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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Fragen, ob die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen Rentenbeträge (teilweise) der Besteuerung zu unterwerfen sind und ob Zahlungen des Klägers im Zusammenhang mit einer Beteiligung als Kommanditist im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
3Der Kläger wurde am … 1941 geboren. Im Jahre 1970 heiratete er. Die Ehe wurde im Jahr 2011 geschieden. Im Jahre 2016 verstarb die geschiedene Ehefrau.
4Der Kläger war seit dem Jahre 1978 und auch in den Streitjahren selbständig als … tätig. In diesen Jahren leistete er Beiträge an das Versorgungswerk der …. Zuvor war er in den Jahren 1971 bis 1977 nichtselbständig tätig gewesen und hatte Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet.
5Seit dem … 2006 bezieht der Kläger eine Rente der Rentenversicherungsanstalt (Rentenzahlung bei Beginn 1.094,41 € monatlich, einschließlich Zuschuss zur Krankenversicherung); seit dem … 2008 bezieht er eine Rente des Versorgungswerks der … (Rentenzahlung bei Rentenbeginn 380,89 € monatlich). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Rentenbescheide (Bl. 211 und 227 der elektronischen Gerichtsakte – eGA) Bezug genommen.
6Im Jahr 2014 leistete der Kläger Zahlungen für die Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit seiner Beteiligung als Kommanditist an der B KG (in Insolvenz) in C. Das Finanzamt für Körperschaften IV C teilte dem Beklagten mit, der Kläger habe im Jahr 2014 Einkünfte i.H.v. 0,- € erzielt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Mitteilung (Bl. 128 eGA) Bezug genommen.
7Der Beklagte unterwarf in den Jahren 2006 bis 2009, 2013 und 2015 beide Renten (anteilig) der Besteuerung und setzte die Steuer mit Bescheiden vom 3. Januar 2008 (2006), 4. März 2009 (2007), 21. März 2011 (2008), 19. September 2014 (2009) und 25. August 2013 (2013) entsprechend fest. Die Bescheide enthielten hinsichtlich der Rentenbesteuerung einen „Vorläufigkeitsvermerk“ nach § 165 Abgabenordnung (AO). Dabei wurde der Kläger bis einschließlich 2008 mit seiner damaligen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
8Die Bescheide blieben zunächst unangefochten.
9Die festgesetzte Einkommensteuer, sowie der festgesetzte Solidaritätszuschlag wurden für den Zeitraum der Zusammenveranlagung, die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 vollständig entrichtet. Es waren weder Aufteilungsbescheide ergangen noch Aussetzungen der Vollziehung gewährt worden.
10Am 23. Dezember 2015 legte der Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 3. Januar 2008, den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. März 2009, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 21. März 2011, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 19. September 2014 und den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 25. August 2015 ein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben Bezug genommen (Bl. 143 eGA).
11Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin bezüglich der Jahre 2006 bis 2009 und 2013 mit, die angefochtenen Bescheide enthielten einen Vorläufigkeitsvermerk zur Rentenbesteuerung. Erst wenn dieser wegfalle, liege ein Rechtsschutzbedürfnis vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 27. Januar 2016 (Bl. 145 eGA) Bezug genommen.
12Der Beklagte erkannte für den Veranlagungszeitraum 2014 den geltend gemachten Verlust an der B KG i.H.v. 837 € nicht als Verlust aus § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) an. Er unterwarf die Renteneinkünfte (anteilig) der Besteuerung und setzte die Einkommensteuer 2014 mit Bescheid vom 12. Februar 2016 (erstmalig) fest. Hiergegen legte der Kläger am 10. März 2016 Einspruch ein.
13Am 6. Juli 2016 ergingen für die Jahre 2006 bis 2008 geänderte Einkommensteuerbescheide im Wege der Zusammenveranlagung und für die Jahre 2009, 2013 und 2014 geänderte Einkommensteuerbescheide im Wege der Einzelveranlagung, in denen jeweils der Vorläufigkeitsvermerk wegen der Rentenbesteuerung aufgehoben wurde.
