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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf ... EUR festgesetzt.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Freistellung bzw. Erstattung von Abzugsteuern gemäß § 50d EStG i.V.m. Art. 10 DBA-Schweiz zusteht. Dabei ist insbesondere streitig, ob dem die Regelungen in § 50d Abs. 3 EStG entgegenstehen.
3Die Klägerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft. Alleinige Anteilseignerin der Klägerin ist die in Deutschland ansässige E GmbH als Obergesellschaft. Deren alleiniger Gesellschafter ist der in Deutschland wohnhafte Herr F. Die Gesellschaftsanteile übernahm er im Jahre 2013 von seinem Vater, Herrn F1, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Geschäftsführer der E GmbH sind Herr F1 und Herr F.
4Die Klägerin ist zu 100 % an der in Deutschland ansässigen K GmbH und zu 68,68 % an der ebenfalls in Deutschland ansässigen F GmbH beteiligt. Die übrigen Gesellschaftsanteile von 31,32 % der F GmbH hält die K GmbH. Demgemäß ergibt sich folgende Beteiligungsstruktur innerhalb des E-Konzerns (sog. Mäander-Struktur):
5
Der historische Ursprung des E-Konzers liegt in der F-Firmengruppe, die in den ...er Jahren von Herrn F2, ... des jetzigen Geschäftsführers der deutschen Obergesellschaft, Herrn F, gegründet und aufgebaut wurde. Als Herr F2 ... verstarb, gehörten zur Firmengruppe Unternehmen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden.
10Nach den Schilderungen der Klägerin entschied sich die Ehefrau des Herrn F2 in der Nachkriegszeit aufgrund der schlechten und ungewissen wirtschaftlichen Lage in Deutschland und Frankreich und auch, um staatliche Enteignungen, wie sie nach Ende des Krieges hingenommen werden mussten, zukünftig zu vermeiden, die Konzernspitze in die Schweiz zu verlegen. Zu diesem Zwecke wurden die Unternehmensbeteiligungen an die E Holding AG mit Sitz in R (Schweiz) veräußert. Hierbei habe sie sich, ohne dass hierzu der Klägerin noch Genaueres bekannt ist, die wirtschaftliche Berechtigung vorbehalten.
11Nach der Verlagerung der Konzernspitze in die Schweiz wurde eine Konzernstruktur mit Tochtergesellschaften vor allem in Deutschland, den Niederlanden, den USA, Südafrika und Australien errichtet.
12Im Jahre 2012 wurde die deutsche E GmbH mit Sitz in B gegründet. Deren alleiniger Gesellschafter war zunächst Herr F1, der im Jahr 2013 sämtliche Aktien an der Klägerin in die E GmbH einbrachte.
13Verwaltungsrat der Klägerin ist aktuell Herr V, Schweizer Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der diese Funktion von dem früheren Verwaltungsrat, dem Schweizer ... Herrn T übernahm.
14Jeweils am 10. September 2013 schütteten aufgrund entsprechender Gesellschafterbeschlüsse die K GmbH und die F GmbH aus dem Jahresüberschuss zum 31. Dezember 2012 jeweils ... EUR (brutto) an die Klägerin aus. Hiervon behielten die K GmbH bzw. die F GmbH jeweils ... EUR Kapitalertragsteuer zzgl. ... EUR Solidaritätszuschlag ein und führten diese Beträge an das Finanzamt B ab.
15Mit Antrag vom 19. September 2014 (Eingang beim Beklagten am 29. Oktober 2014) beantragte die Klägerin gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG bzw. Art. 10 DBA-Schweiz die Erstattung der deutschen Abzugsteuer, die bezüglich der im Jahre 2013 erfolgten Dividendenausschüttungen seitens der K GmbH und der F GmbH einbehalten und abgeführt wurden, mithin insgesamt ... EUR.
16Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2015 ab mit dem Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG und der Begründung, es sei keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin nachgewiesen worden. Zudem fehle es an wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen für die Einschaltung der Klägerin in den Konzernverbund.
17Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2017 als unbegründet zurück.
18Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass die Freistellung der streitigen Dividendenausschüttungen gemäß Art. 10 Abs. 1, 3 DBA-Schweiz zu erfolgen habe, da allein der Schweiz das Besteuerungsrecht bezüglich der ausgeschütteten Dividenden zustehe. Zudem gelte gemäß Art. 15 Zinsbesteuerungsabkommen (ABl. EU Nr. L 385/2004, 30) vorbehaltlich nationaler Missbrauchsvorschriften ein Quellenbesteuerungsverbot für konzerninterne Zahlungen von Dividenden. Aufgrund dieses Zinsbesteuerungsabkommens seien die europäischen Grundfreiheiten bei Umsetzung des Abkommens auch für die in der Schweiz ansässige Klägerin anwendbar.
19Zwar könne sich die in der Schweiz ansässige Gesellschaft nicht unmittelbar auf die europarechtliche Mutter-Tochter-Richtlinie berufen, gleichwohl seien die vom EuGH im Urteil vom 20. Dezember 2017 (C-504/16) aufgestellten Grundsätze entsprechend anwendbar, jedenfalls mittelbar über Art. 15 Zinsbesteuerungsabkommen. Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG, der grundsätzlich einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Erstattungs- oder Freistellungsanspruchs regeln könne, seien nicht erfüllt.
20Bei § 50d Abs. 3 EStG handele es sich um eine spezialgesetzliche Anti-Missbrauchsvorschrift, die die Versagung von Vorteilen im Gestalt der Befreiungs- oder Ermäßigungsansprüche nach den §§ 43b, 50g EStG oder nach Abkommensrecht regele, soweit auf diese ohne Ein- oder Zwischenschaltung der betroffenen Gesellschaft kein Anspruch bestehen würde. Die Vorschrift ziele daher ausschließlich auf Fälle, in denen sich nicht entlastungsberechtigte Personen die Vergünstigungen eines DBA oder die Ein- bzw. Zwischenschaltung einer Gesellschaft zu „erschleichen“ suchen.
21Entgegen der Ansicht des Beklagten sei das Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Missbrauchsvorschrift stets dann unbeachtlich, wenn die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht missbräuchlich erfolgt sei. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Norm, jedoch aus dem Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und infolge einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift. Sie sei daher nicht anwendbar, wenn das Vorliegen eines Missbrauchs eindeutig widerlegt werden könne. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, typisierend zu regeln, wann die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft grundsätzlich missbräuchlich sei, der Gesellschaft müsse jedoch die Möglichkeit gegeben werden, nachzuweisen, dass trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 3 EStG im konkreten Fall ein Missbrauch nicht vorliege.
22Daraus folge, dass die Erstattung von Abzugsteuern einer ausländischen Gesellschaft stets dann zu gewähren sei, wenn bzw. soweit Personen an ihr beteiligt seien, denen die Erstattung oder Freistellung zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Soweit in § 50d Abs. 3 EStG auf „die“ Erstattung oder Freistellung der Abzugsteuern abgestellt werde, zeige sich, dass die Norm gerade nicht auf „diese“ Erstattung oder Freistellung im Sinne von § 50d Abs. 1 oder 2 EStG abstelle. Ausreichend sei somit, wenn die hinter der ausländischen Gesellschaft stehenden Personen in irgendeiner Weise, d.h. nicht zwingend gemäß § 50d Abs. 1 oder 2 EStG, einen Anspruch auf Freistellung oder Erstattung von Quellensteuer besäßen. Für eine wirksame Vermeidung eines „treaty-shoppings“ bedürfe es keiner tatbestandlichen Anknüpfung an die Quellensteuerentlastung nach § 50d Abs. 1 oder 2 EStG. Vielmehr genüge es, wenn im Rahmen der Prüfung darauf abgestellt werde, inwieweit die an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Personen auch ohne Zwischenschaltung der Gesellschaft von der inländischen Quellensteuer entlastet würden. Würde sich die Prüfung auf Entlastungen gemäß § 50d Abs. 1 oder 2 EStG beschränken und nicht auch andere Entlastungsvorschriften wie beispielsweise die Anrechnung oder Erstattung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, die wirtschaftlich zu keinem anderen Ergebnis führen würde, würde dies Sinn und Zweck der Missbrauchsnorm sachlich nicht gerecht werden.
