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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte die aus der Schweiz erhaltenen Angaben über Vermögensbestände der Kläger auf einem Schweizer Konto sowie einem Schweizer Depot speichern und verarbeiten darf oder ob er die entsprechenden Daten löschen muss.
3Die Kläger führen gemeinsam ein Konto mit Depot in der Schweiz und erzielten hieraus in der Vergangenheit Einkünfte, die unter Anrechnung der Schweizerischen Verrechnungssteuer in Deutschland versteuert wurden.
4Die Kontenstände wurden auf Basis des Gesetzes zur mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 zwischen den Schweizer Behörden und dem Beklagten im Wege des automatisierten Austausches weitergeleitet und vom Beklagten bearbeitet und gespeichert.
5Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die Speicherung der reinen Vermögensdaten verfassungswidrig sei, da in Deutschland keine Vermögenssteuer existiere und daher kein Grund für die Speicherung der Vermögensangaben bestehe. Für die Ermittlung der konkreten Steuerlast sei der Vermögenswert an sich unerheblich und die Erfassung nicht notwendig.
6Am 23.5.2019 wandte sich der Kläger an das Bundesministerium der Finanzen und teilte mit, dass auf Basis des Abkommens über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen vom 29.10.2014 für das Jahr 2018 durch die Schweizer Behörden Auskünfte erteilt worden seien. Hierin sei die Angabe des Gesamtsaldos von Verwahrkonten enthalten gewesen. Diese Angabe sei für eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Besteuerung in Deutschland nicht notwendig, weshalb er beantrage, die erhaltene Auskunft zu löschen.
7Auf dieses Schreiben antwortete der Beklagte am 17.07.2019 als nach § 5 Nr. 5b FVG zuständige Behörde, dass im Rahmen der internationalen Vereinbarung über den automatischen Austausch von Finanzkonteninformationen (MCAA) festgelegt worden sei, welche Daten im Einzelnen an die am Austausch teilnehmenden Staaten zu übermitteln seien. Hiervon seien auch Kontensalden erfasst. Das MCAA sei am 21.12.2015 durch das Gesetz zu mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 in nationales Recht umgesetzt worden. Ergänzend hierzu sei das Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (FKAustG) erlassen worden, welches in § 5 klarstellende Regelungen zu den Aufgaben des Beklagten, insbesondere zur Speicherung der Daten sowie zum Verwendungszweck enthalte. Vor diesem Hintergrund würden die aus der Schweiz empfangenen Daten rechtmäßig gespeichert und genutzt. Für das Jahr 2018 sei die Meldung im Übrigen erst im September 2019 erfolgt.
8Mit Schreiben vom 02.09.2019 führten die Kläger daraufhin gegenüber dem Beklagten aus, dass die Vermögensbesteuerung in Deutschland zum 31.12.1996 ausgelaufen sei. Seit diesem Zeitpunkt bestehe kein Grund dafür, Angaben über die Vermögenshöhe von Steuerpflichtigen zu erheben und zu verarbeiten. Das Vorgehen des Beklagten verstoße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei der Verarbeitung und Speicherung von Kontensalden bei Schweizer Banken seien höchstpersönliche, sensible und vertrauliche Daten betroffen. Es bestehe kein überwiegendes Allgemeininteresse an der Verarbeitung und Speicherung dieser Daten, da nicht ersichtlich sei, welchen Vorteil der Staat aus diesen Daten ziehen könne. Die gesetzlichen Regelungen, die die Verarbeitung und Speicherung der Daten zuließen, verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deutsche Steuerzahler mit ausschließlich inländischen Konten müssten keine Angaben zum Vermögensbestand machen. Steuerzahler mit Auslandskonten würden hingegen durch die Offenlegung massiv im Hinblick auf die sensiblen Daten benachteiligt und unter Generalverdacht gestellt. Durch die Verarbeitung und Speicherung der Daten würden diese unnötig multipliziert und unabhängig von einer immanent bestehenden Missbrauchsgefahr einem Verlustrisiko gegenüber Dritten ausgesetzt. Bei einem Hackerangriff sei nicht auszuschließen, dass die Daten in falsche Hände gerieten. Bei einem derartigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es die derzeitigen Regelungen zuließen, seien organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirkten. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Bei Erlass des FKAustG seien keine Sorgfaltsvorschriften erlassen worden, wie die erhobenen Daten geschützt werden könnten. Es seien lediglich Sorgfaltspflichten für die Durchführung einer Steuerprüfung erlassen worden. Weiterhin seien keine Schutzmechanismen ergriffen worden, um die Daten vor unberechtigtem Zugriff zu schützen.
