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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob für die Klägerin eine Einlagenrückgewähr im Sinne von § 27 Abs. 8 KStG für das Jahr 2014 gesondert festzustellen ist.
3Am 15.02.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr für den Veranlagungszeitraum 2014 i.H.v. ... €. Zugleich stellte sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Im Hinblick auf die Verfristung trug sie vor, dass die Prozessbevollmächtigte am 02.06.2015 den Auftrag zur Erstellung des Antrags auf Feststellung der Einlagenrückgewähr schriftlich erhalten habe, die für die Bearbeitung der Eingangspost zuständige Frau A die Fristenrelevanz jedoch nicht erkannt habe. Die Prozessbevollmächtigte legte Auszüge aus dem Handbuch für den Unternehmensbereich Steuern vor. Des Weiteren verwies sie auf eine Büroanweisung für den Fachbereich Internationales Steuerrecht. Dort sei geregelt, dass fristbehaftete Vorgänge im DATEV-Fristenerfassungsprogramm erfasst werden müssten. Die gesamte Eingangspost werde in der Praxis von Frau A auf fristenrelevante Vorgänge geprüft und sodann erforderlichenfalls in dem DATEV-Programm erfasst. Anschließend werde die Erfassung durch einen Berufsträger auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Der eingegangene Auftrag sei von Frau A und der zu diesem Zeitpunkt dem Fachbereich zugeordneten Auszubildenden Frau B bearbeitet worden. In diesem Zusammenhang sei die Fristenrelevanz des Auftrags nicht erkannt worden, sodass auch keine Erfassung im DATEV-Programm erfolgt sei. Nach Unterrichtung des zuständigen Fachmitarbeiters über den Rücklauf des Auftragsangebots sei eine Ablage im Sekretariat erfolgt. Frau A sei seit 2010 für die Prozessbevollmächtigte tätig und seit 2014 im Sekretariat des Fachbereichs Internationales Steuerrecht unter anderem für die Fristenkontrolle zuständig. Diese Tätigkeit sei stets fehlerfrei ausgeübt worden. Die Überprüfung der Fristenerfassungen durch den zuständigen Berufsträger habe zu keinerlei Beanstandungen geführt. Folglich könne der Fehler von Frau A aufgrund ihrer sehr zuverlässigen Arbeitsweise der Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden. Es liege auch kein Organisationsverschulden vor, da die Organisationsabläufe grundsätzlich geeignet sein, Fehler bei der Fristenerfassung zu vermeiden. Der Fehler sei erst am 22.1.2016 durch Nachfrage eines Gesellschafters aufgefallen.
4Mit Bescheid vom 31.05.2016 lehnte der Beklagte die Feststellung der Einlagenrückgewähr ab. Er verwies auf den Fristablauf für den Veranlagungszeitraum 2014 am 31.12.2015. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme nicht in Betracht, da Irrtümer über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über das materielle Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen könne. Die Unkenntnis über die Rechtsvorschrift des § 27 Abs. 8 KStG sei als Irrtum über materielles Recht zu werten. Wer mit einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei, müsse sich erkundigen, anderenfalls treffe ihn an der Rechtsunkenntnis grundsätzlich ein Verschulden. Frau A sei eine Erfüllungsgehilfin des zuständigen Beraters. Dass ihr Handeln nicht hinreichend überwacht worden sei und Frau A ihrerseits die notwendigen rechtlichen Informationen nicht eingeholt habe, stelle einen Organisationsmangel dar.
5Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einem Einspruch vom 21.06.2016. Im Hinblick auf die Tätigkeit von Frau A hätte kein Anlass für besondere Überwachungsmaßnahmen bestanden, da sie eine erfahrene Angestellte gewesen sei und stets fehlerfrei gearbeitet habe. Die Frist des § 27 Abs. 8 KStG sei ihr bekannt gewesen, da vergleichbare Sachverhalte im Bereich Internationales Steuerrecht bei der Prozessbevollmächtigten häufiger vorkämen. Frau A habe letztlich die Fristenrelevanz nur übersehen. Darüber hinaus stehe Frau A ein zuständiger Berufsträger für Rückfragen zur Verfügung. Im Streitfall habe es lediglich ein unbeachtliches Büroversehen gegeben und keinen Organisationsmangel. Im Dezember 2015 seien die Unterlagen durch die Steuerassistentin Frau C gesichtet und fehlende Unterlagen durch den Steuerberater Herrn D bei der Klägerin angefordert worden.
