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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2009 bis 2011. Zwischen ihnen ist dabei im Kern streitig, ob der Kläger einen Steuerhinterziehungsvorsatz bei der Abgabe von Einkommensteuererklärungen hatte, in welcher Einkünfte aus einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt worden waren.
3Die Kläger sind in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagte, mittlerweile geschiedene Ehegatten. Der Kläger war in den Streitjahr in einer leitenden Position als sog. „Managing Principal“ (Senior Manager) bei dem Unternehmen „D GmbH“ mit Sitz in G (nachfolgend „GmbH“ genannt) tätig. Der Kläger war kein organschaftlich bestellter Geschäftsführer der GmbH.
4Nach Aktenlage, insbesondere ausweislich beigezogener Strafakten der Staatsanwaltschaft A und des Amtsgerichts A (Az. StA: …; Az AG: …), sollte der Kläger ähnlich wie die Geschäftsführer der GmbH und andere „Managing Partner“ am Unternehmenserfolg in Form einer Umsatzbeteiligung beteiligt werden. Hierfür wurde von der Unternehmensleitung unter Federführung der Geschäftsführer Herrn B und Herrn C ein Beteiligungsmodell entworfen. Beabsichtigt war eine umsatzabhängige Leistungsvergütung mit einer Zeitachse in den Jahren 2007 bis 2010 und verschiedenen „Ausschüttungen“ nach einzelnen in den Jahren vom jeweiligen Partner/Mitarbeiter erzielten Kennzahlen. Hierbei wurde von der GmbH eine Vereinbarung mit einer M Firma, der F – nachfolgend F – geschlossen. Dabei gab die F in den Jahren ab 2008 Optionsscheine (u.a. sog. „...-Optionen“) aus. Die Optionen wurden nach Lage der Akten ab 2008 erworben, Auszahlungen erfolgten ab 2009. Die Vereinbarung (siehe Bl. 818 ff. der Strafakte) zwischen der GmbH und der F wurde unter steuerlicher Betreuung durch die Steuerberatungsgesellschaft der GmbH entworfen. Hierbei wurde die F als Teil einer steuerlich begleiteten und – sowohl das Ziel der Mitwirkenden – steuerlich optimierten Gestaltung miteinbezogen. Ziel sollte es sein, über den An- und Verkauf der Optionsscheine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darzustellen, welche nach einer Haltedauer von mehr als einem Jahr nicht mehr steuerbar wären. Nach einer später im Strafverfahren vom Geschäftsführer B geäußerten wirtschaftlichen Betrachtung verbriefte die F tatsächlich einen Zahlungsanspruch der Begünstigten gegen die GmbH über Optionen. Nach der Buchführung und Außendarstellung stellte die F hingegen an die GmbH (tatsächlich nicht erbrachte) Beratungsleistungen in Rechnung und erhielt hierfür Vergütungen von der GmbH (siehe Bl. 1011 ff. der Strafakte).
5Der Kläger erwarb – vermittelt über Weiterverkäufe der Geschäftsführer der GmbH – von der F in der Folgezeit Optionen (sog. P- und V-Kaufoptionen). Nach Aktenlage wurde dem Kläger – nach einem vorherigen monatelangen Abstimmungsprozess zwischen Geschäftsführern der GmbH, steuerlichen Beratern und Vertretern der F – im Oktober 2008 (siehe hierzu Bl. 978 der Strafakte – finales Angebot F an die GmbH, datierend vom 17. Oktober 2008; so auch ausdrücklich Vortrag der Klägerseite, Bl. 33 der elektronischen Gerichtsakte – eGA) ein Angebot zum Kauf von Optionen gemacht. Ein Schreiben der F (Bl. 999 der Strafakte), welches hingegen mit dem Datum „M, 17.03.2008“ versehen ist, bestätigt den Erwerb von Optionspaketen für Anschaffungskosten von insgesamt 11.470 € per 10. März 2008. Der Gesamtkaufpreis war danach binnen 2 Bankarbeitstagen zur Zahlung fällig. Bei verspäteter Zahlung werden Verzugszinsen von 1 % pro Monat berechnet. Ein Schreiben der F an den Kläger vom 17. Dezember 2008 (Bl. 1000 der Strafakte) führt erneut den Kaufpreis und Zinsen i.H.v. insgesamt 1.032,30 € für 9 Monate an. Die tatsächliche Bezahlung der Optionen (nebst in Rechnung gestellten Zinsen) durch den Kläger erfolgte nach Aktenlage im Dezember 2008.
