Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.01.2017 werden die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 26.09.2016 dahingehend abgeändert,
dass die von der Klägerin im Jahr 2011 gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe
von 72.022,50€ und die von der Klägerin im Jahr 2012 gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 83.433,67 € zum Vorsteuerabzug zugelassen werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bezüglich der von der Klägerin in den Jahren 2011 und 2012 gezahlten Einfuhrumsatzsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
3Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft als Unternehmerin ein Kunstauktionshaus und bietet Eigentümern von Kunstwerken, Antiquitäten oder Schmuck die Möglichkeit, diese im Rahmen einer Verkaufskommission versteigern zu lassen. Eigentümer von Kunstgegenständen erteilen der Klägerin einen Versteigerungsauftrag und diese wird dann im Rahmen einer Verkaufskommission als Kommissionär tätig. Gemäß den in den Streitjahren geltenden Einlieferungsbedingungen erfolgt die Versteigerung durch die Klägerin öffentlich als Kommissionärin im eigenen Namen und für Rechnung des Einlieferers als Kommittent im Rahmen eines Kommissionsgeschäftes. Bis zur Durchführung der Auktion ist die Klägerin an einen Auftrag, der widerrufen werden kann, gebunden. Der Kommittent kann eine Privatperson wie auch ein Unternehmen sein. Die Objekte sind auf Rechnung und Gefahr des Kommittenten bei der Klägerin einzuliefern und ggf. wieder abzuholen, sollte es nicht zu einem Verkauf kommen.
4Die Kosten des Transportes, der Transportversicherung, etwa anfallende Abfertigungskosten des Spediteurs etc. trägt der Einlieferer. Die anfallende Zollabfertigung und die Einfuhrumsatzsteuer übernimmt die Klägerin. Binnen 5 Wochen nach Abschluss der Versteigerung erhält der Kommittent die Abrechnung und nach seiner entsprechenden Anweisung den Versteigerungserlös abzüglich der Kommission sowie etwaiger verauslagter Kosten ausbezahlt.
5Der Käufer der Kunstgegenstände zahlte gemäß der in den Streitjahren geltenden Einlieferungsbedingungen auf den Zuschlagpreis ein Aufgeld von 20% (21% bei der Auktion für asiatische Kunst). Auf diesen Nettorechnungspreis (Zuschlagpreis + Aufgeld) wurde die gesetzliche Umsatzsteuer von 7% für Bilder, Originalgraphik, Plastik und Sammlungsstücke und von 19% für Kunstgewerbe und Photographie hinzugerechnet.
6In den Streitjahren 2011 und 2012 wurden auch Gegenstände von Einlieferern mit Sitz im Drittland eingeliefert und durch die Klägerin versteigert. Der Transport erfolgte zum Teil durch eine persönliche Abholung der Klägerin beim Einlieferer, z.B. aus der Schweiz und zum Teil durch die Beauftragung einer Spedition durch die Klägerin oder durch den Einlieferer. Sofern die Klägerin die Speditionskosten zahlte, wurden diese später als verauslagte Kosten mit dem ausbezahlten Versteigerungserlös verrechnet. Die Zollabfertigung wurde immer durch den Spediteur übernommen. Die anfallenden Kosten der Zollabfertigung sowie die Einfuhrumsatzsteuer trug vereinbarungsgemäß die Klägerin.
7In ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 72.022,50 € für 2011 und 83.433,67 € für 2012 als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend. Die Steuererklärungen standen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Zwischen den Beteiligten ist der Betrag der Einfuhrumsatzsteuer mittlerweile unstreitig, da sich diese Einfuhrumsatzsteuer nur auf Regelumsätze der Klägerin bezieht und für die Kunstgegenstände, für die die Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist, von der Klägerin nicht die Differenzbesteuerung geltend gemacht wurde.
8Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2014 bei der Klägerin, die auch die Streitjahre betraf, kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus den Versteigerungen nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäftes rechtlich zu würdigen seien. Der Kommissionär könne die Einfuhrumsatzsteuer mangels tatsächlicher Verfügungsmacht über den Gegenstand der Einfuhr bei Grenzübertritt nicht als Vorsteuer abziehen, selbst wenn der Kommissionär die Einfuhrumsatzsteuer im Auftrag des Kommittenten angemeldet und entrichtet habe.
