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Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der zwischen der Klägerin und dem Alleingesellschafter der GmbH, Herrn A, am ... 2002 geschlossenen Gewinnabführungsvertrag (GAV) tatsächlich durchgeführt worden ist.
3Herr A und die Klägerin haben am ... 2002 folgenden Ergebnisabführungsvertrag geschlossen:
4Ergebnisabführungsvertrag
5Zwischen
6Herrn A als Einzelunternehmer, eingetragen beim Amtsgericht B unter HRA ...
7- im folgenden „Organträger“ genannt –
8und
9C GmbH mit Sitz in D, eingetragen beim Amtsgericht B unter HRB ..., vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer, Herrn A,
10- im folgenden „Organgesellschaft“ genannt –
11wird vorbehaltlich der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen der Vertragsparteien nachfolgender Ergebnisabführungsvertrag geschlossen:
12Präambel
13Der Organträger ist unbeschränkt steuerpflichtig und hält 100 vH der Anteile der Organgesellschaft. Die Organgesellschaft ist daher in den Betrieb des Organträgers finanziell eingegliedert.
14Dies vorausgeschickt vereinbaren die Vertragsschließenden folgendes:
15§ 1 Gewinnabführung
161. Die Organgesellschaft verpflichtet sich, während der Vertragsdauer ihren ganzen Gewinn an den Organträger abzuführen. Abzuführen ist, vorbehaltlich der Bildung oder Auflösung von Rücklagen nach Abs. 2 der ohne die Gewinnabführung entstehende, nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelte Jahresüberschuß.
2. Die Organgesellschaft kann mit Zustimmung des Organträgers Beträge aus dem Jahresüberschuß insoweit in andere Gewinnrücklagen einstellen, als dies handelsrechtlich zulässig und bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Während der Dauer dieses Vertrages gebildete freie Rücklagen (andere Gewinnrücklage nach § 272 Abs. 3 HGB sowie Kapitalrücklagen aus Zuzahlungen des Organträgers nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) sind auf Verlangen des Organträgers aufzulösen und zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages zu verwenden oder als Gewinn abzuführen.
3. Die Abführung von Beträgen aus der Auflösung von freien Rücklagen nach Abs. 2, die vor Beginn dieses Vertrages gebildet wurden, ist ausgeschlossen.
4. Der von der Organgesellschaft an den Organträger abzuführende Gewinn kann analog dem gesetzlichen Gebot des § 301 AktG durch einen beim Inkrafttreten des Gewinnabführungsvertrages vorhandenen Verlustvortrag gemindert werden.
§ 2 Verlustübernahme
251. Der Organträger ist entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 AktG verpflichtet jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den freien Rücklagen (anderen Gewinnrücklagen nach § 272 Abs. 3 HGB und Kapitalrücklagen aus Zuzahlungen der Organträgerin nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.
2. Im Hinblick auf einen Verzicht oder auf einen Vergleich über die Ausgleichsansprüche gelten die Vorschriften des § 302 Abs. 3 AktG entsprechend.
§ 3 Fälligkeit
30Die jeweiligen Zahlungsverpflichtungen sind fällig, sobald der Jahresabschluß festgestellt ist.
31§ 4 Wirksamwerden und Vertragsdauer
321. Der Vertrag wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Organgesellschaft und gilt rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 2002, 0.00 Uhr. Er bedarf der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
2. Änderungen bzw. Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform und der Zustimmung nach Abs. 1.
3. Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. Dezember 2007 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, verlängert er sich bei gleicher Kündigungsfrist um jeweils ein Kalenderjahr.
4. Das Recht auf Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Der Organträger ist insbesondere zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn der Organträger nicht mehr mit Mehrheit an der Organgesellschaft beteiligt ist oder ein anderer auf andere Weise als Gesellschafter in die Organgesellschaft eintritt (zB Kapitalerhöhung). Als wichtiger Grund gilt auch die Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation einer der Vertragsschließenden.
§ 5 Salvatorische Klausel
41Sollten sich eine oder mehrere Bestimmungen diese Vereinbarungen als unwirksam oder als nicht durchführbar erweisen, bleiben die übrigen Bestimmungen in Kraft. Die Vertragsparteien werden die rechtsunwirksamen oder nicht durchführbaren Bestimmungen durch zulässige und durchführbare Regelungen ersetzen, die dem erstrebten wirtschaftlichem Zweck am nächsten kommen. Dabei sind die jeweiligen Rechte und Verpflichtungen der Vertragsschließenden den durch die Unwirksamkeit oder Nichtdurchführbarkeit von Bestimmungen und veränderten wirtschaftlichen Voraussetzungen und Verhältnissen anzupassen.
42D, den ....2002
43A (Organträger) C GmbH (Organgesellschaft)“
44Die Gesellschafterversammlung der Klägerin hat dem Ergebnisabführungsvertrag vom ... 2002 durch Beschluss vom ... 2003 zugestimmt. Der Ergebnisabführungsvertrag ist am ... 2003 ins Handelsregister der Firma unter Nr. HRB ... eingetragen worden.
45In der Folge verbuchte die Klägerin als Organgesellschaft den an den Organträger abzuführenden Gewinn gegen das Konto „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter“Konto .... Dieses Verrechnungskonto entwickelte sich wie folgt:
46Gewinnabführung |
||
31.12.2008 |
./. ....... |
|
31.12.2009 |
||
31.12.2010 |
||
31.12.2011 |
||
31.12.2012 |
Auf dem Konto wurden nur der abzuführende Gewinn und zu zahlende Zinsen verbucht. Gegenforderungen oder Pauschalzahlungen wurden nicht verbucht.
