Ablehnungsbescheides vom 25. März 2010 bekräftigt, indem dort in der Festsetzung neben der Höhe der beantragten Erstattung i.H.v. 8.440 € und 49.742,66 € die jeweiligen Erträge i.H.v. 40.000 € und 235.747,20 € und das Zuflussdatum (24. Oktober 2008 und 15. Dezember 2008) sowie zur Bezeichnung der Wertpapiere Kennnummern angegeben sind. Hierdurch wird der inhaltliche Geltungsumfang des Bescheides, also die materielle Bestandskraft, umschrieben und eingegrenzt.
68Aus der Betreffzeile des Bescheides vom 25. März 2010 lässt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nichts anderes ableiten. Zwar wird auf die Anträge vom 27. Juli 2009 Bezug genommen, in denen die Klägerin bei der im Antragsvordruck vorgesehenen Ankreuzoption eine Erstattung gemäß § 43b EStG ausgewählt hat. Durch die Benennung der durch Datumsangabe bezeichneten Anträge erfolgt nach Auffassung des erkennenden Senats indes vorrangig die Bezugnahme auf die in diesen Anträgen genannten Kapitalerträge sowie die diesbezüglich konkret beantragten Erstattungsbeträge. Dass damit gleichermaßen eine ausschließliche Bezugnahme auf die von der Klägerin angekreuzte Norm als Sachverhaltselement erfolgt sein soll, folgt hieraus jedoch nicht. Nach dem Verständnis des Senats hat die dem Antragsteller zur Verfügung gestellte Ankreuzoption vor allem den Zweck, dass dieser den Beklagten quasi als Bearbeitungshinweis über die nach seiner Ansicht einschlägige Freistellungsalternative informiert, auf deren Grundlage er den beantragten Erstattungsbetrag errechnet hat und unter deren Heranziehung die Erstattung im Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG nach seiner Ansicht zu gewähren ist. Die Ausübung der Auswahloption als Begründungsgrundlage für den Erstattungsumfang hindert den Beklagten auch nicht daran, bei seiner Ansicht nach fehlenden Voraussetzungen der angekreuzten Freistellungsgrundlage die begehrte Erstattung – zumindest teilweise – auf einer anderen in § 50d Abs. 1 EStG in Bezug genommenen Freistellungsalternative zu gewähren.
69Eine Überprüfung des gestellten Erstattungsantrags hinsichtlich sämtlicher in § 50d Abs. 1 EStG genannter Freistellungsalternativen hat der Beklagte durch die Benennung seiner Entscheidung als „Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 44a Abs. 9 EStG bzw. nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. dem Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland-Österreich aufgrund ihres Antrags, eingegangen am 27.07.2009,…“ zu erkennen gegeben. Er hat mithin im Bescheid vom 25. März 2010 darüber entschieden, dass der Klägerin die hinsichtlich der streitgegenständlichen Kapitalerträge begehrte Erstattung nach keiner der in § 50d Abs. 1 EStG aufgeführten Alternativen zusteht, und zwar weder mittels der von ihr selbst genannten Begründung (§ 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG) noch (zumindest teilweise) infolge von Abkommensvorschriften (§ 50d Abs. 1 i.V.m. DBA Österreich). Eine Eingrenzung des Ablehnungsbescheids vom 25. März 2010 auf eine einzelne Anspruchsnorm hat mithin nicht, auch nicht durch Bezugnahme auf die Anträge vom 27. Juli 2009, stattgefunden.
70bb) Gegenstand der Anträge vom 21. November 2012 ist gleichermaßen die Kapitalertragsteuer, die auf die bereits in den Anträgen vom 27. Juli 2009 aufgelisteten Gewinnausschüttungen der konkret benannten Kapitalgesellschaften im Streitjahr 2008 entfällt. Beide Anträge betreffen mithin in der Sache den gleichen Gegenstand. Einer erneuten Entscheidung steht daher die materielle Bestandskraft des Bescheids vom 25. März 2010 entgegen.
71cc) Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der materiellen Bestandskraft. Denn nur auf diese Weise ist die Dauerhaftigkeit der Regelung und insbesondere die Effektivität des Verwaltungshandelns gewahrt. Anderenfalls könnte der Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung hinsichtlich derselben Dividenden außerhalb der Rechtsbehelfsfristen mit Verweis auf eine andere Freistellungsalternative wiederholt gestellt und nachgebessert werden. Hierdurch würde ein Verwaltungsaufwand verursacht, der durch die materielle Bestandskraft gerade vermieden werden soll.
72Außerdem könnten hierdurch die Rechtsbehelfsfristen umgangen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nämlich nicht um inhaltlich verschiedene Anträge, nur weil zur Begründung auf eine andere in § 50d Abs. 1 EStG genannte Freistellungsalternative abgestellt wird. Das Wesen des Antrags zeichnet sich durch dessen Gegenstand aus. Dies ist – bezogen auf den Streitfall – die Erstattung der Kapitalertragsteuer, die sich aus bestimmten Dividendenausschüttungen bestimmter Kapitalgesellschaften zu einem bestimmten Zeitpunkt ergeben.