6Im Übrigen sei die Antragsfrist unionsrechtswidrig.
7Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.02.2018 als unbegründet zurück. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Obwohl der Auftrag nicht wie vorgesehen im DATEV-Programm eingetragen worden sei, sei der fristbehaftete Vorgang vor Ablauf der Frist an den zuständigen Steuerberater und dessen Steuerassistenten gelangt. Spätestens bei Anforderung der Unterlagen durch den Steuerberater hätte eine Fristüberprüfung stattfinden müssen. Da die Fachbearbeitung des Antrags mit Vorlage des Vorgangs beim Steuerberater begonnen habe, sei das gegebenenfalls vorliegende Büroversehen der Sekretärin unbeachtlich. Es liege ein Verschulden des Vertreters vor, welches der Klägerin zuzurechnen sei. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob ein Büroversehen oder ein Organisationsmangel gegeben gewesen sei. Spätestens mit Vorlage des Vorgangs an den Steuerberater im Dezember 2015 sei das Hindernis, das in der Nichteintragung der Frist bestanden habe, weggefallen.
8Hiergegen richtet sich die Klage vom 31.03.2018.
9Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom ....2014 sei eine Auszahlung aus den Kapitalrücklagen der Gesellschaft i.H.v. ... an die Gesellschafter im ... 2014 erfolgt. Gewinnausschüttungen hätten wegen der dauerhaften Verlusterzielung nicht vorgenommen werden können. Die auf die Auszahlung bezogene gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr habe der Beklagte zu Unrecht verweigert. Der nach Ablauf der Antragsfrist gestellte Feststellungsantrag hätte auf Basis des Wiedereinsetzungsantrages positiv beschieden werden müssen. Zur weiteren Begründung verweist die Klägerin auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren.
10Darüber hinaus verstoße die in § 27 Abs. 8 S. 4 KStG geregelte Frist gegen das Europarecht. Die Fristenregelung schränke die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne von Art. 63 AEUV ein. Im Hinblick auf die Einlagenrückgewähr würden inländische Kapitalgesellschaften im Vergleich zu ausländischen Kapitalgesellschaften anders behandelt. Während bei Inländern die Einlagenrückgewähr aufgrund des steuerlichen Einlagekontos von Amts wegen festgestellt werde, erfolge eine Feststellung bei Ausländern nur auf Antrag. Dies sei Ausfluss des Territorialprinzips, die zu vergleichenden Sachverhalte seien in beiden Fällen jedoch gleich. Lediglich die unterschiedlichen Verfahren begründeten eine unterschiedliche Behandlung eines ansonsten gleichen Sachverhalts. Die Frist zur Feststellung der Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 S. 4 KStG sei einschränkender als die Frist zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG. Die hieraus resultierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sei nicht gerechtfertigt. Zweck des § 27 Abs. 8 KStG sei die Sicherstellung der Prüfungshoheit der Inlandsverwaltung für das Vorliegen einer steuerlichen Einlagenrückgewähr. Es sei bereits kaum nachvollziehbar, weshalb für Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten diese Prüfungshoheit anders geregelt sei, als für Drittstaatsfälle, in denen jeder Anteilseigner bei seinem zuständigen Finanzamt die Einlagenrückgewähr nachweisen könne. Jedenfalls erkläre die Prüfungshoheit nicht die kurze Antragsfrist des § 27 Abs. 8 KStG. Die kurze Antragsfrist sei nicht verhältnismäßig. Sie sei nicht notwendig, um Nachweisproblemen zu begegnen. Die Beweislast für die begehrte Feststellung liege beim Antragsteller, sodass diesbezüglich kein Risiko bei der Finanzverwaltung verbleibe. Die kurze Antragsfrist sei auch nicht erforderlich, um mögliche Zinsen zulasten des Fiskus zu vermeiden, da gemäß § 233a Abs. 2a AO insoweit keine Verzinsung ausgelöst werde. Die Frist sei auch nicht erforderlich, um Rechtssicherheit zu erlangen. Im Ergebnis liege eine ähnliche Interessenslage wie im Verhältnis von ausländischen Antragstellern und der Prüfungshoheit des Staates für einen steuerlichen Sachverhalt bei § 50d Abs. 1 EStG vor. Auch dort werde eine Besteuerung zunächst ausgelöst, die erst nach Prüfung durch die Finanzbehörde und auf Antrag durch den ausländischen Steuerpflichtigen beseitigt werde. Ebenso wie bei § 27 Abs. 8 KStG gehe es um die Sicherstellung der korrekten Besteuerung. § 50d Abs. 1 S. 9 EStG normiere aber eine Antragsfrist von vier Jahren. Es sei nicht ersichtlich, warum für die Einlagenrückgewähr eine abweichende Frist normiert worden sei.
