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Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Dezember 2013 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017 wird der Beklagte verpflichtet, den Freistellungsbescheid bezüglich Abzugsteuern in Höhe von ... EUR (= Kapitalertragsteuer in Höhe von ... EUR zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von ... EUR) zu erlassen und den entsprechenden Betrag zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf ... EUR festgesetzt.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Beantragung der Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag darum, ob die Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. (entspricht § 50d Abs. 1 Satz 9 EStG n.F.) für die Kapitalertragsteuererstattung gewahrt ist, und in diesem Zusammenhang im Wesentlichen um die Frage, wann der zutreffende Zeitpunkt des Zuflusses von verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8a Abs. 1 KStG a.F. anzunehmen ist.
3Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der luxemburgischen Z S.A. (nachfolgend Z S.A. (Luxemburg)). Anteilseignerin der Klägerin, vermittelt über eine weitere Gesellschaft (W Ltd.), ist die R S.A. (nachfolgend R S.A. (Schweiz)). Z S.A. (Luxemburg) war die 100 %ige Muttergesellschaft der in Deutschland ansässigen Z1 GmbH (nachfolgend Z1 GmbH (Deutschland)) und hat dieser Darlehen gewährt. In den Jahren 2006 und 2007 entstanden hieraus Zinsaufwendungen in Höhe von ... EUR (2006) und ... EUR (2007). Diese Zinsaufwendungen wurden erfolgswirksam als Verbindlichkeiten gebucht und entsprechend in den Bilanzen der Z1 GmbH (Deutschland) jeweils zum 31. Dezember der Jahre 2006 bis 2008 ausgewiesen.
4Eine tatsächliche Zahlung der Zinsen erfolgte nicht. Nach Schilderung der Klägerin sei die Z1 GmbH (Deutschland) in den Jahren 2006 und 2007 faktisch nicht in der Lage gewesen, die Zinsverpflichtungen zu erfüllen; es mangelte an ausreichenden liquiden Mitteln. Hierzu verweist die Klägerin darauf, dass zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2006 und 31. Dezember 2007 jeweils ein Kassen-/Bankbestand in Höhe von 20.000 EUR vorgelegen und ein negatives Eigenkapitalkonto in Höhe von ...EUR bzw. ... EUR bestanden habe. Die Zinsverbindlichkeiten der Z1 GmbH (Deutschland) gegenüber der Z S.A. (Luxemburg) (Rechtsvorgängerin der Klägerin) wurden, nachdem die R‑Gruppe Anteile an der Z-Gruppe erworben hatte, im Rahmen von Umstrukturierungen innerhalb der Z-Unternehmensgruppe durch Verträge vom 23. Dezember 2009 und vom 28. Dezember 2009 ausgeglichen. Im Ergebnis dieser Umstrukturierungen wurden die Verbindlichkeiten der Z1 GmbH (Deutschland) gegenüber ihrer Anteilseignerin, Z S.A. (Luxemburg), ohne tatsächliche Zahlung ausgeglichen.
5Im Einzelnen wurden die Verbindlichkeiten wie folgt umstrukturiert: Die Z1 GmbH (Deutschland) vereinbarte mit der R S.A. (Schweiz) am 23. Dezember 2009, dass R S.A. (Schweiz) unter gleichzeitigem Verzicht auf jegliche Ansprüche gegenüber der Z1 GmbH (Deutschland) von den Schulden der Z1 GmbH (Deutschland) gegenüber Z S.A. (Luxemburg) einen Teilbetrag von ... Millionen im Wege einer befreienden Schuldübernahme übernimmt. Die danach noch bestehenden Forderungen der Z S.A. (Luxemburg) gegenüber der Z1 GmbH (Deutschland) in Höhe von ... EUR trat die Z S.A. (Luxemburg) zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit gegenüber der R S.A. (Schweiz) mit Vertrag vom 28. Dezember 2009 an R S.A. (Schweiz) ab. Ebenfalls mit Vertrag vom 28. Dezember 2009 trat die Z1 GmbH (Deutschland) eine Forderung gegenüber der R1 GmbH (Deutschland) in Höhe von ... EUR an R S.A. (Schweiz) ab, um damit die bestehende Verbindlichkeit gegenüber der R S.A. (Schweiz) zu erfüllen. Im Ergebnis schuldete sodann die Z1 GmbH (Deutschland) der R S.A. (Schweiz) noch einen Betrag von ... EUR. Dieser Betrag wurde in der Bilanz der Z1 GmbH (Deutschland) zum Stichtag 31. Dezember 2009 als Verbindlichkeit ausgewiesen.
6Im Rahmen der vom Finanzamt G aufgrund der Prüfungsanordnungen vom 24. Februar 2010 und vom 23. Dezember 2011 für den Zeitraum 2005 bis 2007 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Z1 GmbH (Deutschland) wurde festgestellt, dass es sich bei den aufwandswirksam erfassten Zinsaufwendungen 2006 in Höhe von ... EUR um sog. unechte verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8a KStG (in der damaligen Fassung) handelte. Die entsprechenden Feststellungen sind sowohl in den vorläufigen Prüfungsfeststellungen vom 15. Februar 2012 unter Teilziffer 1 (Anlage K 16 zur Klageschrift, vgl. Bl. 161 der Gerichtsakte -GA-) als auch im Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts G vom 4. November 2013 (Anlage K 15 zur Klageschrift, vgl. Bl. 138 der GA) unter Teilziffer 20 enthalten, wobei sich lediglich bei den vorläufigen Prüfungsfeststellungen am Ende des entsprechenden Passus der Vermerk „(jedoch keine Ausschüttungsbelastung herstellen da kein Abfluss)“ findet.