9Darüber hinaus seien die Kläger durch die Verarbeitung und Speicherung der Daten in der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen, ohne dass eine Rechtfertigung für den Eingriff ersichtlich sei. Die Kläger könnten durch den Eingriff nicht mehr die Freiheit des europäischen Wirtschafts- und Finanzverkehrs genießen. Sie seien aufgrund der Verarbeitung und Speicherung der Daten gezwungen, das Schweizer Bankkonto aufzulösen und in ein anderes Land zu verlegen, welches nicht in den Anwendungsbereich der mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 falle.
10Schließlich verstoße die Verarbeitung und Speicherung der Daten gegen den Gleichheitsgrundsatz, da ein sachgerechter und vernünftiger Grund für die Ungleichbehandlung von deutschen Steuerpflichtigen ohne Auslandskonten im Vergleich mit solchen mit einem Auslandskonto nicht ersichtlich sei.
11Das Schreiben schloss mit dem Antrag, künftig die aus der Schweiz erhaltenen Vermögensdaten nicht mehr zu verarbeiten und/oder zu speichern sowie die bereits erhaltenen Daten zu löschen.
12Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2019 ab.
13Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den Kontoinformationen aus der Schweiz um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) handele. Ein Anspruch auf Löschung nach Art. 17 DSGVO bestehe nicht. Die Daten würden im Rahmen des internationalen Datenaustausches nach Common Reporting Standard (CRS) gespeichert. Dies stelle eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar. Die Verarbeitung erfolge zur Erfüllung einer dem Beklagten obliegenden rechtlichen Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO. Die rechtliche Verpflichtung ergebe sich aus § 5 Abs. 3 i.V.m. § 2 Nr. 4 FKAustG und Art. 2 Nr. 2 Buchst. d MCAA. Diese Vereinbarung sei Teil verschiedener internationaler Abkommen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehungen.
14Ein Widerspruch gegen die Verarbeitung der gespeicherten Daten sei nicht vorgesehen. Das Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO gelte nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe oder zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen des internationalen Datenaustausches in Steuersachen erfolge zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO, wogegen es kein Widerspruchsrecht gebe.
15Hiergegen richtet sich die Klage vom 19.11.2019.
16Der Beklagte verkenne, dass es nicht um die Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach der DSGVO bzw. dem BDSG gehe, sondern dass die gesetzlichen Grundlagen zur Speicherung von Vermögensbeständen verfassungswidrig seien.
17Mit der Verarbeitung und Speicherung der Vermögensdaten greife der Beklagte in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die allgemeine Handlungsfreiheit und eine gleichheitsrechtliche Rechtsposition der Kläger ein. Inhaltlich wiederholen die Kläger diesbezüglich ihr vorprozessuales Vorbringen.
18Soweit der Beklagte vortrage, der Informationsaustausch diene dazu, eine Plausibilitätsprüfung vornehmen zu können, erkläre dies zwar den Informationsaustausch als solchen, nicht aber die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der Angabe eines Vermögensbestandes. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch diene der Bekämpfung einer Steuerhinterziehung und nicht der Schaffung von Transparenz von Vermögensverhältnissen. Des Weiteren würden im Rahmen des Informationsaustausches Einkunftsquellen detailliert übermittelt, die einen Einblick in die Einkommensstruktur ermöglichten. Der Beklagte verkenne die damit vorhandene Grundrechtsverletzung. Es werde seitens der Kläger nicht verkannt, dass staatliche Angaben zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zur Erhebung von Steuern geboten seien. Hierauf seien aber die zu übermittelnden Daten zu beschränken. Ein Vermögensaldo sei für die Besteuerung nicht notwendig.