11Letztlich verstoße die Fristenregelung auch gegen den Effektivitätsgrundsatz, da durch den Überraschungseffekt das Einhalten der kurzen Frist erschwert werde. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz vor. Ein solcher sei auch nicht gerechtfertigt. Der Hinweis auf die Unterschiede der steuerlichen Erfassung von Steuerinländern und -ausländern würde nur verfangen, wenn der deutsche Fiskus bei einer inländischen Kapitalgesellschaft die Nichtverwendung des Einlagekontos erzwingen könne.
12Im Verfahren VIII R 18/17 habe der BFH in der Entscheidung vom 27.10.2020 die Frage offengelassen, ob aufgrund der fehlenden individuellen Nachweismöglichkeiten einer Einlagenrückgewähr ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliege. Allerdings hätten in der Folge Stimmen in der Literatur das Verfahren nach § 27 Abs. 8 KStG als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot eingestuft (Fölsing, BB 2021, 1627).
13Schließlich verstoße die in § 27 Abs. 8 KStG enthaltene Fristenregelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der BFH habe in einer Entscheidung vom 8.6.2021 in der Sache VII R 44/19 zur Energiesteuer die Frage aufgeworfen, ob ein Mitgliedstaat eine Steuerermäßigung nach Ablauf einer in seinem Recht geregelten Antragsfrist verweigern dürfe, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Antrages noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die im deutschen Recht zur Energiesteuer normierte Frist entspreche der Antragsfrist des § 27 Abs. 8 KStG. Ebenso wie im Bereich der Energiesteuer sei nicht ersichtlich, dass die Antragsfrist bezüglich der Einlagenrückgewähr, die ungewöhnlich kurz sei, geeignet und notwendig sei, um eine korrekte Erhebung einer Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern.
14Die Klägerin beantragt,
15den Beklagten zu verpflichten, für das Jahr 2014 eine Einlagenrückgewähr gesondert festzustellen.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Im Hinblick auf die Wiedereinsetzungsproblematik führt der Beklagte aus, dass bereits fraglich sei, ob die Beantragung der Wiedereinsetzung am 15.02.2016 tatsächlich innerhalb eines Monats nach Wegfall des säumnisverursachenden Hindernisses erfolgt sei. Es sei bislang nicht klar, wer in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten auf die Gefahr eines Ablaufs der Frist nach § 27 Abs. 8 KStG hingewiesen habe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Fristbindung bereits bei Wiederauffindung des Vorgangs im Dezember 2015 aufgefallen sei. Darüber hinaus erfordere ein Wiedereinsetzungsantrag eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darstellung der wesentlichen Tatsachen. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen sei ausgeschlossen. Der Sachverhalt sei allerdings erst im laufenden Einspruchsverfahren und auf konkrete Nachfragen des Beklagten hin ergänzt worden. Die Angaben zum Dezember 2015 seien insoweit so wesentlich, dass sie nicht als bloße Detailergänzung angesehen werden könnten, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag als unvollständig zu beurteilen sei. Letztlich sei die Fristversäumnis auch verschuldet, da der zuständige Berufsträger im Dezember 2015 den Sachverhalt geprüft habe. Ihm hätte es offen gestanden, zum Ablauf des Jahres 2015 einen fristwahrenden Antrag zu stellen, selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht die kompletten Unterlagen gehabt haben sollte.