7Die Zinsaufwendungen des Jahres 2007 hatte die Z1 GmbH (Deutschland) bereits ihrerseits als verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a KStG behandelt und dem entsprechend bei der Ertragsteuererklärung 2007 das erklärte steuerliche Einkommen um diesen Zinsaufwand erhöht. Die Betriebsprüfung ist insoweit der Steuererklärung der Z1 GmbH (Deutschland) gefolgt.
8Aufgrund des seitens der Z1 GmbH (Deutschland) im Zusammenhang mit dem Ausgleich der Verbindlichkeiten innerhalb der Z-Gruppe im Dezember 2009 zu diesem Zeitpunkt angenommenen Zuflusses der Zinsen bei der Z S.A. (Luxemburg) gab die Z1 GmbH (Deutschland) am 11. Mai 2011 beim Finanzamt T eine Kapitalertragsteueranmeldung auf den 23. Dezember 2009 bezüglich der unechten verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a KStG a.F. bezüglich des Zinsaufwands des Jahres 2007 ab und führte die Kapitalertragsteuer ab. Hierbei wurde der für das Jahr 2009 maßgebliche Kapitalertragsteuersatz von 25 % zugrunde gelegt.
9Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung korrigierte die Z1 GmbH (Deutschland) am 13. September 2011 die Kapitalertragsteueranmeldung dahingehend, dass auch der Zinsaufwand des Jahres 2006 hierbei berücksichtigt wurde.
10Mit den Anmeldungen vom 11. Mai 2011 und vom 13. September 2011 wurden folgende Beträge angemeldet:
11Anmeldung |
Jahr |
KapESt |
SolZ |
Summen |
11.5.2011 |
2007 |
... EUR |
... EUR |
... EUR |
13.9.2011 |
2006 |
... EUR |
... EUR |
... EUR |
Summen |
... EUR |
Am 13. September 2012 (Eingang beim Beklagten) beantragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Z S.A. (Luxemburg), die Erstattung der deutschen Abzugsteuern auf Kapitalerträge gemäß § 43b EStG i.V.m. § 50d EStG (vgl. Bl. 32 ff. der GA). Nach Korrespondenzen zwischen den Prozessbevollmächtigten und Vertretern des Beklagten und der zwischenzeitlichen Ankündigung einer antragsgemäßen Bescheidung des Erstattungsantrags lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 (Bl. 18 der GA) den Antrag mit der Begründung ab, dass die im Streitfall maßgebliche Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. nicht gewahrt worden sei.
13Nach weiteren Korrespondenzen zwischen den Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten einschließlich einer Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017 (Bl. 21 der GA) wiederum mit Verweis auf die nach Ansicht des Beklagten bereits abgelaufene Antragsfrist zurück.
14Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der fristgemäß am 6. Juni 2017 eingelegten Klage und verfolgt ihr Erstattungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. gewahrt sei. Die Antragsfrist betrage vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge bezogen worden seien. Kapitalerträge würden im Zeitpunkt ihres Zuflusses bezogen. Dieser Zeitpunkt läge vorliegend nicht – wie vom Beklagten angenommen – in den Jahren 2006 bis 2007, sondern im Dezember 2009, da erst im Zuge der Umstrukturierung der Verbindlichkeiten ein Zufluss der Zinseinnahmen und damit der fingierten unechten verdeckten Gewinnausschüttung angenommen werden könne.
15Hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung des Sachverhalts sei zwischen den Ebenen der Z1 GmbH (Deutschland) als Schuldnerin der Zinsverbindlichkeiten und den auf dieser Ebene zu beurteilenden steuerlichen Auswirkungen der Annahme von Vergütungen im Sinne von § 8a KStG a.F. auf das Einkommen der Z1 GmbH (Deutschland) einerseits und der Z S.A. (Luxemburg) als Gläubigerin und der hierbei zu beantwortenden Frage, wann ein Zufluss bei der Gläubigerin gegeben und damit Kapitalertragsteuer angefallen sei, andererseits zu unterscheiden. Die aufgrund der Darlehensverbindlichkeiten in den Jahren 2006 und 2007 entstandenen und gebuchten Zinsaufwendungen hätten aufgrund der Anwendung von § 8a KStG a.F. das Einkommen der Z1 GmbH (Deutschland) in diesen beiden Jahren erhöht. Die insoweit in sog. unechte verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifizierten Zinseinnahmen stellten – wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt – Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar und unterlägen – insoweit grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Beklagten – dem Kapitalertragsteuerabzug. Allerdings weiche – anders als der Beklagte meint – der Zeitpunkt des Zuflusses der unechten verdeckten Gewinnausschüttung von dem Zeitpunkt ab, zu dem sich die steuerlichen Auswirkungen bei der Z1 GmbH (Deutschland) als Schuldnerin ergeben würden. Die Vergütungen für die Darlehensüberlassung seien der Z S.A. (Luxemburg) nicht in den Jahren 2006 bis 2008 zugeflossen, da die Z1 GmbH (Deutschland) als Schuldnerin nicht leistungsfähig gewesen sei, sondern erst mit dem Ausgleich der Zinsverbindlichkeiten im Zuge der Umstrukturierung der Verbindlichkeiten innerhalb der Z-Gruppe im Jahre 2009, bzw. von der Z S.A. (Luxemburg) erst 2009 bezogen worden im Sinne von § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F..
16Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG seien gemäß § 11 EStG im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern. Zufluss stelle einen tatsächlichen Vorgang dar, der grundsätzlich nicht fingiert werden könne. Es komme insoweit darauf an, wann der Anteilseigner objektiv bereichert sei und die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt habe. Eine Erfassung von Zinsaufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen auf Ebene der Gesellschaft führe noch nicht zu Einkünften des Anteilseigners im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Eine Korrektur des Einkommens einer Kapitalgesellschaft könne unabhängig davon geschehen, ob auf der Ebene des Anteilseigners eine verdeckte Gewinnausschüttung zugeflossen sei (Verweis auf BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 – VIII R 54/05).
17Aus der zu § 8a KStG a.F. ergangenen Rechtsprechung folge, dass im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne dieser Vorschrift (erst) im Zeitpunkt der Leistung Kapitalertragsteuern einzubehalten und abzuführen seien. Hierbei stelle der BFH darauf ab, dass dem Gesellschafter im Zeitpunkt der Auszahlung der Fremdkapitalvergütung durch die Kapitalgesellschaft ein Beteiligungsertrag im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sei und ihm dieser Ertrag auch zufließe (Verweis auf BFH-Urteile vom 20. August 2008 – I R 29/07 und vom 18. März 2009 – I R 13/08).
18Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wonach bei beherrschenden Gesellschaftern auch ohne einen tatsächlichen Zufluss von Vergütungen eine (echte) verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen könne, etwa wenn Dividendenansprüche auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto gutgeschrieben werden, wende der BFH für den vorliegenden Fall von unechten verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8a KStG a.F. nicht an. Vielmehr habe der BFH, statt auf die ständige Rechtsprechung zu echten verdeckten Gewinnausschüttungen abzustellen, auf den Zeitpunkt der Zahlung der Fremdkapitalvergütung abgestellt.
19Des Weiteren habe das BMF klargestellt (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Juli 2004, BStBl. I 2004, 593, und vom 15. Dezember 1994, BStBl. I 1995, 25), dass sich die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a KStG a.F. nach den allgemeinen Grundsätzen (und nicht nach den besonderen Regelungen zum Zufluss von Vergütungen an wesentlich Beteiligte) richte. Eine solche verdeckte Gewinnausschüttung stelle eine andere Ausschüttung im Sinne der §§ 27 Abs. 3 und 28 Abs. 2 KStG dar und erfolge mit dem Abfluss der Mittel bei der Kapitalgesellschaft.
20Im Übrigen könne es auch bei offenen Gewinnausschüttungen an beherrschende Gesellschafter zu einem Auseinanderfallen des Zuflusszeitpunkts für Veranlagungszwecke und für Kapitalertragsteuerzwecke kommen, denn die Gewinnausschüttung gelte nicht bereits im – für die Erfassung der Gewinnausschüttung im Rahmen der Veranlagung des beherrschenden Gesellschafters maßgeblichen – Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung als für Kapitalertragsteuerzwecke zugeflossen, sondern entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 2 EStG erst im Zeitpunkt des im Gewinnverwendungsbeschluss bestimmten Auszahlungstages, obwohl der beherrschende Gesellschafter diesen Zeitpunkt nach seinen Vorstellungen bestimmen könne.
21Entsprechendes folge auch aus § 44 Abs. 4 EStG, wonach im Falle einer Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge hinsichtlich einer Stundung der Kapitalerträge, weil der Schuldner vorübergehend zur Zahlung nicht in der Lage sei, der Steuerabzug erst mit Ablauf der Stundungsfrist vorzunehmen sei. Vorliegend seien Z1 GmbH (Deutschland) und Z S.A. (Luxemburg) übereingekommen, dass Z1 GmbH (Deutschland) die Zinsen einstweilen nicht zahlen müsse, da diese hierzu faktisch nicht in der Lage gewesen sei.