48Für die Jahre 2009 bis 2011 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, die u.a. die Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuer umfasste.
49Die Betriebsprüferin erkannte den Ergebnisabführungsvertrag nicht an. Sie vertrat die Ansicht, dass er auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen sei und auch ansonsten den formellen steuerlichen Voraussetzungen entspräche. Herr A sei mit 100 % Anteilseigner der Klägerin. Eine finanzielle Eingliederung sei somit gegeben.
50Die steuerliche Organschaft setze aber neben der finanziellen Eingliederung und dem formell ordnungsgemäßen GAV auch einen Vollzug des GAV während der gesamten Laufzeit voraus. Dies bedeute die Abführung des ganzen Gewinns der Organgesellschaft an den Organträger.
51Organträger und Organgesellschaft hätten entsprechende Forderungen und Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz einzustellen. Darüber hinaus gehöre zur Durchführung auch die Begleichung der Verbindlichkeiten (vgl. hierzu Dötsch, § 14 KStG Rz. 210).
52Die Klägerin als Organgesellschaft habe den an den Organträger abzuführenden Gewinn gegen Konto ... Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter verbucht. Eine Verbuchung gegen ein laufendes Verrechnungskonto sei grundsätzlich zulässig. Eine Erfüllung des GAV sei jedoch erst dann erfolgt, wenn auf diesem Verrechnungskonto Gegenforderungen verbucht würden bzw. regelmäßige Pauschalzahlungen zum Ausgleich des Verrechnungskontos erfolgten (siehe Dötsch, § 14 KStG Rz. 210b).
53Nach Neumann in Gosch Rz. 318b in § 14 KStG bedürfe es wechselseitiger Ansprüche zwischen Organgesellschaft und Organträger auf dem Verrechnungskonto.
54Auf dem Verrechnungskonto seien in den Prüfungsjahren lediglich der abzuführende Gewinn und zu zahlende Zinsen verbucht worden. Gegenforderungen oder Pauschalzahlungen seien nicht verbucht worden, so dass die Verbuchung auf dem Verrechnungskonto nicht als Erfüllung des GAV angesehen werden könnten.
55Eine tatsächliche Abführung des Gewinns sei somit nicht erfolgt.
56Einstellungen in den Bilanzen sei somit nicht Rechnung getragen worden.
57Darüber hinaus sei es zu keinem tatsächlichen Geldfluss zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger gekommen.
58Nach Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft Rz. 241, sei eine tatsächliche Geldbewegung zwar nicht erforderlich, es werde aber ein Ausweis entsprechender Forderungen und Schulden, die in angemessener Frist getilgt würden vorausgesetzt. Entsprechend obiger Ausführung mangele es jedoch bereits an diesen Verbuchungen.
59Nach allgemeiner Auffassung sei es zur Durchführung des GAV erforderlich, dass die rechtlichen Vereinbarungen und steuerlichen Bedingungen entsprechend vollzogen würden. Zu den steuerlichen Bedingungen zählten auch eine ordnungsgemäße Verbuchung sowie eine entsprechende Abführung des Gewinns. Die Nichtabführung des Gewinns sei schädlich für die Anerkennung der Durchführung des GAV (vgl. hier Olbing in Streck § 14 KStG Rz. 121).
60Die körperschaftsteuerliche Organschaft könne nicht anerkannt werden. Die Gewinne seien der GmbH zuzurechnen. Die Zurechnung beim Organträger sei rückgängig zu machen.
61Die gewerbesteuerliche Organschaft könne ebenfalls nicht anerkannt werden, da sie an die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft anschließe.
62Aufgrund der Nichtanerkennung der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft ergaben sich folgende Gewinnauswirkungen:
632009 |
2010 |
2011 |
|
in EUR |
in EUR |
in EUR |
|
Gewinn bisher |
0 |
0 |
0 |
Nichtanerkennung Organschaft |
|||
GewSt-Rückstellung |
./. |
./. |
./. |
KSt-Rückstellung |
./. |
./. |
./. |
SolZ-Rückstellung |
./. |
./. |
./. |
Zins-Rückstellung § 233a AO |
-- |
-- |
./. |
Gewinn laut Prüfung |
Am 11. Dezember 2014 erfolgten Zahlungen von ... EUR und ... EUR von der Klägerin an die E GmbH & Co. KG im Namen von Herrn A. Mit den Zahlungen wurden folgende Darlehen abgelöst:
65...A 2 (Herr A privat) |
... EUR |
... Patent |
... EUR |
Herr A Kontokorrent (6,5% Saldo 11.12.2014: ... EUR) |
... EUR |
Die Zahlung der ... EUR wurde zum 11. Dezember 2014 gegen das Verrechnungskonto Herr A privat verbucht (Konto 3512) zum Jahresabschluss umgebucht auf Konto 1307, Verrechnungskonto Herr A privat.
67In der Buchführung 2015 wurden mit Einbuchungen der Saldenvorträge Beträge eingebucht, die nicht den Salden zum 31. Dezember 2014 entsprechen. Dies betrifft die Konten 1306, 1307 und 3512. Mit Einbuchung dieser abweichenden Salden wird die Verbuchung der Zahlung von ... EUR gegen private Schulden des Herrn A rückgängig gemacht und es wird so dargestellt, dass es sich um eine Tilgung von Schulden des A 1, mit dem die Organschaft besteht, handele.