14Hiergegen legte der Kläger am 3. August 2016 (mit zwei Schreiben) Einsprüche ein. Er führte jeweils aus, die Einsprüche schlössen sich inhaltlich ausdrücklich an die Einsprüche vom 23. Dezember 2015 an, welche die einzig richtigen Rechtsbehelfe seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsschreiben (Bl. 150 ff. eGA) Bezug genommen.
15Am 11. Juli 2016 wurde die Einkommensteuer 2015 festgesetzt. Der Beklagte unterwarf die Rentenbezüge (anteilig) der Besteuerung.
16Der Beklagte wies Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 6. Januar 2017 als unbegründet zurück.
17Die eingelegten Einsprüche wegen Einkommensteuer 2014 (lt. Rubrum „Bescheid vom 12.2.2016/6.7.2017 Einspruch vom 10.3.2016/3.8.2017“) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 als unbegründet zurück. Er führte aus, die Einkünfte aus § 15 EStG seien durch das zuständige Finanzamt in C bestandskräftig festgestellt worden. Eine rechtswidrige Doppelbesteuerung der Renten sei nicht gegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (Bl. 5 ff eGA) Bezug genommen.
18Wegen Einkommensteuer 2006 bis 2009, 2013 und 2015 (lt. Rubrum „Bescheide vom 6. Juli 2016, Einsprüche vom 3. August 2016“) wies der Beklagte ebenfalls mit Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 die Einsprüche als unbegründet zurück.
19Gegen beide Einspruchsentscheidungen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.
20Der Kläger ist der Auffassung, die Besteuerung der Renteneinkünfte sei rechtswidrig. Beide Renten resultierten aus Beiträgen, welche ihrerseits aus bereits versteuertem Einkommen geleistet worden seien. Der Kläger ist daher der Ansicht, die Versteuerung der gesetzlichen Rentenbezüge und der Rente aus dem Versorgungswerk sei verfassungswidrig weil eine Doppelbesteuerung erfolge.
21Die Zahlungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der B KG seien als Betriebsausgaben im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigen.
22Am 14. Mai 2018 ist aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2014 ergangen.
23Am 10. Januar 2019 hat ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin stattgefunden. Diese hat darauf hingewiesen, dass das Begehren möglicherweise im Billigkeitsverfahren zu verfolgen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 10. Januar 2019 (Bl. 184 eA) Bezug genommen.
24Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019 hat der Beklagte dem Finanzgericht gegenüber mitgeteilt, er vertrete nicht die Auffassung, dass ein Billigkeitsverfahren in Betracht komme.
25Soweit ersichtlich hat der Kläger keinen Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO gestellt.
26Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 28. Mai 2019 zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert. Der Kläger hat daraufhin u.a. Rentenbescheide und Rentenanpassungsbescheide vorgelegt.
27Mit Verfügung vom 21. April 2020 hat das Gericht auf Zweifel an der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2008 hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
28Der Kläger beantragt,
29den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 3.362 € reduziert wird,
30den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 13. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 2.811 € reduziert wird,
31den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 13. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 279 € reduziert wird,
32den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 13. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0,- € reduziert wird,
33den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 13. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 281 € reduziert wird,
34den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 14. Mai 2018 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0,- € reduziert wird,
35den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 11. Juli 2016 nebst Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 24 € reduziert wird.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen vom 6. Januar 2019. Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung § 22 Abs. 1 Satz 3 EStG sei verfassungsgemäß und auch sonst nicht zu beanstanden. Ferner sei ein Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Versteuerung der Einkünfte in den Bescheiden enthalten, so dass Musterverfahren abgewartet werden könnten; es sei daher bereits das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zweifelhaft. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraumes 2014 ist er weiterhin der Auffassung, die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen seien jedenfalls nicht im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigen. Soweit sie der Höhe und dem Grunde nach anzuerkennen seien, seien sie im Rahmen des Feststellungsverfahrens in C geltend zu machen. Das Finanzamt für Körperschaften in C habe mitgeteilt, dass Einkünfte des Klägers i.H.v. 0,- € festgestellt worden seien.
39Entscheidungsgründe
40I. Es erscheint sachdienlich, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden(§ 90a FGO).
41II. Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage ist teilweise unzulässig, teilweise zulässig aber unbegründet.
