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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Frage, ob negative Einkünfte aus der Vermietung einer in Portugal belegenen Ferienwohnung durch den Ansatz eines negativen Progressionsvorbehalts bei der Bemessung des Steuersatzes zu berücksichtigen sind.
3Die Kläger wurden mit Bescheid vom 13.05.2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO zusammen zur Einkommensteuer 2011 veranlagt. Mit ihrer am 14.06.2013 eingegangenen geänderten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger u.a. negative Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung in Portugal (A in ... B; Einnahmen: 500 €; Ausgaben: 32.705 €; Anteil der Eigennutzung: 15,3 %) i.H.v. 27.278 € im Wege des Progressionsvorbehalts bei der Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen. Mit dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid vom 02.09.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer insoweit antragsgemäß fest.
4In dem Bericht vom 30.05.2014 über die bei dem Kläger für die Jahre 2009-2011 durchgeführte Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 15. Juli 1980 (DBA Portugal) im Inland steuerfrei gestellten Einkünfte aus der Grundstücksvermietung in Portugal nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung nicht im Wege des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigungsfähig seien. Daraufhin setzte der Beklagte mit dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 24.09.2014 die Einkommensteuer ohne die Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehaltes fest.
5Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch vertraten die Kläger die Auffassung, dass die dem nationalen Recht entsprechende Nichtberücksichtigung des Progressionsvorbehaltes gegen die durch Art. 56 des Vertrags zur Gründung der europäischen Gemeinschaft (EG) garantierte Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Mit seinem Urteil vom 15.10.2009 C‑35/08 habe der EuGH entschieden, dass ein Verstoß gegen die durch Art. 56 EG garantierte Kapitalmarktfreiheit vorliege, wenn Investitionen im EU-Ausland dadurch benachteiligt würden, dass aufgrund des strengen Inlandsbezugs der Regelung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a) EStG a.F. Vermietungsverluste aus einer im Inland belegenen Immobilie gegenüber solchen aus einer ausländischen Immobilie unterschiedlich behandelt würden. Denn dies könne den Steuerpflichtigen davon abhalten, eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie zu behalten. In der Folge habe der Gesetzgeber die Regelungen der § 2a und § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG dahingehend geändert, dass die beschränkte Verrechnungs- und Ausgleichsmöglichkeit von ausländischen Verlusten aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 6 a) EStG aus in EU/EWR-Staaten belegenen Immobilien entfallen und die Berücksichtigung sowohl negativer als auch positiver Einkünfte aus diesen Quellen im Rahmen des Progressionsvorbehalts ausgeschlossen worden sei. In dem Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts für steuerfrei gestellte Einkünfte aus der Grundstücksvermietung in EU/EWR-Staaten liege indessen weiterhin ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
6Mit Einspruchsentscheidung vom 14.07.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Einkünfte der Kläger aus der Vermietung ihrer Eigentumswohnung in Portugal nach Art. 6 Abs. 1 des DBA Portugal von der inländischen Besteuerung freigestellt seien. Für derartige Einkünfte sei nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3, § 52 Abs. 43a Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2009 sowohl der positive als auch der negative Progressionsvorbehalt entfallen.
7Mit der vorliegenden Klage halten die Kläger an ihrem Begehren fest, die Verluste aus der Vermietung ihrer Immobilie in Portugal im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Die Neuregelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG verstoße gegen die in Art. 56 EG garantierte Kapitalverkehrsfreiheit, da sie weiterhin eine unterschiedliche Behandlung der Vermietungsverluste aus einer im Inland belegenen Immobilie gegenüber einer ausländischen Immobilie beinhalte. Zwar sei durch die Nichtberücksichtigung der Progressionseinkünfte an sich im Wohnsitzstaat Deutschland eine Gleichbehandlung der Einkünfte hergestellt worden. Es gebe aber weiterhin Gründe, die Steuerpflichtige davon abhalten könnten, eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie zu behalten. So würden Verluste und Gewinne zwischen dem Kauf und Verkauf bzw. der Schenkung oder Vererbung nicht berücksichtigt. Die nicht erhaltenen Steuerentlastungen durch die Berücksichtigung der üblichen Anfangsverluste könnten weder bei der Finanzierung/Tilgung der Anschaffungskosten als Sondertilgungen noch für Investitionen in das vermietete Objekt eingesetzt werden. Dies würde aber zu einer langsameren Tilgung des Darlehens und damit einer Verzögerung der Erzielung eines Einnahmeüberschusses bzw. zu einer geringeren Wertsteigerung und geringeren erlösbaren Mieteinkünften führen.