73Schließlich ist der Auffassung der Klägerin auch entgegenzuhalten, dass hierdurch das System der Korrekturnormen ausgehöhlt würde. Denn schon allein das Abstellen auf eine andere Tatbestandsalternative in der Antragsnorm – vorliegend § 50d Abs. 1 EStG – würde unter Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin dazu führen können, dass ein neuer, bislang unbeschiedener Sachverhalt vorliegen würde. Die Korrekturnorm etwa des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wäre dann obsolet. Dies entspricht nicht der Systematik des Steuerrechts und dem Willen des Gesetzgebers. Vor dem Hintergrund dieser spezifischen Systematik des Steuerrechts kann es dahingestellt bleiben, wie sich die Rechtslage in anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem von der Klägerin angeführten Baurecht hinsichtlich der Behandlung von Baugenehmigungen darstellt.
74dd) Dieses Ergebnis ist letztlich auch mit dem Empfängerhorizont der Klägerin in Einklang zu bringen. Jedenfalls ergibt sich aus den Akten, dass sie die vorliegend zugrunde liegenden Anträge vom 21. November 2012 nicht etwa unter Verweis auf § 50d Abs. 1 i.V.m. DBA Österreich gestellt hat, sondern sich ausdrücklich auf § 44a Abs. 9 EStG berufen hat. Entsprechendes ergibt sich sowohl aus dem Übersendungsschreiben vom 16. November 2012 (Bl. 1f. der Verwaltungsakte AT ...) als auch aus der E‑Mail-Nachfrage von Seiten der Bevollmächtigten der Klägerin, ob die Erstattungsanträge gemäß § 44a Abs. 9 EStG fristgerecht beim Beklagten eingegangen seien (vgl. Bl. 3f. der Verwaltungsakte AT ...). Auch während des der Antragsablehnung folgenden Einspruchsverfahrens lag das Hauptaugenmerk der Klägerin bei der Begründung ihrer Ansprüche auf § 44a Abs. 9 EStG. Erst seit Beginn des Klageverfahrens im Jahr 2018 beruft sie sich zur Antragsbegründung ausdrücklich auch auf § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. DBA Österreich. Zuvor hatte sie den Erstattungsantrag auf dieser Freistellungsgrundlage einheitlich mit demjenigen nach § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b EStG im Klageverfahren 2 K 1310/13 verfolgt, dessen Streitgegenstand jedoch nur die ebenfalls von der Klägerin unter dem 27. Juli 2009 beantragten Freistellungsbescheinigungen umfasste. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2018 hatte sie die Klage hinsichtlich des Erstattungsbegehrens zurückgenommen (vgl. Bl. 703 f. eFGAkte 2 K 1310/13).
75ee) Da der von der Klägerin gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. DBA Österreich beantragten Kapitalertragsteuererstattung die materielle Bestandskraft des Bescheids vom 25. März 2010 entgegensteht, spielt es letztlich keine Rolle, dass es zumindest bei Zugrundelegung der Argumentation der Klägerin in Frage gestellt werden könnte, ob sie infolge der ausdrücklichen Benennung von § 44a Abs. 9 EStG als Anspruchsgrundlage im Übersendungsschreiben vom 16. November 2012 überhaupt auf § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. DBA basierende Anträge gestellt hat.
76d) Anhaltspukte für einen besonders schwerwiegenden Fehler, der nach der Auffassung der Klägerin zur Nichtigkeit des Bescheids vom 25. März 2010 gemäß § 125 Abs. 1 AO führen soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere hat der Beklagte, anders als die Klägerin meint, im Bescheid vom 25. März 2010 über den Erstattungsantrag gemäß § 50d Abs. 1 i.V.m. DBA Österreich nicht ohne Antrag entschieden. Denn die Anträge vom 27. Juli 2009 sind nach dem Verständnis des Senats nicht als Erstattungsanträge eines isolierten Erstattungsverfahrens gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG zu verstehen (vgl. dazu I.1.c). An diesem Verständnis ändert auch das von der Klägerin herangezogene Meistbegünstigungsprinzip nichts, zumal im Verwaltungsverfahren durch die Finanzbehörde der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 88 AO zu beachten ist, wonach auch die für den Beteiligten günstigen Umstände zu ermitteln sind. Solche können im Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG z.B. dann vorliegen, wenn die vom Antragsteller begehrte vollständige Erstattung mangels Vorliegens der Voraussetzungen von § 43b EStG zwar nicht in vollem Umfang gewährt werden kann, aber zumindest eine Teilerstattung auf der Grundlage einschlägiger DBA-Vorschriften erfolgen kann.
772. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch deutscher Kapitalertragsteuer im Hinblick auf die Ausschüttungen der C GmbH und der D AG auch nicht gemäß § 44a Abs. 9 EStG i.V.m. § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG zu. Unabhängig davon, ob sich die materielle Bestandskraft des Bescheids vom 25. März 2010 auch auf einen aus § 44a Abs. 9 EStG abgeleiteten Erstattungsanspruch erstreckt, kann sich die Klägerin jedenfalls für die vorliegend streitgegenständlichen im Jahr 2008 zugeflossenen Kapitalerträge hierauf nicht mit Erfolg berufen. Für Ausschüttungen zu diesem Zeitpunkt war § 44a Abs. 9 EStG noch nicht anwendbar.
78Dies folgt aus der Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 16 EStG. Hiernach ist § 44a Abs. 9 EStG erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2008 zufließen. Sämtliche Fassungen der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 16 EStG sind seit der Einführung von § 44a Abs. 9 EStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz vom 14. August 2007 (UntStRefG BGBl. I 2007, 1912) bis zur Aufhebung von § 52a EStG durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (KroatienAnpG, BGBl. I 2014, 1266) entsprechend formuliert (siehe § 52a Abs. 16 Satz 3 EStG, gültig vom 29. Dezember 2007 bis 24. Dezember 2008; § 52a Abs. 16 Satz 5 EStG, gültig vom 25. Dezember 2008 bis 13. Dezember 2010 und § 52a Abs. 16 Satz 6 EStG, gültig vom 14. Dezember 2010 bis 30. Juli 2014).
79Angesichts dieser eindeutigen und langfristig verwendeten Formulierung vermag die Klägerin mit ihrer These, der Gesetzgeber habe seine gesetzliche Regelung zur erstmaligen Normanwendung nur „versehentlich eingefügt“ oder sich bei der Gesetzesabfassung verschrieben, nicht zu überzeugen. § 44a Abs. 9 EStG ist zu Gunsten der Klägerin – unabhängig von einer insoweit möglicherweise fehlenden Bindungswirkung des Bescheids vom 25. März 2010 – nicht anwendbar.
803. Ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gemäß § 32 Abs. 5 KStG analog.
81Sämtliche von der Klägerin zur näheren Begründung vorgetragenen Aspekte vermögen den Senat nicht vom Vorliegen eines solchen Erstattungsanspruchs zu überzeugen. Zwar weist die Klägerin zurecht auf die Entscheidung des EuGH vom 20. Oktober 2011 (C-284/09, DStR 2011, 2038) hin, in deren Folge der BFH für bestimmte Konstellationen eine Erstattungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 1 EStG analog angenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 2012 – I R 25/10, BFH/NV 2012, 871). Im Fall der Klägerin liegt jedoch eine solche Konstellation gerade nicht vor. Der von ihr gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG sowie i.V.m. DBA Österreich geltend gemachte Erstattungsanspruch bleibt zwar im Ergebnis erfolglos. Allerdings beruht dies nicht auf dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG oder i.V.m. dem DBA Österreich, sondern ausschließlich auf der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom 25. März 2010, gegen den die Klägerin die Einlegung von Rechtsmitteln versäumt hat. Folgerichtig steht ihr hinsichtlich der streitgegenständlichen Kapitalerträge auch kein Anspruch gemäß § 32 Abs. 5 KStG zu, den der Gesetzgeber als Reaktion auf die o.g. Rechtsprechung als Erstattungsgrundlage gesetzlich kodifiziert hat. Die Anwendbarkeit scheitert bereits infolge der Beteiligung der Klägerin von mindestens 10 % an den ausschüttenden Gesellschaften.
82Soweit die Klägerin einen unmittelbar aus der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit folgenden Erstattungsanspruch daraus versucht abzuleiten, dass infolge der vom EuGH in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2017 (C-504/16 und C 613/16, DStR 2018, 119) festgestellten Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG 2007 das Erstattungsverfahren gemäß § 50d EStG in Gänze zu verwerfen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass dieses Verständnis nicht mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Einklang zu bringen ist. Hiernach führt die vom EuGH festgestellte Verletzung der Grundfreiheiten dazu, dass § 50d Abs. 3 EStG 2007 (sowie § 50d Abs. 3 EStG 2012, vgl. EuGH-Beschluss vom 14. Juni 2018, C-440/17, HFR 2019, 615) im Lichte der EU-Grundfreiheiten geltungserhaltend auszulegen ist (vgl. FG Köln, Urteil vom 23. Januar 2019, 2 K 1315/13, EFG 2019, 1764, nrkr., Az. des BFH I R 27/19; FG Köln, Urteil vom 30. Juni 2020, 2 K 140/18, EFG 2021, 117, rkr., nachfolgend: BFH-Beschluss vom 9. Juni 2021, I B 60/20, BFH/NV 2021, 1481; FG Köln, Urteil vom 27. August 2020, 2 K 693/15, juris, rkr., nachfolgend BFH-Beschluss vom 20. Juli 2021, I B 11/21, juris). Eine generelle Nichtanwendbarkeit von § 50d Abs. 1 und 3 EStG folgt hieraus indes keineswegs.
83II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
84III. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Rechtssache kommt insbesondere keine grundlegende Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
85IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.