22Hilfsweise trägt die Klägerin vor, dass hinsichtlich der Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. aufgrund der von der Z1 GmbH (Deutschland) abgegebenen Kapitalertragsteueranmeldung eine Ablaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingetreten sei. Hiernach könne in Fällen, in denen eine Steueranmeldung abzugeben sei, der Ablauf der Festsetzungsfrist durch die Nichtabgabe der Anmeldung gehemmt werden. Die Frist beginne dann erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anmeldung eingereicht werde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung der Steuer. Da vorliegend die Steueranmeldung durch die Z1 GmbH (Deutschland) erst im Jahre 2011 abgegeben worden sei, habe die Festsetzungsfrist für die Kapitalertragsteuer gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2009 bzw. 2010 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2013 bzw. 2014 geendet. Vor Ablauf dieser Frist sei der vorliegende Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gestellt worden. Im Übrigen sei die Fristenregelung § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. mit EU-Recht unvereinbar und daher unionsrechtskonform auszulegen. Die Klägerin sei im Hinblick auf den Erstattungsanspruch gegenüber einem inländischen Vergütungsgläubiger benachteiligt. Hierdurch sei die Mutter-Tochter-Richtlinie verletzt, die keine Antragsfrist vorsehe.
23Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerbevollmächtigten vom 6. Juni 2017 (Bl. 5 der GA), vom 31. August 2018 (Bl. 122 der GA) und vom 23. November 2918 (Bl. 175 der GA) Bezug genommen.
24Die Klägerin beantragt,
25den Beklagten unter Aufhebung der Bescheids vom 18. Dezember 2013 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017 zu verpflichten, einen Freistellungsbescheid bezüglich Kapitalertragsteuern inklusive Solidaritätszuschlag in Höhe von ... EUR (= Kapitalertragsteuer in Höhe von ... EUR zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von ... EUR) zu erlassen und den entsprechenden Betrag zu erstatten.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Der Beklagte trägt vor, dass die von der Klägerin begehrte Erstattung nicht zu gewähren sei. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe nicht innerhalb der Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. bzw. § 50d Abs. 1 Satz 9 EStG n.F. die Erstattung der Kapitalertragsteuerbeträge beantragt. Danach müsse die Antragstellung innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge oder Vergütungen bezogen worden seien, erfolgen. Vorliegend sei infolge der verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8a KStG a.F. aufgrund der von der Z1 GmbH (Deutschland) geschuldeten Darlehensvergütungen in den Jahren 2006 und 2007 bereits auch in diesen Jahren ein Zufluss dieser verdeckten Gewinnausschüttungen bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin anzunehmen. Im Falle von Alleingesellschaftern bzw. beherrschenden Gesellschaftern würden von der Kapitalgesellschaft geschuldete Beträge bereits im Fälligkeitszeitpunkt als zugeflossen gelten. Einer Gutschrift auf einem Verrechnungskonto bedürfe es nicht mehr, denn der Alleingesellschafter bzw. beherrschende Gesellschafter habe ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit die Möglichkeit, die sofortige Auszahlung des Vermögensvorteils zu erzwingen.
29Vorliegend habe die Z1 GmbH (Deutschland) als Schuldnerin die Verbindlichkeiten zum 31. Dezember 2006 und zum 31. Dezember 2007 bilanziert. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei auch ein Zufluss bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin anzunehmen, auch wenn in den Jahren 2006 und 2007 kein tatsächlicher Vermögensabfluss bei der Schuldnerin erfolgt sei und die Verbindlichkeiten erst im Rahmen der Umstrukturierungen im Dezember 2009 getilgt worden seien.
30Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a KStG a.F. bestimmten sich hinsichtlich des Zu- und Abflusses nach den allgemeinen Grundsätzen. Dies umfasse – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch die nach der ständigen Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze bezüglich des Zuflusses bei wesentlich Beteiligten. Anders als die Klägerin meine, verweise auch das BMF in den besagten Anwendungsschreiben nur hinsichtlich des Einbehalts und der Abführung der Kapitalertragsteuer auf die allgemeinen Grundsätze, nicht jedoch hinsichtlich der Beurteilung des Zeitpunkts des Zuflusses eines Vermögensvorteils.
31Etwas anderes folge nicht aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des BFH zu § 8a KStG a.F., denn zum einen habe es sich in dem durch Urteil vom 20. August 2008 (I R 29/07) entschiedenen Fall nicht um einen beherrschenden Gesellschafter gehandelt, zum anderen hätten in dem der Entscheidung vom 18. März 2009 (I R 13/08) zu Grunde liegenden Sachverhalt die tatsächliche Zahlung und der Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter im selben Jahr gelegen. Die Rechtsprechung enthalte gerade keine Aussage darüber, dass die besonderen Regelungen von Zuflüssen bei beherrschenden Gesellschaftern bei verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 8a KStG a.F. keine Anwendung finden sollen.
32Soweit die Klägerin vortrage, dass erst im Jahre 2009 ein Zufluss bewirkt worden sei, da vorher keine ausreichenden liquiden Mitteln zur Verfügung gestanden hätten, habe die Klägerin die Zahlungsunfähigkeit der Z1 GmbH (Deutschland) nicht hinreichend dargelegt. Denn eine verdeckte Gewinnausschüttung gelte unabhängig von einem Verzicht auf die Geltendmachung der Forderung als zugeflossen, sofern die Schuldnerin zahlungsfähig sei. Dies sei im Streitfall nicht anzunehmen, ansonsten habe die Z1 GmbH (Deutschland) gemäß § 64 GmbHG innerhalb von drei Wochen Konkurs bzw. Insolvenz anmelden müssen. Da dies nicht erfolgt sei, spreche dies dafür, dass die Gesellschaft nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Schließlich sei aufgrund der Umstrukturierungen im Dezember 2009 und des Jahresabschlusses der Z1 GmbH (Deutschland) von einer Fortführung des Unternehmens auszugehen.