23In der weiteren Folge sei § 50d Abs. 3 EStG im Grundsatz auch bei an der ausländischen Gesellschaft beteiligten inländischen Personen anzuwenden, mithin auch auf die hier vorliegende Mäander-Struktur. Allerdings sei die Norm konkret nicht einschlägig, da die Einschaltung der Klägerin nicht missbräuchlich erfolgt sei.
24Die Klägerin sei ursprünglich aus wirtschaftlichen und politischen Beweggründen in der Schweiz gegründet worden, um einerseits nach den Erfahrungen der Familie F mit Enteignungen nach dem Krieg, andererseits aufgrund der seinerzeit schlechten wirtschaftlichen und unsicheren politischen Lage in Frankreich und Deutschland die Konzernspitze in die politisch neutral und stabil geltende Schweiz zu verlegen. Ziel der Verlagerung der Konzernspitze und der Schaffung der Beteiligungsstruktur sei daher, die Absicherung des Unternehmens gegen ökonomische und politische Unwägbarkeiten. Dies stelle einen beachtlichen außersteuerlichen Grund dar.
25Zudem sei die deutsche E GmbH in B nicht zuletzt gegründet worden, um für die deutschen Finanzbehörden eine größere Transparenz zu schaffen. Dies bestätige einmal mehr, dass es sich letztendlich um eine „deutsche Formengruppe“ handele und damit eine Missbrauchsgestaltung fernliege.
26Hinzu komme, dass keine Ein- oder Zwischenschaltung der Klägerin zu Missbrauchszwecken vorliege, da abkommensrechtliche Vorteile („treaty-shopping“) bei der seinerzeitigen Etablierung der Konzernstruktur nicht bestanden hätten. Ebenso wenig unbeachtlich sei der Hinweis des Beklagten, die vorliegende Firmenstruktur sei bereits im Zusammenhang mit einer Steuerverkürzung aufgefallen. Bei der steuerstrafrechtlichen Problematik, auf die der Beklagte anspiele, handele es sich um eine Angelegenheit, die in erster Linie die hinter der Firmengruppe stehenden Anteilseigner betreffe und nicht die Gesellschaften oder gar die Struktur des Konzerns als solche.
27Auch der BFH (Urteil vom 31. Mai 2005, I R 74, 88/04) habe mit der Begründung, die Zwischenschaltung einer Gesellschaft sei gerade nicht erfolgt, um abkommensrechtlich Erstattungsvorteile zu erlangen, die Anwendung der Vorgängerregelung (§ 50d Abs. 1a EStG) abgelehnt, obgleich an der betreffenden Holdinggesellschaft Personen beteiligt waren, denen die Steuerentlastung nicht zugestanden hätte, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielt hätten.
28Im Übrigen würden die Voraussetzungen für eine Versagung des Erstattungsanspruchs aber auch dann nicht vorliegen, wenn man den Anwendungsbereich der Regelung von § 50d Abs. 3 EStG dennoch als eröffnet ansehe. Zum einen dürfe die Entlastungsberechtigung nicht allein auf § 50d Abs. 1 und 2 EStG beschränkt werden, da ansonsten diese Prüfung bei Steuerinländern, wenn sie die Ausschüttungsbeträge unmittelbar bezogen hätten, niemals positiv ausfallen könne, da bei Bezug inländischer Einkünfte durch einen Inländer weder ein DBA noch die §§ 43b, 50g EStG eingreifen könnten. Dies widerspräche jedoch dem Gesetzeszweck. Vorliegend wäre die an der Klägerin beteiligte Person, die in Deutschland ansässige E GmbH, bei direkten Empfang der Dividenden auch ohne § 50d Abs. 1 oder 2 EStG im Ergebnis in vollem Umfang entlastungsberechtigt. Die Ausschüttungen der K GmbH und der F GmbH blieben auf Ebene der E GmbH als Tochtergesellschaft gemäß § 8b Abs. 1, 4 KStG steuerfrei. Zwar ließe dies einen Quellensteuerabzug gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG unberührt. Jedoch würde die von § 8b Abs. 1 S. 1 UStG vorgeschriebene Steuerbefreiung durch Anrechnung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer auf die festgesetzte Körperschaftsteuer erreicht bzw. könne eine Erstattung beantragt werden (vgl. § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG).
29Demgemäß könne die E GmbH weder nach nationalem noch nach Abkommensrecht aufgrund der Existenz der Schweizer Gesellschaft, der Klägerin, einen Steuervorteil erzielen. Daher könne naturgemäß auch kein Missbrauch vorliegen, welcher durch § 50d Abs. 3 EStG zu verhindern wäre. Auf die technische Umsetzung der Kapitalertragsteuerentlastung komme es nicht an, sondern lediglich auf das wirtschaftliche Ergebnis der fiktiven Entlastungsprüfung. Daher dürfe der ausländischen Gesellschaft, vorliegend der Klägerin, die Entlastung nicht versagt werden, soweit bei unmittelbarem Bezug nach nationalem Recht ein nicht steuerbarer oder steuerfreier Vorteil vorläge.
30Das Argument des Beklagten, ein Missbrauch könne auch darin liegen, dass im Ausland die ausgeschütteten Gewinne in der ausländischen Gesellschaft thesauriert werden könnten, da dadurch eine Verlagerung von Substrat sowie ein Abschmelzen von steuerlichen Bemessungsgrundlagen in Deutschland einträte, oder das unversteuerte Ausschüttungen sodann als Darlehen zurückgewährt werden könnten, verfange im Streitfall nicht. Zunächst würde bei einer Weiterausschüttung der Erträge an die deutsche Obergesellschaft das Besteuerungsrecht hieran Deutschland zustehen. Zudem würde die Auffassung des Beklagten dazu führen, dass damit die Tätigkeit einer ausländischen Gesellschaft, die ihrerseits Darlehen an Konzerngesellschaften gewähre und damit eine als sog. aktive Wirtschaftstätigkeit allgemein anerkannte Tätigkeit ausübe, als potentiell missbräuchlich inkriminiert werde. Dies sei aber nicht die Intention des Gesetzgebers, der für unerwünschte (grenzüberschreitende) Finanzierungsgestaltungen die spezialgesetzliche Regelung zur Zinsschranke (§§ 4h EStG, 8a KStG) eingeführt habe.
31Soweit mit der Ansicht des Beklagten im vorliegenden Falle einer Mäander-Struktur eine Kapitalertragsteuererstattung zu Gunsten der ausländischen Gesellschaft ausscheide, würde dies die ausgewogene, zwischen den Staaten (in DBA) vereinbarten Besteuerungsbefugnisse beeinträchtigen. Da hierfür, wie im vorliegenden Fall, kein Anlass für die Vermeidung von missbräuchlichem „treaty-shopping“ bestehe, sei zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse von der Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG abzusehen.