19Das Verfahren hat vom 22.10.2018 bis zum 03.03.2021 im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren VIII R 18/17 geruht.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist unbegründet.
221. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine gesonderte Feststellung einer Einlagenrückgewähr für das Jahr 2014, da sie ihren Antrag nicht fristgemäß gestellt hat.
24a. Gemäß § 27 Abs. 8 KStG kann eine Einlagenrückgewähr auch durch eine Körperschaft oder Personenvereinigung erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Die insoweit zu berücksichtigende Einlagenrückgewähr wird auf Antrag gesondert festgestellt. Nach Satz 4 ist der Antrag bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, der auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Leistung erfolgt ist.
25Diese Frist hat die Klägerin versäumt, weil sie den Antrag für die streitgegenständliche Einlagenrückgewähr des Jahres 2014 erst im Jahr 2016 gestellt hat.
26b. Der Beklagte hat zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
27War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 110 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Nach Absatz 2 ist der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen.
28Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Auftrag zur Erstellung eines Antrags auf Feststellung einer Einlagenrückgewähr im Juni 2015 bei der Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten Frau A eingegangen sei und diese versehentlich nicht das zur Einhaltung der Antragsfrist notwendige veranlasst habe. Hierauf kommt es im Hinblick auf die Frage, ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, indes nicht an. Bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat sich bereits im Dezember 2015, also noch vor Ablauf der Antragsfrist, der zuständige Berufsträger der Prozessbevollmächtigten mit der Angelegenheit befasst. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte somit der Antrag auf gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr gestellt werden können. Jedenfalls ist spätestens zu diesem Zeitpunkt das Hindernis im Sinne von § 110 AO, das einer rechtzeitigen Antragstellung entgegenstand, weggefallen, da die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen hat, weshalb der bearbeitende Berufsträger zu diesem Zeitpunkt nicht hat erkennen können, dass zum Ende des Jahres 2015 die Antragsfrist abläuft. Der Antrag ist tatsächlich aber nicht innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt, sondern erst im Februar 2016 gestellt worden. Damit fehlt es bereits an einem rechtzeitigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
29c. § 27 Abs. 8 KStG verstößt nicht gegen das Europarecht.
30Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV liegt nicht vor.
31Eine solche setzt voraus, dass die Situation der Klägerin mit der Situation einer inländischen Gesellschaft vergleichbar ist und eine unterschiedliche steuerliche Behandlung beider Gesellschaften nicht durch erhebliche unterschiedliche Verhältnisse gerechtfertigt ist (vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 13.11.2012, C-35/11, Test Claimants in the Fii Group Litigation, DStRE 2013, 596). Eine Beschränkung liegt also vor, wenn gleiche Sachverhalte ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich behandelt werden, wobei die Vergleichbarkeit eines Sachverhalts mit Gemeinschaftsbezug mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels ist (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 6.9.2012, C-18/11, Philips Electronics UK, DStRE 2013, 285).
32Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Verfahren zu Berücksichtigung einer Einlagenrückgewähr im Hinblick auf inländische und ausländische Gesellschaften liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Situation einer inländischen Gesellschaft nicht mit der Situation einer ausländischen Gesellschaft vergleichbar ist und daher keine wesentlich gleichen Sachverhalte ungleich behandelt werden. Für eine inländische Gesellschaft wird von Amts wegen ein steuerliches Einlagenkonto gemäß § 27 Abs. 1 KStG durch die Finanzverwaltung geführt, welches jährlich fortgeschrieben wird. Auf Basis des gesondert festgestellten Einlagekontos werden steuerlich beachtliche Einlagenrückgewährungen berücksichtigt. Bei einer ausländischen Gesellschaft ist es mangels Zuständigkeit der deutschen Finanzverwaltung naturgemäß nicht möglich, von Amts wegen ein steuerliches Einlagenkonto zu führen, so dass die Berücksichtigung einer Einlagenrückgewähr letztlich nur auf Basis eines Antrages erfolgen kann.