33Für die Wahrung der Antragsfrist reiche die Steueranmeldung der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht aus, da diese zu keiner Ablaufhemmung im Sinne von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO führe. Die Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. stelle zugleich eine spezielle Feststellungsfrist für den Feststellungsbescheid dar (Verweis auf FG Köln, Urteil vom 6. Mai 2015, 2 K 3712/10). Die Regelungen der §§ 169 ff. AO würden durch § 50d EStG verdrängt. Diese Fristenregelung sei mangels Verstößen gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit unionsrechtskonform.
34Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 15. Oktober 2018 (Bl. 166 der GA) und vom 9. Januar 2019 (Bl. 184 der GA) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36Die zulässige Klage ist begründet.
37Der Ablehnungsbescheid vom 18. Dezember 2013 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erlass des begehrten Freistellungsbescheides gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Erstattung des begehrten Kapitalertragsteuerbetrages zu, insbesondere da die Rechtsvorgängerin der Klägerin fristgerecht einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
38I. Die Erstattung der Abzugsteuer findet im Streitfall ihre Rechtsgrundlage in § 43b EStG i.V.m. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG.
391. Können Einkünfte, die dem Steuerabzug u.a. vom Kapitalertrag unterliegen, nach § 43b EStG oder nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge ungeachtet des § 43b EStG sowie des Abkommens anzuwenden. Unberührt bleibt gemäß 50d Abs. 1 Satz 2 EStG der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt gemäß § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge.
40Verfahrensrechtliche Grundlage der Steuererstattung ist der Freistellungsbescheid im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, in dem über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung – und damit zugleich des Erstattungsanspruchs – entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2000, I R 34/99, BStBl. II 2001, 291).
41Dieser Freistellungsbescheid ist zu erteilen, wenn die bezeichneten Einkünfte gemäß § 43b EStG oder gemäß einem DBA nicht oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden.
422. Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Z S.A. (Luxemburg), wurden Vergütungen für Darlehen, die sie ihrer Tochtergesellschaft, der Z1 GmbH (Deutschland), gewährt hatte, aufgrund der seinerzeit geltenden Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 in der bis zum 17. Augst 2007 geltenden Fassung (KStG a.F.) – auch ohne eine tatsächliche Zahlung der Fremdkapitalvergütungen – in den Jahren 2006 und 2007 als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Insoweit wird auf die Feststellungen des Betriebsprüfungsfinanzamts G Bezug genommen (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 4. November 2013, Anlage K 15 zur Klageschrift, Bl. 138 der GA).
433. Die daraufhin vom Gläubiger erzielten Kapitalerträge unterliegen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem Steuerabzug vom Kapitalertrag. Die Kapitalertragsteuer ist nach allgemeinen Grundsätzen von der fremdfinanzierten Kapitalgesellschaft einzubehalten und abzuführen.
44Verdeckte Gewinnausschüttungen stellen eine andere Ausschüttung im Sinne der §§ 27 Abs. 3 und 28 Abs. 2 KStG dar und gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu den Kapitalerträgen, auf die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG (bei Körperschaften i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG) Kapitalertragsteuer erhoben wird. Die verdeckte Gewinnausschüttung erfolgt mit dem Abfluss der Mittel bei der Kapitalgesellschaft. Dem Kapitalertragsteuerabzugsverfahren unterliegen auch gemäß § 8a KStG a.F. fingierte, d.h. sog. unechte verdeckte Gewinnausschüttungen, die eine sonstige Leistung darstellen und mit Abfluss der Vergütung bei der Kapitalgesellschaft erfolgen (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 2009, I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613; vom 20. August 2008, I R 29/07, BStBl. II 2010, 142; BMF vom 15. Juli 2004, BStBl. I 2004, 593). Die Kapitalertragsteuer ist vom inländischen, die verdeckten Gewinnausschüttungen Gewährenden bei der zuständigen Finanzbehörde anzumelden und abzuführen (vgl. § 44 Abs. 1 EStG), so wie dies hier auch durch die Z1 GmbH (Deutschland) erfolgt ist.
454. Die Klägerin kann als Rechtsnachfolgerin der Z S.A. (Luxemburg) als ausländische Muttergesellschaft unter den Voraussetzungen des § 50d EStG die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer in dem Umfang beim Beklagten beantragen, der durch die Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) oder die einschlägigen DBA-Bestimmungen festgelegt wird. Vorliegend ist allein streitig, ob die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin die beiden streitgegenständlichen Anträge auf Freistellung bzw. Erstattung der Kapitalerträge gemäß § 50d EStG fristgerecht gestellt hat.