6Aus den Optionen erzielte der Kläger – was in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist – im Jahre 2009 Einnahmen i.H.v. 16.000 €, in 2010 i.H.v. 87.557,71 €, in 2011 i.H.v. 25.000 € und in 2012 i.H.v. 30.000 €. Im Jahre 2012 wurden außerdem hieraus geringfügige Zinseinkünfte (i.S.d. § 20 EStG) erzielt (siehe i.E. Abschlussvermerk des FA E vom 31. Januar 2019, Bl. 1425 ff. der Strafakte). Die Zahlungen erfolgten nach Aktenlage über die F mittels Überweisungen vom M Konto auf ein vom Kläger benanntes Girokonto. Die ersten Optionen („...-Option ...“) wurden dabei ab dem 22. Juli 2009 ausgezahlt (siehe Kontobeleg Bl. 1039 der Strafakte). Nach der Schilderung der Klägerseite in der Klagebegründung und den Feststellungen der Steuerfahndung wurden die Zahlungen an den Kläger dabei nach Maßgabe von Merkmalen bestimmt, welche die Geschäftsführer der GmbH festlegten. Es handelte sich um Kennzahlen der GmbH, in welcher der Kläger und weitere Personen, die an dem „Optionsprogramm“ teilnahmen, beschäftigt waren. Zum Ausgleich stellte die F der GmbH in den Jahren 2008 bis 2011 Beratungsleistungen in Millionenhöhe in Rechnung, ohne dass durch die F tatsächliche Beratungsleistungen erbracht worden sind.
7Im Dezember 2010 gaben die Kläger die Einkommensteuererklärung 2009 ab. Hierbei erklärte der Kläger einen Bruttojahreslohn laut Lohnsteuerkarte aus der Tätigkeit für die GmbH i.H.v. ca. 178.000 €. Zugeflossene Zahlungen aus den Kaufoptionen wurden nicht erklärt (weder in der Anlage N, noch in der Anlage KAP, Anlage AUS oder Anlage SO). In der Einkommensteuererklärung 2010 wurde ein Bruttojahreslohn von ca. ... € erklärt, Einnahmen aus den Kaufoptionen wurden erneut nicht deklariert. Gleiches gilt für die Einkommensteuererklärung 2011 mit einem Bruttoarbeitslohn von ca. ... €. Eine auf den streitigen Vorgang bezogene Sachverhaltsschilderung oder eine Einreichung von Unterlagen erfolgte in den Steuererklärungen ebenso nicht.
8Im August 2015 wurden gegen mehrere Geschäftsführer und Manager, u.a. auch den Kläger, Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Einkommensteuerhinterziehung eröffnet. Der Hauptbeschuldigte, Herr B, ließ sich dabei geständig dahingehend ein, dass es entgegen der äußerlichen Darstellung keine Beratungsleistungen der F an die GmbH gegeben habe, sondern die Optionen der verdeckten Ausschüttung von Umsatztantiemen gedient habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf die Vernehmungsniederschrift der Vernehmung von Herrn B (Bl. 782 ff. der Strafakte) sowie der Sachverhaltsdarstellung des Finanzamt E– Steuerfahndungsstelle (Steufa) – vom 5. Februar 2016 nebst Anlagen (Bl. 938 ff. der Strafakte) und den Bericht vom 22. Juni 2016 (Bl. 1108 ff. der Strafakte), die beiden Beteiligten bekannt ist, verwiesen. Verwaltungsintern sind die Abläufe im Aktenvermerk vom 13. Juli 2016 (Bl. 1183 ff. der Strafakte) im Einzelnen geschildert und mit Nachweisen versehen. Unter dem 15. Juli 2016 erließ der Beklagte unter Verweis auf den Steufa-Bericht geänderte Bescheide u.a. für die Einkommensteuer 2009 bis 2011 nebst Nebenleistungen, die nach Aktenlage bestandskräftig sind.
9Unter dem 17. November 2016 (Bl. 4 ff. eGA) erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer (nebst Nebenleistungen) 2009 bis 2011. Nach Abrechnung von Zinsen gem. § 233a AO verblieb eine Zahllast von 1.763 €. Zur Begründung wurde auf den Steuerfahndungsbericht des FA E vom 15. Juli 2016 verwiesen. Einen hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17. November 2017 als unbegründet zurück.
10Hiergegen wenden sich die Kläger. Den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung, welcher bei Qualifikation des F-Modells als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO gegeben sei, bestreiten sie dabei nicht. Bestritten wird jedoch, dass der Kläger vorsätzlich i.S.d. § 369 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie § 15 des Strafgesetzbuches (StGB) gehandelt habe. Hierzu wird im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger kein Geschäftsführer und in die Konstruktion des Modells nicht einbezogen gewesen sei. Ihm sei das Modell von seinem Arbeitgeber als durch steuerlich gebildetes Fachpersonal geprüft und für „nicht lohnsteuerpflichtig befunden“ dargestellt worden. Der Kläger sei – verglichen mit der Position der anderen beteiligten Manager und Geschäftsführer und verglichen mit der Höhe der Zuflüsse – das „kleinste Licht“ gewesen. Er – der Kläger – habe an ein arbeitgeberseitig geprüftes und steuerlich zulässiges Modell geglaubt und damit keinen – auch keinen bedingten – Vorsatz gehabt, jedenfalls aber einem Tatbestandsirrtum unterlegen. Detailkenntnisse über die Vereinbarungen zwischen der GmbH und der F und die fingierten Beratungsleistungen habe er nicht gehabt. Wegen der weiteren Argumentation wird auf die Klagebegründung verwiesen.
11Die Kläger beantragen,
12den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2009 bis 2011 (nebst Nebenleistungen) vom 17. November 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 17. November 2017 aufzuheben.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er ist – zusammengefasst – der Auffassung, dass ein jedenfalls bedingter Hinterziehungsvorsatz vorgelegen habe. Der Kläger sei seit mehreren Jahren nichtselbständig für die GmbH tätig gewesen, ihm sei bewusst gewesen, dass Einnahmen aus den „Bonuszahlungen“ Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien. Es sei davon auszugehen, dass ihm als leitenden Beschäftigten das Modell der F bekannt gewesen sei. Ihm sei auch bewusst gewesen, dass er bei Einreichung der Steuererklärungen unvollständige Angabe gemacht habe. Besonders zeige sich dies auch an der Rückdatierung des ersten Optionskaufs nach März 2008, welcher dazu diente, dass bei der Ausschüttung im Juli 2009 die 1-Jahres-Frist bereits abgelaufen sein sollte. Spätestens dies hätte den Kläger stutzig machen müssen.
16Unter dem 21. Februar 2019 erließ das AG A gegen den Kläger einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 395 Tagessätzen zu je ... € wegen Verkürzungen der Einkommensteuer 2009, 2010, 2011, 2012 und 2014. Die vorgeworfenen Taten für die Jahre 2012 und 2014 resultieren dabei aus hier nicht streitgegenständlichen anderen Aktienoptionen (sog. Class C Shares). Gegen den Strafbefehl legte der Kläger – vertreten durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten – Einspruch ein. Für die – hier nicht streitgegenständliche und nicht entscheidungserhebliche – Würdigung eines anderen Sachverhalts betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 verwies der Kläger im Strafverfahren auf ein stattgebendes Urteil des FG Düsseldorf vom 9. Oktober 2018 (13 K 1257/17 E; Urteilsabschrift in beigezogenen Strafakten enthalten) sowie ein anhängiges Revisionsverfahren beim BFH (VIII R 40/18). Die Beteiligten sind sich hierbei einig, dass das Verfahren der nachfolgenden Jahre aufgrund des anderen Sachverhalts für das hiesige Verfahren nicht relevant und nicht vorgreiflich ist. Eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens wurde von beiden Beteiligten und auch vom erkennenden Senat für nicht notwendig erachtet.
17Das AG A hat das Strafverfahren nach § 396 AO ausgesetzt, bis das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
18In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger informatorisch angehört und befragt. Die Klägerseite hat ferner E-Mail-Korrespondenz (zwischen dem Steuerberater H und dem Kläger am 28. November 2008) sowie Kopien der Vereinbarungen zum Kauf der F-Optionen zu den Akten gereicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll sowie die eingereichten Unterlagen verwiesen.
19Entscheidungsgründe
20I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Zinsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat zu Recht den objektiven und subjektiven Tatbestand einer (ebenso rechtswidrigen und schuldhaften) Steuerhinterziehung bejaht und deshalb Hinterziehungszinsen festgesetzt.
211. Der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO liegt vor. Die Kläger haben gegenüber dem Beklagten in den Einkommensteuererklärungen 2009 bis 2011 unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht und dadurch Einkommensteuern verkürzt. Die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen sind als Grundlagenbescheide für die hier streitige Zinsfestsetzung nach Aktenlage bestandskräftig, die Klägerseite bestreitet die materiell-rechtliche Würdigung der Auszahlungen der F in den Streitjahren als Arbeitslohn i.S.d. § 19 EStG nicht. Ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass er die Verdeckung einer gewinn- und umsatzabhängigen Mitarbeitervergütung über das gewählte Optionsmodell durch ausgegebene Optionen für vermeintliche „Beratungsleistungen der F an die GmbH“ als ein Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 AO beurteilt. Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO ist für die Besteuerung das tatsächlich verdeckte Geschäft, hier die Auszahlung der Mitarbeitervergütung über einen Dritten, maßgeblich. Diese Auszahlungen stellen Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar. Die Situation in den Streitjahren unterscheidet sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hierdurch auch von dem Mitarbeiterbeteiligungsmodell in späteren Jahren (sog. Class C Shares), zu welchem das FG Düsseldorf zu einer stattgebenden Entscheidung gelangt und zu welchem ein BFH-Verfahren anhängig ist.
222. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt. Der Kläger hatte nach Überzeugung des Senats bei der Abgabe der Steuererklärungen (und auch danach) jeweils einen mindestens bedingten Hinterziehungsvorsatz bezüglich aller objektiven Merkmale der Steuerhinterziehung.
23a. In subjektiver Hinsicht verlangt die Steuerhinterziehung einen auf die Tatbestandsmerkmale bezogenen Vorsatz, hierbei genügt auch ein sog. Eventualvorsatz. Die Rechtsprechung verlangt hierbei, dass der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes als mögliche Folge seines Verhaltens erkennt und die Tatbestandsverwirklichung billigt bzw. billigend in Kauf nimmt oder sich mit ihr zur Erreichung anderer Ziele abfindet. Das Wissen muss sämtliche Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes umfassen. Ist sich der Täter der einzelnen Tatumstände nicht aktuell und konkret bewusst, so schließt dies den Vorsatz jedoch dann nicht aus, wenn er wenigstens den Sinnzusammenhang zutreffend erfasst hat (es reicht ein häufig so bezeichnetes „sachgedankliches Mitbewusstsein“). Eine juristisch exakte Subsumtion des Geschehens unter die vom Gesetz verwendeten Begriffe ist nicht erforderlich, sondern es genügt bei normativen Tatbestandsmerkmalen, dass der Täter deren Sinngehalt im Wege einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst. Das gilt grundsätzlich auch für die Tat einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO, doch muss der Täter wegen der engen Verknüpfung der verwendeten normativen Tatbestandsmerkmale mit dem Steuerrecht zumindest wissen, dass es sich um einen steuerlich relevanten Vorgang handelt (vgl. zum Ganzen etwa Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 64. Lfg. 8/2019, § 370 AO Rn. 600 ff.; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2016, § 370 Rn. 258 ff.; jeweils m.w.N.).
24Ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB schließt einen Vorsatz aus. Ein Tatbestandsirrtum scheidet bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen aber aus, wenn der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden (BGH-Urteil vom 8. September 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011,465). Hält er die Existenz eines Steueranspruchs für möglich und lässt er die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen gleichwohl in Unkenntnis, findet er sich also mit der Möglichkeit der Steuerverkürzung ab, handelt er mit bedingtem Tatvorsatz (BGH-Urteile vom 8. September 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011,465; vom 10. Januar 2019, 1 StR 347/18, NZWiSt 2019, 261).
25b. Bei Übertragung der vorgenannten Grundsätze, die der Senat für zutreffend hält und denen er folgt, kommt das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu dem Ergebnis, dass der Kläger jedenfalls einen bedingten Steuerhinterziehungsvorsatz hatte.
26Ausgangspunkt ist dabei die vom Kläger selbst getätigte Äußerung, dass ihm bei seinem Einstieg in die GmbH eine Umsatzbeteiligung in Aussicht gestellt worden ist. Der Kläger hat anschließend zunächst abgewartet, bis sein Arbeitgeber, die GmbH, ihm dann ein Modell „präsentiert“ hat. Entgegen der für den Kläger ersichtlichen und von ihm auch angestrebten Zielrichtung, ihn durch Bonuszahlungen bei Erreichung bestimmter Kennzahlen der GmbH (Umsatzgrößen, ggf. auch Gewinngrößen) zu incentivieren, nahmen die „angebotenen“ Optionen aber auf (angebliche) Beratungsleistungen der F M gegenüber der GmbH Bezug. Dem Kläger selbst war nach Überzeugung des Senats aufgrund der Kommunikation mit seinem Arbeitgeber und über seinen Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass die Beratungsleistungen als Basiswert gem. Ziffer 1.2 der Vereinbarung nur vorgeschoben waren. Dies steht für den Senat insbesondere deshalb fest, weil der Kläger als Bankkaufmann und als geschäftlich erfahrener Mitarbeiter in einer Führungsposition im Unternehmensberatungsgewerbe erkennen musste und auch erkannt hat, dass die Vereinbarung der Umsetzung der zuvor in Aussicht gestellten leistungsabhängigen Vergütung diente. Der Einwand des Klägers, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es tatsächlich keine Beratungsleistungen der F an die GmbH gegeben habe, erweist sich als nicht überzeugend. Es ist widersprüchlich, dass der Kläger angeblich an echte Beratungsleistungen „geglaubt haben will“, der Sachverhaltsablauf und die Motivation aller Beteiligten aber stets auf eine leistungsbezogene Vergütung des Klägers gerichtet gewesen sein soll.