68Aus der Darlehensaufstellung von E GmbH & Co. KG ist diese Tilgung aber nicht ersichtlich. Die Verbindlichkeiten von A 1 gegenüber der E GmbH & Co. KG bestehen fort. Eine Korrektur ist bis zum 31.12.2018 nicht vorgenommen worden.
69Am ... 2017 vereinbarten die Klägerin und A 1 eine Aufrechnungserklärung folgenden Inhalts:
70„Aufrechungserklärung
71Zwischen der Firma
72C GmbH, F-Straße a in D
73und der Firma
74A 1, F-Straße a-c in D
75Das Verbindlichkeitskonto aus Organschaft gegenüber A 1 wird mit dem Forderungskonto A 1 verrechnet.
76D, ....2017
77Herr A Herr A
78Für C GmbH für A 1
79Am 6. März 2017 erließ der Beklagte geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 mit denen er die Körperschaftsteuer mit ... EUR, ... EUR und ... EUR festsetzte.
80Am 20. März 2017 erließ der Beklagte erstmalige Bescheide für die Jahre 2009 bis 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag und setzte diese mit ... EUR, ... EUR und ... EUR fest.
81Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein.
82Während des Einspruchsverfahrens reichte der Organträger beim Beklagten die fehlenden Jahresabschlüsse für die Jahre 2009 bis 2011, bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Kontennachweis und Entwicklung des Anlagevermögens ein. Diese nahm der Beklagte zur Bilanzakte St.-Nr. 1.... Die Bilanzakte St.-Nr. 1... ist vom Gericht zum Verfahren beigezogen worden.
83Zur Begründung ihres Einspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der zwischen ihr und Herrn A geschlossene GAV tatsächlich im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG vollzogen worden sei. Sie habe als Organgesellschaft den an den Organträger abzuführenden Gewinn gegen das Konto ... „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter“ gebucht. Es reiche aus, wenn die Gewinnabführungsverpflichtung der Organgesellschaft durch Umwandlung in ein Darlehen erfüllt werde. Für diesen Fall werde nicht mehr gesondert erwähnt, dass eine vorherige Erfassung als Forderung und/oder Verbindlichkeit zu erfolgen habe. Ferner sei der GAV auch dann erfüllt, wenn die Forderungen und Verpflichtungen aus dem GAV erst bei Beendigung des Vertrages ausgeglichen würden. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verständlich und bedürfe weiterer Erläuterungen, warum nach Auffassung der Betriebsprüfung Gegenforderungen und Pauschalzahlungen hätten eingebucht werden müssen. Bereits mit Buchung der Verpflichtung auf dem Konto ... sei die Verbindlichkeit erfüllt. Dies folge daraus, dass es sich um ein Verrechnungskonto handele und hilfsweise auch um eine Novation (neuer Schuldgrund/Verbindlichkeit gegen Gesellschafter).
84Sodann führe Dötsch in Rz. 521 aus, dass für den Fall, dass die Organgesellschaft für den Zahlungsverkehr mit dem Organträger ein laufendes Verrechnungskonto führe und nicht jede einzelne entstandene Zahlungsverpflichtung beglichen werde, sondern nur von Zeit zu Zeit einem sich einseitig entwickelnden Saldo durch Zahlung runder Beträge begegnet werde, die Verbindlichkeit bereits mit Buchung auf dem Verrechnungskonto als erfüllt angesehen werden könne. Auch für diesen Fall verlange Dötsch nicht, dass vorher eine Forderung/Verbindlichkeit eingebucht werde. Werde die Zahlungsverpflichtung unmittelbar auf einem solchen Verrechnungskonto gebucht, so mache eine vorherige Buchung von Forderungen/Verbindlichkeiten bei Organträger und Organgesellschaft keinen Sinn und habe insbesondere keinen zusätzlichen Erkenntniswert. Es sei nicht erforderlich, dass alle Forderungen und Verbindlichkeiten auf dem Verrechnungskonto gebucht würden. Dies berühre den Charakter als Verrechnungskonto nicht. Mit der Buchung von Verbindlichkeiten auf einem Verrechnungskonto bei der Organgesellschaft sei der GAV tatsächlich durchgeführt worden.
85Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er habe zu Recht die steuerliche Anerkennung der Organschaft versagt und deshalb den Gewinn der Klägerin zugerechnet. Im vorliegenden Fall sei der ansonsten formell wirksam abgeschlossene GAV nicht tatsächlich durchgeführt worden. Tatsächlich durchgeführt werde ein GAV im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen werde. Die nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung ermittelten Gewinne müssten tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. Zur tatsächlichen Durchführung des GAV reiche der Verbindlichkeitsausweis in der Bilanz der Organgesellschaft allein nicht aus; die Organgesellschaft müsse diese Verbindlichkeit auch zeitnah erfüllen (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 19. Mai 2015, 6 K 236/12, juris, m.w.N.; Neuman in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 14 KStG Rz. 318b).