46a) Die Kapitalertragsteuererstattung gemäß § 50d Abs. 1 EStG setzt u.a. voraus, dass der Antrag auf Freistellung bzw. Erstattung innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge oder Vergütungen bezogen worden sind, gestellt wird (§ 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F.). Diese Frist endet jedoch nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer (§ 50d Abs. 1 Satz 8 EStG a.F.). Mit Geltung ab dem Veranlagungszeitraum 2012 finden sich die Regelungen wortgleich in § 50d Abs. 1 Sätze 9 und 10 EStG (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich § 52 Abs. 1 und Abs. 59a EStG 2012).
47b) Für den Zeitpunkt des Bezugs der Kapitalerträge im Sinne von § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. i.V.m. § 11 Abs. 1, § 44 Abs. 1 Satz 2, 3 EStG und damit den Beginn der Antragsfrist kommt es – entgegen der Ansicht des Beklagten – im Falle einer fingierten verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a Abs. 1 KStG a.F. ohne eine tatsächliche Zahlung von Vergütungen für Fremdkapital nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem sich die fingierte verdeckte Gewinnausschüttung auf das steuerliche Einkommen der Schuldnerin (hier der Z1 GmbH (Deutschland)) auswirkt, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Gläubigerin (vorliegend die Z S.A. (Luxemburg)) über die Kapitalerträge wirtschaftlich verfügen konnte.
48aa) Für die Beurteilung, wann von einem Zufluss (Bezug) der Kapitalerträge beim Anteilseigner auszugehen ist, gelten die in der ständigen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zum Zufluss von verdeckten Gewinnausschüttungen auch für die Konstellation der unechten verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 8a Abs. 1 KStG a.F.
49Mit dem Ziel, Missbräuchen im Zusammenhang mit der Gesellschafterfremdfinanzierung entgegenzuwirken, regelte der Gesetzgeber mit § 8a KStG a.F., dass Zinsen, die an wesentlich beteiligte Gesellschafter gezahlt werden, ab einem bestimmten Fremd-/Eigenkapitalverhältnis als verdeckte Gewinnausschüttungen gelten und somit dem Gewinn der (die Zinsen zahlenden, d.h. „ausschüttenden“) Gesellschaft wieder hinzugerechnet werden mussten. Gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. gelten Vergütungen für Fremdkapital, das eine Kapitalgesellschaft nicht nur kurzfristig von einem Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen ist, als verdeckte Gewinnausschüttungen, wenn die Vergütungen insgesamt mehr als 250.000 EUR betragen und wenn eine nicht in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist, oder wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt, es sei denn, der sog. Fremdvergleich gelingt.
50Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen werden – wie im Streitfall – Fremdkapitalvergütungen in fiktive verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifiziert. Die steuerlichen Rechtswirkungen derartiger umqualifizierter „unechter" verdeckter Gewinnausschüttungen auf der Anteilseignerebene stimmen mit denjenigen für echte verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG überein (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 2009 I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613; vom 20. August 2008 I R 29/07, BStBl. II 2010, 142). Demgemäß ist – wie ausgeführt – der Schuldner der Kapitalerträge verpflichtet, den Steuereinbehalt – wie hier auch geschehen – vorzunehmen.
51bb) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat in diesem Zeitpunkt der Schuldner der Kapitalerträge den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers vorzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG fließen Gewinnanteile (Dividenden) und andere Kapitalerträge im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, dem Gläubiger an dem Tag zu, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt worden ist. Ist die Ausschüttung nur festgesetzt, ohne dass über den Zeitpunkt der Auszahlung ein Beschluss gefasst worden ist, so gilt als Zeitpunkt des Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbs. EStG).
52cc) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den sonstigen Bezügen auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Einnahmen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er über diese wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Bankkonto des Empfängers gutgeschrieben werden. Indes kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (z.B. bei Gutschrift auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto, vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480).
53dd) Besonderheiten gelten für Alleingesellschafter oder beherrschende Gesellschafter einer GmbH. Bei diesen ist der Zufluss eines Vermögensvorteils nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen. Der Gutschrift auf einem Verrechnungskonto u.Ä. bedarf es dann nicht. Denn der beherrschende/alleinige Gesellschafter hat es kraft seiner Stellung in der GmbH regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480; vom 19. Juli 1994, VIII R 58/92, BStBl. II 1995, 362; vom 2. Dezember 2014, VIII R 2/12, BStBl. II 2015, 333). Demnach sind z.B. bei einer Aufwandsbuchung beim Schuldner für geschuldete Zinsen diese dem Gläubiger als beherrschendem Gesellschafter auch ohne tatsächliche Zahlung im Sinne des § 11 EStG zugeflossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017, VIII R 19/16, BStBl. II 2019, 34).
54Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2014, VIII R 2/12, BStBl. II 2015, 333). Es ist demnach auf die Leistungsfähigkeit der GmbH als Schuldnerin abzustellen, denn die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des beherrschenden Gesellschafters auf die Zahlungsmittel der GmbH ist bedeutungslos, wenn die erforderlichen Zahlungsmittel fehlen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480).