27Im weiteren Verlauf erhielt der Kläger dann die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte E-Mail des Steuerberaters H über den Kauf von Optionspaketen. Auch hier war dem Kläger nach Überzeugung des Senats bewusst, dass der Kauf einer Option ein fingiertes Rechtsgeschäft war, welches in Wirklichkeit zur Auszahlung einer leistungsabhängigen Mitarbeitervergütung nicht erforderlich war. Im Wirtschaftsleben, dessen Gepflogenheiten dem Kläger als studiertem Betriebswirt und Bankkaufmann im Unternehmensberatungsbereich bekannt waren, ist es nicht üblich, dass ein Mitarbeiter eine Option auf (angebliche) Beratungsleistungen kauft, um tatsächlich für seine Arbeitsleistung erfolgsabhängig vergütet zu werden. Die hier nach Außen dargestellte Option unterscheidet sich insoweit auch deutlich von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (bspw. Aktienoptionen), in welchem einem Mitarbeiter (ggf. vergünstigt) Aktien oder Aktienoptionen des Unternehmens angeboten werden, um ihn zur Steigerung des „shareholder value“ zu motivieren. Weitere Sachverhaltsfriktionen lagen dann darin, dass der Kläger laut der E-Mail von Herrn C vom 28. November 2008 das Optionspaket durch eine Überweisung an ein M Konto der F (IBAN M...) im Dezember 2008 erwerben sollte, er nach eigenem Vortrag aber tatsächlich eine Überweisung an den Geschäftsführer C geleistet haben will. Auch diese Abweichung zwischen dem nach Außen dargestellten und dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt war dem Kläger nach Überzeugung des Senats bewusst und hat indizielle Bedeutung für den später bei Abgabe der Steuererklärung vorhandenen Hinterziehungsvorsatz. Insgesamt war dem Kläger nach Überzeugung des Senats bereits beim Kauf der F-Optionen bewusst, dass diese im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis stehen und als erfolgsabhängige Vergütung Teil der Gesamtvergütung aus dem Arbeitsverhältnis waren. Hierfür spricht auch, dass dem Kläger aus früheren – zum Teil mit Verlusten endenden – Optionsgeschäften deren Ausgestaltung und Durchführung bekannt war. Daraus konnte der Kläger nach Überzeugung des Senats schließen, dass das ihm angebotene Optionsgeschäft kein übliches Geschäft ist, sondern ein anderer Sachverhalt – hier die Zahlung einer umsatz- und gewinnabhängigen Vergütungskomponente im Rahmen des Anstellungsverhältnisses – verschleiert werden sollte.
28Ein weiteres Indiz liegt für den Senat darin, dass die Vereinbarung (und auch die E-Mail des Herrn C, Text u.a. „Die Optionen sind bis zum 15.12.2008 fertig gedruckt“) im Dezember 2008 geschlossen wurde, der Erwerb aber auf März 2008 rückdatiert wurde. Entgegen der Behauptung des Klägers, von einer Rückdatierung nichts gewusst zu haben, ist diese auch unter Ziffer 1.5 (Beginn des Angebots) bei der eingereichten ersten Kaufoption (F ...-Option ...) ersichtlich. Ob der Kläger die in den Strafakten befindlichen Schreiben der F seinerzeit tatsächlich erhalten hat, kann deshalb dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass er in Ziffer 1.5 der Vereinbarung keine Rückdatierung erblickte, ist widersprüchlich, dass der Kläger trotzdem bei einer Auszahlung der Option im Juli 2009 trotz eingeräumter Kenntnis von der „1-Jahres-Frist“ in § 23 EStG von einem Ablauf der Haltedauer ausging. Der Vortrag ist insoweit widersprüchlich, da der Kläger einerseits – für den Senat im Sinne einer Schutzbehauptung – keine Rückdatierung eingestehen will, andererseits aber trotzdem noch von einer überschrittenen 1-Jahres-Frist ausgegangen sein will. Letztlich ist der diesbezügliche Geschehensablauf für den Senat vielmehr Indiz dafür, dass der Kläger auch hier die fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung erkannt hatte und es billigend in Kauf nahm, dass deshalb Steuern (auch der Lohnsteuer als Erhebungsform der Einkommensteuer; Steuerschuldner der Lohnsteuer ist überdies nach der abgabenrechtlichen Konzeption der Arbeitnehmer selbst, der Arbeitgeber ist Steuerentrichtungspflichtiger) verkürzt werden.