421. Die Klage ist teilweise unzulässig.
43a) Die Klage ist hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2008 unzulässig; dem Kläger fehlt insoweit die Klagebefugnis (als spezielle Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses) für eine auf eine Verminderung der Einkommensteuer gerichteten Klage.
44Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen – gesetzlich in der FGO nicht normierten – Rechtsschutzbedürfnisses. Die Klagebefugnis verlangt hierbei, dass sich die Situation des Klägers durch die Aufhebung oder Änderung eines (objektiv rechtwidrigen) Verwaltungsaktes verbessert.
45Der Kläger könnte vorliegend selbst bei Obsiegen in den materiell-rechtlichen Fragen keinen Vorteil in Form einer tatsächlichen Erstattung erhalten, weil einem Erstattungsanspruch des Klägers die bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung gegenüber der damaligen Ehefrau, die der Kläger auch als Gesamtschuldner nach § 44 AO schuldet, in gleicher Höhe entgegenstünde.
46aa) Gegenüber dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau sind wirksame Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2008 ergangen; die festgesetzten Steuern schulden beide als Gesamtschuldner.
47Ehegatten können bei der Veranlagung zur Einkommensteuer zwischen Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und -unter den Voraussetzungen des § 26 EStG- Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Dies bewirkt, dass nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte, nur ein Einkommen und nur ein zu versteuerndes Einkommen gebildet wird (vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 26b Rn. 8 EStG m.w.N.). Zusammenveranlagte Ehegatten sind wegen der gemeinsamen Veranlagung gem. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner. Jeder von ihnen schuldet dadurch die gesamte festgesetzte Steuer, sofern ein die Steuer festsetzender Bescheid gegenüber ihnen wirksam bekanntgegeben worden ist. Die Leistung eines Ehegatten wirkt im Verhältnis zum Finanzamt auch zu Gunsten des anderen Ehegatten (vgl. zum Ganzen Seeger, a.a.O., § 26b Rn. 19 EStG m.w.N.).
48bb) Der Kläger hat die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen allein angefochten, so dass gegenüber der damaligen Ehefrau Bestandskraft eingetreten ist. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung gegenüber dem Kläger als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diese Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage erhoben.
49Die Gesamtschuldner (im Streitfall: Eheleute) können gesondert entscheiden, ob sie Einspruch einlegen (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil vom 14. Januar 1997, VII R 66/96, BFHE 182, 262, BFH/NV 1997, 283) oder auch einen etwaigen eingelegten Einspruch später gesondert zurücknehmen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20. November 2013, X R 7/11, BFH/NV 2014, 482 zur Einspruchsrücknahme durch einen Ehegatten). Analog hierzu können Gesamtschuldner auch einzeln entscheiden, ob sie Klage erheben. Bei-de Bescheide sind getrennt einer Bestands- oder Rechtskraft zugänglich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 262 sowie BFH-Urteil vom 25. November 1988, III R 264/83, BFH/NV 1989, 690).
50cc) Die gegenüber der damaligen der Ehefrau eingetretene Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2008 führt dazu, dass der Kläger (Ehemann) die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner (mit-)schuldet und selbst bei einer Veränderung der Besteuerungsgrundlagen zu seinen Gunsten kein (weiteres) Guthaben (zur Auszahlung, Verrechnung o.ä.) mehr erlangen kann.
51Die Gesamtschuldnerschaft folgt dabei aus § 44 Abs. 1 AO in Verbindung mit den Vorschriften zur einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung. Dabei ist es unerheblich, dass es sich bei den streitigen Einkünften um solche des Klägers handelt. Da die Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO einen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bilden und sich der Tenor des Einkommensteuerbescheids maßgeblich in der Festsetzung der Steuer (neben anderen mit der Einkommensteuerfestsetzung verbundenen weiteren Festsetzungen sowie Verwaltungsakten im Erhebungsverfahren) gegenüber den Ehegatten erschöpft, ist es in derartigen Fällen grundsätzlich erforderlich, dass beide Ehegatten eine Steuerfestsetzung mit Einspruch und nötigenfalls Klage anfechten, um (insgesamt) deren Bestandkraft zu verhindern.
52Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 26b EStG, wonach die Eheleute „sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger“ behandelt werden. Die Regelung dient nach Überzeugung des Senats nach ihrer systematischen Stellung dazu, die Eheleute für einkommensteuerliche (d.h. materiell-rechtliche) Zwecke als einen Steuerpflichtigen zu behandeln und auf ein ermitteltes Gesamteinkommen den Einkommensteuertarif (dort als Splittingtarif) anzuwenden. Verfahrensrechtlich sind und bleiben die Eheleute - wie sich aus der vorgenannten BFH-Rechtsprechung zur Zusammenveranlagung ergibt - aber eigenständige Beteiligte mit getrennten Handlungsmöglichkeiten. Dies zeigt sich verfahrensrechtlich insbesondere daran, dass die Abgabenordnung in §§ 268 ff. AO ein (aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenes) Verfahren zur Aufteilung einer Gesamtschuld vorsieht und in diesem Verfahren die Gesamtschuldner (hier: Eheleute) gerade eigenständige Antragsmöglichkeiten haben. Der Anwendungsbereich des § 26b EStG ist dadurch nach Überzeugung des Senats auf eine notwendige materiell-rechtliche (einkommensteuerrechtliche) Zusammenfassung der Eheleute zwecks Gewährung des „Splittingvorteils“ begrenzt, verändert aber nicht die verfahrensrechtliche Situation.
53Von dem Grundsatz, dass Eheleute aufgrund ihrer Gesamtschuldnerschaft gemeinsam eine Bestandskraft durch Einspruch und/oder Klage verhindern müssen, um eine verminderte Steuerfestsetzung erreichen zu können, bestehen Ausnahmen. Sofern Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden, ist eine eigenständige Anfechtung durch den betroffenen Steuerpflichtigen (Feststellungsbeteiligten) möglich (arg. ex § 157 Abs. 2 a.E. AO). Ebenso ist eine Ausnahme geboten, wenn eine streitige Steuer - mit oder ohne beantragte Aussetzung der Vollziehung - nicht entrichtet wird und der Ehegatte für die Steuer, die er bei einer Einzelveranlagung nicht schulden würde (vgl. § 270 AO), keine Klage erhebt. Jener Ehegatte könnte nämlich durch das Antragsverfahren eines Aufteilungsbescheids (§§ 268 ff. AO) im Vollstreckungsverfahren seine Gesamtschuldnerschaft verhindern und sich dadurch der belastenden Wirkung der Steuerfestsetzung entziehen.
54Im Streitfall ist keine Ausnahme ersichtlich, da die angefochtenen Steuern gezahlt wurden und der Kläger eine Erstattung durch Herabsetzung der Steuer begehrt. Es liegt weder ein Feststellungsverfahren, noch der Fall einer Bindungswirkung nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG vor. Ein Aufteilungsbescheid kann im Streitfall gem. § 269 Abs. 2 Satz 2 AO nicht (mehr) beantragt werden, da die angefochtene Steuer getilgt ist und das Aufteilungsverfahren - wie dessen systematische Stellung im Sechsten Teil der Abgabenordnung zeigt - eine Besonderheit im Vollstreckungsverfahren darstellt.
55dd) Die fehlende Möglichkeit einer Erstattung der festgesetzten angefochtenen Steuer nimmt dem Kläger die Klagebefugnis und führt zur Unzulässigkeit der Klage.
56Bei der Zusammenveranlagung können - wie oben bereits ausgeführt - die Ehegatten einzeln entscheiden, ob sie Einspruch und/oder Klage einlegen. Solange ein Aufteilungsbescheid erlassen werden kann, verbleibt es auch bei der Klagebefugnis. Nach einer Zahlung (Erlöschen des Steueranspruches gem. § 47 AO) kann jedoch ein Aufteilungsbescheid nicht mehr beantragt werden (vgl. § 269 Abs. 2 Satz 2 AO), wodurch die Klagebefugnis in solchen Fällen grundsätzlich nicht mehr gegeben ist (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 256. Lfg. 2/2020, § 40 FGO Rn. 252 m.w.N.; vgl. ähnlich - dort zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis - im vorläufigen Rechtsschutz Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 114 Rn. 16 m.w.N., wonach das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung nach Zahlung entfällt).