33Da auf dem Gebiet des Verfahrensrechts unionsrechtliche Vorschriften fehlen, ist die Ausgestaltung grundsätzlich Sache der einzelnen Mitgliedstaaten. Der Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf die Berücksichtigung einer Einlagenrückgewähr in Bezug auf Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten der EU dafür entschieden, ein Feststellungsverfahren zu normieren. In Ermangelung eines steuerlichen Einlagekontos bei ausländischen Gesellschaften durfte der Gesetzgeber ein solches Feststellungsverfahren normieren, um auf diesem Wege die unvermeidbaren Unterschiede, die sich aus dem fehlenden Einlagekonto ergeben, zu berücksichtigen. Daher liegt kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor (vgl. BFH v. 27.2.2018, I B 37/17, BFH/NV 2018, 841).
34Das Verfahren verstößt auch nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz, weil die im Gesetz geregelte Frist eine Antragstellung weder praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Je nach Zeitpunkt der Ausschüttung verbleibt einer Gesellschaft ein Zeitraum von mindestens einem bis nahezu zwei Jahren zur Antragstellung. Damit ist es möglich und zumutbar, innerhalb der Frist einen Antrag zu stellen. Eine Überforderung von ausländischen Gesellschaften erfolgt schon deshalb nicht, weil die inländischen Fristen zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer deutlich kürzer sind (vgl. BFH v. 27.2.2018, I B 37/17, BFH/NV 2018, 841). Dass der Gesetzgeber in anderen Konstellationen Fristen anders bemessen hat, führt nicht dazu, dass der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, auch im Rahmen des § 27 Abs. 8 KStG vergleichbare Fristen zu normieren. Im Bereich der steuerlichen Gesetzgebung existiert eine Vielzahl von Fristen, die nicht alle gleich ausgestaltet sind. Anders als die Klägerin meint, kann die Antragsfrist im Sinne des § 27 Abs. 8 KStG damit nicht als überraschend beurteilt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis auf die Entscheidung des BFH vom 8.6.2021 in der Sache VII R 44/19 (BFHE 272, 568). Im dortigen Verfahren wurde die Frage aufgeworfen, ob es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist, wenn wegen Fristablaufs ein Antrag nicht mehr möglich ist, obwohl noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Im vorliegenden Fall betrifft die Klägerin jedoch keine Festsetzungsverjährung, so dass die Erwägungen des BFH nicht übertragbar sind. Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 8 KStG eine Fristenregelung für die Antragstellung geschaffen, um nach dem im Gesetz bestimmten Zeitraum Rechtssicherheit zu schaffen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit ist – ebenso wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – gleichfalls integraler Bestandteil der Rechtsordnung der Union (vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 6.9.2012, C-273/11, juris).
35Der BFH hat das in § 27 Abs. 8 KStG normierte Feststellungsverfahren in seiner Entscheidung vom 27.02.2018 (I B 37/17 , BFH/NV 2018, 841) grundsätzlich als rechtmäßig eingestuft und seinerzeit lediglich die Frage aufgeworfen, dass europarechtlich erläuterungsbedürftig allenfalls der Umstand sein könne, dass der von der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zu stellende Antrag wirtschaftlich allein dem Interesse des Anteilseigners diene, und dieser keine eigene Nachweismöglichkeiten habe und damit die negativen Folgen einer Verfristung zu tragen habe. Diese Frage ist im Streitfall aber unerheblich, da nicht der Ausschüttungsempfänger, sondern die Klägerin als ausschüttende Gesellschaft das Feststellungsverfahren gerade betreiben wollte. Insoweit ist es auch nicht bedeutsam, dass Gesellschafter von ausschüttenden Gesellschaften aus Drittstaaten die Einlagenrückgewähr selbst nachweisen dürfen (BFH v. 10.4.2019 – I R 15/16, BFH/NV 2019, 1312), denn ein solches Nachweisbegehren eines Gesellschafters ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
36Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Verfahren auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor, den die Klägerin unter Berufung auf den Aufsatz von Fölsing (BB 2021, 1627) annimmt.
372. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
383. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht ersichtlich, der BFH hat sich bereits mit der Frage der Vereinbarkeit von § 27 Abs. 8 KStG mit dem Unionsrecht im Hinblick auf die für den vorliegenden Streitfall bedeutsamen Aspekte befasst.