29Im weiteren Ablauf erhielt der Kläger dann – auf Basis von nach eigenen Angaben von seinem Arbeitgeber bestimmten Parametern – Auszahlungen durch die F über ein M Konto auf sein deutsches Bankkonto. Abrechnungen über diese Auszahlungen hatte der Kläger dann aber nach eigenem Bekunden trotz Nachfrage bei seinem Arbeitgeber – der GmbH – nicht erhalten. Der Senat ist hierbei davon überzeugt, dass der Kläger spätestens dann als Bankkaufmann und mit seinen Kenntnissen über den Sachverhalt und die Besonderheiten im ausländischen Zahlungsverkehr erkannt hat, dass hier ein möglicherweise steuerlich relevanter (Auslands-)Sachverhalt gegeben ist, der zudem einer Vielzahl von Ungereimtheiten („Beratungsleistung der F“ statt „Mitarbeitervergütung der GmbH“; nicht vereinbarte Zahlungsweise; Auslandsüberweisung; keine Abrechnungsunterlagen; intransparente Parameter zur Berechnung der Auszahlungshöhe; Unterschreitung der 1-Jahres-Frist) unterliegt. Trotz einer für den Senat feststehenden Tatsachenkenntnis (jedenfalls im Sinne eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“) und trotz der für den Kläger aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten erkennbaren Steuerrelevanz (im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“) unterließ es der Kläger in der Folgezeit jedoch in mehreren Steuererklärungen, die Finanzbehörde über diesen Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. Obgleich der Kläger in den drei Jahren im Vergleich zu seinem Bruttojahresgehalt nicht unbedeutende weitere Zahlungen (ohne Abrechnungen; über ein ausländisches Konto) erhielt, unterließ er in den Steuererklärungen sämtliche Angaben zu diesem Sachverhalt. Er nahm damit der Finanzbehörde die Möglichkeit, in eine nähere tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Zahlungen (etwa in Abgrenzung von Lohneinkünften zu Kapitaleinkünften und sonstigen Einkünften / Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften) einzutreten. Insgesamt hielt es der Kläger nach Überzeugung des Senats aber für möglich, dass der Sachverhalt steuerlich relevant ist und bei fehlender Offenbarung eine zu niedrige Steuer festgesetzt wird.
30Die Äußerung, der Kläger habe auf die Beurteilung seines Arbeitgebers vertraut und sei jedenfalls einem Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 erlegen, erweist sich für den Senat angesichts der vielen zuvor geschilderten Ungereimtheiten und der persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten als nicht glaubhafte Schutzbehauptung.
31Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in die Gestaltung des „Modells“ nicht einbezogen war und überdies in allen Streitjahren trotz führender Angestelltenposition kein kapitalmäßig beteiligter Partner oder organschaftlich bestellter Geschäftsführer der GmbH oder einer ihrer Holdinggesellschaften war. Insgesamt lässt sich aus der Vielzahl der Indizien für den Senat mit der nach § 96 FGO hinreichenden Überzeugung folgern, dass der Kläger auch in seiner Position den fingierten Sachverhalt und die Möglichkeit einer Steuerverkürzung erkannt hat und billigend in Kauf nahm.
32Soweit sich der Kläger damit zu exkulpieren versucht, dass ein „arbeitgeberseitiges Modell“ vorgelegen habe, an dessen rechtlicher Zulässigkeit und steuerlicher Unbedenklichkeit er – der Kläger – nicht gezweifelt habe, folgt der Senat dem nicht. Die äußerliche Sachverhaltsdarstellung durch den Arbeitgeber und die tatsächliche Durchführung weisen eine solche Anzahl von Ungereimtheiten auf, dass ein Angestellter mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des Klägers (studierter Betriebswirt; vorherige Tätigkeit für eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich Unternehmensberatung; Kenntnisse von Kapitalmarktprodukten und ausländischem Zahlungsverkehr; grundlegende steuer- und wirtschaftsrechtliche Kenntnisse; leitende Position in der GmbH) es nach Überzeugung des Senats jedenfalls für möglich hielt, dass die Finanzbehörde eine abweichende Sachverhaltswürdigung vornimmt und sich diese (ggf. nach gerichtlicher Klärung) auch als zutreffend herausstellt. In einer solchen Situation stellt es sich nach Überzeugung des Senats nicht mehr als (bewusst) fahrlässig, sondern bereits als bedingt vorsätzlich dar, wenn ein (Auslands-)Sachverhalt der Finanzbehörde gänzlich in seiner tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung nebst Schilderung der wirtschaftlichen Erwägungen („leistungsabhängige Vergütung“) verschwiegen wird.
33II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich ist.