57Auch wenn man - aus Sicht des Senats unzutreffend - eine subjektive Klagebefugnis des Klägers wegen Betroffenheit seiner Renten-Einkünfte bejahen würde, wäre die Klage nach Überzeugung des Senats jedenfalls unzulässig, weil das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Es ist in den Streitjahren 2006-2008 keine Verbesserung der Situation des Klägers durch ein Obsiegen erkennbar.
58b) Im Übrigen ist die Klage zulässig, insbesondere ist das für die Anfechtungsklage zu fordernde Vorverfahren (§ 44 FGO) durchgeführt worden.
59aa) Der Kläger hat gegen sämtliche Einkommensteuerbescheide Einspruch eingelegt; der Beklagte hat die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 6. Januar 2017 als unbegründet zurückgewiesen.
60bb) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Einsprüche vom 23. Dezember 2015 bisher nicht beschieden wurden.
61Die vom Kläger eingelegten Einsprüche vom 23. Dezember 2015 waren wegen Eingang nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (§§ 355 Abs. 1, 348 AO) unzulässig, so dass diese Einsprüche - ohne Einfluss auf das hier zu entscheidende Verfahren - nach § 358 Satz 2 AO als unzulässig zu verwerfen sind und wären.
62Das Finanzamt durfte die Steuerfestsetzungen im Streitfall nach § 165 AO (durch Aufhebung der Vorläufigkeit) ändern. Die jetzt angefochtenen Bescheide wurden nicht Gegenstand des (noch offenen) Einspruchsverfahrens, sondern konnten in zulässiger Weise mit dem Einspruch angefochten werden.
63Etwas anderes folgt auch nicht aus § 365 Abs. 3 AO. Die Vorschrift des § 365 Abs. 3 AO soll verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird. Ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt durch einen unzulässigen Rechtsbehelf begonnen worden, kann auch der neue Verwaltungsakt in diesem Verfahren in der Sache nicht geprüft werden. Dass § 365 Abs. 3 AO von einem zulässigen Einspruch gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ausgeht, folgt aus § 358 Satz 2 AO. Die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ist Sachentscheidungsvoraussetzung. Sie räumt der Finanzbehörde kein Ermessen ein. Sie lässt auf einen "verfristeten" Einspruch keine andere als die vorgeschriebene Entscheidung ("ist als unzulässig zu verwerfen") zu (BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 56/99 Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, BFHE 191, 491, BStBl II 2000, 490).
642. Die Klage ist insgesamt unbegründet.
65Selbst wenn man, wovon der Senat wie ausgeführt nicht ausgeht, von einer zulässigen Klage für die Jahre 2006 bis 2008 ausgeht, wäre die Klage auch für diese Jahre unbegründet. Ebenso ist die Klage für die übrigen Streitjahre unbegründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind allesamt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
66a) Dass der Beklagte die geltende Gesetzeslage und die insoweit einschlägigen Normen zutreffend zur Anwendung gebracht hat, bestreitet auch der Kläger nicht.
67b) Der erkennende Senat ist nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Alterseinkünftebesteuerung überzeugt und hält deshalb eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BverfGG - für nicht geboten.
68Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG hat ein Gericht, welches ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, das Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH besteht diese Vorlagepflicht jedoch nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Gesetzesvorschrift überzeugt ist, bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht dagegen nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. März 1952 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 1, 184, 188 f., BVerfG-Beschluss vom 6. April 1989 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, 65; BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VI R 121/90, BFHE 183, 538, BStBl II 1997, 692).
69Danach hat das Gericht keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, sondern die bestehende Gesetzeslage anzuwenden.
70Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Neuausrichtung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften auf die nachgelagerte Besteuerung durch das Alterseinkünftegesetz grundsätzlich eine Regelung geschaffen hat, die mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Auch die Grenzen, die dem Gesetzgeber durch das Verbot der Doppelbesteuerung gezogen sind, sind nicht überschritten, solange und soweit die Beitragsleistungen "steuerfrei" gestellt werden. Danach bestehen insbesondere auch keine Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Grundgesetz (z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2015 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310).