32In der Versagung der Erstattungsberechtigung sei auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen, denn bei einer nicht in Deutschland, sondern in einem anderen ausländischen Staat, mit dem Deutschland bezüglich Dividendenerträge die Freistellungsmethode vereinbart hätte, ansässigen Obergesellschaft wäre § 50d Abs. 3 EStG nicht anwendbar mit der Folge, dass die Klägerin einen Anspruch auf Quellensteuerentlastung hätte. Dies würde dann jedoch zu einer Ungleichbehandlung führen, da die Entlastung von Quellensteuer versagt würde, allein weil an der im Inland beschränkt steuerpflichtigen Klägerin wiederum ein Steuerinländer beteiligt sei (sog. Inländerdiskriminierung). In beiden Fällen läge jedoch eine ausländische Gesellschaft mit inländischen Einkünften im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG vor, deren Anteilseigner die Quellensteuerentlastung bei direktem Bezug der Erträge im Ergebnis zu 100 % zustände. Allerdings würde nach Ansicht des Beklagten lediglich in dem Fall, in dem es sich bei der Obergesellschaft nicht um eine inländische Gesellschaft handele, die Entlastung gemäß § 50d Abs. 1 oder 2 EStG gewährt. Für diese Ungleichbehandlung sei kein legitimer Differenzierungsgrund ersichtlich.
33Für die Gewährung der von der Klägerin begehrten Steuerentlastung würden auch europarechtliche Erwägungen sprechen, wenngleich es sich im Streitfall nicht um einen innereuropäischen Fall handele. Wenn die Klägerin nicht in der Schweiz, sondern in einem EU-Staat ansässig wäre, läge ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vor.
34Ungeachtet dessen scheide eine Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG auch deshalb aus, weil sich die Tätigkeit der Klägerin nicht in einer bloßen passiven Beteiligungsverwaltung erschöpfe. Vielmehr übe die Klägerin eine eigene Wirtschaftstätigkeit aus. Hieran dürften keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Eine eigene Wirtschaftstätigkeit liege vor, da die Klägerin als weltweite Konzernspitze zahlreicher Tochtergesellschaften, insbesondere in Deutschland, den Niederlanden, den USA, Australien folgende Funktionen wahrnehme:
35- Strategische Führung der Firmengruppe und deren Tätigkeiten im In- und Ausland durch Überwachung der Geschäftsführung der einzelnen Konzerngesellschaften,
36- Marktaufteilung bezüglich der Produkte der Firmengruppe und Entscheidungen über neue Produktions- und Vertriebsstandorte,
37- Entscheidungen über M&A-Aktivitäten,
38- Koordination der Finanzierung der oben genannten Aktivitäten sowie die Sicherstellung einer ausreichenden Liquidität aller Gesellschaften.
39Die Finanzierung der einzelnen Konzerngesellschaften werde in erster Linie durch Finanztransaktionen (Kredite, Kapitalerhöhungen etc.) zwischen den Konzerngesellschaften durchgeführt. Im Bedarfsfalle habe die Klägerin aber auch selbst Gesellschafterdarlehen an Tochtergesellschaften gegeben. Allerdings habe die Tätigkeit der Klägerin als Finanzierungsgeberin in den letzten Jahren abgenommen, da die jeweiligen Gesellschaften ihre Gewinne aufgrund der vorliegenden, ungeklärten Streitfragen einstweilen nicht an die Klägerin ausgeschüttet hätten.
40Schließlich bestünden vorliegend im Hinblick auf die Historie und die Gründe für ihre Errichtung der Klägerin wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe für ihre Einschaltung. Ein wirtschaftlicher Grund sei gegeben, da die ausländische Gesellschaft das Halten der Beteiligung an den Konzerngesellschaften auf eigene Rechnung und funktional eigenwirtschaftlich erfülle und somit eigenwirtschaftlich tätig sei. Sonst beachtliche Gründe für die Etablierung der Konzernstruktur wie vorliegend seien gegeben, da die existierende Beteiligungsstruktur historisch gewachsen und zuvörderst der Absicherung des Unternehmens gegen wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten diene. Jedenfalls die Entscheidung, diese historisch gewachsene Struktur nunmehr weiter aufrechtzuerhalten, sei wirtschaftlich beachtlich.
41Zweifel dahingehend, dass die Klägerin in der Schweiz einen in angemessener Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unterhalte, würden ebenfalls nicht durchgreifen. In der Schweiz erfülle zuvörderst Herr V als Verwaltungsrat die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben. Der Verwaltungsrat der Klägerin nehme an Gesellschafterversammlungen teil, treffe Entscheidungen über Geldanlagen, Darlehens- bzw. Leasinggewährungen, verantworte die Buchhaltung und Vermögensverwaltung und nehme regulatorische Aufgaben war. Eine Gesellschaft, die innerhalb einer fiktiven Unternehmensgruppe langfristig Beteiligungen halte, sei nicht automatisch als funktionslose Briefkastengesellschaft anzusehen, wenn sie keine eigenen Büroräume, kein eigenes Personal und kein eigenes Telefon-/Faxgerät besitze.
42Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 8. Mai 2017 (Bl. 43 ff. der Gerichtsakte -GA-) und vom 23. April 2018 (Bl. 89 der GA) Bezug genommen.
43Die Klägerin beantragt,
44unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 24. September 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2017 den Beklagten zu verpflichten, den Freistellungsbescheid bezüglich der 2013 erfolgten Dividendenausschüttungen der K GmbH und der F GmbH entsprechend dem Antrag vom 19. September 2014 zu erlassen und den Betrag von ... EUR (Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag) zu erstatten.
45Der Beklagte beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Der Beklagte trägt im Anschluss an die Einspruchsentscheidung vor, dass die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt seien und demnach die begehrte Kapitalertragsteuererstattung ausscheide.
48Der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin, der in Deutschland ansässigen E GmbH, stünde eine entsprechende Vergünstigung (Steuerentlastung) nicht zu, soweit sie die Einkünfte unmittelbar erzielen würde. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine sog. Mäander-Struktur, bei der ein Inländer mittelbar an einer inländischen Gesellschaft beteiligt sei und sich diese mittelbare Beteiligung aus einer ausländischen Gesellschaft begründe. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es notwendig, eine solche Struktur der Prüfung des § 50d Abs. 3 EStG zu unterziehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es durch die Einschaltung der schweizerischen Muttergesellschaft zu einem Steuervorteil. Durch die Zwischenschaltung der Klägerin bestehe für deren inländische Anteilseignerin die Möglichkeit, z.B. durch unversteuerte Ausschüttung und Rückgewähr als Darlehen oder durch Thesaurierung Steueraufkommen von Deutschland in die Schweiz zu verlagern, ohne dass hierfür ein wirtschaftlicher Grund existiere. Durch die Ablehnung der beantragten Kapitalertragsteuererstattung werde gerade verhindert, dass Deutschland Steuersubstrat entzogen werde.
49Zudem fehle es an einer eigenen Wirtschaftstätigkeit der Klägerin, da diese ihre Bruttoerträge ausschließlich aus der Verwaltung eigenen Vermögens erziele. Eine eigene Wirtschaftstätigkeit setze eine über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus. Dies erfordere, dass die ausländische Gesellschaft im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig am wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Für eine eigene Wirtschaftstätigkeit im Sinne von § 50d Abs. 3 EStG müssten die Erträge durch die Gesellschaft selbst, mithin durch vorhandenes eigenes Personal erwirtschaftet werden. Ein Missbrauch im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn keine materielle Präsenz in Form von Geschäftsräumen, Personal und technische Ausstattung bestehe und die Tätigkeit der Gesellschaft nicht zu einer eigenen Wertschöpfung führe.
50Die Klägerin erziele keine Erträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit, sondern vielmehr zum Großteil aus Beteiligungen (im Wirtschaftsjahr 2012 i.H.v. 64,97 %; im Wirtschaftsjahr 2013 i.H.v. 99,72 %). Die übrigen Erträge stammten ausschließlich aus Zinserträgen und Kursgewinnen. Zwar könne eine eigene Wirtschaftstätigkeit auch bezogen auf Beteiligungserträge durch Wahrnehmung geschäftsleitender Funktionen ausgeübt werden. Allerdings handele es sich bei der Klägerin um eine reine Holdinggesellschaft, die keinen weiteren Geschäftsbetrieb unterhalte. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie geschäftsleitende Funktionen gegenüber ihren Tochtergesellschaften ausübe, also eine aktive Beteiligungsverwaltung erbringe. Hierbei komme es darauf an, dass auf das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft(en) tatsächlich Einfluss genommen werde. Dies erfordere Führungsentscheidungen, die sich durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung, die sie für den Bestand der Beteiligungsgesellschaft haben, auszeichnen. Die Durchführung einzelner Geschäftsfunktionen reiche für die Annahme einer aktiven Beteiligungsverwaltung nicht aus. Vorliegend habe die Klägerin keinerlei Unterlagen (Dienstleistungsverträge, Besprechungsprotokolle, Korrespondenzen) oder sonstige Nachweise über aussagekräftige Entscheidungen der Klägerin gegenüber ihren Tochtergesellschaften oder im Rahmen der Unternehmenspolitik/Investitionspolitik des Konzerns getroffene Entscheidungen vorgelegt.
51Eine eigene Wirtschaftstätigkeit im Zusammenhang mit Zinserträgen und Kursgewinnen könne zudem nur dann angenommen werden, wenn diese aus der Anlage entlastungsberechtigter Gewinne derselben Gesellschaft stammen würden. Hierzu habe die Klägerin jedoch keinen Nachweis erbracht.
52Schließlich lägen im Streitfall auch keine anzuerkennenden wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe im Sinne von § 50d Abs. 3 EStG vor. Diese Beurteilung habe aus Sicht des Gesellschafters zu erfolgen, der die ausländische Gesellschaft eingeschaltet habe. Hier weise der seitens der Klägerin vorgebrachte Grund, der Standort in der Schweiz habe sich historisch entwickelt und sei im Hinblick auf die politische Neutralität der Schweiz angestrebt worden, keine anzuerkennende (ausreichende) wirtschaftliche oder sonst beachtliche Bedeutung auf.
53In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergänzte der Beklagte seinen Vortrag dahingehend, dass die von der Klägerin begehrte Erstattung der Abzugsteuern, weil allein der Schweiz gemäß Art. 10 Abs. 1, 3 DBA-Schweiz das alleinige Besteuerungsrecht an den ausgeschütteten Dividenden zustehe, generell voraussetze, dass die Geldzuflüsse erhaltene Gesellschaft, d.h. die Klägerin, in der Schweiz ansässig sei. Die Ansässigkeit einer juristischen Person bestimme sich gemäß Art. 4 Abs. 8 DBA-Schweiz nach dem Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung. Das Besteuerungsrecht ändere sich, wenn eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten eine Betriebsstätte in dem anderen Staat habe und die Einkünfte durch diese Betriebsstätte erziele; dann habe gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte. Eine Betriebsstätte setze eine feste Geschäftseinrichtung voraus, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werde; insbesondere der Ort der Leitung gelte als Betriebsstätte (vgl. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Schweiz).
54Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin den Sitz der geschäftlichen Oberleitung ausschließlich in Deutschland, so dass sie dort der unbeschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht unterliege. Hierzu verweist der Beklagte auf die Auswertung der bei der Alleingesellschafterin der Klägerin durchgeführten Außenprüfungen für die Jahre 2010 bis 2015. Hiernach habe die Alleingesellschafterin der Klägerin schon vor dem hier maßgeblichen Streitzeitraum 2013 seit mehreren Jahren den Konzern örtlich von Deutschland aus geleitet (vgl. geänderter Teilbericht über die Verrechnungspreisprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung P vom 2. Oktober 2019, Bl. 121 der GA). Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung P sei die Klägerin (sowie eine weitere beteiligte Schweizer Gesellschaft) in der Schweiz wirtschaftlich inaktiv und damit das wirtschaftliche Ergebnis aus den von diesen Gesellschaften gehaltenen Beteiligungen unmittelbar dem wirtschaftlich Berechtigten, seinerzeit Herrn F1, zuzurechnen. Dieses Ergebnis werde letztendlich durch die Gründung der E GmbH im Dezember 2012 als alleinige der Klägerin übergeordnete Gesellschaft bestätigt. Infolge der damit gegebenen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sei gemäß Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz die von der Klägerin begehrte Freistellung/Erstattung gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. dem DBA-Schweiz ausgeschlossen. Insoweit werde die Klägerin darauf verwiesen, sich mit dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt hinsichtlich der Besteuerung der streitigen Gewinnausschüttungen zu verständigen.
55Unabhängig davon bleibe es aber dabei, dass infolge der wirtschaftlichen Inaktivität der Klägerin an ihrem statutarischen Sitz in der Schweiz der geltend gemachte Freistellungs-/Erstattungsanspruch gemäß 50d Abs. 3 EStG ausscheide.
56Die Klägerin könne sich schließlich bei Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG nicht auf einen Verstoß gegen Unionsrecht berufen, so dass § 50d Abs. 3 EStG uneingeschränkt anwendbar und damit die typisierenden Kriterien nach dem Gesetzeswortlaut zu berücksichtigen seien. Ein einzelfallbezogener Motivtest sei daher nicht durchzuführen.
57Es liege keine Verletzung europarechtlich gewährter Grundfreiheiten vor. Die statutarisch in der Schweiz ansässige Klägerin könne sich nicht generell auf unionsrechtliche Grundfreiheiten berufen. Bei der Prüfung, welche EU-Grundfreiheit einschlägig sein könne, sei auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen. Eine Regelung zur steuerlichen Behandlung von Dividenden könne in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV oder der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV fallen. Beurteilungsmaßstab sei, ob die Regelung nur auf Beteiligungen anwendbar sei, die es ermöglichten, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, oder ob es sich um eine reine Geldanlage ohne Einfluss auf das gehaltene Unternehmen handele (vgl. EuGH vom 11. September 2014, C-47/12).
58Bezogen auf den vorliegend maßgeblichen § 50d Abs. 3 EStG könne aus dem Regelungsgegenstand selbst nicht geschlossen werden, unter welche Grundfreiheit die Norm falle (vgl. EuGH vom 13. November 2012, C-35/11), denn die Regelung sei nicht nur auf Dividenden anwendbar, die eine Gesellschaft auf der Grundlage einer Beteiligung erhalte, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der ausschüttenden Gesellschaft verleihe, sondern auch auf Dividenden, die auf der Grundlage einer Beteiligung bezogen würden, die keinen solchen Einfluss verleihen würden.
59In einem solchen Fall sei zwischen Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat und Dividenden aus einem Drittstaat zu unterscheiden. Handele es sich wie hier um Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat, seien die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles, und damit die Höhe der konkreten Beteiligung, zu berücksichtigen, um zu prüfen, ob Art. 49 AEUV oder Art. 63 AEUV einschlägig sei. Von einem sicheren Einfluss auf eine Tochtergesellschaft könne regelmäßig ab einer Beteiligungshöhe von 25 % ausgegangen werden. Dies sei vorliegend gegeben, da die Klägerin an beiden Tochtergesellschaften, die die streitigen Gewinnausschüttungen vorgenommen hatten, mehrheitlich beteiligt gewesen sei.
60Aufgrund dessen fände vorliegend allenfalls die Niederlassungsfreiheit Anwendung, um einen Verstoß gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten zu prüfen. Allerdings könnten sich auf diese Grundfreiheit nur Personen berufen, die in einem EU‑Mitgliedstaat ansässig seien. Die Kapitalverkehrsfreiheit, auf die sich auch Personen, die außerhalb der EU oder des EWR ansässig seien – wie hier die Klägerin –, berufen könnten, komme in derartigen Fällen auch dann nicht zum Tragen, wenn die nach dem Regelungsgehalt an sich einschlägige Niederlassungsfreiheit nicht eingreife. Insoweit trete die auch drittstaatenschützende Kapitalverkehrsfreiheit hinter die auf den EU-Raum begrenzten EU-Grundfreiheiten (Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit) zurück.
61Das Streitverfahren ruhte aufgrund Beschlusses vom 22. November 2017 (Bl. 79 der GA) im Hinblick auf das seinerzeit beim EuGH anhängige Verfahren C-440/17. Im Zuge des hierzu ergangenen Urteils des EuGH kam es jedoch nicht zu einer Abhilfeentscheidung zu Gunsten der Klägerin, da der Beklagte die Entscheidung des EuGH vom 22. Dezember 2017 (C-504/16, C-613/16) nur auf Fälle anwendet, in denen ein Anspruch aus § 43b EStG abgeleitet wird, nicht hingegen bei Erstattungsansprüchen auf Grundlage eines DBA.
62Entscheidungsgründe
63Die Klage ist unbegründet.
64Der Ablehnungsbescheid vom 24. September 2015 sowie die hierzu ergangene Ein-spruchsentscheidung vom 3. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erlass des begehrten Freistellungsbescheides gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Erstattung des begehrten Kapitalertragsteuerbetrages zu.
65Die Klage hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil sich die Klägerin nicht auf die Begünstigung nach dem DBA-Schweiz (Art. 10 Abs. 1, 3) berufen kann, da sie über eine Betriebsstätte im Inland verfügt und daher als in Deutschland ansässig anzusehen ist (dazu nachfolgend unter II.). Selbst wenn die Klägerin abkommensberechtigt wäre, hätte die Klage dennoch keinen Erfolg, denn in diesem Falle würde dem Erstattungsbegehren der Klägerin § 50d Abs. 3 EStG (2012) entgegenstehen, der vorliegend uneingeschränkt anwendbar ist (dazu nachfolgend unter III.). Im Übrigen kann die Klage auch keinen Erfolg haben, wenn man mit der Klägerin das Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der EU und der Schweiz im Streitfall für anwendbar hält. Denn auch in diesem Fall wäre die Missbrauchsvorschrift von § 50d Abs. 3 EStG in vollem Umfang anwendbar und würde dem Erstattungsanspruch der Klägerin entgegenstehen (dazu nachfolgend unter IV.).
66I. Können Einkünfte, die dem Steuerabzug u.a. vom Kapitalertrag unterliegen, gemäß §§ 43b, 50g EStG oder gemäß einem Doppelbesteuerungsabkommen nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge ungeachtet des § 43b EStG sowie des Abkommens anzuwenden. Unberührt bleibt gemäß 50d Abs. 1 Satz 2 EStG der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt gemäß § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge.
67Verfahrensrechtliche Grundlage der Steuererstattung ist der Freistellungsbescheid im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, in dem über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung – und damit zugleich des Erstattungsanspruchs – entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2000, I R 34/99, BStBl. II 2001, 291).
68Dieser Freistellungsbescheid ist zu erteilen, wenn die bezeichneten Einkünfte gemäß § 43b EStG oder gemäß einem DBA nicht oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden.
69II. Diese Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuern liegen im Streitfall bereits deshalb nicht vor, weil aufgrund der Erkenntnisse des Beklagten und eines demgegenüber nicht substantiiert genug erfolgten Sachvortrags der Klägerin nicht feststeht, dass sich die Klägerin auf die Begünstigung gemäß DBA-Schweiz (Art. 10 Abs. 1, 3) berufen kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin keine in der Schweiz ansässige Person ist, sondern über eine geschäftliche Oberleitung in Deutschland verfügt.
701. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts an die Schweiz und damit die Freistellung/Erstattung von Kapitalertragsteuer in Deutschland setzt voraus, dass die Dividenden empfangende Gesellschaft – vorliegend die Klägerin – in der Schweiz ansässig ist.
71Gemäß Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Ergänzt wird dies durch Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz, wonach ungeachtet von Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz Dividenden in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nicht besteuert werden dürfen, wenn der Empfänger der Dividenden eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten unmittelbar über mindestens 10 vom Hundert des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Gemäß Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz sind die Absätze 1 bis 3 von Art. 10 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Dividenden in dem anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Betriebsstätte hat und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. In diesem Fall ist Art. 7 DBA-Schweiz (Unternehmensgewinne) anzuwenden.
722. Diese Voraussetzungen sind nach der Sachverhaltslage zum Schluss der mündlichen Verhandlung jedoch nicht erfüllt. Die Erkenntnisse der Finanzverwaltung sprechen vielmehr dafür, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin vom Inland aus ausgeübt wird und die Klägerin in der Schweiz nur über ihren statutarischen Sitz und über einen als Verwaltungsrat fungierenden Berater verfügt. Der Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung der Klägerin liegt hingegen in B, Deutschland. Dies begründet eine Betriebsstätte im Inland (vgl. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Schweiz) und damit die Ansässigkeit der Klägerin in Deutschland und steht einer Berufung der Klägerin auf die Steuerfreistellung der von ihr erzielten Dividendeneinkünfte gemäß Art. 10 Abs. 1, 3 DBA-Schweiz entgegen. Insoweit verbleibt der Klägerin die Möglichkeit, die einbehaltenen Steuerbeträge im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung im Inland geltend zu machen.
73Die Annahme einer tatsächlichen Geschäftsleitung im Inland ergibt sich nach den Erkenntnissen des Beklagten, der unter anderem auf die Ergebnisse der Ermittlungen des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung P abstellt. Danach handelt es sich bei der Klägerin um eine Holdinggesellschaft ohne ersichtliche Aktivitäten und ohne eigenes Personal. Die vorgenannten Erkenntnisse sprechen dafür, dass die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit faktisch von B aus ausübt. In der Schweiz verfügt die Klägerin lediglich über einen als Verwaltungsrat fungierenden Berater (vgl. hierzu Teilbericht über die Verrechnungspreisprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung P vom 2. Oktober 2019, Bl. 121 f. der GA). Jedenfalls ist seitens der Klägerin – über ihre allgemein beschriebene Funktion als Konzernspitze (strategische Führung der Firmengruppe; Marktaufteilung innerhalb der Firmengruppe; M&A-Aktivitäten; Koordination der Finanzierung innerhalb des Konzerns) hinaus – kein substantiierter Sachvortrag dazu erfolgt, worin im Einzelnen die tatsächliche, von der Schweiz ausgeübte Geschäftstätigkeit der Klägerin besteht, welche Tätigkeiten der Verwaltungsrat in der Schweiz ausübt, worin insbesondere die aktive Beteiligungsverwaltung liegt, d.h. wie und in welchen Fällen beispielsweise Einfluss auf die Tochtergesellschaften genommen wird oder Finanzaktivitäten innerhalb des Konzerns getätigt werden. Insoweit hätte es – auch angesichts der bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO geltenden erhöhten Mitwirkungspflichten – eines substantiiertren Sachvortrags bedurft, um die Erkenntnisse des Beklagten zumindest in Zweifel ziehen zu können.
74III. Darüber hinaus hat die Klage aber auch keinen Erfolg, selbst wenn eine Ansässigkeit der Klägerin in der Schweiz gegeben wäre. Dann kommt eine Freistellung gemäß Art. 10 Abs. 1, 3 DBA-Schweiz, dessen Tatbestandsvoraussetzungen insoweit – zwischen den Beteiligten unstreitig – vorliegen, zwar grundsätzlich in Betracht. Allerdings steht dem Erstattungsanspruch der Klägerin dann § 50d Abs. 3 EStG entgegen. Die Klägerin kann sich – als eine in einem Drittstaat ansässige Person – grundsätzlich nicht auf EU-Grundfreiheiten berufen. Zu Gunsten von Personen in Drittstaaten greift nur die Kapitalverkehrsfreiheit, die vorliegend jedoch durch die grundsätzlich einschlägige Niederlassungsfreiheit verdrängt wird.
751. Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG in der ab dem Veranlagungszeitraum 2012 geltenden Fassung hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Freistellung, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie
761. in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder
772. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.
78Dabei sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend; organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale der Unternehmen, die der ausländischen Gesellschaft nahe stehen (§ 1 Abs. 2 AStG), bleiben außer Betracht (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG). An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).
79Die Versagung der Erstattung der Kapitalertragsteuer wird gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (2012) in drei Stufen geprüft:
801.) fehlende persönliche Entlastungsberechtigung,
812.) Nichtvorliegen von Erträgen aus eigener Wirtschaftstätigkeit und
823.) fehlende beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft oder das Nichtvorliegen eines für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs.
832. Gegen die unbeschränkte Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG im Streitfall bestehen im Hinblick auf die europarechtlichen Grundfreiheiten keine Bedenken. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der jüngsten EuGH-Rechtsprechung zu § 50d Abs. 3 EStG (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Dezember 2017, C-504/16 und C-613/16, Deister Holding, DStR 2018, 119; Beschluss vom 18. Juni 2018, C‑440/17, DStR 2018, 1479) nichts anderes. Da die Klägerin in der Schweiz ansässig ist, die weder Mitglied der EU noch des EWR ist, sind die europarechtlichen Grundfreiheiten nicht generell anwendbar.
84a) Als europarechtlicher Prüfungsmaßstab zugunsten der Klägerin kommt allein die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) in Betracht. Denn nur diese Grundfreiheit ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007, C‑101/05, HFR 2008, 295). So bestimmt Art. 63 Abs. 1 AEUV, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind.
85b) Im Streitfall wäre zudem grundsätzlich die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) tangiert. In Drittstaaten ansässige Personen können sich hierauf indes nicht berufen. Im Gegensatz zu dem den freien Kapitalverkehr betreffenden Kapitel des Vertrages enthält dasjenige über die Niederlassungsfreiheit – ebenso wie das über den freien Dienstleistungsverkehr – keine Bestimmung, wonach dessen Vorschriften Drittstaatsangehörigen zugute kämen. Die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 49 AEUV soll wie auch der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 56 AEUV ausschließlich zugunsten der Angehörigen der Mitgliedstaaten gewährleistet werden (vgl. EuGH-Urteile vom 3. Oktober 2006, C-452/04, DStRE 2007, 261; vom 7. September 2017, C-6/16, HFR 2018, 175). Die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit gelten nur für Angehörige eines Mitgliedstaats der Union (vgl. EuGH-Urteil vom 11. September 2014, C-47/12, Kronos International, HFR 2014, 1027). Daher kann sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat – wie die Klägerin – nicht hierauf berufen.
86c) Betrifft eine innerstaatliche Maßnahme sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch den freien Kapitalverkehr, ist zu prüfen, inwieweit diese Maßnahme die Ausübung dieser Grundfreiheiten berührt und ob eine von ihnen hinter die andere zurücktritt (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, C-452/04, DStRE 2007, 261). Eine Maßnahme ist grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Freiheiten zu prüfen, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen des Einzelfalls eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann (vgl. EuGH-Urteile vom 3. Oktober 2006, C-452/04, DStRE 2007, 261; vom 8. September 2009, C-42/07, NJW 2009, 3221). Der Transfer von Zahlungsmitteln stellt keinen Kapitalverkehr im Sinne des Art. 63 AEUV dar, wenn diesem Transfer eine Zahlungsverpflichtung entspricht, die sich aus einer Transaktion auf dem Gebiet des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergibt (vgl. EuGH-Urteil vom 31. Januar 1984, C-286/82, Luisi und Carbone, NJW 1984, 1288).
87aa) Die Kapitalverkehrsfreiheit tritt im Streitfall gegenüber der Niederlassungsfreiheit zurück. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist gegenüber der konkurrierenden Niederlassungsfreiheit im Streitfall völlig zweitrangig, denn der Kapitalverkehr erschöpft sich in der Bezahlung der Dividenden als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals durch die Klägerin. Vorliegend ist die Niederlassungsfreiheit einschlägig, da das Leistungsverhältnis (Dividendenausschüttung) durch die Beteiligung der Klägerin an der inländischen Gesellschaft geprägt wird. Die Dividendenansprüche hängen – anders als etwa Darlehensvergütungen oder Lizenzzahlungen, die ungeachtet einer Beteiligung gezeichnet werden können – von einer Beteiligung an der emittierenden Gesellschaft ab. Es handelt sich nicht um bloße Geldanlagen, die erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen wird (vgl. zum Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 20. Dezember 2018, C-504/16 und C‑613/16, Deister Holding, DStR 2018, 119; vom 19. Juli 2012, C-31/11, Scheunemann, DStR 2012, 1508).
88bb) Bei der Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2011, Accor, C-310/09, HFR 2011, 1257). Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, unter die Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (vgl. EuGH-Urteile vom 20. Dezember 2018, C-504/16 und C-613/16, Deister Holding, DStR 2018, 119 Rn. 78; vom 19. Juli 2012, C-31/11 – Scheunemann, DStR 2012, 1508; vom 15. September 2011, Accor, C-310/09, HFR 2011, 1257).
89Nach der Rechtsprechung des EuGH ermöglicht es eine Beteiligung von mindestens 10 % zwar, diejenigen Investitionen vom Geltungsbereich der Befreiung auszuschließen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage getätigt werden, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll. Jedoch bewirkt eine solche Anteilsquote für sich allein nicht, dass die Befreiung nur auf Beteiligungen anwendbar wäre, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Eine Beteiligung in dieser Höhe lässt nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass die Gesellschaft, die sie hält, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft ausübt (vgl. EuGH-Urteile vom 10. Juni 2015, C-686/13, BFH/NV 2015, 1229; vom 11. September 2014, C-47/12, HFR 2014, 1027-1029; vom 20. Dezember 2018, C‑504/16 und C-613/16, Deister Holding, DStR 2018, 119).
90cc) Vorliegend knüpft § 50d Abs. 3 EStG an keine Beteiligungsquote an. Lediglich Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz stellt für die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat der Dividenden empfangenden Person auf eine Beteiligung von mindestens 10 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft ab. Dies allein lässt noch keine abschließende Beurteilung zu, ob im Streitfall die Kapitalverkehrsfreiheit oder doch die Niederlassungsfreiheit maßgeblich ist. Im Hinblick auf Rechtsvorschriften, deren Gegenstand es nicht ermöglicht, zu bestimmen, ob sie vorwiegend unter Art. 49 AEUV oder unter Art. 63 AEUV fallen, sind nach der Rechtsprechung des EuGH in Fällen, in denen es sich um Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat handelt, die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles zu berücksichtigen, um zu klären, ob die zugrunde liegende Situation von Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) oder von Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) erfasst wird (vgl. EuGH-Urteil vom 13. November 2012 C-35/11, IStR 2012, 924; vom 20. Dezember 2018, C-504/16 und C-613/16, Deister Holding, DStR 2018, 119; so auch BFH-Urteil vom 24. Juli 2018, I R 75/16, BStBl. II 2019, 806).
91Nach diesen tatsächlichen Gegebenheiten ist die Niederlassungsfreiheit vorrangig, denn die Klägerin hält an den beiden die Dividenden ausschüttenden inländischen Gesellschaften 100 % bzw. rund 69 % der Anteile und kann demgemäß einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen beider Gesellschaften ausüben.
92dd) An der Nachrangigkeit der Kapitalverkehrsfreiheit ändert sich auch dann nichts, wenn die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit – wie im Streitfall – nur deshalb keine Anwendung finden, weil die Niederlassungsfreiheit in einem Drittstaat ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2012, X R 3/11, BStBl. II 2012, 585).
93d) Angesichts dessen ist § 50d Abs. 3 EStG dem Grunde nach im Lichte der EuGH‑Rechtsprechung zu § 50d Abs. 3 EStG nicht unanwendbar oder einzuschränken, denn es gibt keine Grundfreiheit, auf die sich die Klägerin berufen könnte. Die Ausführungen des EuGH zu den Grenzen einer Missbrauchsvorschrift knüpfen jedoch an die Frage der Verletzung einer Grundfreiheit bzw. der Mutter-Tochter-Richtlinie an. Die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie ist ebenfalls auf in den Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beschränkt und folglich nicht auf die Klägerin anwendbar. Mangels einschlägiger Grundfreiheit bzw. Mutter-Tochter-Richtlinie greifen die Erwägungen des EuGH im Streitfall nicht.
943. Die Voraussetzungen des – vorliegend uneingeschränkt anzuwendenden – § 50d Abs. 3 EStG sind im Streitfall ebenfalls erfüllt.
95Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG sind erfüllt, da an der Klägerin mit der inländischen E GmbH eine Person beteiligt ist, die bei unmittelbarem Bezug der Kapitalerträge nicht erstattungsberechtigt wäre, die Klägerin ihre Erträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt und zudem weder über einen angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt noch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der Klägerin vorgetragen hat.
96a) Die Voraussetzung der fehlenden persönlichen Entlastungsberechtigung im Sinne von § 50d EStG in der Person der E GmbH als Anteilseignerin der Klägerin ist gegeben, da diese in Deutschland ansässig ist und die streitigen Dividendeneinkünfte, wenn sie unmittelbar durch die E GmbH bezogen würden, in Deutschland nicht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen oder einer vergleichbaren Regelung steuerfrei wären.
97An der Klägerin ist die E GmbH als im Inland ansässige Gesellschaft zu 100 % beteiligt. Wären die Gewinnausschüttungen der K GmbH und der F GmbH unmittelbar an die E GmbH erfolgt, hätte diese Gesellschaft Bezüge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhalten. Ihr hätte jedoch keine Erstattung oder Freistellung zugestanden. Bei dieser unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft wäre der Beteiligungsertrag zwar gemäß § 8b KStG bei der Ermittlung des Einkommens zu 95 % außer Ansatz geblieben bzw. hätte die Kapitalertragsteuer gemäß § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei der Steuerfestetzung angerechnet oder erstattet werden müssen. Die E GmbH hätte aber weder die Voraussetzungen des § 43b EStG noch die eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfüllt. Dass die Anrechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Erstattung grundsätzlich gleichsteht, ändert hieran nichts. Denn die Anrechnung der Kapitalertragsteuer gemäß § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist nicht vom Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG erfasst und schließt dessen Anwendung folglich nicht aus.
98b) Es liegen auch keine Erträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit vor, denn die Klägerin erzielt lediglich Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern im Sinne von § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG (Dividenden, Zinserträge). Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bestehen zudem keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Sachverhaltswürdigung dahingehend, dass die Klägerin in der Schweiz wirtschaftlich inaktiv ist, dort lediglich über einen statutarischen Sitz verfügt und darüber hinaus keine nachgewiesene wirtschaftliche Aktivität entfaltet. Damit stehen dem geltend gemachten Freistellungs-/Erstattungsanspruch letztendlich die Gründe, die bereits für eine Ansässigkeit der Klägerin in Deutschland sprechen, auch im Rahmen der Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG entgegen.
99c) Es fehlen zudem wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe im Sinne des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG für die Einschaltung der Klägerin.
100Zwar kann ein beachtlicher wirtschaftlicher Grund etwa darin liegen, dass mit der Errichtung einer Gesellschaft eine Konzernstruktur aufgebaut werden soll und im Ansässigkeitsstaat dieser Konzerngesellschaft, im Inland und/oder in Drittländern Beteiligungen von einigem Gewicht erworben werden sollen (vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 29. Juli 1976, VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263). Derartiges hat die Klägerin vorliegend allerdings nicht, jedenfalls nicht substantiiert genug vorgetragen. Nach dem Vortrag der Klägerin habe vielmehr bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzernspitze in Form des Erwerbs der Klägerin in die Schweiz verlagert wurde, eine Konzernstruktur mit Unternehmen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden bestanden. Zudem sei maßgebliches Ziel seinerzeit gewesen, die Schweiz als ein Land mit stabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen als Sitzstaat auszuwählen. Dies genügt jedoch nicht für das Vorbringen wirtschaftlich oder sonst beachtlicher Gründe im Sinne von § 50d Abs. 3 EStG. Es erschließt sich bereits nicht, dass allein die Verlagerung der Konzernspitze und damit die Bündelung von Beteiligungen an Gesellschaften in verschiedenen Ländern hinreichend vor Enteignungen schützen könne. Denn unabhängig von der Ansässigkeit der Konzernspitze ist davon auszugehen, dass die werthaltigen Betriebseinrichtungen, Produktionsstätten und Finanzmittel der einzelnen Konzerngesellschaften grundsätzlich in den einzelnen Ländern, in denen diese ansässig sind, verbleiben und damit möglichen Enteignungen ausgesetzt wären.
101Fehlen wirtschaftliche Gründe dieser Art, dann sind als sonst beachtliche Gründe nur solche anzuerkennen, welche die Wahl des Sitzes und der Rechtsform gerade in diesem Fall rechtfertigen; lässt sich die Wahl nur mit der Absicht der Steuerersparnis erklären, dann mangelt es auch an sonst beachtlichen Gründen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1976, VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263).
102Letztendlich spricht gegen die Zwischenschaltung der Klägerin aus wirtschaftlich beachtlichen Gründen auch der Umstand, dass im Jahre 2012 die im Inland ansässige E GmbH als Obergesellschaft die Anteile an der Klägerin erworben hat.
103d) Schließlich fehlt es an einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb, mit dem die Klägerin am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG teilnimmt. Die Klägerin verfügt weder über eigene Büro- oder Geschäftsräume noch über Telekommunikationsanschlüsse. Es mangelt ihr auch an eigenem Personal. Sie nutzt lediglich die Dienste einer Beratungskanzlei.
1044. Das Argument der Klägerin, dass es sich vorliegend um eine Beteiligung im Rahmen einer Mäander-Struktur handelt, die in aller Regel den Gegenbeweis, dass keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, ermöglicht, sowie dass der Anteilseigner letztendlich seine Einkünfte in Deutschland versteuern müsse, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit macht die Klägerin geltend, im Ergebnis genauso behandelt zu werden wie eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft. Dem steht jedoch entgegen, dass die Möglichkeit zum Gegenbeweis, der bei Mäander-Strukturen erbracht werden könnte, Ausfluss der im Lichte der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV gebotenen eingeschränkten Anwendbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG ist. Wie ausgeführt, kann sich die Klägerin – eine Ansässigkeit in der Schweiz und damit überhaupt eine Abkommensberechtigung im Sinne von § 50d EStG unterstellt – aber gerade nicht auf diese EU-Grundfreiheit berufen.