86Die Finanzverwaltung vertrete zu Recht die Auffassung, dass für die tatsächliche Durchführung des GAV die tatsächliche Erfüllung der in der Bilanz ausgewiesenen Forderungen in angemessener Frist erforderlich sei. Andernfalls würde das gesetzliche Erfordernis in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG der „Durchführung des GAV während der gesamten Geltungsdauer“ ohne Sinn bleiben. Denn die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen und bekannten Forderungen und Verbindlichkeiten seien nach dem Realisationsprinzip eine handels- und steuerrechtliche Selbstverständlichkeit und hätten nicht als besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Organschaft in das Gesetz aufgenommen werden müssen. Der Begriff „Durchführung“ gehe auch im sprachlichen Verständnis weiter als bloße Buchführungsvorgänge. Der Begriff „Durchführung“ verlange ein besonderes Handeln der Beteiligten, worunter hier nur der weitergehende Vollzug durch Erfüllung gemeint sein könne. Eine grundsätzlich zulässige Buchung auf einem Verrechnungskonto stelle sich erst bei zeitnaher Einbuchung einer Gegenforderung wie eine Aufrechnung dar und sei erst dann vollzogen. Unter zeitnah werde eine Aufrechnung innerhalb von drei bis spätestens zwölf Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs angenommen.
87Im Streitfall sei die für die Durchführung des GAV erforderliche Gewinnabführungsverpflichtung der Klägerin als Organgesellschaft mit Ablauf des jeweiligen Bilanzstichtags 31. Dezember 2009 bis 31. Dezember 2011 entstanden, fällig sei sie mit der Erstellung der Bilanz durch die Klägerin geworden. Die Klägerin habe die jeweilige Gewinnabführungsverpflichtung in der Bilanz zwar auf einem Verrechnungskonto (Konto ...) verbucht, die außerdem erforderliche, weil zur Anspruchserfüllung führende tatsächliche Zahlung oder eine der tatsächlichen Zahlung gleichgestellte Aufrechnung sei jedoch in allen Streitjahren bis zum Ende des Prüfungszeitraums nicht erfolgt. Da kein Ausgleich erfolgt sei, liege eine Erfüllung des GAV nicht vor (Kolbe in Hermann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz. 204 „Verrechnung auf laufendem Konto“ (Stand Februar 2018) und Dötsch, § 14 KStG, Rz. 521 (Stand August 2016).
88Soweit sich die Klägerin zur Unterstützung ihrer Auffassung auf Dötsch, a.a.O. beziehe, weil bei einem für den Zahlungsverkehr mit dem Organträger geführten laufenden Verrechnungskonto mit sich häufig ergebenden gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen nicht jede entstandene Zahlungsverpflichtung einzeln beglichen werden müsse, sondern einem sich einseitig entwickelndem Saldo von Zeit zu Zeit durch Zahlung runder Beträge begegnet werden könne, sei diese Sachlage im Streitfall nicht gegeben. Denn es seien in allen Streitjahren weder runde Beträge noch überhaupt ein Ausgleich auf dem Verrechnungskonto verbucht worden.
89Im Streitfall mangele es an den Grundvoraussetzungen für die Anerkennung des GAV in Form der Einbuchung der Forderungen des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft.
90Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor, im Streitfall sei der GAV zwischen ihr und Herrn A tatsächlich im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG vollzogen worden. Sie habe den an den Organträger abzuführenden Gewinn gegen das Konto ... „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter“ gebucht. Der Umstand, dass bei Herrn A, dem Organträger, keine korrespondierende Bilanzierung erfolgt sei, stehe der Durchführung des GAV nicht entgegen. Im Übrigen spreche hierfür auch die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG. Diese sehe die Möglichkeit einer Heilung nur dann vor, wenn es auf Ebene des Organträgers zu Fehlern bei der Bilanzierung gekommen sei (vgl. Frotscher, in Frotscher/Mass, KStG § 14 Rz. 445e (Stand: Januar 2015). Würde es dem Gesetzgeber auf die Bilanz des Organträgers ankommen, so hätte er sehr wahrscheinlich eine entsprechende Vorschrift für den Organträger verfasst.
91Des Weiteren nehme Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 517 (Stand: August 2016) dazu Stellung, ob die bloße Einstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten in den Bilanzen von Organträger und -gesellschaft ausreichten, oder ob darüber hinaus weitere Erfüllungshandlungen erforderlich seien. Danach sei es ausreichend, wenn zunächst nur Abschlagszahlungen geleistet würden, und der Spitzenbetrag erst dann ausgeglichen werde, wenn das endgültige Betriebsergebnis der Organschaft feststehe. Schließlich reiche es aus, wenn die Gewinnabführungsverpflichtung der Organgesellschaft durch Umwandlung in ein Darlehen erfüllt werde. Für diesen Fall werde nicht mehr gesondert erwähnt, dass eine vorherige Erfassung als Forderung und/oder Verbindlichkeit zu erfolgen habe. Ferner sei der GAV auch dann erfüllt, wenn die Forderungen und Verpflichtungen aus dem GAV erst bei Beendigung des Vertrages ausgeglichen würden. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verständlich, warum nach Auffassung des Beklagten Gegenforderungen und Pauschalzahlungen hätten eingebucht werden müssen. Bereits mit der Buchung der Verpflichtung auf dem Konto ... sei die Verbindlichkeit erfüllt, hilfsweise auch aus einer Novation (neuer Schuldgrund und Verbindlichkeit gegen Gesellschafter). Dies folge daraus, dass es sich um ein Verrechnungskonto handele.