8Die Kläger beantragen,
9den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 25.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2016 dahin abzuändern, dass die geltend gemachten negativen Einkünfte aus der Vermietung der Ferienimmobilie in Portugal i.H.v. 27.278 € in dieser Höhe als negative Progressionseinkünfte bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt werden.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
13Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
14Entscheidungsgründe
15Die Klage ist unbegründet.
16Der angegriffene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
17Der Beklagte hat den geltend gemachten Verlust aus der Vermietung der Eigentumswohnung der Kläger in Portugal zu Recht nicht bei der Bemessung des Steuersatzes unter Anwendung eines negativen Progressionsvorbehaltes gemäß §°32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt.
18Zwar sind nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG Einkünfte, die nach einem DBA steuerfrei sind, bei der Ermittlung des Steuersatzes einzubeziehen. Hiervon erfasst werden sowohl positive als auch negative Einkünfte. Artikel 6 Abs. 1 des DBA-Portugal sieht eine Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Quellenstaat vor. Nach Artikel 24 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Portugal behält die Bundesrepublik Deutschland nur das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Die in Portugal erzielten und dort zu besteuernden Einkünfte werden hingegen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen (Freistellungsmethode). Das DBA-Portugal weist damit das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Kläger aus ihrer in Portugal belegenen Immobilie Portugal zu. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG enthält jedoch eine Rückausnahme für Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem anderen Staat als in einem Drittstaat belegen sind. Im Ergebnis wird damit sowohl der negative als auch der positive Progressionsvorbehalt für nach einem DBA steuerfrei gestellte Vermietungseinkünfte aus in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat belegenen Immobilien ausgeschlossen.
19Die Nichtberücksichtigung des Vermietungsverlustes im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
20Nach Art. 56 Abs. 1 EG, jetzt Art. 63 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –, sind im Rahmen der Bestimmungen des Kapitels über den Kapital- und Zahlungsverkehr alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
21Nach dem von den Klägern zitierten Urteil des EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2009 – C‑35/08 –, Slg 2009, I-9807-9822, steht Art. 56 EG Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Einkommensteuer entgegen, wonach das Recht gebietsansässiger und unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einer Immobilie im Verlustentstehungsjahr von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen, von der Voraussetzung abhängt, dass die Immobilie im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist. Denn der darin liegende steuerliche Nachteil sei geeignet, eine solche Person sowohl davon abzuhalten, in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie zu investieren, als auch davon, eine solche in ihrem Eigentum stehende Immobilie zu behalten. § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG in der bis zur Änderung durch das JStG 2009 geltenden Fassung, wonach Verluste aus der Vermietung einer ausländischen Immobilie nur von späteren positiven Einkünften aus der Vermietung dieser Immobilie in Abzug gebracht werden durften, stelle daher eine mit Art. 56 EG nicht vereinbare Beschränkung des Kapitalverkehrs dar.