105Hinzu kommt, dass eine Besteuerung der Einkünfte des inländischen Anteilseigners der Klägerin in Deutschland grundsätzlich davon abhängt, dass eine entsprechende Ausschüttung seitens der Klägerin erfolgt oder ein vergleichbarer Einkünftetatbestand auf der Ebene der Anteilseignerin der Klägerin verwirklicht wird. Die typisierende Betrachtung, die der Gesetzgeber mit der Schaffung der Missbrauchsregelung des § 50d Abs. 3 EStG im Blick hatte, stellt jedoch allein auf die Ebene des Empfängers von Gewinnausschüttungen, deren Abkommensberechtigung und damit dessen Anspruch auf teilweise oder völlige Freistellung vom Kapitalertragsteuereinbehalt ab.
106Insoweit ist für die Klägerin § 50d Abs. 3 EStG uneingeschränkt anzuwenden und steht dem Erstattungsanspruch der Klägerin der dieser gesetzlichen Regelung zugrundeliegende typisierende Missbrauchsgedanke entgegen. Die gesetzliche Regelung des § 50d Abs. 3 EStG sieht eine Berücksichtigung der Aspekte eines Gegenbeweises bzw. sog. Motivtests nicht vor und ermöglicht insbesondere nicht einen Gegenbeweis dafür, dass die Zwischenschaltung der Klägerin – trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 3 EStG – nicht auf die ungerechtfertigte Nutzung dieses Vorteils ausgerichtet ist.
107IV. Die Klage hat auch unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (ABl. EU Nr. L 385/2004, 30, sog. Zinsbesteuerungsabkommens EU-Schweiz), keinen Erfolg.
108Wenngleich dies aus der Bezeichnung des Abkommens nicht unmittelbar erkennbar ist, enthält das Zinsbesteuerungsabkommen auch Regelungen betreffend Dividenden und Lizenzgebühren. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen können unbeschadet der Anwendung der innerstaatlichen oder auf Abkommen beruhenden Vorschriften in der Schweiz und in den Mitgliedstaaten zur Verhütung von Betrug und Missbrauch – unter im Detail genannten weiteren Voraussetzungen – Dividendenzahlungen von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften im Quellenstaat nicht besteuert werden. Diese Freistellung von Quellensteuer setzt vor allem eine über mindestens zwei Jahre gehaltene direkte Beteiligung von mindestens 25 % am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft voraus.
109Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen sieht ebenso wie Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Quellensteuerverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vor, macht dies jedoch von engeren Voraussetzungen abhängig als Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz, der lediglich eine einjährige Mindestbeteiligung im Umfang von mindestens 10 % voraussetzt,. Allerdings bleiben gemäß Art. 15 Abs. 3 Zinsbesteuerungsabkommen Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen unberührt. Die Regelung in Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen schafft daher an sich keine weitergehende Quellensteuererleichterung als sie gemäß Art. 10 DBA-Schweiz ohnehin besteht. Deutschland hat daher – anders als bezüglich der Regelung in Art. 15 Abs. 2 Zinsbesteuerungsabkommen, die in § 50g EStG umgesetzt worden ist – davon abgesehen, die Regelung zum Quellensteuerverbot bei Dividenden in innerstaatliches Recht umzusetzen (vgl. BMF vom 28. Juli 2005, BStBl. I 2005, 858).
110Für den Fall, dass sich im Einzelfall dennoch aus Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen eine für die betroffenen Steuerpflichtigen günstigere Rechtsfolge als nach Art. 10 DBA-Schweiz ergeben sollte, vertritt eine Meinung die Ansicht, dass dann in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur fehlenden Umsetzung von Richtlinien nach Ablauf der hierfür geregelten Umsetzungsfrist (die vorliegend gemäß Art. 17 Abs. 2 Zinsbesteuerungsabkommen am 1. Januar 2005 ablief) eine Berufung unmittelbar auf das Zinsbesteuerungsabkommen möglich sei (vgl. Schönfeld in Schönfeld/Ditz, Besteuerungsabkommen, 2. Aufl. 2019, Art. 10 Rdnr. 20).
111Vorliegend bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob dieser Ansicht zu folgen ist. Denn Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen wäre allenfalls dann günstiger im Vergleich zu Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz, wenn die Missbrauchsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG im Rahmen des Zinsbesteuerungsabkommen keine Berücksichtigung finden könnte. Dies ist jedoch im Ergebnis zu verneinen. Stattdessen muss auch im Rahmen der Quellensteuerregelung nach dem Zinsbesteuerungsabkommen die Missbrauchsvorschrift gemäß § 50d Abs. 3 EStG angewendet werden.
112Das Zinsbesteuerungsabkommen stellt zwar keine Richtlinie im Sinne von § 43b EStG dar, ist jedoch als „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ im Sinne von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen. Zwar sind mit dieser gesetzlichen Formulierung regelmäßig die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit anderen Staaten abgeschlossen hat, erfasst (so Schönfeld in Schönfeld/Ditz, Besteuerungsabkommen, 2. Aufl. 2019, Art. 10 Rdnr. 20 a.E.). Gleichwohl ist sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinn und Zweck der Regelung nicht ausgeschlossen, dass § 50d EStG auch auf ein unilaterales Abkommen, das zur Vermeidung von Doppelbesteuerung abgeschlossen wird, wie vorliegend das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Zinsbesteuerungsabkommen, angewendet werden kann. Das Zinsbesteuerungsabkommen entspricht zudem vom funktionalen Gehalt und von der Intention der Vertragsparteien her im Wesentlichen typischen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen. Bilaterale DBA genießen lediglich Vorrang vor einem unilateralen Zinsbesteuerungsabkommen (vgl. Art. 14 und Art. 15 Abs. 3 Zinsbesteuerungsabkommen). Das Zinsbesteuerungsabkommen zielt – ebenso wie ein DBA – darauf ab, die Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten der EU einerseits und der Schweiz andererseits zu regeln und den jeweiligen Staaten das Besteuerungsrecht an Zinsen, Dividenden u.Ä. zuzuweisen (vgl. Art. 8, 9 Zinsbesteuerungsabkommen). Die Bestimmungen werden ergänzt durch Regelungen betreffend den Informationsaustausch (vgl. Art. 10) sowie betreffend Konsultationen im Falle von Meinungsverschiedenheiten (vgl. Art. 12). Die Regelung in Art. 15 Zinsbesteuerungsabkommen entspricht einer typischen Formulierung in einem (bilateralen) Doppelbesteuerungsabkommen.
113Im Übrigen ist auch in Bezug auf § 50g EStG, der in Umsetzung von Art. 15 Abs. 2 Zinsbesteuerungsabkommen auch für Unternehmen aus der Schweiz anwendbar ist (vgl. § 50g Abs. 6 EStG) und ebenfalls in § 50d Abs. 1 S. 1 EStG ausdrücklich erwähnt wird, § 50d Abs. 3 EStG anwendbar. Es ist daher nur folgerichtig, § 50d Abs. 3 EStG auch im Zusammenhang mit dem Regelungsbereich von Art. 15 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen anzuwenden, soweit man dies nach Ablauf der Umsetzungsfrist und wegen einer Besserstellung eines betroffenen Steuerpflichtigen für möglich und erforderlich hält.
114V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
115VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.