92Sodann führe Dötsch a.a.O. in Rz. 521 aus, dass für den Fall, dass die Organgesellschaft für den Zahlungsverkehr mit dem Organträger ein laufendes Verrechnungskonto führe und nicht jede einzelne entstandene Zahlungsverpflichtung beglichen werde, sondern nur von Zeit zu Zeit einem sich einseitig entwickelnden Saldo durch Zahlung runder Beträge begegnet werde, die Verbindlichkeit bereits mit Buchung auf dem Verrechnungskonto als erfüllt angesehen werden könnten. Auch für diesen Fall verlange Dötsch nicht, dass vorher eine Forderung/Verbindlichkeit eingebucht werde. Werde die Zahlungsverpflichtung unmittelbar auf einem solchen Verrechnungskonto gebucht, so mache eine vorherige Buchung von Forderung/Verbindlichkeit bei Organträger und-gesellschaft keinen Sinn und habe insbesondere keinen zusätzlichen Erkenntniswert. Es sei nicht erforderlich, dass alle Forderungen und Verbindlichkeiten auf dem Verrechnungskonto gebucht würden. Dies berühre den Charakter als Verrechnungskonto nicht. Der Beklagte verkenne insoweit, dass sie (die Klägerin) sich nicht auf das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen berufen habe, sondern dass sie vielmehr Rückschlüsse aus dem Bestehen einer solchen Regelung ziehe.
93Erst recht bedürfe es zur steuerlichen Durchführung keines tatsächlichen Geldflusses, (vgl. Wolter, in; Ernst & Young, § 14, Rz. 653; Beinert/Nees, in: Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Köln 2015, 107, 130, Rz. 3.52, erste Phase der tatsächlichen Durchführung des EAV).
94Ohne gesetzliche Grundlage sei das Verlangen, Verbindlichkeiten eines GAV müssten in angemessener Zeit getilgt werden, ansonsten sei der GAV in dem betreffenden Zeitraum nicht durchgeführt; denn es könne nicht gelingen festzulegen, was noch angemessen sei. Erst spätestens bei Beendigung des GAV seien die gegenseitigen Ansprüche aus dem GAV auszugleichen.
95Darüber hinaus könne der Hinweis des Beklagten auf die Bedeutung des Wortes „Durchführung" nicht überzeugen. Es liege keine Durchführung im wörtlichen Sinne vor. Das Wort „Durchführung" beschreibe lediglich die Vornahme mehrerer Akte, um ein Ziel zu erreichen. Zu diesen Akten gehörten aber eben auch der Erfüllung vorgelagerte Handlungen. Käme es dem Gesetzgeber auf ein besonderes Handeln der Beteiligten an, worunter der weitergehende Vollzug durch Erfüllung zu verstehen sein solle, so hätte er wohl eher von Erfüllung des GAV gesprochen. Auch ein Vergleich mit den Synonymen des Wortes „Durchführung“ lasse insoweit keinen anderen Rückschluss zu. Hier ließen sich z.B. Umsetzung oder Ausführung finden. Diese Worte implizierten aber genauso wenig, wie das Wort Durchführung, dass der Erfolg herbeigeführt werden müsse. Aus ihnen könne lediglich abgeleitet werden, dass durch die getätigten Schritte der Erfolg näher rücken müsse. Dies geschehe insbesondere auch durch die vorgenommenen Buchungen.
96Somit sei festzuhalten, dass weder die unterlassene Buchführung des Organträgers noch ein nicht erfolgter tatsächlicher Geldfluss der Anerkennung der Organschaft entgegenstehe. Mit der Buchung von Verbindlichkeiten auf einem Verrechnungskonto bei der Organgesellschaft sei der GAV tatsächlich durchgeführt.
97Die Verrechnung der Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Ergebnisabführungsvertrag sei zum ... 2017 erfolgt. Dies ergebe sich aus der dem Finanzamt vorliegenden Bilanz zum ... 2017, auf die verwiesen werde. Selbst wenn man also eine Verrechnung von Ansprüchen und Gegenansprüchen aus dem Ergebnisabführungsvertrag für erforderlich hielte, dann wäre diesem Erfordernis vorliegend Genüge getan. Vorsorglich sei auszuführen, dass eine teilweise für erforderlich gehaltene Verrechnung von Forderungen und Gegenforderungen aus dem Ergebnisabführungsvertrag jedenfalls nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen müsse. Das Verlangen, Forderungen und Verbindlichkeiten auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages innerhalb einer bestimmten oder angemessenen Zeit zu verrechnen, sei weder praktikabel noch habe es eine gesetzliche Grundlage. Es könne schon nicht gelingen festzulegen, was noch angemessen sei. Durch ein derart unbestimmtes Merkmal ohne gesetzliche Grundlage würde aus Sicht des jeweiligen Rechtsanwenders jede gewünschte Auslegung ermöglicht. Solange die Forderungen und Verbindlichkeiten zumindest bilanziert blieben, sei die tatsächliche Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages nicht beeinträchtigt.
98Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 5. April 1995 I R 156/93, BFHE 177, 429 zur tatsächlichen Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages ausgeführt, dass Durchführung daher u.a. bedeute, dass die nach Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden müssten. Weiterhin führe der Bundesfinanzhof in der vorgenannten Entscheidung aus, dass die Minderung von Forderungen der (dortigen) Klägerin gegen den früheren Organträger um den Mehrgewinn in Höhe von ... EUR im Streitfall dem Vollzug des bis zum ... 1981 geltenden Ergebnisabführungsvertrages diene. Es läge mithin eine Gewinnabführung und keine Gewinnausschüttung im Sinne des § 27 KStG vor. Der Bundesfinanzhof sei in der vorgenannten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ergebnisabführungsvertrag tatsächlich durchgeführt worden sei. Damit stehe aus ihrer (der Klägerin) Sicht fest, dass ein Liquiditätstransfer für die Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages nicht erforderlich sei. Vielmehr reiche die Verbuchung auf Verrechnungskonten und damit das Erhöhen oder Verringern von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten für die Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages aus.