55c) Nach diesen allgemeinen Grundsätzen liegt im Streitfall ein Zufluss bzw. ein Bezug der verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a Abs. 1 KStG a.F. aufgrund von Zinsansprüchen aus den Jahren 2006 und 2007 bei der Gläubigerin und Anteilseignerin (vorliegend der Z S.A. (Luxemburg) als Rechtsvorgängerin der Klägerin) im Dezember 2009 vor. Erst zu diesem Zeitpunkt kann eine für den wirtschaftlichen Zufluss der Fremdgeldvergütungen maßgebliche Verfügungsmöglichkeit der Z S.A. (Luxemburg) über ihre Zinsansprüche angenommen werden, weil sie im Zuge der Umstrukturierung der Verbindlichkeiten innerhalb der Z-Gruppe ihre Zinsansprüche gegenüber der Z1 GmbH (Deutschland) dafür verwendete, um eigene Verbindlichkeiten gegenüber der R S.A. (Schweiz) zu erfüllen. Zuvor ist – mangels tatsächlicher Zahlung oder vergleichbarer Zurverfügungstellung der Vergütungen und angesichts der finanziellen Lage der Vergütungsschuldnerin – nicht ersichtlich, dass die Z S.A. (Luxemburg) über die Kapitalerträge – zumindest wirtschaftlich sinnvoll – verfügen konnte und ihr damit ein Vermögensvorteil zugeflossen ist. Vor Dezember 2009 waren die Ansprüche der Z S.A. (Luxemburg) auch – zumindest außerhalb der Z-Gruppe – wirtschaftlich nicht verwertbar gewesen. Die Abtretung der Ansprüche gegenüber der Z1 GmbH (Deutschland) erfolgte allein vor dem Hintergrund, dass die R S.A. (Schweiz) den maßgeblichen Teil der Verbindlichkeiten der Z1 GmbH (Deutschland) übernommen hatte und bereit war, den übrigen Teil der Ansprüche der Z S.A. (Luxemburg) an Erfüllungs statt zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten der Z S.A. (Luxemburg) gegenüber der R S.A. (Schweiz) zu übernehmen. Nur deshalb waren die Vergütungsansprüche der Z S.A. (Luxemburg) überhaupt wirtschaftlich verwertbar.
56Ein Bezug der Kapitalerträge liegt insbesondere nicht bereits in den Jahren 2006 und 2007 vor, denn in diesen Jahren sind keine tatsächlichen Zinszahlungen durch die Schuldnerin (hier der Z1 GmbH (Deutschland)) erfolgt. Die in den Gewinnermittlungen der Darlehensschuldnerin für die Jahre 2006 bzw. 2007 erfassten Zinsverbindlichkeiten haben sich infolge der Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. in diesen Jahren lediglich auf das steuerliche Einkommen der Schuldnerin auswirkt. Ein entsprechender wirtschaftlicher Vorteil bei der Gläubigerin ist hingegen – wie ausgeführt – erst im Dezember 2009 eingetreten, als die Z S.A. (Luxemburg) über die Kapitalerträge wirtschaftlich sinnvoll verfügen konnte, indem Verbindlichkeiten innerhalb des Konzerns, dem die Klägerin und deren Rechtsvorgängerin sowie die Z1 GmbH (Deutschland) angehören bzw. angehörten, ausgeglichen wurden.
57Mit einem tatsächlichen/wirtschaftlichen Zufluss der Zinsvergütungen (als Kapitalertrag im Zuge der Umqualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung auf Seiten des Schuldners) im Dezember 2009 sind diese zu diesem Zeitpunkt von der Rechtsvorgängerin der Klägerin bezogen worden (im Sinne von § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F.) bzw. sind dieser zugeflossen (im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 1 EStG).
58d) Diese Beurteilung des Streitfalls findet auch Bestätigung in der Rechtsprechung des BFH, der für den Fall einer fiktiven verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8a KStG a.F. für die Frage des Zeitpunkts der Entstehung der Kapitalertragsteuer auf die tatsächliche Auszahlung der – im zu entscheidenden Fall vereinbarten Gewinnbeteiligungen auf eine stille Einlage – Fremdkapitalvergütungen und damit auf einen „tatsächlichen Vermögenszufluss des umqualifizierten Beteiligungsertrags im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG“ abgestellt hat, und nicht etwa auf eine bloße Vereinbarung zur Fälligkeit. Dieser Zuflusszeitpunkt zog die Entstehung der Kapitalertragsteuer nach sich (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2008, I R 29/07, BStBl. II 2010, 142).
59In der Folge können der Zeitpunkt der steuerlichen Auswirkung bei der die Vergütung schuldenden Kapitalgesellschaft und damit der Zeitpunkt, zu dem die Gewinnkorrektur gemäß § 8a KStG a.F. vorzunehmen ist, und der Zeitpunkt, zu dem die zur verdeckten Gewinnausschüttung umqualifizierte Vergütung als dem Gläubiger zugeflossen angesehen werden kann, voneinander abweichen. Dies erklärt sich daraus, dass für die zutreffende Erfassung des ertragssteuerrechtlich maßgeblichen Einkommens (der Kapitalgesellschaft) der Zeitpunkt maßgeblich sein muss, zu dem sich die Vergütungen, die steuerlich zu verdeckten Gewinnausschüttungen umqualifiziert werden, ergebniswirksam zeigen. Das ist vorliegend bei der Gewinnermittlung der Vergütungsschuldnerin (hier der Z1 GmbH (Deutschland)) jeweils der Bilanzstichtag in den Jahren 2006 und 2007, in denen die Vergütungsansprüche zugunsten der Z S.A. (Luxemburg) entstanden sind. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf einen tatsächlichen Abfluss von Vermögenswerten an. Anders ist dies jedoch bei der Frage zu beurteilen, zu welchem Zeitpunkt Kapitalertragsteuer (auf der Ebene des Zuflusses beim Anteilseigner) einzubehalten und abzuführen ist. Hierfür ist – wie ausgeführt – allein die Umqualifizierung ergebniswirksam gebuchter Verbindlichkeiten nicht ausreichend, sondern ein wirtschaftlicher Vermögenszufluss beim Gläubiger der Vergütungen (hier der Z S.A. (Luxemburg)) erforderlich.