19Soweit der Beklagte vortrage, das Grundrecht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung habe hinter den Interessen des Staates im Hinblick auf eine effektive Finanzkontrolle zurückzustehen, sei darauf hinzuweisen, dass es um die Frage der Effizienz und nicht der Effektivität gehen müsse. Es möge effektiv sein, Vermögensdaten zu speichern und zu verarbeiten. Notwendig sei dies aber nicht, da eine Steuerprüfung effizient mit den vorhandenen Einkommensangaben durchgeführt werden könne. Der Ansatz einer Plausibilitätskontrolle könne nicht verfangen. Zum einen funktioniere die behauptete Plausibilitätskontrolle nicht, zum anderen sei der Rückgriff auf die aus der Schweiz bezogenen Angaben auch unnötig. Anhand der Vermögensangaben, etwa aus dem Saldo zu einem bestimmten Stichtag, könne nicht geschlossen werden, ob Dividendenerträge erwirtschaftet worden seien oder nicht. Ein Vermögenssaldovergleich über einen längeren Zeitraum sei hingegen grundrechtlich zu beanstanden. Es entstünde ein gläserner Bürger. Die Abfrage von Vermögenssalden beinhalte eine ansatzlose und generelle Unterstellung falscher Angaben. Der Finanzverwaltung stünden mildere Mittel zur Prüfung zur Verfügung, indem in konkreten Verdachtsfällen Vermögensbestände geprüft würden und nicht sämtliche Kapitalanleger unter Generalverdacht gestellt würden.
20Die Daten könnten auch nicht zur Festsetzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuern herangezogen werden, da die hierfür relevanten Stichtage nicht deckungsgleich mit den Stichtagen der CRS seien.
21Der Informationsübersendung könnten auch nicht abkommensrechtliche Notwendigkeiten zu Grunde gelegt werden, da bestimmte Staaten den Abkommen über den Informationsaustausch beigetreten seien, ohne Informationen zu Kontenständen weiterzuleiten.
22Soweit der Beklagte technische Hinweise zur Sicherung der gespeicherten Daten erteile, könne zur Richtigkeit nichts gesagt werden. Die Erfahrung zeige aber, dass es in allen Gebieten keine vollkommene Sicherheit gebe und damit auch kein vollkommen gesicherter Datenschutz möglich sei. In der Vergangenheit habe es einen Hackerangriff auf die bulgarische Finanzverwaltung gegeben, bei der Daten deutscher Steuerpflichtiger ausgespäht worden seien.
23Die Kläger beantragen,
24den Beklagten zu verpflichten, die aus der Schweiz erhaltenen Daten über den Vermögensbestand nicht zu verarbeiten und die entsprechenden Daten zu löschen.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Den Klägern stehe kein Recht auf Löschung der Daten nach Art. 17 DSGVO zu, da die Vorschrift gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. b) DSGVO von der Anwendung ausgeschlossen sei. Die Daten würden zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung verarbeitet. Die Daten würden im Rahmen des internationalen Datenaustausches nach Common Reporting Standard (CRS) gespeichert. Die Verarbeitung beruhe auf dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind, in Gestalt des Änderungsprotokolls vom 07.04.2015. Die Verarbeitung erfolge zur Erfüllung einer dem Beklagten obliegenden Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO. Der Beklagte sei gemäß § 2 Nr. 4 FKAustG und Art. 2 Nr. d) MCAA zur Speicherung und Weiterleitung der gemeldeten Kontensalden verpflichtet. Er nehme die Daten entgegen, speichere sie und leite sie zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens weiter. Die Daten würden auf Grundlage des MCAA durch die Schweiz übersandt. An der Verfassungsmäßigkeit des MCAA und des § 5 Abs. 5 FKAustG bestehe kein Zweifel. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht schrankenlos gewährt. Der Einzelne müsse Eingriffe auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hinnehmen. Das FKAustG sei formell und materiell verfassungsmäßig. Der mit dem Gesetz verfolgte Zweck sei es, grenzüberschreitende Steuerhinterziehungen zu bekämpfen. Sowohl das Abkommen als auch das deutsche Umsetzungsgesetz diene als Teil verschiedener internationaler Abkommen diesem Ziel. Der etablierte Informationsaustausch sei auch geeignet, einer planmäßigen Steuervermeidung mithilfe von Auslandskonten entgegenzuwirken. Hierdurch werde die internationale steuerliche Transparenz erhöht. Durch die stichtagsbezogene Mitteilung von Kontensalden werde es der Finanzverwaltung ermöglicht, eine Plausibilitätskontrolle mit den ihr bekannten Daten vorzunehmen und gezielt weitere Ermittlungen anzustellen. Die Erforderlichkeit des Informationsaustausches folge aus den Untersuchungen der OECD, die offengelegt hätten, dass ein grenzüberschreitender Steuerbetrug nur durch Transparenz verhindert werden könne. Es gebe kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Erreichung der Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehungen. Auch gegen die Angemessenheit der Vorschriften bestünden keine Bedenken. Durch den Datenaustausch entstünden den Konteninhabern keine irreparablen Nachteile, da der gegen die Datensammlung zu gewährleistende Rechtsschutz nicht ausgeschlossen sei, sondern lediglich auf einen späteren Zeitpunkt in dem staatlichen Informationsverarbeitungsprozess verlagert werde. Die Betroffenen hätten die Möglichkeit, die Richtigkeit der betroffenen Informationen im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens klären zu lassen.
28Die Datensicherheit sei während des Informationsaustausches stets gewährleistet. Die eingesetzte Sicherheitstechnik sei darauf angelegt, dass unbefugte Dritte keinen Einblick in den Datenbestand erhalten könnten. Soweit es in der Vergangenheit einen Angriff auf den Datenbestand der bulgarischen Finanzverwaltung gegeben habe, habe die deutsche Finanzverwaltung den Datenverkehr mit der bulgarischen Finanzverwaltung eingestellt. In der Folge erstellte Untersuchungen hätten der deutschen Finanzverwaltung ein hohes Sicherheitsniveau im Bereich des Informationsaustausches und der ‑speicherung bescheinigt.
29Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bestehe nicht. Durch den internationalen Informationsaustausch werde vielmehr erstmals eine tatsächliche steuerliche Gleichbehandlung von Steuerinländern mit Auslandsanlagen und solchen mit Inlandsanlagen hergestellt, da die Finanzverwaltung erstmals einen sicheren Zugriff auf alle Ertragsquellen habe.
30Die allgemeine Handlungsfreiheit sei im Streitfall nicht betroffen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Kläger daran gehindert sein könnten, am europäischen Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Es bestehe kein Zwang zur Schließung des Kontos in der Schweiz. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit bereits wegen seiner immanenten Subsidiarität hinter den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zurücktrete.
31In der Sache sei der mit anderen Staaten vereinbarte gemeinsame Meldestandard CRS entwickelt worden, um nicht nur Besteuerungsumgehungen entgegenzuwirken, die Gewinnanteile aus Kapitaleinnahmen beträfen, sondern der zugleich auch helfen solle, bisher unversteuerte Erträge aus allen anderen denkbaren Einkunftsarten aufzuspüren. Außerhalb dieses Informationsaustausches sei der Fiskus bei der Erfassung von Einnahmen auf die Angaben von Steuerpflichtigen oder auf Zufallsfunde angewiesen. Daher habe sich die Gemeinschaft der am CRS beteiligten Staaten dazu entschlossen, Kontensalden als Anhaltspunkt für Vermögensflüsse zu übermitteln. Ein Kontosaldo sei ein Abbild der jeweiligen kumulierten Vermögenszuflüsse. Die Daten dienten nicht nur der Einkommensbesteuerung, sondern auch der Festsetzung von Erbschaft- und Schenkungssteuern, mithin vermögensteuerähnlichen Abgaben.
32Entscheidungsgründe
33Die Klage ist unbegründet.
341. Die Kläger haben keinen Anspruch auf ein Unterlassen der Verarbeitung der erhaltenen Kontodaten sowie deren Löschung.
35Es besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Unterlassungs- bzw. Löschungsanspruch im Hinblick auf die von dem Beklagten durchgeführte Datenverarbeitung, da die der Datenverarbeitung zugrunde liegenden Vorschriften verfassungsgemäß sind.
36a. Das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG), welches die Rechtsgrundlage für den grenzüberschreitenden Datenaustausch mit der Schweiz bildet, basiert seinerseits auf der unter anderem von der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz unterzeichneten mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (BGBl. 2015 II S. 1630, 1632). Das Abkommen wurde in der Erwägung abgeschlossen, dass die unterzeichnenden Staaten beabsichtigen, die Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten durch den weiteren Ausbau ihrer Beziehungen im Bereich der gegenseitigen Unterstützung in Steuersachen zu fördern und hierbei den von der OECD zusammen mit den G20-Staaten zur Bekämpfung der Steuervermeidung und -hinterziehung sowie zur Förderung der Steuerehrlichkeit entwickelten gemeinsamen Meldestandard zu nutzen (Erwägungsgründe zum Abkommen, a. a. O., Absätze 2 und 3). § 2 Abs. 2 d) des Abkommens bestimmt, dass für jedes meldepflichtige Konto eines anderen Staates neben weiteren Angaben der „Kontosaldo oder -wert (einschließlich des Barwerts oder Rückkaufwerts bei rückkaufsfähigen Versicherungs- oder Rentenversicherungsverträgen) zum Ende des betreffenden Kalenderjahrs oder eines anderen geeigneten Meldezeitraums oder, wenn das Konto im Laufe des Jahres beziehungsweise Zeitraums aufgelöst wurde, die Auflösung des Kontos“ zu melden ist. § 2 Abs. 2 e) des Abkommens bestimmt, dass bei Verwahrkonten der Gesamtbruttobetrag der auf dem Konto erzielten Einkünfte sowie die Gesamtbruttoerlöse aus der Veräußerung oder dem Rückkauf von Finanzvermögen zu melden sind. Nach § 2 Abs. 2 f) des Abkommens ist bei Einlagekonten der Gesamtbruttobetrag der Zinsen, die während des Meldezeitraums eingezahlt oder gutgeschrieben wurden, zu melden.
37§ 2 FKAustG setzt diese Regelungen aus dem Abkommen in nationales Recht um. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FKAustG bestimmt, dass die auszutauschenden Daten den Kontosaldo oder Kontowert einschließlich des Barwerts oder Rückkaufswerts bei rückkaufsfähigen Versicherungs- oder Rentenversicherungsverträgen des Meldezeitraums umfassen.
38b. Die skizzierten Rechtsgrundlagen für die Übermittlung von Kontodaten der Kläger sind verfassungsgemäß.
39aa. Der Datenaustausch und die -verarbeitung verstoßen nicht gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Kläger.
40Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen aus informationsbezogenen Maßnahmen, insbesondere unter den Bedingungen der Datenverarbeitung, ergeben. Es flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit, indem es ihn schon auf der Stufe der Persönlichkeitsgefährdung beginnen lässt. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen benennbarer Rechtsgüter entstehen, so insbesondere, wenn personenbezogene Informationen in einer Art und Weise genutzt und verknüpft werden, die der Betroffene weder überschauen noch beherrschen kann. Aus solchen Informationen können weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit mit sich bringen können. Der durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vermittelte Grundrechtsschutz stellt daher ein Abwehrrecht gegen staatliche Datenerhebung und Datenverarbeitung dar (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 2008, 1 BvR 2388/03, BVerfGE 120, 351, BStBl II 2009, 23).
41Im Streitfall berührt die Speicherung und Weiterverarbeitung der aus der Schweiz erhaltenen Kontodaten, insbesondere der Angaben zu den Vermögensbeständen, den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, da auf diese Weise durch staatliches Handeln persönliche Daten der Kläger verarbeitet werden.
42Es besteht jedoch ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung des Beklagten im Zusammenhang mit der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern. Die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung von Steuern stellt ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel dar, das aufgrund des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebots steuerlicher Belastungsgleichheit selbst Verfassungsrang hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, BVerfGE 84, 239).
43Die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Informationsaustausch dienen ausweislich der Erwägungsgründe der mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 der Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Damit dienen die Vorschriften der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern, verfolgen also ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel. Die der Datenverarbeitung zugrunde liegenden Vorschriften sind auch verhältnismäßig.
44Entgegen der Auffassung der Kläger geht die Mitteilung von Vermögensbeständen und die Verarbeitung entsprechender Daten nicht über das hinaus, was zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Ziels der gleichmäßigen Steuerfestsetzung notwendig wäre. Die Kläger vertreten die Auffassung, dass spätestens seit dem Zeitpunkt, seit dem in Deutschland keine Vermögensteuer mehr erhoben wird, Vermögensbestandsdaten für die Besteuerung keine Relevanz hätten. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Zum einen weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass in der Bundesrepublik Deutschland in bestimmten Konstellationen auch eine Vermögenssubstanz besteuert wird, beispielsweise in Fällen der Schenkungen und Erbschaften, sodass bereits vor diesem Hintergrund ein staatliches Interesse an der Kenntnis von Vermögensbeständen besteht. Zum anderen lassen Vermögensbestände gegebenenfalls auch Rückschlüsse auf erzielte Einkünfte zu. Wer in Deutschland zu versteuernde Einkünfte nicht deklariert, kann diese auf ausländischen Konten verwahren. Durch die Mitteilung von Kontensalden wird der deutsche Fiskus in die Lage versetzt, zu prüfen ob die Vermögensbestände aus den steuerlich erklärten Einkünften stammen können. Hierdurch wird es den Finanzbehörden ermöglicht, Steuerhinterziehungen aufzudecken und eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.
45Die vor diesem Hintergrund anzustellende Abwägung zwischen der grundrechtlichen Position der Kläger im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem staatlichen Interesse an einer gleichmäßigen Besteuerung auf der anderen Seite fällt zulasten der Kläger aus. Die mehrseitige Vereinbarung wurde gerade geschlossen, um dem international identifizierten Problem der Steuerhinterziehung durch Ausnutzen grenzüberschreitender Finanzströme zu begegnen. Wie dargestellt, dient die grenzüberschreitende Mitteilung von Vermögensbeständen dem Ziel der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Allein aus der Übersendung und Verarbeitung der Informationen entstehen den Klägern keine unmittelbaren Nachteile. Für den Fall, dass aus den Informationen für die Kläger nachteilige Schlüsse gezogen werden, stehen diesen Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Der Senat beurteilt den vorliegenden Sachverhalt parallel zu dem bereits vom Bundesverfassungsgericht behandelten Sachverhalt im Zusammenhang mit der Datenerfassung im Hinblick auf die Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA), die ebenfalls beim Beklagten angesiedelt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Fall entschieden, dass der Kläger die Verarbeitung von ihn betreffenden Informationen vor dem Hintergrund des überwiegenden Interesses an der Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung hinzunehmen habe (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2008, 1 BvR 2388/03, BVerfGE 120, 351, BStBl II 2009, 23).
46Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass – wie die Kläger befürchten – im Falle von sogenannten Hackerangriffen Daten in falsche Hände gelangen könnten. Dass im Zusammenhang mit dem Datenaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland solch offenkundige Sicherheitslücken bestünden, die einen unbefugten Datenzugriff auf einfachem Wege ermöglichen würden, haben die Kläger weder substantiiert vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Dass es tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt zu unbefugtem Datenzugriff kommen könnte, rechtfertigt es für sich genommen nicht, auf einen Datenaustausch in Gänze zu verzichten. Eine absolute Datensicherheit kann nur erreicht werden, wenn keine Daten erhoben bzw. ausgetauscht und verarbeitet werden. Aufgrund des staatlichen Interesses an einer wirksamen Bekämpfung von Steuerhinterziehungen gibt es aber ein verfassungsrechtlich verankertes Bedürfnis an einem Mindestmaß an Datenaustausch, hinter dem die von den Klägern geäußerte Befürchtung vor der abstrakt bezeichneten Gefahr von Datenmissbräuchen zurückstehen muss.
47bb. Der Datenaustausch und die Verarbeitung der empfangenen Daten verstößt nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG.
48Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Nach allgemeiner Auffassung wird hiermit die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt. Vom Schutzbereich werden jedes Tun und Unterlassen nach dem eigenen Willen und damit letztlich jede Freiheit von staatlichem Zwang vorbehaltlich vorrangiger Spezialgrundrechte erfasst (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 12). Die allgemeine Handlungsfreiheit wird als sachlich nicht abschließend bestimmbares Freiheitsrecht auch als Auffanggrundrecht beschrieben.
49Das Gericht lässt offen, ob im Streitfall die allgemeine Handlungsfreiheit der Kläger neben dem ebenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitetem Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt sein kann, oder ob eine Grundrechtsverletzung aufgrund der Subsidiarität von vornherein ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls wären die gesetzlichen Regelungen zum grenzüberschreitenden Datenaustausch und der folgenden Datenverarbeitung als Eingriffe gerechtfertigt. Die allgemeine Handlungsfreiheit steht unter dem Vorbehalt, dass nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen wird. Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung wird weit verstanden und bezeichnet die Summe aller Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 39). Um eine Aushöhlung des Grundrechtsschutzes zu verhindern, findet in der wertegebundenen Ordnung des Grundgesetzes die Ausübung öffentlicher Gewalt Grenzen („Schranken-Schranke“). Letztlich vermittelt Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch des Einzelnen, nicht mit einer staatlichen Maßnahme belastet zu werden, die nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist. Neben absoluten Werten wie der Wesensgehaltsgarantie und der Menschenwürde muss sich ein freiheitseinschränkendes Gesetz wie auch ein Eingriff im Einzelfall an den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen, namentlich am Rechtsstaatsprinzip und hier insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 41).
50Wie bereits dargestellt, dienen der grenzüberschreitende Informationsaustausch und die folgende Datenverarbeitung auch im Hinblick auf Vermögensbestände der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen durch grenzüberschreitende Gestaltungen. Dieses ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Ziel stellt jedenfalls eine Rechtfertigung für einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Kläger im Sinne der verfassungsmäßigen Ordnung dar. Darüber hinaus ist bereits nicht ersichtlich, dass die Kläger durch den grenzüberschreitenden Informationsaustausch tatsächlich gezwungen wären, ihre Auslandskonten aufzulösen.
51cc. Die Verarbeitung der grenzüberschreitend empfangenen Informationen zu den Kontenbeständen verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG.
52Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018, 1 BvR 1675/16, BVerfGE 149, 222).
53Die Situation von Steuerinländern mit Konten und Depots im Inland ist im Hinblick auf das mit den Informationsaustausch verfolgte Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen nicht vergleichbar mit der Situation von Steuerinländern mit Konten und Depots im Ausland. Vor diesem Hintergrund ergibt sich kein Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung mit Personen, deren Konten nicht im Ausland befindlich sind.
54Die deutschen Finanzbehörden haben aufgrund der ihnen im Zusammenhang mit der Amtsermittlung zustehenden Ermittlungskompetenzen weitreichende Möglichkeiten, bei inländischen Banken Informationen zu Vermögensbeständen von Steuerpflichtigen abzufragen. Diese Möglichkeiten bestehen aufgrund des Territorialprinzips bei ausländischen Banken nicht. Dies hat – und dies ist gerichtsbekannt – in der Vergangenheit bereits in vielen Fällen dazu geführt, dass Vermögen bei ausländischen Banken deponiert wurde, um dieses vor dem deutschen Fiskus zu verbergen. Bei den bei ausländischen Banken hinterlegten Vermögenswerten handelte es sich auch oftmals um Erträge aus steuerlich nicht deklarierten Geschäften („Schwarzgeld“). Vor dem Hintergrund des mit dem internationalen Informationsaustausch verfolgten Ziels der Bekämpfung der Steuerhinterziehung ist die Situation der Kläger mit anderen Steuerinländern mit ausschließlich inländischen Konten nicht vergleichbar, sodass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Hinblick auf die Mitteilung von Kontensalden besteht.
552. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
563. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.