99Das obiter dictum des BFH in BFH/NV 2016, 1177, sei nicht verallgemeinerungsfähig, weil im Beschlussfall die Besonderheit vorgelegen habe, dass der Organträger bei Erstellung des Jahresabschlusses der Organgesellschaft schon mehr als ein Jahr aufgelöst und dessen Firma erloschen gewesen sei. In diesem Sonderfall könne eine bis dahin unterbliebene Aufrechnung naturgemäß nicht nachgeholt werden.
100Zutreffend sei daher die Auffassung, dass die gegenseitigen Ansprüche aus dem Ergebnisabführungsvertrag bis zu dessen Beendigung ausgeglichen werden könnten.
101Eine nicht „zeitnahe“ Verrechnung könne allenfalls dann im Hinblick auf die tatsächliche Durchführung problematisch sein, wenn aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Erfüllung der Forderungen aus dem Ergebnisabführungsvertrag risikobehaftet oder ungewiss sei. Dies sei im Streitfall nicht der Fall und bereits deshalb ausgeschlossen, weil sowohl im Streitzeitraum als auch während der gesamten Zeit danach in mindestens gleicher Höhe Gegenforderungen des Einzelunternehmens A 1 bestanden hätten. Auf die Anlage Bl. 74 der Gerichtsakte wird verwiesen.
102Im Übrigen habe sie am ... 2017 mit der Firma A 1 vereinbart, dass das Verbindlichkeitskonto aus Organschaft gegenüber A 1 mit dem Forderungskonto A 1 verrechnet werde. Auf Bl. 81 der Gerichtsakte wird verwiesen.
103Die Ausführungen des Beklagten zur Aufrechnung änderten nichts daran, dass es am ... 2017 durch Aufrechnung/Verrechnung zu einem vollständigen Ausgleich der Gewinnabführungsverpflichtung gekommen sei. Es sei zum ... 2017 zu einer Verrechnung der gegenüber dem Organträger bestehenden Verbindlichkeiten aus Gewinnabführung gekommen. Die Verrechnung habe dazu geführt, dass keine Verpflichtung zur Gewinnabführung mehr bestehe, da der Saldo 0 EUR betrage.
104Für die Frage der ordnungsgemäßen Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages sei es ohne Belang, ob und inwieweit mit dem Gewinnabführungsteilbetrag von ... EUR letztlich eine private Schuld des Herrn A getilgt worden sei. Jedenfalls seien die getilgten Verbindlichkeiten ursprünglich betrieblicher Natur und es sei nicht erkennbar, dass der betriebliche Zusammenhang weggefallen sei. Letztlich sei dies aber ohne Belang, weil es sich um eine nicht relevante Einkommensverwendung des Herrn A handeln würde.
105Zum Hintergrund der Verbindlichkeiten sei anzumerken, dass im Jahr 2010 sämtliche Verbindlichkeiten des Bereichs „Herr A“ – insbesondere die betrieblichen Verbindlichkeiten Herr A 2..., A 1 e.K., C GmbH, Herr A ... – von der E GmbH & Co. KG gekauft worden seien. Es habe sich um Verbindlichkeiten gegenüber der B Bank gehandelt. Erste Vollstreckungsversuche hätten zu einer wirtschaftlichen Erdrosselung des Herrn A geführt und es hätte eine vollständige Einstellung seiner gesamten beruflichen ... Tätigkeit gedroht. Es habe sich um Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt ... EUR gehandelt. Diese erworbenen Verbindlichkeiten seien zum 31. Dezember 2010 nicht mehr als Schuld gegenüber der B Bank ausgewiesen worden, sondern gegenüber der vorgenannten Gesellschaft. Der betriebliche Veranlassungszusammenhang der Schulden habe sich dadurch nicht geändert.
106Am 11. Dezember 2014 habe die Klägerin aus dem Erlös eines Verkaufs des ... einen Betrag von ... EUR an die E GmbH & Co. KG gezahlt. Die Leistung sei gemäß Anweisung im abgekürzten Zahlungswege für Herrn A erfolgt. Gemäß Abrede zwischen dem Organträger, Herrn A, ihr – der Klägerin – und dem Drittgläubiger, der E GmbH & Co. KG, habe sie – die Klägerin – den Betrag von ... EUR mit Teilbeträgen von ... EUR und ... EUR im abgekürzten Zahlungsweg an die E GmbH & Co. KG gezahlt. Auf die Anweisungsschreiben vom 11. Dezember 2014 wird verwiesen.
107Offenbar aufgrund dieser Schreiben sei im Steuerbüro zunächst eine falsche Verbuchung über das Verrechnungskonto Herr A vorgenommen worden, weil gemäß Anweisung von Herrn A eine Verrechnung mit seinen Schulden habe erfolgen sollen; die Bedeutung der Dreiteilung „Verrechnungskonto Herr A privat“, „Verrechnungskonto Herr A Organschaft“ und Verrechnungskonto Herr A ...“ sei der buchenden Person im Zusammenhang mit dieser Zahlung und der ihr vorliegenden Beleglage offensichtlich nicht bewusst gewesen.
108Vereinbart und gewollt hätten die Vertragsparteien des Ergebnisabführungsvertrages die anteilige Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung. Dies werde belegt durch die Erstellung buchhalterisch korrigierter Handelsbilanzen 2014 bis 2016, in denen auf den zutreffenden Konten gebucht worden sei. Belegt werde dies auch durch die in 2017 erfolgte vollständige Verrechnung der Gewinnabführungsverpflichtung, in welcher der Betrag von ... EUR im dargestellten Sinne eingeflossen sei.
109An dieser Beurteilung ändere weder die zunächst im Steuerbüro irrtümlich falsch erfolgte, später aber dann korrigierte buchhalterische Behandlung dieser Zahlungen etwas, noch die Einkommensverwendung des Herrn A (Tilgung einer etwaig privaten Schuld mit dem von der Organgesellschaft abgeführten Ergebnis).
110Die Zahlung an einen Dritten auf Weisung des Gläubigers ändere nichts an der ursprünglichen Veranlassung der Zahlung. Andernfalls könnten Betriebseinnahmen dadurch vermieden werden, dass der Betriebsinhaber den Schuldner anweise, nicht an ihn zu zahlen, sondern an einen (privaten) Gläubiger. Gleichwohl lägen auch in diesem Fall Betriebseinnahmen vor. Die Tilgung einer etwaig privaten Verbindlichkeit stelle Einkommensverwendung dar und sei ohne Belang für die vorliegend streitige Frage der Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages.
111Die ursprüngliche Buchung im Steuerbüro sei in Unkenntnis der Sachlage ausgeführt worden und stehe – auch deshalb – der von den Parteien insoweit gewollten und auch vollzogenen Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung nicht entgegen. Die zunächst irrtümlich unzutreffend erfolgte Verbuchung im Steuerbüro sei folgerichtig nach Erkennen des Fehlers korrigiert worden. Der Organträger und sie – die Klägerin – seien über die vorgenommene Falschbuchung nicht informiert gewesen, so dass die Buchung schon mangels Zurechnung keine Aussagekraft für die vorliegend relevante Frage haben könne.
112Zusammenfassend sei festzuhalten, dass vorliegend eine Verrechnung von Forderungen und Gegenforderungen aus dem Ergebnisabführungsvertrag während der Laufzeit – des bis heute bestehenden – Ergebnisabführungsvertrages erfolgt sei. Selbst wenn man also eine solche Verrechnung für die Durchführung des Ergebnisabführungsvertrages für erforderlich hielte, dann wäre dieses Erfordernis erfüllt. Einen bestimmten Zeitpunkt für eine solche – etwaig erforderliche – Verrechnung sehe das Gesetz nicht vor. Solange daher eine Verrechnung während der Laufzeit des Ergebnisabführungsvertrages – wie vorliegend – erfolge, sei dies für dessen tatsächliche Durchführung ausreichend.
113Die Klägerin beantragt sinngemäß,
114die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 vom 6. März 2017 dahingehend zu ändern, dass in den Streitjahren eine ertragsteuerlich anzuerkennende Organschaft im Sinne des § 14 KStG zwischen Herrn A und ihr vorliegt
115sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2009 bis 2011 vom 20. März 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 aufzuheben,
116hilfsweise Revision zuzulassen.
117Der Beklagte beantragt,
118die Klage abzuweisen,
119hilfsweise Revision zuzulassen.
120Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, entscheidender Punkt bliebe, dass der GAV nicht tatsächlich durchgeführt worden sei, weil die Gewinne der Organgesellschaft nicht tatsächlich an den Organträger abgeführt worden seien. Bei bloßer Verbuchung auf ein Verrechnungskonto, ohne dass ein Ausgleich durchgeführt werde, sei keine tatsächliche Durchführung des GAV gegeben.
121Da die Bilanzen des Organträgers vorgelegt worden seien, erübrige sich eine weitere Stellungnahme dazu, ob dies für die tatsächliche Durchführung einer Organschaft erforderlich sei.
122Der BFH habe im Beschluss vom 26. April 2016 I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177 klargestellt, was er unter dem im Urteil in BFHE 177, 429 verwendeten Begriff der Verrechnung verstehe. Daraus folge, für den hier zu entscheidenden Fall, dass die bloße Einbuchung von Verbindlichkeiten auf einem Verrechnungskonto nicht ausreiche, um eine Erfüllungswirkung anzunehmen.
123Darüber hinaus sei die Verrechnung nicht innerhalb angemessener Frist von drei bis zwölf Monaten nach Fälligkeit erfolgt, sodass der Ergebnisabführungsvertrag aus dem Grund nicht tatsächlich durchgeführt sei. Denn für die Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrages sei eine der tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung erforderlich. Eine reine Einbuchung ohne Erfüllungswirkung sei nicht ausreichend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1177). Die am ... 2017 unterzeichnete Aufrechnungserklärung sei für die Streitjahre 2009 bis 2011 zu spät erfolgt.
124Die kürzlich abgeschlossene Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 2017 habe zudem ergeben, dass es sich bei der Verrechnung in Höhe von ... EUR um die Tilgung einer privaten Schuld von Herrn A handele und nicht um die Tilgung von Schulden des Organträgers gegenüber der Klägerin.
125Entscheidungsgründe
126Die Klage ist unbegründet.
127Die geänderten Körperschaftsteuerbescheide vom 6. März 2017 für die Jahre 2009 bis 2011 sowie die Bescheide über die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2009 bis 2011 vom 20. März 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Umkehrschluss.
1281. Verpflichtet sich eine GmbH mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens wirksam, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen, so gelten die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend, § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG. Weitere Voraussetzungen – die im Streitfall erfüllt sind – sind, dass eine Gewinnabführung den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreitet (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG) und eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart ist, § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 KStG.