60e) Dafür, dass für Zwecke der Kapitalertragsteuer u.U. ein anderer Zuflusszeitpunkt als für Zwecke der veranlagten Ertragsteuern maßgeblich sein kann, spricht schließlich die gesetzliche Regelung einer Zuflusszeitpunktfiktion in § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG. Dies kann im Falle des Hinausschiebens der Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs beim beherrschenden Gesellschafter dazu führen, dass die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Einkommensteuer entsteht, bevor die Kapitalertragsteuer entsteht. Denn die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Einkommensteuer entsteht gemäß § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem die Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind. Die auf die ausgeschütteten Gewinnanteile entfallende Kapitalertragsteuer als die durch Abzug vom Kapitalertrag erhobene Einkommensteuer (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) entsteht – grundsätzlich – gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG mit dem Zufluss der Gewinnanteile. Allerdings hat der Gesetzgeber ausschließlich für den Bereich der Kapitalertragsteuer in § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG als Fiktion für den Zufluss der Kapitalerträge auf den Tag abgestellt, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Diese Fiktion gilt auch für den beherrschenden Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985, I R 222/81, BStBl. II 1986, 451). Aus dem Umstand, dass ein GmbH-Gesellschafter als Gläubiger von Gewinnausschüttungen der GmbH deren alleiniger bzw. deren beherrschender Gesellschafter ist, ergeben sich aufgrund der besonderen Auslegung des Begriffs des Zuflusses im Sinne von § 11 Abs. 1 EStG Auswirkungen auf den tatsächlichen Zuflusszeitpunkt der Gewinnausschüttungen im Veranlagungsverfahren des Gesellschafters, nicht aber auf den gesetzlichen Zuflusszeitpunkt für die Erhebung der Kapitalertragsteuer im Sinne von § 44 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 1998, I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; vom 18. Dezember 1985, I R 222/81, BStBl. II 1986, 451). Wenn der Gesetzgeber damit nur für den Bereich der Kapitalertragsteuer, nicht aber gleichzeitig für den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und damit für die zu veranlagende Einkommensteuer eine Fiktion für den Zeitpunkt des Zuflusses aufstellt, hat er die Möglichkeit, dass die Entstehungszeitpunkte der Abzugsteuer und der zu veranlagenden Einkommensteuer auseinanderfallen, hingenommen (vgl. BFH‑Urteil vom 17. November 1998, VIII R 24/98, BStBl. II 1999, 223).
61f) Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin die Antragsfrist von vier Jahren gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. gewahrt. Die im September 2012 bei dem Beklagten eingegangenen streitgegenständlichen Anträge auf Freistellung bzw. Erstattung der Kapitalerträge gemäß § 50d Abs. 1 EStG sind fristgerecht gestellt worden. Der Fristlauf gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. begann vorliegend mit Ablauf des Jahres 2009, denn erst im Dezember 2009 hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin über die ihr zustehenden Zinsansprüche wirtschaftlich verfügen bzw. daraus Nutzen ziehen können und in der weiteren Folge entsprechend § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. (fingierte) Kapitalerträge von ihrer Tochtergesellschaft (Z1 GmbH (Deutschland)) bezogen.
62g) Aufgrund des Bezugs der Kapitalerträge im Jahre 2009 und der damit mit den im Jahre 2012 gestellten Anträgen gewahrten Antragsfrist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 7 EStG a.F. kommt es auf die weitere Frage, ob im Zusammenhang mit einer Kapitalertragsteuererstattung gemäß § 50d EStG eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingreift, oder ob § 50d Abs. 1 Satz 7 und 8 EStG a.F. eine Antragsfrist und zugleich eine spezielle Festsetzungsfrist regelt, ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob gegen die Fristregelung in § 50d Abs. 1 EStG europarechtliche Bedenken bestehen.
63II. Die übrigen Voraussetzungen für eine Freistellung bzw. Erstattung der Kapitalerträge gemäß § 43b EStG i.V.m. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG sind vorliegend erfüllt. Dies wird auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
64III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
65IV. Die Revision war aufgrund des für den Streitfall maßgeblichen, inzwischen nicht mehr geltenden Rechts zur früheren Gesellschafterfremdfinanzierung gemäß § 8a KStG in der bis 17. August 2007 geltenden Fassung mangels grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache nicht zuzulassen.
66V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
67VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.