71Auch der Bundesfinanzhof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu dem mit dem AltEinkG vollzogenen Systemwechsel zum einen die nunmehrige grundsätzlich volle Einkommensteuerpflicht von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung -- auch im Vergleich zu anderen, weiterhin nicht voll steuerpflichtigen Bezügen wie etwa Auszahlungen aus Verträgen über Lebens- oder private Rentenversicherungen -- als verfassungsgemäß angesehen. Darüber hinaus hält der Bundesfinanzhof auch die Grundsystematik der gesetzlichen Übergangsregelungen -- insbesondere das Fehlen einer Differenzierung zwischen früheren Arbeitnehmern und früheren Selbständigen bei der Festlegung der Höhe des Besteuerungsanteils -- für verfassungsgemäß (grundlegend BFH-Entscheidungen vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420; vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, und vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567).
72Der Senat folgt dieser Auffassung und hat ebenfalls keine Bedenken an der (generellen) Verfassungsmäßigkeit der durch den Gesetzgeber gefundenen Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte. Das Gericht ist an die - wie ausgeführt - verfassungsgemäßen Gesetze gebunden und sieht sich an einer vom Gesetz abweichenden Festsetzung gehindert.
73c) Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2014 ergibt sich eine Rechtswidrigkeit auch nicht aus der Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der B KG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachten Aufwendungen wirtschaftlich dem Veranlagungszeitraum 2014 zuzuordnen und zu welchem Zeitpunkt sie beim Kläger abgeflossen sind. Denn die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind ihrer Natur nach Sonderbetriebsausgaben bei der B KG. Der Kläger war unstreitig als Kommanditist an der Gesellschaft beteiligt und erzielte insoweit Einkünfte aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; die Ausgaben waren durch die Erzielung entsprechender Einnahmen veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Sonderbetriebsausgaben sind im Rahmen des Verfahrens über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften nach § 180 Abs. 1 AO geltend zu machen. Ein solches wurde, wie sich aus der vom Beklagten vorgelegten Mitteilung ergibt, auch tatsächlich durchgeführt.
74d) Ob die vorgenommene Besteuerung zu einer doppelten Besteuerung bereits versteuerter Einkünfte führt, braucht der Senat im hier zu entscheidenden Verfahren nicht zu prüfen.
75Denn selbst bei Vorliegen einer doppelten Besteuerung würde dies nicht zu einer geänderten Festsetzung folgen.
76Das Gericht ist - wie ausgeführt - an die Regelung des § 22 EStG gebunden. Diese Regelung ist in ihrem Wortlaut eindeutig und regelt - basierend auf dem jeweiligen Rentenbeginn - feste gesetzlich geregelte Besteuerungsanteile. Die gesetzliche Regelung des § 22 EStG ist einer dahingehenden abweichenden verfassungskonformen Auslegung, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen aus der Besteuerung ausgenommen werden, nicht zugänglich. Es ist bereits streitig, ob ein Gesetz mit eindeutigem Wortlaut überhaupt der Auslegung zugänglich ist (vgl. BFH- Urteil vom 18. Mai 1994 - I R 84/93 -, juris). Jedenfalls sieht der Senat - auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens - keine Möglichkeit, durch Auslegung einzelne Besteuerungsgrundlagen entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut im Rahmen der Entscheidung über die Festsetzung der Einkommensteuer aus dem Anwendungsbereich des EStG herauszulösen.
77Die vom Beklagten vorgenommene, generell nicht zu beanstandende Besteuerung kann allenfalls - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - im Wege der Billigkeit zu korrigieren sein.
78In seinem grundlegenden Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) hatte das BVerfG die (damals geltende) Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten festgestellt und dem Gesetzgeber aufgegeben, mit Wirkung zum 1. Januar 2005, eine Neuregelung zu schaffen. Bereits am Schluss dieser Entscheidung hatte es jedoch in Bezug auf die zu treffenden Übergangsregelungen ausgeführt: "...In jedem Einzelfall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird..."