9Dementsprechend änderte der Beklagte am 18.10.2016 die Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und hob die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Die streitgegenständliche Einfuhrumsatzsteuer wurde nicht mehr als abziehbare Vorsteuer berücksichtigt, sodass sich die festzusetzende Umsatzsteuer – unter Berücksichtigung weiterer unstrittiger Änderungen der Betriebsprüfung – für die Streitjahre entsprechend erhöhte.
10Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 21.10.2016 Einsprüche ein. Sie machte geltend, dass der Beklagte zu Unrecht den Vorsteuerabzug hinsichtlich der von ihr gezahlten Einfuhrumsatzsteuer für 2011 und 2012 versagt habe und verwies zur Begründung auf das Urteil des FG Köln v. 17.01.2011, 9 K 308/10, EFG 2011, 922. Dieses weiche zutreffend von der BFH-Rechtsprechung ab und stelle fest, dass grundsätzlich die Lieferung des Kommittenten an den Verkaufskommissionär erst dann als erfolgt zu gelten habe, wenn der Verkaufskommissionär das Kommissionsgut an den Abnehmer liefere, und diese Betrachtungsweise die entsprechenden Auswirkungen auf den Lieferort habe. Für die Bestimmung der Verfügungsmacht bei der Einfuhr von Kommissionsware verbleibe es jedoch bei der gesetzlichen Regelanordnung, wonach die Verschaffung der Verfügungsmacht an der Kommissionsware an den Verkaufskommissionär mit der Versendung oder Verbringung an ihn erfolge.
11Der Beklagte wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 30.01.2017 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Betrachtungsweise des FG Köln nicht geeignet sei, den Begriff der Verfügungsmacht bei der Einfuhr von Kommissionsgut in sachgerechter Weise zu bestimmen. Unter Einbeziehung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.11.1986, V R 102/78, BStBl. II 1987, 278, könne der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt werden. Der Ort der Lieferung befände sich gem. § 3 Abs. 7 UStG im Inland, denn die Verfügungsmacht sei erst in Deutschland auf den Abnehmer übergegangen. Insbesondere erfordere der Lieferungsbegriff des UStG, dass die wirtschaftliche Substanz auf den Empfänger übergehe, eine Verfügungsmacht im Sinne einer Zuordnung der Substanz sei beim Kommissionär jedoch nicht gegeben.
12Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage, zu deren Begründung sie ergänzend vorträgt, dass Zweifel bestünden, ob das Kriterium der Verfügungsmacht für den Vorsteuerabzug weiterhin entscheidend sein könne bzw. anders ausgelegt werden müsse, wie es z.B. das FG Hamburg im Urteil v. 19.12.2012 – 5 K 302/09 festgestellt habe.
13Nach ihrer Rechtsauffassung verlange der EuGH in seine Entscheidung DSV Road A/S (EU:C:2015:421) nicht, dass die Einfuhrumsatzsteuer Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze finde, da in Fällen der Regelbesteuerung die Umsatzsteuer neutral sein müsse, also auch nicht gesonderter Kalkulationsbestandteil sein müsse. Nur die der Einfuhrumsatzsteuer zu Grunde liegende Lieferung müsse Kostenbestandteil der Ausgangsumsätze sein, was bei den Kunstgegenständen durch den Aufpreis gegeben sei, der sich anhand des Versteigerungspreises berechne.
14Die Klägerin beantragt,
15die Bescheide über Umsatzsteuer 2011 und 2012, jeweils vom 26.09.2016, sowie die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 30.01.2017 dahingehend zu ändern, dass die von der Klägerin im Jahr 2011 gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 72.022,50 € und die von der Klägerin im Jahr 2012 gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 83.433,67 € zum Vorsteuerabzug zugelassen werden.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass nach der EuGH-Rechtsprechung DSV Road A/S das Merkmal der Verfügungsmacht dahingehend zu präzisieren sei, dass die für den Vorsteuerabzug auf Einfuhrumsatzsteuer maßgebliche Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten nur dann vorliege, wenn die Einfuhrumsatzsteuer Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen gefunden habe, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere oder erbringe. Im Streitfall gehöre die Einfuhrumsatzsteuer nicht zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Für die Klägerin sei daher ebenso wie für den Beförderer der Vorsteuerabzug zu verneinen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Unrecht hat der Beklagte den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG für die von der Klägerin gezahlte Einfuhrumsatzsteuer versagt.
21I. Der erkennende Senat hält an seiner im Urteil vom 17. Januar 2011 – 9 K 308/10, EFG 2011, 922, dargestellten Rechtsauffassung fest, dass die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der Verkaufskommission vom Verkaufskommissionär als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG abgezogen werden kann, wenn der Verkaufskommissionär nach den allgemeinen Regeln des § 3 Abs. 6 bzw. Abs. 8 UStG zum Zeitpunkt der Überführung der Gegenstände in den freien Verkehr die Verfügungsmacht innehatte.