129Nach §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1 KStG ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn u.a. die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
130Der Organträger muss an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung), § 17 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 KStG.
131Organträger muss u.a. eine natürliche Person oder eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KStG.
132Der GAV muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG.
133a) Die formellen Voraussetzungen des GAV sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin und Herr A als Einzelunternehmer und alleiniger Gesellschafter der Klägerin, haben am ... 2002 einen GAV geschlossen, dem durch die Gesellschafterversammlung vom ... 2002 zugestimmt wurde. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am ... 2003. Der GAV ist auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und entspricht auch sonst den formellen Voraussetzungen. Insbesondere besteht auf Grund der 100%igen Anteilseignerschaft des Herrn A am Stammkapital der Klägerin eine finanzielle Eingliederung in dessen Einzelunternehmen.
134b) Der zwischen der Klägerin und dem Organträger wirksam abgeschlossen GAV ist jedoch nicht durchgeführt worden.
135aa) Tatsächlich durchgeführt wird ein GAV i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet, dass die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelten Gewinne entweder durch Zahlung oder aber durch eine zur Anspruchserfüllung führende und der tatsächlichen Zahlung gleich stehende Aufrechnung abgeführt werden. Zur tatsächlichen Durchführung reicht der Verbindlichkeitsausweis in der Bilanz der Organgesellschaft allein nicht aus; die Organgesellschaft muss diese Verbindlichkeit auch zeitnah erfüllen. Wird der GAV nicht durchgeführt, so wird die körperschaftsteuerliche Organschaft nicht anerkannt (BFH Urteile vom 5. April 1995 I R 156/93, BFHE 177, 429, und vom 21. Oktober 2010 IV R 21/07, BFHE 231, 198, BStBl II 2014, 481; FG Hamburg Urteil vom 19. Mai 2015, 6 K 236/122, Der Konzern 2015, 558, nachgehend BFH-Beschluss vom 26. April 2016 I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177).
136bb) Der für die Durchführung des Gewinnabführungsvertrages erforderliche und mit der Gewinnabführungsverpflichtung der Klägerin als Organgesellschaft korrespondierende Gewinnabführungsanspruch des Organträgers entstand im Streitfall mit Ablauf der jeweiligen Bilanzstichtage und wird regelhaft mit Feststellung der Bilanz des Organträgers fällig (BFH-Urteile vom 22. April 1964 II 246/60 U, BFHE 79,. 282, BStBl III 1964, 362; vom 12. Mai 1993 II R 82/92, BFHE 171, 339, BStBl II 1993, 536).
137cc) Nach Ansicht der herrschenden Meinung und der Finanzverwaltung – welcher der Senat folgt – ist der GAV nur dann tatsächlich durchgeführt, wenn die durch den GAV begründeten Verpflichtungen innerhalb angemessener Zeit beglichen werden (Gosch KStG/Neumann, 4. Aufl. 2020, § 14 KStG Rz. 318b f.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Stand Februar 2020, § 14 KStG Rz. 518 m.w.N.). Andernfalls ist nach Auffassung des Senats nicht sichergestellt, dass der nach dem GAV an den Organträger abzuführende Gewinn auch tatsächlich bei diesem der zutreffenden Besteuerung unterworfen wird.
138Im Streitfall ist die durch den GAV begründete Verpflichtung nicht innerhalb angemessener Zeit beglichen worden. Die bloße Verbuchung auf dem Verrechnungskonto reicht jedenfalls im Streitfall nicht aus. Sie kommt lediglich dem Ausweis einer Verbindlichkeit gegenüber dem Organträger gleich, wenn es auf dem Verrechnungskonto – wie im Streitfall – nicht zu einem Ausgleich kommt.
139dd) Auch die Aufrechnung im Jahr 2017 für die Besteuerungszeiträume 2009 bis 2011 kommt keiner fremdüblichen Erfüllung der durch den GAV begründeten Verpflichtung innerhalb angemessener Zeit gleich, weil sie erst Jahre nach dem Bilanzstichtag und der Fälligkeit mit Bilanzaufstellung und damit nicht zeitnah erfolgte. Darüber hinaus sind zudem keine betrieblichen Gründe – wie sie von Teilen des Schrifttums für eine nicht fristgerechte Erfüllung bei Fälligkeit gefordert werden (dazu z.B. Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand Februar 2022, § 14 KStG Rz. 203) – ersichtlich oder vorgetragen, so dass auch nach dieser Auffassung im Streitfall der GAV nicht tatsächlich im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG durchgeführt wurde (vgl. hierzu FG Hamburg, in Der Konzern 2015, 558 und BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1177).
140ee) Des Weiteren hat im Streitfall die Klägerin nicht wie im GAV vorgesehen ihren vollen Gewinn an das Einzelunternehmen A 1 abgeführt, denn durch die Anweisung des Herrn A die Beträge von ... EUR und ... EUR im Wege des verkürzten Zahlungsweges zur Verrechnung seiner privaten Schulden bei der E GmbH & Co. KG zu überweisen, ist dieser Teil des Gewinns nicht tatsächlich an das Einzelunternehmen abgeführt worden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31. März 1976 I R 123/74, BFHE 118, 459, BStBl II 1976, 510, welches allerdings eine KG betraf).
1412. Aufgrund der obigen Ausführungen (unter II.1.) besteht auch keine gewerbesteuerliche Organschaft, § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG.
1423. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
1434. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Fall FGO zuzulassen.