22Indessen kann im Streitfall die Versagung des Verlustabzugs aus einer im EU/EWR-Gebiet belegenen Immobilie bereits deshalb keine mit Art. 56 EG nicht vereinbare Beschränkung des Kapitalverkehrs sein, weil die Einkünfte der Kläger aus ihrer Eigentumswohnung in Portugal nach der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis im Wege der Freistellungsmethode, wie sie in den entsprechenden Regelungen des DBA erfolgt ist, nicht dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen. Derartige aufgrund eines DBA freigestellte Verluste aus EU/EWR-Staaten sind – symmetrisch zu den im Inland nicht zu versteuernden Gewinnen aus diesen Staaten – im Inland grundsätzlich nicht abziehbar, ohne dass dies dem Gemeinschaftsrecht zuwiderliefe (BFH-Beschluss vom 29. November 2006 – I R 45/05 –, BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398; BFH-Urteil vom 17. November 1999 – I R 7/99 –, BFHE 191, 18, BStBl II 2000, 605; EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 – C-414/06 –, BStBl II 2009, 692). Die ausnahmsweise Berücksichtigung sog. finaler Verluste, die im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (vgl. dazu: EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2005 – C-446/03 –, IStR 2006, 19), ist demgegenüber nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
23Allerdings hat der EuGH mit Urteil vom 21. Februar 2006 – C-152/03 –, Slg 2006, I‑1711, weiterhin entschieden, dass ein Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die im Inland ansässige und dort Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielende Steuerpflichtige aus einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen und von ihnen selbst genutzten Wohnhaus beziehen, mit der Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Art. 39 EG (vormals Art. 48 EWG-Vertrag) unvereinbar ist, wenn zugleich nach dem nationalen Recht positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezüglich eines solchen Hauses dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.
24Soweit sich daraus ergeben sollte, dass ein einseitiger Ausschluss des Progressionsvorbehalts für Verluste aus einer im EU/EWR-Gebiet belegenen Immobilie bei dessen gleichzeitiger Beibehaltung für positive Einkünfte aus einer solchen Quelle auch mit der gemeinschaftsrechtlich garantierten Kapitalverkehrsfreiheit kollidieren würde, käme ein solcher Verstoß gegen das Unionsrecht für das Streitjahr aber dennoch nicht in Betracht. Denn der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG i.d.F. des JStG 2009, die nach § 52 Abs. 43a Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2008 anwendbar ist, den Anwendungsbereich des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG dahingehend eingeschränkt, dass sowohl positive als auch negative Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von in einem EU/EWR-Staat belegenem unbeweglichen Vermögen nicht mehr dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Zugleich hat er auch die Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6a EStG ab dem 01.01.2009 auf Tatbestände beschränkt, die außerhalb von Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR verwirklicht werden. Der Gesetzgeber ging bei dieser die Änderung des § 2a EStG ergänzenden Ausgestaltung der Reichweite des Progressionsvorbehalts davon aus, dass Auslandsverluste unter dem Gesichtspunkt der EG‑Grundfreiheiten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden müssen, wenn im Gegenzug auch Auslandseinkünfte im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden (vgl. BT-Drucksache 16/10189, S. 53). Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat.
25Entgegen der Argumentation der Kläger führt die Neuregelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG i.d.F. des JStG 2009 nicht zu einer gemeinschaftsrechtswidrigen Ungleichbehandlung von Steuerinländern mit im EU/EWR-Raum erzielten passiven Einkünften im Sinne des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG gegenüber Steuerinländern mit entsprechenden inländischen Einkünften (so auch: Urteil des FG München vom 23. November 2015 – 7 K 3198/14 –, EFG 2016, 703; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 08. Juli 2014 – 4 K 1134/12 –, DStRE 2015, 1293, bestätigt durch BFH-Beschluss vom22. September 2015 – I B 83/14 –, BFH/NV 2016, 375; Urteil des FG Hamburg vom 06. Februar 2014 – 2 K 73/13 –, EFG 2014, 1000; Wagner in: Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, Werkstand: 145. EL Dezember 2018, § 32b EStG Rn. 31; Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 32b EStG Rn. 18; Heinicke in: Schmidt, EStG, 38. Auflage 2019, § 32b EStG Rn. 17; Pfützenreuther EFG 2016, 703; a.A.: Kuhn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 301. Lieferung 12.2020, § 32b EStG Rn. 11; Krippner in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 434. AL 02/2021, § 32b EStG Rn. 50a; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2010, 390).
26Zunächst ist die Situation der Kläger, die nach einem DBA steuerbefreite Einkünfte aus einem im EU/EWR-Gebiet belegenen Vermietungsobjekt beziehen, nicht unmittelbar vergleichbar mit dem Bezug steuerpflichtiger Einkünfte aus einem Vermietungsobjekt im Inland (vgl. dazu EuGH-Urteile vom 17. Dezember 2015 – C-388/14 –, BStBl II 2016, 362, und vom 12. Juni 2018 – C-650/16 –, IStR 2018, 502). Daher kann sich nur noch die Frage stellen, ob die Kapitalverkehrsfreiheit die Gewährung eines negativen Progressionsvorbehalts für von Steuerinländern im EU/EWR-Raum erzielte passive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gebietet, weil andernfalls Verluste nicht durch eine Minderung des Steuersatzes berücksichtigt werden können. Dies ist indessen zu verneinen, da es sich bei der Regelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. um eine folgerichtige symmetrische steuerliche Nichterfassung negativer und positiver Einkünfte handelt, die der Ausgewogenheit der durch die DBA vorgegebenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten dient und unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz des nationalen Steuersystems gerechtfertigt ist. Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Kohärenzprinzip kann der Eingriff in eine Grundfreiheit gerechtfertigt sein, wenn dieser Eingriff in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit der Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung steht (EuGH-Urteil vom 28.1.1992, C‑204/90, EuGHE I-1992, 249). Dementsprechend hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Februar 2006 – C-152/03 –, a.a.O., die Unionsrechtswidrigkeit eines einseitigen Ausschlusses des Progressionsvorbehalts damit begründet, dass diese aufgrund der zugleich vorgesehenen Berücksichtigung positiver Einkünfte bei der Steuerbemessung gerade nicht mit der Berufung auf steuerliche Kohärenz gerechtfertigt werden könne. Demgegenüber wird die Kohärenz des nationalen Steuersystems durch § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. gewahrt, indem positive und negative Einkünfte in gleicher Weise von der Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts ausgeschlossen sind und dadurch der geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen der Versagung und der Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung hergestellt wird.
27Die Rechtfertigung des Ausschlusses des Progressionsvorbehalts für passive Einkünfte wird nicht dadurch infrage gestellt, dass sie sich auf einzelne, eher verlustgeneigte Einkunftsquellen beschränkt (so im Ergebnis auch: Urteil des FG München vom 23. November 2015 – 7 K 3198/14 –, a.a.O.; a.A.: Kuhn in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., und Krippner in: Bordewin/Brandt, a.a.O.). Zwar kann der Schutz des Steueraufkommens nach der Rechtsprechung des EuGH nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet werden, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen eine Grundfreiheit verstoßenden Maßnahme angeführt werden kann (EuGH-Urteil vom 07. September 2004 – C-319/02 –, Slg 2004, I-7477). Dies bedeutet jedoch nicht im Gegenzug, dass jede dem Schutz des Steueraufkommens förderliche nationale gesetzliche Regelung ungeachtet ihrer Rechtfertigung durch legitime Ziele nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren wäre. Im Übrigen können, wie das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 08. Juli 2014 – 4 K 1134/12 –, a.a.O., zutreffend ausgeführt hat, für eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Berücksichtigung ausländischer Verluste bei der Berechnung des Steuersatzes keine anderen Grundsätze als für den unmittelbaren Abzug von der Besteuerungsgrundlage gelten. Insoweit hat der EuGH entschieden, dass unter Beachtung der Niederlassungsfreiheit Verluste ausländischer Betriebsstätten vom Ansässigkeitsstaat trotz abkommensrechtlicher Freistellung nur in dem Ausnahmefall in Abzug gebracht werden müssten, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass er im Betriebsstättenstaat alle Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft hat und keine Möglichkeit besteht, die Verluste in künftigen Steuerzeiträumen zu erfassen (sog. Finalität der Verluste; vgl. dazu EuGH-Urteile vom 13. Dezember 2005 – C-446/03 –, a.a.O., und vom 12. Juni 2018 – C-650/16 –, a.a.O.). Derartige Umstände sind im Streitfall indessen nicht einmal vorgetragen worden.
28Im Hinblick auf die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2009 mit dem Gemeinschaftsrecht lässt der Senat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.