221. Die Einfuhr von Gegenständen im Inland unterliegt als steuerbarer Umsatz der Einfuhrumsatzsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG kann der Unternehmer die entrichtete Umsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen in das Inland eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
23a) Die Klägerin ist unstreitig Unternehmerin und dem Grunde nach zum Abzug von Vorsteuer berechtigt. Sie übt selbständig und mit der nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht betriebenen Versteigerung von Kunstgegenständen eine gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG aus.
24b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt eine gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG für den Vorsteuerabzug notwendige Einfuhr für das Unternehmen des Steuerpflichtigen vor, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand seinem im Inland belegenen Unternehmensbereich zuordnet, um ihn zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Unternehmer den Gegenstand nur wirtschaftlich durch Verwendung zum Bewirken von Umsätzen nutzt. Er muss ihn im umsatzsteuerrechtlichen Sinne seinem Unternehmen eingliedern, um ihn im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen. Diese Voraussetzung ist nach der ständigen BFH-Rechtsprechung nur bei einem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 11. November 2015, V R 68/14, BStBl II 2016, 720, Rn. 14ff., 19; vom 23. September 2004, V R 58/03, BFH/NV 2005, 825, Rn. 19; vom 24. April 1980, V R 52/73, BStBl II 1980, 615, Rn. 14; vom 18. Juli 1985, V B 8/85, BFH/NV 1986, 243, Rn. 5; vom 12. September 1991, V R 118/87, BStBl II 1991, 937, Rn. 11).
25Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der eine Lieferung voraussetzt, kann die Einfuhr eines Gegenstandes im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG sowohl im Rahmen eines Liefervorgangs als auch außerhalb eines solchen durch bloßes Verbringen des Gegenstandes aus dem Ausland (Außengebiet) in das Inland (Erhebungsgebiet) erfolgen. Nicht entscheidend ist, wer Schuldner der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer war, wer diese entrichtet hat und wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993, V R 65/89, BStBl II 1993, 473).
26c) Mit dem Begriff der Einfuhr „für sein Unternehmen“ und dem Abstellen auf die Verfügungsmacht am eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr knüpft § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG erkennbar an den Lieferbegriff des § 3 Abs. 1 UStG an und besagt, dass derjenige Unternehmer zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt ist, der im Zeitpunkt der Einfuhr oder im Zusammenhang mit der Einfuhr die „umsatzsteuerliche“ Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand besessen hat (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993, V R 65/89, a.a.O.; FG Köln v. 17. Januar 2011, 9 K 308/10, a.a.O.). Die Verfügungsmacht ist jedoch wiederum abhängig vom Lieferort: Befindet sich dieser nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG noch im Drittland, liegt die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr bereits beim Abnehmer und er ist zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt. Kommt hingegen § 3 Abs. 8 UStG zur Anwendung, ist also der ausländische Lieferer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer – was zivilrechtlich eine Frage der Lieferkonditionen, steuerrechtlich jedoch eine solche des tatsächlichen Auftretens bei der Zollstelle ist –, gilt die Lieferung als im Inland ausgeführt, die Ware befindet sich bei Grenzübertritt folglich noch in der Verfügungsmacht des Lieferanten und ihm steht das Recht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer zu (vgl. FG Köln vom 17. Januar 2011, 9 K 308/10, EFG 2011, 922, Rn. 32).
272. Für die Verkaufskommission ergibt sich die Besonderheit, dass umsatzsteuerrechtlich keine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG zwischen dem Kommittenten und dem Verkaufskommissionär vorliegt, da es sich lediglich um eine Geschäftsbesorgung in Form eines Verkaufs in eigenem Namen aber auf fremde Rechnung handelt.
28Für eine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG wäre erforderlich, dass die wirtschaftliche Substanz auf den Empfänger übergeht. Dies bedeutet, dass dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewandt werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1986, V R 133/75, BFH/NV 1986, 311). Der Kommittent überträgt dem Verkaufskommissionär für gewöhnlich nur den Besitz an dem Kommissionsgut mit der Ermächtigung, hierüber im eigenen Namen nach § 185 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu verfügen. Der Begriff der Lieferung des UStG ist jedoch nicht schon dann erfüllt, wenn lediglich das Recht übertragen wird, über einen Gegenstand zu verfügen.
29Für die Verkaufskommission wird die hiernach nicht vorliegende Lieferung zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär aber gem. § 3 Abs. 3 UStG fingiert. Diese Vorschrift bestimmt, dass bei der Verkaufskommission der Kommissionär als Abnehmer gilt. Eine Regelung, wann die Fiktion der Lieferung eintritt, d.h. über den Zeitpunkt dieser Lieferung und damit auch den Ort der Lieferung, trifft § 3 Abs. 3 UStG nicht (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1986, V R 102/78, BStBl II 1987, 278, Rn. 19).
303. Nach Auffassung des Senats bestimmt sich die Verfügungsmacht für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des EuGH DSV Road A/S vom 25.06.2015, C 187/14, ECLI:EU:C:2015:421, und des BFH 11.11.2015, V R 68/14, BStBl. II 2016, 720, danach, ob die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt. Damit beschreibt die höchstrichterliche Rechtsprechung das Merkmal der Verfügungsmacht eindeutig und abweichend von dem Begriff der Lieferung und es ist nicht mehr erforderlich, dass eine wirtschaftliche Substanz auf den Empfänger übergeht.
31a) Nach der älteren Rechtsprechung des BFH war es für die Ausübung der Verfügungsmacht stets erforderlich, dass eine wirtschaftliche Substanz auf den Empfänger übergeht. So verwies der BFH mit Urteil vom 25.11.1986 (a.a.O., Rn. 19) für die Verkaufskommission auf den Lieferbegriff des UStG, nach dem die wirtschaftliche Substanz auf den Empfänger übergehen müsse und eine Verfügungsmacht im Sinne einer Zuordnung der Substanz beim Kommissionär nicht gegeben sein könne. Der BFH führte aus, dass § 3 Abs. 3 UStG bestimme, dass die Lieferung des Kommissionsgutes an den Abnehmer entsprechend dem Auftreten im eigenen Namen als Lieferung des Kommissionärs beurteilt werden müsse und die Fiktion der Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär nicht mit dieser Lieferung des Kommissionsgutes an den Abnehmer Bedeutung erlange. Bis zum Zeitpunkt der Lieferung an den Abnehmer sei ungewiss, wann und an wen eine Lieferung erfolgen werde, so dass eine Verfügungsmacht nicht auf den Verkaufskommissionär übergehen könne (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1986, a.a.O., Rn. 21; ebenso Stadie in Stadie, UStG, § 3 Rn. 98; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rn. 1134, der ebenso auf die Substanz als Voraussetzung der Verfügungsmacht abstellt; Hahn in Weymüller, BeckOK UStG, § 3 Rn. 259, 260.1).
32b) Der EuGH hat in der Sache DSV Road A/S vom 25.06.2015, C 187/14 (ECLI:EU:C:2015:421) bzgl. des Rechts auf Vorsteuerabzug entschieden und dabei den Begriff der Einfuhr von Gegenständen für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen näher ausgestaltet. Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug kommt es nach Art. 168 Buchst. e Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) darauf an, ob dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr zustand. Nach dem EuGH steht Art. 168 Buchst. e MwStSystRL einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Abzug der vom Beförderer (der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat) geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer ausschließt.
33Zur Begründung weist der EuGH in Rn. 49 f. seines Urteils DSV Road A/S darauf hin, dass nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. e MwStSystRL ein Recht auf Vorsteuerabzug nur besteht, soweit die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung zum Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer sei diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere oder erbringe. Daher bestehe kein Abzugsrecht nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL, wenn der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten gehöre, die in die von einem Beförderer, dessen Tätigkeit sich auf die entgeltliche Beförderung dieser Waren beschränke, in Rechnung gestellten Preise einflössen.
34Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH werden die eingeführten Gegenstände nur dann für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere bzw. erbringe (vgl. Urteile DSV Road A/S, C-187/14, EU:C:2015:421, Rn. 49; Urteile SKF, C-29/08, EU:C:2009:665, Rn. 60, und Eon Aset Menidjmunt, C-118/11, EU:C:2012:97, Rn. 48).
35Dies entspricht nach dem Verständnis des Senats auch der neuen Rechtsprechung des BFH. Dieser hatte mit Urteil vom 11.11.2015, V R 68/14, BStBl. II 2016, 720, bezüglich des Betreibers eines Zolllagers und dessen Preisgestaltung festgestellt, dass es nach der EuGH-Rechtsprechung keinen Anlass gebe, auf das Auslegungsmerkmal der Verfügungsmacht zu verzichten. Nach dem BFH sei das Merkmal der Verfügungsmacht lediglich unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils DSV Road A/S (EU:C:2015:421) dahingehend zu präzisieren, dass die für den Vorsteuerabzug aus Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG maßgebliche Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten dann vorliege, wenn die Einfuhrumsatzsteuer Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finde, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere bzw. erbringe.
36Die Formulierung des BFH wurde in der Literatur zu Recht als missverständlich kritisiert. Unter Zugrundelegung der weiteren Ausführungen des BFH zur ständigen Rechtsprechung des EuGH versteht der Senat die Ausführungen des BFH dahingehend, dass es für die Frage der Abzugsfähigkeit der Einfuhrumsatzsteuer auf den Wert der eingeführten Gegenstände und damit die Kosten für die Eingangsleistung – und nicht der Einfuhrumsatzsteuer selbst – in den Preis der vom Schuldner getätigten Ausgangsumsätze ankommt (vgl. Looks/Menzel, MwStR 2016, 167, 169; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rn. 1141). Sofern die Einfuhrumsatzsteuer nur abgezogen werden dürfte, wenn sie ein Preisbestandteil wäre, würde dies bedeuten, dass sie mit dem Abzug kein Preisbestandteil mehr sein könnte. Es ergäben sich ein nicht auflösbarer Zirkelschluss und ein Widerspruch zum Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer für den Unternehmer.
37Mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Abzugsfähigkeit der Vorsteuer ist daher auch die Präzisierung des BFH so zu verstehen, dass die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt, nicht jedoch die Einfuhrumsatzsteuer selbst Eingang in die Preisgestaltung der Ausgangsumsätze finden muss.
38c) Nach der oben zitierten neueren Rechtsprechung kann auch der Verkaufskommissionär die Verfügungsmacht an den Waren erhalten. Im Gegensatz zum Inhaber eines Zollagers oder einem Beförderer, über die EuGH und BFH geurteilt hatten, wird bei der Verkaufskommission mit einer Ware gehandelt, deren Wert unmittelbaren Einfluss auf die durch den Verkaufskommissionär in Rechnung gestellten Preise hat. Dies betrifft zum einen die Kommission, die gegenüber dem Einlieferer vom Veräußerungserlös abgezogen wird, und zum anderen die Kosten, die der Abnehmer zusätzlich zum Kaufpreis an den Verkaufskommissionär entrichtet (wie z.B. bei einem Aufschlagsatz), wobei beide Positionen abhängig vom Veräußerungserlös und damit dem Wert des Gegenstandes sind. Der Wert der Ware fließt daher unmittelbar in die Preisgestaltung des Verkaufskommissionärs ein.
394. Der Senat hält an seinem bereits im Urteil vom 17. Januar 2011, 9 K 308/10, a.a.O., vertretenen Rechtsstandpunkt fest, dass es für den Übergang der Verfügungsmacht bei der Einfuhr von Kommissionsware auf die gesetzliche Regelanordnung gem. § 3 Abs. 6 und 8 UStG ankommt. Es ist nicht erforderlich, den Regelungszusammenhang des § 3 Abs. 1, 6 und 8 UStG auszublenden oder durch eine erst spätere Fiktion der Lieferung zu überspielen.
40a) Nach Auffassung des Senats fingiert § 3 Abs. 3 UStG die Lieferung zwischen dem Kommittenten und dem Verkaufskommissionär im Zeitpunkt des Übergangs der Verfügungsmacht gem. § 3 Abs. 6 und Abs. 8 UStG, so dass die Vorschriften parallel an die tatsächliche Übergabe der Ware anknüpfen.
41Wie bereits der BFH zutreffend festgestellt hat, trifft § 3 Abs. 3 UStG keine Aussage darüber, wann die Fiktion der Lieferung eintritt, also über den Zeitpunkt dieser Lieferung und damit auch den Ort der Lieferung (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1986, V R 102/78, BStBl II 1987, 278, Rn. 19). Dabei legte der BFH aus der Perspektive der Verfügungsmacht, für die ein Übergang der Sachsubstanz erforderlich war, die Fiktion des § 3 Abs. 3 UStG so aus, dass diese erst mit dem Übergang der wirtschaftlichen Substanz des Kommissionsgutes des Verkaufskommissionärs an den Abnehmer eine Lieferung erfolgen könne.
42Dies würde bedeuten, dass – sofern die Lieferung des Kommittenten an den Verkaufskommissionärs erst zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser das Kommissionsgut an seinen Abnehmer liefert, erfolgt – der Ort der Lieferung auch für die Lieferung des Kommittenten an den Verkaufskommissionär derjenige Ort ist, an dem sich das Kommissionsgut zu diesem Zeitpunkt befindet. Befindet sich zu diesem Zeitpunkt das Kommissionsgut bereits beim Verkaufskommissionär, so ist Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 UStG dieser Ort, zwischen Kommittent und Verkaufskommissionär läge mithin eine nichtwarenbewegte Lieferung vor und eine Vorsteuerabzugsberechtigung wäre ausgeschlossen und der Verkaufskommissionär mit der Einfuhrumsatzsteuer endgültig wirtschaftlich belastet (vgl. FG Köln vom 17. Januar 2011, 9 K 308/10, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.).
43Aufgrund der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BFH, der der Senat folgt, kann an dieser Perspektive nicht festgehalten werden.
44b) Die Fiktion der Lieferung gem. § 3 Abs. 3 EStG knüpft an die tatsächliche Übergabe der Ware an den Verkaufskommissionär bzw. den Beförderer oder Versender und damit unmittelbar an die Regelungen der § 3 Abs. 6 und Abs. 8 UStG an, um sowohl den Übergang der Verfügungsmacht als auch den Ort und Zeitpunkt der Lieferung zu bestimmen.
45Das Spannungsverhältnis zwischen der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer nach dem Zollrecht (ausschließlich aufgrund des körperlichen Verbringens der Ware als solches aus dem Drittland in das Inland und daher unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Verfügungsbefugnissen und der Unternehmereigenschaft) und ihrem Abzug als Vorsteuer nach dem Umsatzsteuerrecht gem. Art. 168 Buchst. e MwStSystRL und § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG, für die eine Verfügungsbefugnis zum Zeitpunkt der Einfuhr erforderlich ist, kann für den Vorsteuerabzug nur gelöst werden, wenn die Übergabe der Ware an den Verkaufskommissionär die Fiktion der Lieferung auslöst und damit stärker an das tatsächliche Verbringen anknüpft, wie dies für die Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG bereits in § 3 Abs. 6 und Abs. 8 UStG angeordnet ist.
46Würde der Kommittent an den Verkaufskommissionär liefern können, würde der Kommittent mit der Übergabe der Kommissionsware an den Verkaufskommissionär die Lieferung verwirklichen. Einziger Unterschied zu einer Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG ist der Übergang einer Sachsubstanz neben der Übertragung der Verfügungsmacht, nicht jedoch die tatsächliche Übergabe der Ware. Systematisch fingiert § 3 Abs. 3 UStG die für eine Lieferung erforderliche Sachsubstanz, sobald der für die Einfuhr erforderliche tatsächliche, willensgetragene Vorgang erfolgt ist und der Verkaufskommissionär die Verfügungsmacht ausübt, also die Ware in die Preisgestaltung seiner Ausgangsumsätze Eingang findet. Die übrigen Voraussetzungen einer Lieferung müssen durch den Lieferanten bzw. den Empfänger vorliegen, wie z.B. die Unternehmereigenschaft oder die tatsächliche Übergabe der Ware als tatsächlicher, willensgetragene Vorgang, auch wenn keine Sachsubstanz im Sinne einer Lieferung übertragen wird.
47Diese Rechtsauffassung entspricht auch dem Zweck des § 3 Abs. 3 UStG, eine Lieferung zwischen dem Kommittenten und dem Verkaufskommissionär zu ermöglichen, wie dies auch bei einer Übertragung der Sachsubstanz gegeben wäre. Bezüglich der Berechtigung zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer wird das Verkaufskommissionsgeschäft damit nicht anders behandelt als ein Handelskauf. Dies entspricht auch dem ursprünglichen Gedanken des RFH, der die Handelskette zwischen Kommittent, Kommissionär und Drittem gleichbehandeln wollte mit der Lieferungsbeziehung zwischen Verkäufer, Käufer und Abnehmer (RFH vom 18. Oktober 1922 – VI aA 4/22, RFHE 10, 351 ff.) bzw. eine Lieferung an den Verkaufskommissionär bejaht hatte (RFH vom 28. Juni 1940, V 128/39, RStBl 1940, 750 und vom 22. Januar 1943, V 72/42, RStBl 1943, 389).
48Zudem sind für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Vertriebsformen, jedenfalls was die Berechtigung zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer anbelangt, auch keine überzeugenden rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar.
495. Schließlich ist der Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer geboten.
50In ständiger Rechtsprechung weist der EuGH darauf hin, dass das in den Art. 167 und 168 MwStSystRL geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann (z.B. EuGH-Urteil vom 30. September 2010, Uszodaepito, C-392/09, EU:C:2010:569; vom 15. Juli 2010, Pannon Gép Centrum, C-368/09, EU:C:2010:441). Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Februar 2001, Abbey National, C-408/98, EU:C:2001:110, Rn. 24 m.w.N.; vom 21. April 2005, HE, C-25/03, EU:C:2005:241, Rn. 70; und vom 06.07.2006, Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, EU:C:2006:446, Rn. 48).
51Für einen Verkaufskommissionär entsteht die Einfuhrumsatzsteuer nur dann, wenn er Ware für sein Unternehmen einführt, um damit seiner Tätigkeit nachgehen zu können. Damit entsteht die Einfuhrumsatzsteuer ausschließlich im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkaufskommissionärs, mit der er umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erwirtschaftet. Ein Zusammenhang mit anderen - nichtunternehmerischen bzw. nichtwirtschaftlichen – Tätigkeiten des Verkaufskommissionärs scheidet für in Kommission genommene Ware ebenso aus, wie dass der Spediteur oder der (ausländische) Einlieferer die Einfuhrumsatzsteuer bei sich in Abzug bringen kann. Für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe e MwStSystRL müsste der Einlieferer oder Spediteur gem. Art. 178 Buchstabe e MwStSystRL ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzen, das ihn als Empfänger der Lieferung oder Importeur ausweist (vgl. ausführlicher EuGH-Urteil vom 29. März 2012, Véleclair, C-414/10, EU:C:2012:183, Rn. 26; BFH-Urteil vom 13.02.2014 – V R 8/13, BStBl II 2014, 595, Rn. 21). Sofern Ware für den Verkaufskommissionär eingeführt wird, wird dieser regelmäßig in den Dokumenten als Empfänger der Lieferung oder Importeuer aufgeführt.
52Die nach dem vorgenannten Grundsatz gebotene vollständige Entlastung von der Mehrwertsteuer in Form der Einfuhrumsatzsteuer kann allein durch deren vollständigen Abzug als Vorsteuer jedoch nur in der Person des Verkaufskommissionärs erreicht werden. Nur hierdurch wird die Neutralität hinsichtlich der durch die Einfuhrumsatzsteuerfestsetzung bereits eingetretenen steuerlichen Belastung des Verkaufskommissionärs wieder hergestellt. Durch das Abzugssystem soll die wirtschaftliche Belastung vermieden werden. Ausschließlich dann, wenn der Verkaufskommissionär die Einfuhrumsatzsteuer aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche von dritter Seite erstattet bekommt und daher – jedenfalls wirtschaftlich – entlastet würde (FG Hamburg vom 19. Dezember 2012 – 5 K 302/09, EFG 2013, 562, Rn. 57), würde die Einfuhrumsatzsteuer keine endgültige wirtschaftliche Belastung des Verkaufskommissionärs darstellen.
53Auch eine Gefahr des Missbrauchs oder eines fehlerhaften Abzugs sowie einer doppelten Geltendmachung und Anrechnung der Einfuhrumsatzsteuer sieht der Senat nicht, da der Steuerpflichtige in dem die Einfuhr bescheinigenden Dokument zum einen namentlich benannt sein und zum anderen im Besitz diese Dokuments sein muss, um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können.
54Zudem ist kein sachlicher Grund für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer ersichtlich.
55II. Danach ist die Klägerin zum Abzug der von ihr für die Einführung der Kunstgegenstände gezahlten Einfuhrumsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer berechtigt.
561. Aufgrund der Einlieferungsbedingungen der Klägerin wurde diese von den Einlieferern beauftragt, im eigenen Namen und für Rechnung der Einlieferer die betreffenden Kunstgegenstände zu verkaufen. Es handelt sich dabei um ein klassisches Kommissionsgeschäft im Sinne der §§ 383 HGB. Die Klägerin erwarb dadurch die notwendige Verfügungsbefugnis gemäß § 185 Abs. 1 BGB, die ihr gestattete, den Käufern der Kunstgegenstände wirksam vollwertiges Eigentum zu übertragen. Aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin die Kunstgegenstände in ihren unmittelbaren Besitz genommen hat, hat sie somit nicht nur die rechtliche Fähigkeit erworben, diese an die Abnehmer zu Eigentum zu übertragen, sondern sie konnte diese auch in tatsächlicher Hinsicht gegenständlich, ihrer sachlichen Substanz und ihrem wirtschaftlichen Wert nach auf die Empfänger übergehen lassen.
572. Die Klägerin hatte Verfügungsbefugnis über die Kunstgegenstände. Im Gegensatz zu den bereits zitierten Fällen des EuGH und des BFH zu Beförderern oder den Inhabern von Zolllagern findet der Wert der Kunstgegenstände Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze der Klägerin, die diese im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Kunstauktionshaus erbringt. Der erzielte Versteigerungspreis und damit der tatsächliche Wert der Kunstgegenstände hat unmittelbaren Einfluss auf die durch die Klägerin in Rechnung gestellten Preise. Dies betrifft zum einen die Kommission, die nach den Einlieferungsbedingungen der Klägerin gegenüber dem Einlieferer vom Veräußerungserlös abgezogen wird, als auch den Aufschlagsatz in Höhe von 20% bzw. 21%, der auf den Versteigerungserlös aufgeschlagen wird, wobei beide Positionen abhängig vom Versteigerungserlös und damit dem Wert des Kunstgegenstandes sind. Der Wert der Ware fließt daher unmittelbar in die Preisgestaltung der Klägerin ein. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde bis zu den Streitjahren als Vorsteuer anerkannt und fand daher keinen Eingang in die Höhe der Kommission oder den Aufschlagsatz.
583. Die Verfügungsbefugnis hat die Klägerin mit der Versendung gemäß § 3 Abs. 6 UStG erlangt. Gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG gilt, wenn der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet wird, die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
59Dies ist der Fall, da die Klägerin entweder die Kunstgegenstände persönlich beim Einlieferer abgeholt hat oder eine Spedition durch die Klägerin oder den Einlieferer beauftragt wurde und die Einfuhr für die Klägerin als Empfängerin der Leistung ausgeführt und sie in den Einfuhrdokumenten als Empfängerin genannt wurde. Danach hat die Klägerin bereits im Drittstaat die Verfügungsmacht an den Kunstgegenständen erlangt. Daraus folgt unter Berücksichtigung des Lieferbegriffs des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 UStG sowie der einschlägigen Regelungen zum Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Einfuhr der Kunstgegenstände nach Deutschland die insoweit nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG für die Berechtigung zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer erforderliche Verfügungsmacht über die Kunstgegenstände erlangt hatte.
604. Wie bereits ausgeführt, ist die Einfuhrumsatzsteuer zudem nur deswegen entstanden, weil die Kunstgegenstände für die Klägerin eingeführt wurden, damit diese ihrer Tätigkeit als Inhaberin eines Kunstauktionshauses nachgehen konnte. Damit ist die Einfuhrumsatzsteuer ausschließlich im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entstanden, mit der sie umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erwirtschaftet.
61Ein Zusammenhang mit anderen - nichtunternehmerischen bzw. nichtwirtschaftlichen – Tätigkeiten der Klägerin scheidet ebenso aus, wie dass der Spediteur oder der (ausländische) Einlieferer die Einfuhrumsatzsteuer bei sich in Abzug gebracht haben, da die Klägerin als Empfängerin der Lieferung in den Einfuhrdokumenten ausgewiesen ist.
62Insbesondere ist im Streitfall nicht naheliegend, dass die Klägerin die Einfuhrumsatzsteuer aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche von dritter Seite erstattet bekommt und daher – jedenfalls wirtschaftlich – entlastet wird. Weder hatte die Klägerin nach ihren Einlieferungsbedingungen das Recht, die Einfuhrumsatzsteuer als Kostenelement von dem Versteigerungserlös des Einlieferers als weitere Kosten abzuziehen, noch war die Einfuhrumsatzsteuer kalkulatorisch im Aufschlagsatz der Klägerin gegenüber dem Käufer enthalten. Sie wäre daher wirtschaftlich endgültig mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet, sollte der Vorsteuerabzug ausgeschlossen sein. Dies würde gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßen.
63III. Der Senat hält die Auslegung der im Streitfall anzuwendenden unionsrechtlichen
64Vorschriften auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht für
65zweifelhaft und sieht sich daher nicht veranlasst, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.
66IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
67V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
68VI. Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO die Revision zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert. Soweit ersichtlich, liegt bislang noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung von Einfuhrumsatzsteuer in Verkaufskommissionsfällen vor.