79Auch der Bundesfinanzhof hat in seinen neueren Entscheidungen stets in Bezug auf eine im konkreten Einzelfall bestehende Doppelbelastungsproblematik - ohne dass dies bisher entscheidungstragend geworden ist - darauf hingewiesen, es sei "das zwingende Gebot des Bundesverfassungsgerichts zu beachten", dass Rentenzahlungen, soweit die zugrunde liegenden Beitragszahlungen aus versteuertem Einkommen geleistet worden seien, nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden dürften (BFH-Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420). Der BFH hat in seinen diesbezüglichen Entscheidungen stets darauf hingewiesen, dass nach der vom BVerfG gewählten Formulierung eine doppelte Besteuerung "in jedem Fall" zu vermeiden sei (BFH-Urteile vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710; vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567 und vom 4. Februar 2010 X R 58/08, BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579) und das Verbot der doppelten Besteuerung "strikt" zu beachten sowie ihm "besondere Aufmerksamkeit zu widmen" sei (BFH-Urteil vom 18. November 2009 X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Allerdings sei eine verfassungsrechtliche Prüfung nicht bereits in der Beitragsphase, sondern erst beim späteren Rentenbezug vorzunehmen (zum Ganzen BFH-Urteil vom 21. Juni 2016 X R 44/14, BFHE 254, 545, m.w.N.).
80Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Begehren des Klägers im Ergebnis nicht im hier betriebenen Verfahren wegen der Festsetzung von Einkommensteuer, sondern allenfalls in einem Billigkeitsverfahren nach § 163 AO zum Erfolg führen. Der Kläger begehrt die Nichtbesteuerung von Einkünften aus Altersrenten entgegen dem Wortlaut des § 22 EStG, der wie ausgeführt als generelle Reglung nicht zu beanstanden ist.
81Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre(§ 163 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269). Eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Gründen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist und dadurch ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers besteht (vgl. dazu insgesamt etwa BFH-Urteile vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269 und vom 21. August 1997
82V R 47/96, BFHE 183, 104; BStBl II 1997, 781 m.w.N.).
83Als möglicher Gegenstand einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs.1 Satz 1 2. Alt. AO kommen nur bestimmte einzelne Besteuerungsgrundlagen in Betracht. Dies verlangt für jede einzelne Besteuerungsgrundlage die bei der Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen unberücksichtigt bleiben soll, eine isolierte Einzelprüfung und -entscheidung. Sollte im Streitfall - wie vom Kläger vorgetragen - tatsächlich eine vom Gesetzgeber nicht gewollte doppelte Besteuerung von Einkünften gegeben sein, so wäre in einem Verfahren nach § 163 Abs. 1 AO zu prüfen, ob - entgegen dem Wortlaut der materiell-rechtlichen Regelung des § 22 EStG, an welche die Finanzbehörde nach § 85 AO gebunden ist - in den Streitjahren ausnahmsweise (im Einzelfall) im Billigkeitswege einzelne Renteneinkünfte von der Besteuerung auszunehmen wären. Eine solche Billigkeitsprüfung ist vom Kläger (noch) nicht beantragt und vom Beklagten (noch) nicht abgelehnt worden.
843. Das hier zu entscheidende Verfahren ist nicht nach § 74 FGO auszusetzen. Denn ein Verfahren ist nur dann auszusetzen (§ 74 FGO), wenn ein vorgreifliches Verfahren als Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren anhängig wäre. Ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren nach § 163 AO ist nicht gegeben. Der Beklagte hat lediglich dem Gericht gegenüber - und nicht dem Kläger gegenüber - mitgeteilt, er vertrete nicht die Auffassung, dass ein solches Verfahren in Betracht komme.
85III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
86IV. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.
87Aus Sicht des Senats ist höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt, ob bei gezahlter Steuer (und begehrter Erstattung) die Klage nur eines Ehegatten mangels Klagebefugnis und/oder allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist.
88Auch über die Frage, ob die Prüfung einer „Doppelbesteuerung“ von Alterseinkünften im Verfahren wegen der Festsetzung der Einkommensteuer - und wenn ja in welcher Form - oder wegen abweichender Festsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) zu verfolgen ist, ist bisher, soweit ersichtlich, keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen.