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Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 31.8.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.6.2016 wird dergestalt geändert, dass weitere außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 1.315 € berücksichtigt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 87 % und der Beklagte zu 13 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für Fahrten aus Anlass eines Besuches eines an Asperger-Syndrom und hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens leidenden Kindes in einer Privatschule zwecks Abholung in der Familienwohnung und zurück sowie weitere Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind sowie darum, ob weitere Aufwendungen in Höhe von 10 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
3Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der in 2002 geborene Sohn S der Kläger wechselte im 3. Grundschulklassenjahr, d.h. 2010, an eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Nach Abschluss der 4. Schulklasse an der Förderschule wechselte er im Sommer 2012 auf die Realschule als weiterführende Schule. Seit dem 15.5.2013 besuchte der Sohn die B, ein privates Gymnasium für Jungen und Mädchen in C. Seit November 2015 besuchte er ein Internat in N und ist nur noch an den Wochenenden Zuhause.
4Die B ist ein staatlich anerkanntes Gymnasium, das in 9 Jahren zum Abitur führt. Die Schule wendet sich auch an Schülerinnen und Schüler, die aus gesundheitlichen oder aus entwicklungspsychologischen Gründen an großen Gymnasien ihre Chancen oft nicht wahrnehmen können. Die Schule ist ein kleines einzügiges Gymnasium mit ca. 20 Schülerinnen und Schülern je Klasse. Auf der Internetseite wird ausgeführt, die Schule könne die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler beachten und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Sie sei bemüht, in einer familiären Atmosphäre Erziehung und Wissen zu vermitteln. Der Gründungsgedanke der Schule beruhe auf einem ganzheitlich positiven Schülerverständnis, das auf Orientierung und Unterstützung ausgerichtet sei. Große Schulsysteme hätten häufig auf Seiten der Schüler eine Orientierungslosigkeit zur Konsequenz. Veränderte Familiensysteme, berufliche Anforderungen und falsch verstandene Erwartungen begründeten Unsicherheiten bei den Schülern, wodurch Krankheit, Lernstörung, eine schwierige persönliche Konstellation sowie ein Lern- und Verhaltensdefizit einen Schulerfolg häufig in Frage stellten. Neben der fachlichen Förderung sowohl Hochbegabter als auch von Schülerinnen und Schülern mit höherem Förderbedarf stünde die ganzheitliche Bildung, die die kulturellen, sozialen und künstlerischen Elemente umschließe, im Vordergrund.
5In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 beantragten die Kläger neben Krankheitskosten in Höhe von 1.918 € (1.953 € abzgl. Erstattungen i.H.v. 35 €) den Abzug von Fahrtkosten für Fahrten mit dem eigenen Fahrzeug i.H.v. 12.240 € (102 km x 400 Fahrten x 0,30 €) als Aufwendungen für den Besuch der Privatschule sowie Schulgeld i.H.v. 1.260 € als außergewöhnliche Belastungen. Nach Übernahme von Fahrtkosten durch das Jugendamt der Stadt I i.H.v. 3.180 € verblieb der Abzug von Aufwendungen für Fahrtkosten i.H.v. 9.060 €. Für das Schulgeld beantragten die Kläger gleichzeitig den Abzug als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG.
6Der Beklagte forderte die Kläger zunächst auf, ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorzulegen, aus denen ersichtlich sei, dass eine Krankheit vorliege, zu deren Heilung oder Linderung der Besuch einer geeigneten Schule unumgänglich sei. Daraufhin legten die Kläger ärztliche Bescheinigungen von Fachärzten sowie den Abschlussbericht der Rheinischen Kliniken W, Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vor. Hieraus ergab sich im Wesentlichen folgendes:
7Laut ärztlicher Bescheinigung eines Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 21.3.2012 sei es für den Sohn wichtig, dass er eine individuelle Förderung erhalte, um sein Leistungspotenzial abrufen zu können. Eine Förderung auf einer Privatschule wäre daher für ihn ärztlicherseits optimal und sinnvoll.
Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vom 27.8.2012 wurde beim Sohn der Kläger ein Verdacht auf emotionale Störung des Kindesalters diagnostiziert, wobei seine intellektuellen Fähigkeiten im Bereich überdurchschnittlicher Intelligenz liegen. Es wurde eine intensive Zusammenarbeit mit der neuen Lehrerin an der Realschule sowie einer Familientherapeutin empfohlen.
Vom 19.1.2013 bis 22.2.2013 wurde S wegen des Verdachts einer zusätzlichen Symptomatik (Asperger-Syndrom) stationär in den Rheinischen Kliniken W, Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, aufgenommen. Im Abschlussbericht vom 6.3.2013 wurde ausgeführt, dass der Sohn derzeit in der städtischen Regelschule der fünften Klasse der Realschule nach anfänglichen körperlichen Auseinandersetzungen gut zurechtkomme. Abschließend wurde ein Asperger-Syndrom und eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert. Für die Bewältigung des Schulalltags außerhalb des Klassenraums (Pausen, Freistunden) wurde sich über eine Integrationshilfe sowie über eine Familienhilfe für den angemessenen Umgang mit S im häuslichen Rahmen und zur Unterstützung bei der Gestaltung von Spielkontakten in der Freizeit verständigt.
Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 14.8.2015 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Fahrten zur Privatschule mit der Begründung ab, dass kein Nachweis in Form eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorgelegt worden sei, aus denen sich die Notwendigkeit der Aufwendungen ergebe. Das Schulgeld berücksichtigte er als Sonderausgabe.
12Mit nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid 2014 vom 31.8.2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer herab, da die Höhe der Erstattung bei den außergewöhnlichen Belastungen falsch berücksichtigt worden war.
13Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein und begehrten zum einen weiterhin den Abzug der Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen sowie die Berücksichtigung folgender weiterer Kosten, die bislang vergessen worden seien:
141. Teilnehmergebühren für die Veranstaltung „Jeder Mensch ist anders!“ (Autismus-Spektrum-Störung) von 35 € und Fahrtkosten von 30,60 € (0,60 € x 51 km) als außergewöhnliche Belastung
2. Medikamente i.H.v. 30,42 € als außergewöhnliche Belastung. Diese setzen sich zusammen aus einem Rezept für ASS mit Gebühr über 3,78 € aus Oktober 2012, freiverkäufliche Arzneimittel ohne Rezept i.H.v. 16,50 €, Zuzahlung für Rezepte i.H.v. 5 € sowie 10,14 €, Lippenpflegecreme 3,95 €
3. Kosten für Brillen von G i.H.v. 635,25 € (Aufwendungen für Sonnenbrille 17,50 €; 2 Gleitsichtbrillen: Auftrag 1513711 0 109,25 € sowie Auftrag 1513710 0 i.H.v. 508,50 €)
4. Kosten für die Reparatur von Arbeitskleidung i.H.v. 10 € als Werbungskosten
Zudem legten die Kläger im Einspruchsverfahren ein amtsärztliches Gutachten der Leiterin des kinder- und jugendärztlichen Dienstes des Gesundheitsamts I, Frau Dr. X, betreffend die „medizinische Notwendigkeit des Besuchs einer Privatschule“ „zur Vorlage beim Finanzamt“ vom 22.12.2015 vor, auf das inhaltlich ergänzend Bezug genommen wird. Im wesentlichen wird hierin ausgeführt, dass zwar der Besuch einer Privatschule eine Möglichkeit sei, um eine adäquate Förderung unter Berücksichtigung der für den Sohn gestellten Diagnosen zu gewährleisten. Es gebe jedoch auch im öffentlichen Schulsystem diverse Möglichkeiten einer zusätzlichen schulischen Förderung, um eine Beschulung für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche zu ermöglichen (z.B. Integrationshelfer, Förderschule). Nach den vorliegenden Unterlagen seien diese Unterstützungsmaßnahmen, die auch teilweise im Abschlussbericht der KJP W empfohlen worden seien, vor dem Wechsel auf eine Privatschule noch nicht eingesetzt worden. Ferner legten sie einen Bescheid der Kreisverwaltung I vom 25.6.2013 vor, wonach den Klägern durch das Jugendamt Eingliederungshilfe gemäß § 35 Buchst. a SGB VII in Form der Kostenübernahme der Privatbeschulung an der B C von 505 € monatlich sowie eine pauschale Fahrtkostenerstattung zur Sicherung des Schulbesuchs i.H.v. 265 € monatlich gewährt wird.
20Zu den nachträglich im Einspruchsverfahren beantragten Kosten führten die Kläger im wesentlichen folgendes aus:
211. Die Veranstaltung sei dazu gedacht gewesen, zu lernen, wie man mit Menschen, die die Krankheit Asperger-Syndrom haben im alltäglichen Zusammenleben umgehen könne. Die Kosten stünden deshalb im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erkrankung des Sohnes.
2. Die Medikamente seien bereits in früheren Zeiten von einem Arzt verschrieben worden. Es handele sich um Schmerzmittel zur Linderung von Schulter-, Nacken-, Knie- und Rückenproblemen.
3. Die Notwendigkeit einer Brille sei in der Vergangenheit durch einen Augenarzt festgestellt worden, so dass ihrer Auffassung nach der Kassenzettel von einem Optiker ausreichend sei. Brillen seien schon in früheren Jahren als Krankheitskosten angesetzt worden. Bei der Sonnenbrille handele es sich um die gleiche Sehstärke wie bei der normalen Brille. Die Kläger und ihr Sohn hätten eine Hornhautverkrümmung, so dass alle auf eine Brille angewiesen seien.
4. Bei der Reparatur von Arbeitskleidung handele es sich ausschließlich um Hemden (mit kurzem bzw. langem Arm), eine Weste ohne Arm und Jacken, die mit dem Namen des Arbeitgebers sowie dem Vor- und Nachnamen des Klägers sowie dem Logo des Arbeitsgebers versehen seien. In der Einkommensteuererklärung sei zwar Arbeitskleidung pauschal mit 103 € geltend gemacht worden; dieser Betrag sei aber nur für die Beschaffung der Arbeitsschuhe und -hosen angesetzt worden. Bei den Schuhen handele es sich um spezielle Sicherheitsschuhe bei den Hosen um robuste Arbeitshosen. Da die vom Arbeitgeber gestellte Arbeitskleidung auch habe gereinigt werden müssen, was selbst durchgeführt werde, sei in der Einkommensteuererklärung ein Betrag von 103 € pauschal angesetzt worden.
5. Die Unterbringung in der B sei ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens, in dem die Erkrankung Asperger-Syndrom mit Hochbegabung sowie hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens anerkannt worden sei, aus Krankheitsgründen erfolgt. S könne in einer Regelschule mit großen Klassen und einem Integrationshelfer nicht beschult werden bzw. einen entsprechenden adäquaten Integrationshelfer habe dem Jugendamt und den Klägern nicht zur Verfügung gestanden. Eine Förderschule, die diese Kinder mit so einem Störungsbild und Hochbegabung aufnehme, gebe es im Kreis I nicht. In H gebe es zwar eine Förderschule, die aber der Hauptschule gleichzustellen sei und für Kinder mit Hochbegabung nicht geeignet sei. Da in Deutschland allerdings Schulpflicht bestehe, seien nicht nur die Eltern, sondern auch die Behörden nach dem Grundgesetz verpflichtet, die Schulpflicht zu wahren und ihr nachzukommen. Die B mit 13 Kindern (bei Einschulung) in der Klasse sei zunächst genau die richtige Klassengröße gewesen. Im Laufe der Zeit sei die Schülerzahl allerdings auf 23 Kinder angestiegen (Stand bis September 2015). Da die Klasse damit auch wieder zu groß wurde und der Sohn auch hier entsprechend seinem Störungsbild ausgetickt sei, besuche er diese Schule seit dem 11.9.2015 nicht mehr. Aufgrund des Krankheitsbildes und der Hochbegabung hätten sie den Sohn in ein Internat unterbringen müssen. Dort werde er seit November 2015 auch adäquat nach seinen Fähigkeiten gefördert und beschult. Daher seien ihrer Auffassung nach die Fahrten zur Schule wie Fahrten zum Arzt nach § 33 EStG abzugsfähig. Bei Eltern von Kindern, die eine öffentliche Regelschule besuchten, fielen keine Fahrtkosten an, denn diese würden von der Stadt oder Gemeinde getragen. Sie dagegen bekämen nur einen Teil der Kosten vom Jugendamt erstattet, wobei ihr Kind erkrankt sei. Lägen beim Sohn die Krankheiten nicht vor, so sei auch keine Beschulung an der B bzw. im Internat erforderlich.
Der Beklagte telefonierte im Juni 2016 mit Frau Dr. X. Diese teilte nach Information über den Streitgegenstand mit, dass es sich bei dem Asperger-Syndrom um eine Art des Autismus handele, welcher als Krankheit bezeichnet werde. Wie sie in ihrem Gutachten ausgeführt habe, sei der Besuch einer Privatschule sicherlich förderlich, aber medizinisch nicht notwendig, da es auch im Regelbereich genügend Fördermöglichkeiten gebe. Diese wären derart, dass ein Integrationshelfer für einige Stunden die Kinder allein betreue, die Kinder aber den Rest der Unterrichtszeit am normalen Schulalltag teilnehmen müssten, was dann schon einmal zu Schwierigkeiten führen könne. Insbesondere im Hinblick auf die Inklusion könne es demnächst schwierig werden, wenn mehrere Kinder mit unterschiedlichen Auffälligkeiten oder Krankheiten in einem Klassenraum säßen. Dann bliebe nur noch die Unterbringung in einer Förderschule. Allerdings würden dies die meisten Eltern nicht wollen, weil sie der Meinung seien, dass diese nicht gut für ihr Kind sei und es dort nicht genügend gefördert würde. So sei es auch im vorliegenden Fall, da die Klägerin angebe, das Kind sei hochbegabt und auf einer Förderschule nicht gut beschult sei. Frau Dr. X wurde dann noch dazu befragt, wie es denn sein könne, dass das Jugendamt des Kreises I das Schulgeld und einen Teil der Fahrtkosten übernommen habe, obwohl sie als Amtsärztin den Besuch der Privatschule für nicht notwendig gehalten habe. Die Ärztin zeigte sich überrascht und gab an, die Bewilligungsbescheide nicht zu kennen. Die Kläger hätten das amtsärztliche Gutachten privat in Auftrag gegeben und nichts dazu gesagt, dass eine Kostenübernahme durch den Kreis erfolgt sei. Ferner teilte sie mit, dass das Kind durchaus zum berechtigten Personenkreis für die Eingliederungshilfe gehören könne, sich daraus aber keine medizinische Notwendigkeit des Besuchs der Privatschule herleiten lassen könne.
28Mit Einspruchsentscheidung vom 20.6.2016, auf die inhaltlich ergänzend verwiesen wird, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte er aus, dass der Besuch der Privatschule des Sohnes nicht medizinisch angezeigt gewesen sei; insbesondere sei der den Klägern obliegende Nachweis der Zwangsläufigkeit vorliegend nicht erbracht worden. Die Förderung auf einer Privatschule werde zwar in den vorgelegten Bescheinigungen der Fachärzte, dem Abschlussbericht der Rheinischen Kliniken W sowie dem amtsärztlichen Attest zwar als optimal und sinnvoll bezeichnet, gleichwohl auch eine Beschulung auf einer Regelschule möglich sei, wenn der Einsatz einer Integrationshilfe sowie einer Familienhilfe erfolge. Auch erscheine es nicht vertretbar, die Aufwendungen für die Fahrten anlässlich des Besuchs der Privatschule unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Denn hierunter fielen nur die Kosten, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder – in der Person des Kranken selbst – mit dem Ziel aufgewendet würden, die Erkrankung erträglicher zu machen. Kosten, die dagegen um der schulischen Förderung des Kindes willen aufgewendet würden, seien nicht nach § 33 EStG anzuerkennen, auch wenn der Besuch der Schule aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen erfolge (Verweis auf BFH-Urteile vom 17.7.1981 VI R 105/78, BFHE 133,550; vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302 und vom 16.5.1975 VI R 132/72, BFHE 116, 130). Auch der Umstand, dass das Jugendamt der Stadt I tatsächlich finanzielle Hilfen gewährt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn aus der Gewährung der Eingliederungshilfe könne eine medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen nicht hergeleitet werden. Die geltend gemachten Fahrtkosten gehörten daher zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 EStG. Im Übrigen seien die Aufwendungen bereits durch die Gewährung eines kindbedingten Freibetrages oder durch Leistungen von Kindergeld abgegolten. Die Kosten für die Teilnahme an der Tagung seien weder außergewöhnlich noch zwangsläufig. Es lägen insoweit auch keine Krankheitskosten vor, da es sich bei der Teilnahme an dem Kurs lediglich um eine Maßnahme handele, die allenfalls der Vorbeugung oder der Erhaltung der Gesundheit diene und als Kosten der allgemeinen Lebensführung grundsätzlich unberücksichtigt blieben. Die geltend gemachten Aufwendungen für Medikamente und Hilfsmittel könnten schon deshalb nicht berücksichtigt werden, da es an einer Verordnung nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV fehle. Soweit die Kläger zusätzlich einen Werbungskostenabzug in Höhe von 10 € für Reparatur von Arbeitskleidung geltend machten, könne dieser nicht berücksichtigt werden, weil in den angefochtenen Steuerbescheiden bereits für sonstige Werbungskosten ohne Nachweis ein pauschaler Betrag sowohl für die Anschaffung (103 €), die Reparatur (107 €) und die Reinigung (103 €) von Arbeitskleidung berücksichtigt worden sei.
29Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Rechtsbehelfsverfahren weiterhin die Berücksichtigung der Fahrtkosten sowie zusätzlicher Aufwendungen für Medikamente und Hilfsmittel als außergewöhnliche Belastungen sowie den Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 10 € für die Reparatur von Arbeitskleidung.
30Die Kläger sind der Ansicht, dass die Fahrtkosten zur Privatschule außergewöhnliche Belastungen darstellten. Die B wende sich auch an Schülerinnen und Schüler, die aus gesundheitlichen oder aus entwicklungspsychologischen Gründen an großen Gymnasium ihre Chancen oft nicht wahrnehmen könnten. Die Schule stelle die Eignung selber fest. Dies geschehe mit dem Schüler und den Eltern. Es werde vom Schulleiter im Gespräch erklärt, dass sich die Schule auf Kinder mit autistischer Erkrankung spezialisiert habe. In jeder Klasse seien entsprechend Kinder untergebracht. Um einen Eingliederungshelfer oder Integrationshelfer brauche man sich nicht zu kümmern. Die Klassenräume seien für Kinder mit autistischen Erkrankungen entsprechend ausgestattet. Die Schule sei ein kleines einzügiges Gymnasium; somit könne sie die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler beachten und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Sie sei bemüht in einer familiären Atmosphäre Erziehung und Wissen zu vermitteln. Den erkannten Konfliktsituationen (Institution Schule, Elternhaus, Schülerpersönlichkeiten) wirke sie durch kleine Klassenverbände, einem methodisch-didaktischen Konzept, das an den lernspezifischen Bedürfnissen der Schüler orientiert sei, Einsatz fester Bezugspersonen mit hoher Lehrerkompetenz und indem sie sowohl die Gemeinschaft als auch die Verbindung von Eltern, Schülern und Lehrerschaft intensiv pflege und eine intensive Kommunikation über Erziehungs- und Schulfragen unterhalte, entgegen. Zudem werde Förderunterricht im Rahmen der Differenzierung bis zum Einzelunterricht entsprechend nach Begabung und Leistung sowie individueller Förderung in allen Jahrgangsstufen angeboten.
31Der Sohn leide an Asperger-Syndrom mit Hochbegabung sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, was aus den ärztlichen Bescheinigungen und dem amtsärztlichen Gutachten hervorgehe.
32Der Sohn habe bereits ab der dritten Klasse eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besucht. Gebracht habe ihrem Sohn diese Schule nichts. Seine Erkrankung und sein Verhalten hätten sich nicht wirklich verändert. Die Probleme seien immer größer geworden. Es sei schließlich vom 29.1.2013 bis zum 22.2.2013 ein Aufenthalt in der LVR Klinik erforderlich geworden. Vor dem Wechsel auf die Privatschule hätten sie sich um einen Integrationshelfer bemüht. Das Jugendamt des Kreises I habe sich ebenfalls um einen adäquaten Integrationshelfer bemüht. Allerdings habe er zu diesem Zeitpunkt keinen Integrationshelfer zur Verfügung gehabt, die Stelle habe ausgeschrieben werden müssen. Ihr Sohn sei bis zu diesem Zeitpunkt noch zur Realschule H gegangen, wo er allerdings nur an zwei Tagen in der Woche beschult habe werden können, die andere Zeit sei er zu Hause gewesen. An den beiden Tagen sei eine Sonderpädagogin an der Schule gewesen, die den Sohn begleiten habe können. Mit dieser Situation sei es auch zu Hause immer schlimmer mit dem Verhalten und den Krankheiten des Sohnes geworden; es sei einfach zu Hause nicht mehr auszuhalten gewesen. Der Kreis I und die Schule hätten ihnen keine andere Schule benennen können, wo S aufgrund seiner Erkrankungen, seiner Störung im Sozialverhalten und seiner Hochbegabung beschult habe werden können. Eine Förderschule, die diese Kinder mit so einer Erkrankung und Hochbegabung beschulen könne, gebe es im Kreis I nicht. In H gebe es zwar eine Förderschule, die aber der Hauptschule gleich zu stellen sei und daher aus ihrer Sicht für Kinder mit Hochbegabung nicht geeignet sei. Denn diese Kinder müssten gleichzeitig nach ihren Fähigkeiten gefördert und gefordert werden. Auch nach Rücksprache mit Prof. Dr. L von der Y anlässlich des Besuchs eines Vortrags durch die Klägerin müsse bei hochbegabten Kindern darauf geachtet werden, dass die Hochbegabung im Schulalltag mitberücksichtigt werde, da ansonsten eine Besserung der Krankheit nicht in Sicht sei. Aufgrund dessen hätte sie die Privatschule angesprochen. Das Jugendamt habe ihnen aus dem Grund, da keine andere Fördermaßnahmen bestanden hätten, die Eingliederungshilfe für den Sohn gewährt. Zudem verwiesen sie auf ein Urteil des BFH VI R 45/14 vom 19.11.2015. Hier habe der BFH entschieden, dass Aufwendungen für Lerntherapie und Erziehungsberatung eines hochbegabten Kindes nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien, wenn das Kind im Zeitpunkt der betreffenden Therapiemaßnahmen nicht erkrankt sei. Dies heiße umgekehrt, wenn das Kind vor den Therapien erkrankt sei, seien die Lerntherapie und Erziehungsberatung als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. In ihrem Fall habe die Erkrankung des Sohnes vor dem Schulwechsel vorgelegen.
33Ferner wiesen sie auf Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen hin. Hier werde eindeutig auf das Recht der Bildung hingewiesen. Die Eltern hätten ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden solle.
34Die Kläger beantragen,
35den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 31.8.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.6.2016 dergestalt zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 9.792 € (9.060+65,60+30,42+635,25) sowie weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 10 € berücksichtigt werden.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen, soweit ein Abzug von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von weiteren 8.477 € (9792 € - 1.315 €) sowie von weiteren Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 10 € begehrt wird.
38Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung und hält weiterhin an seiner Auffassung fest, dass die Fahrtkosten zur Privatschule nicht als Krankheitskosten abzuziehen seien.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40Die Klage hat teilweise Erfolg.
41Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 ist rechtswidrig, soweit er die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen – nach Abzug der zumutbaren Belastung i.H.v. 1.397 € – von weniger als 3.127 € versagt. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO - ).
421. Fahrtkosten zur Privatschule
In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BFH hinsichtlich des Abzugs von „Krankheitskosten“ weiter zu differenzieren. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, Sammlung der Entscheidung des BFH -BFHE- 232, 40 m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (vgl. BFH-Urteil vom 19.4.2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).
45Strengere Abzugsvoraussetzungen gelten dagegen für Aufwendungen, die den Bereich der Gesundheitsvorsorge bzw. Folgekosten von Krankheiten betreffen. Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 2.9.2010 VI R 11/09, BFHE 231, 69, BStBl II 2011, 119). Der Steuerpflichtige hat die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall daher in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch -SGB V-) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Durch amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) ist dagegen der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen in den im § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV aufgeführten Fällen zu führen. Zu diesen Aufwendungen gehören u.a. gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV eine psychotherapeutische Behandlung sowie gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStDV eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes. Die amtsärztliche Bescheinigung oder die ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung müssen dabei vor dem Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt worden sein (§ 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV).
46Aufwendungen für den Privatschulbesuch eines Kindes sind grundsätzlich auch dann nicht außergewöhnlich, wenn das Kind infolge Krankheit lernbehindert ist; die Aufwendungen werden durch den Kinderfreibetrag, den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und das Kindergeld abgegolten. Ein Abzug als außergewöhnliche Belastung ist nur dann möglich, wenn es sich bei den Aufwendungen um unmittelbare Krankheitskosten handelt (Schönfeld/Plenker in: Schönfeld/Plenker, Lexikon für das Lohnbüro 2019, 61. Aufl. 2019, Privatschulbesuch mit Verweis auf BFH-Urteil vom 17.4.1997, BStBl. II S. 752).
47a. Der BFH hatte bereits mehrfach über Fälle zu entscheiden, in denen es um die Frage ging, ob Aufwendungen für einen Schulbesuch als Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt werden können. Die Rechtsprechung betraf dabei zum Teil öffentliche und zum Teil private Schulen. Darüber hinaus war der Schulbesuch in einem Teil der Fälle mit einer auswärtigen Unterbringung verbunden.
48In seiner ersten grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1964 hat der BFH die Auffassung vertreten, dass Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung den Charakter von durch die typisierende Regelung des § 33a Abs. 2 EStG nicht erfassten Krankheitskosten aufweisen könnten, wenn die Behandlung der Krankheit im Vordergrund stehe (vgl. BFH-Urteil vom 28.2.1964 VI 314/63 U, BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270). Dies sei der Fall, wenn ein krankes Kind in einem Krankenhaus, einem Sanatorium, einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim untergebracht und damit ausschließlich das Ziel verfolgt werde, durch typische Maßnahmen der Heilbehandlung eine Krankheit zu heilen. Dies sei nicht der Fall bei der Unterbringung in einem Internat, in dem Kinder und Jugendliche zwar in ihrer Freizeit durch geeignete Mittel erzogen und seelisch beeinflusst würden, das aber im Übrigen eine Unterkunft für den Besuch einer öffentlichen Oberschule biete (Schule und Internat waren im Streitfall getrennt). In einer weiteren grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1978 hatte der BFH über den krankheitsbedingten Besuch einer Privatschule zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78). Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass Aufwendungen für den Besuch von Privatschulen regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig seien. Mangels zuverlässiger Abgrenzungskriterien erscheine es nicht gerechtfertigt, Aufwendungen für einen Privatschulunterricht je nach Anlass und Höhe der Aufwendungen im Einzelfall steuerlich unterschiedlich zu behandeln. Eine grundsätzlich pauschale Abgeltung aller typischen Ausbildungskosten liege im Interesse der Rechtssicherheit und einer möglichst gleichmäßigen steuerlichen Belastung aller Steuerpflichtigen. Gelte der Kinderfreibetrag des § 32 EStG alle typischen Ausbildungskosten ab, komme es nicht darauf an, ob im Einzelfall - etwa durch den Besuch einer Privatschule - höhere als die sonst üblichen Aufwendungen entstünden. Es erscheine auch nicht vertretbar, die Aufwendungen für den Privatschulbesuch unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Nach § 33 EStG seien nur unmittelbare Krankheitskosten abzugsfähig. Hierunter würden nur die Kosten fallen, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder - in der Person des Kranken selbst - mit dem Ziel aufgewendet würden, die Krankheit erträglich zu machen. Die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen nur gelegentlich oder als Folge einer Krankheit entstehen, würde zu einer nicht vertretbaren steuerlichen Berücksichtigung von Kosten der allgemeinen Lebenshaltung führen, die mit dem Sinn und Zweck des § 33 EStG nicht vereinbar seien. Privatschulkosten gehörten auch dann nicht zu den unmittelbaren Krankheitskosten, wenn der Besuch der Privatschule durch eine Krankheit des Kindes verursacht sei. Als einzigen Ausnahmefall, in dem Aufwendungen für den Schulbesuch Krankheitskosten i.S. des § 33 EStG darstellen könnten, zog der BFH den Besuch einer Behindertenschule in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78). Mit Urteil vom 9.10.1981 VI R 7/78 (Betriebs-Berater 1982, 540) bestätigte der BFH ausdrücklich seine im Urteil vom 28.2.1964 VI 314/63 U (BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270) angelegte Differenzierung. Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung seien nur als Krankheitskosten anzusehen, wenn die Behandlung der Krankheit im Vordergrund stehe und demgemäß mit der auswärtigen Unterbringung ausschließlich das Ziel verfolgt werde, durch typische Maßnahmen der Heilbehandlung eine Krankheit zu heilen, wie dies z.B. bei einem Aufenthalt in einem Sanatorium, einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim anzunehmen sei. Fehle es an solchen Maßnahmen, handele es sich um Kosten i.S. des § 33a Abs. 2 EStG. Denn sie würden erbracht, um den auswärtigen Aufenthalt zu ermöglichen und stünden als Entgelte für einen Internatsaufenthalt sowohl in zeitlichem als auch sachlichem Zusammenhang mit dem Besuch einer Schule. Auch die krankheitsbedingte Veranlassung des auswärtigen Aufenthalts und Schulbesuchs ändere daran nichts.
49In einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 hatte sich der BFH mit dem Privatschulbesuch eines Kindes zu befassen, das an einer krankhaften Störung der Lese- und Rechtschreibfähigkeit litt (vgl. BFH-Urteil vom 18.4.1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962). Der BFH führt aus, dass es sich bei den betreffenden Kosten um typische Ausbildungsaufwendungen handle, die durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten seien. Der Privatschulbesuch sei nicht zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt. Eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung habe nicht stattgefunden. Eine solche wäre jedoch Voraussetzung, um die Zwangsläufigkeit und die Notwendigkeit der damit im Zusammenhang stehenden Kosten zu begründen. Durch den Besuch der Privatschule habe lediglich der aus sozialen und psychologischen Gründen nicht wünschenswerte Übergang in die Hauptschule verhindert werden sollen. Aufwendungen, die lediglich die sozialen Folgen einer Krankheit beträfen und durch die nur ganz allgemein einer psychischen Belastung vorgebeugt werden solle, erfüllten nicht den Tatbestand des § 33 EStG.
50Im Jahr 1992 hatte der BFH über die Kosten der auswärtigen Unterbringung eines an Asthma erkrankten Kindes zu entscheiden, das ein Oberschulinternat auf einer Nordseeinsel besuchte (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Der BFH hielt in diesem Fall nicht an seinen strengen Voraussetzungen der vorangegangenen Rechtsprechung fest. Er führte aus, dass dann, wenn der (auswärtige) Aufenthalt in einem Heilklima bereits eine gezielte therapeutische Maßnahme darstelle und die Schulausbildung nur anlässlich dieser Heilbehandlung gleichsam nebenbei und nachrangig erfolge, auch Internatskosten zumindest dann Krankheitskosten darstellten, wenn die Unterbringung in einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim aus medizinischen Gründen nicht erforderlich sei. Anzuerkennen seien indes nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, nicht aber die Kosten für den Besuch der Schule. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit eines längerfristigen Aufenthalts sei zudem die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes unerlässlich.
51Mit Urteil vom selben Tag entschied der BFH, dass Aufwendungen von Eltern für die auswärtige Unterbringung eines Kindes, dessen Lese- und Rechtschreibfähigkeit beeinträchtigt sei, als Krankheitskosten zu berücksichtigen seien, wenn die Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert habe (Legasthenie im medizinischen Sinn) und einer medizinischen Behandlung unterworfen werde (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278). Dies gelte dann auch für Kosten einer auswärtigen Unterbringung in einem Internat, wenn dort eine medizinisch indizierte Legastheniebehandlung durchgeführt werde. Eine auswärtige Unterbringung dagegen, die nur der schulischen Ausbildung bzw. pädagogischen Betreuung diene, verursache Ausbildungskosten, die nicht im Rahmen des § 33 EStG abzugsfähig seien. Darüber hinaus kam der BFH auch in dieser Konstellation zu dem Ergebnis, dass der Nachweis der Legasthenie durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests zu führen sei.
52An der Pflicht zur Vorlage eines amtsärztlichen Attestes hielt der BFH auch in mehreren weiteren Entscheidungen zur Legasthenie (vgl. BFH-Urteil vom 7.6.2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94; BFH-Beschluss vom 12.8.2003 III B 18/03, abrufbar in juris) sowie zu Konstellationen, in denen es allgemein um den Nachweis von krankheitsbedingten Aufwendungen für die Unterbringung eines Kindes im Internat ging, fest (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 15.1.2002 III B 17, 18/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 928; vom 25.2.2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065; vgl. ferner BFH-Urteil vom 21.4.2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602). Diese Verpflichtung begründete der BFH damit, dass es wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Indikation von Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, eines vorher ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bedürfe, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergebe (vgl. etwa BFH-Urteil vom 7.6.2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94). Weder die Finanzbehörden noch die Gerichte, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung besäßen die Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation von solchen nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinen Patienten objektiv beurteilen zu können. Dies diene dazu, die Inanspruchnahme ungerechtfertigter steuerlicher Vorteile zu verhindern, mit der in besonderem Maße bei Aufwendungen zu rechnen sei, die ihrer Art nach nicht stets eindeutig unmittelbar der Heilung und Linderung einer Krankheit dienten, sondern mitunter auch aus anderen Erwägungen getätigt würden, z.B. um die sprachliche, soziale, psychologische oder pädagogische Entwicklung eines Kindes zu fördern und zu unterstützen.
53Mit zwei Urteilen vom 11.11.2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) und vom 12.5.2011 VI R 37/10 (BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783), die den Besuch einer staatlich anerkannten Privatschule mit einem integrierten Legastheniezentrum und den Besuch einer schottischen Schule im Falle eines hochbegabten Kindes betrafen, hielt der BFH nicht mehr daran fest, dass eine vorherige amtsärztliche oder vertrauensärztliche Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, erforderlich sei. Diese Rechtsprechungsänderung war sodann Anlass für die Normierung der zuvor anerkannten besonderen Nachweisanforderungen in § 64 EStDV. Auch in der vorgenannten Entscheidung vom 11.11.2010 wird indessen unverändert die Voraussetzung aufgestellt, dass die Kosten für den Besuch einer Privatschule nur dann unmittelbare Krankheitskosten sein könnten, wenn dort eine bestehende Erkrankung eines Kindes einer medizinisch indizierten Behandlung unterworfen werde. Etwas anderes kann auch dem Urteil vom 12.5.2011, in dem der BFH auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen hat, nicht entnommen werden.
54In seiner jüngeren Rechtsprechung – nach Einfügung des § 64 EStDV – hat der BFH in einem Fall eines an ADHS leidenden Kindes, das in einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder untergebracht war, entschieden, dass ein qualifizierter Nachweis im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV zu erbringen sei (vgl. BFH-Urteil vom 15.1.2015 VI R 85/13, BFHE 249, 114, BStBl II 2015, 586). Einschlägig seien die Buchstaben b – das Kind wurde in der Einrichtung psychotherapeutisch und schulpsychologisch betreut – und c, da eine auswärtige Unterbringung aufgrund einer Behinderung vorliege. Bei ADHS liege eine entsprechende Beeinträchtigung vor, wenn sich die Unterbringung über einen längeren Zeitraum als sechs Monate erstrecke (vgl. zur vorstehenden Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung FG Düsseldorf, Urteil vom 14. März 2017 – 13 K 4009/15, juris).
55b. Ausgehend von dem aus dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgehend abzuleitenden und von dem erkennenden Senat gebilligten Erfordernis, dass für die Abziehbarkeit der Kosten eines Privatschulbesuchs als außergewöhnliche Belastung die medizinische Notwendigkeit einer dort stattfindenden Behandlung einer Krankheit im Vordergrund stehen muss, sind im Streitfall die für den Sohn geltend gemachten Aufwendungen nicht nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig.
56Die Feststellung, dass es sich bei den im Zusammenhang mit dem Schulbesuch angefallenen Fahrtkosten um unmittelbare Krankheitskosten im Sinne dieser Rechtsprechung handelt, kann der Senat bereits deshalb nicht treffen, weil es an ärztlichen Bescheinigungen fehlt, die die medizinische Notwendigkeit des (Privat-) Schulbesuchs zur Linderung/Heilung der Erkrankung des Sohnes bestätigen. Weder dem amtsärztlichen Attest noch den sonstigen vorgelegten Arztberichten etc. kann die Aussage entnommen werden, dass der Besuch einer Privatschule aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich gewesen ist. Vielmehr wird wiederholt bestätigt, dass grundsätzlich auch auf einer Regelschule – sofern Integrationshelfer etc. eingesetzt werden – eine Beschulung möglich ist. Es kann damit nur davon ausgegangen werden, dass der Besuch der Privatschule der Beschulung des Sohnes diente, nicht aber kann aufgrund der vorgelegten Unterlagen der Schluss gezogen werden, dass damit auch eine Linderung oder gar Heilung der Erkrankung des Sohnes verbunden war. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der (Aus-)Bildung des Kindes stehen, sind aber grundsätzlich auch dann nicht außergewöhnlich, wenn das Kind infolge Krankheit lernbehindert ist; sie werden durch den Kinderfreibetrag, den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und das Kindergeld abgegolten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass vorliegend der Schulbesuch auch im Hinblick auf die Hochbegabung des Kindes erfolgte. Eine Hochbegabung als solche stellt aber keine Erkrankung dar (BFH v. 19.11.2015 - VI R 45/14, BFH/NV 2016, 393).
57Wie sich den eingangs dargestellten BFH-Urteilen zum Privatschulbesuch (vgl. BFH-Urteile vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, vom 18.4.1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962 und vom 11.11.2010 VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) weiterhin entnehmen lässt, wäre die Qualifikation derartiger Aufwendungen als (unmittelbare) Krankheitskosten auch nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich. Erforderlich wäre danach, dass der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfindet. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Hierfür spricht aus Sicht des Senats insbesondere der Umstand, dass sie im Einklang mit der Rechtsprechung zu sonstigen Formen einer krankheitsbedingten auswärtigen Unterbringung (vgl. etwa BFH-Urteile vom 9.10.1981 VI R 7/78, BB 1982, 540; vom 26.6.1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278) und auch zu Krankheitskosten mit vergleichbaren Abgrenzungsproblemen, etwa zwischen Erholungsreisen und Kuren (vgl. zum Erfordernis der ärztlichen Kontrolle bei Kurmaßnahmen etwa BFH-Urteile vom 14.2.1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; vom 17.12.1997 III R 32/97, BFH/NV 1998, 839), steht. Dass an der von dem Sohn besuchten Privatschule eine Therapie des an Asperger-Syndrom und hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens leidenden Kindes durch medizinische oder psychotherapeutisches Personal stattgefunden hätte, haben die Kläger aber nicht einmal vorgetragen und lässt sich auch nicht dem Internetauftritt der Privatschule entnehmen. Ebenso wenig kann aufgrund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und Atteste die Feststellung getroffen werden, dass der Schulbesuch der Durchführung medizinisch indizierter Maßnahmen gedient hätte.
58Der Senat sieht es für die Annahme von Krankheitskosten nicht als ausreichend an, dass – wie von den Klägern in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht – schon der Besuch einer bestimmten Schule als die eigentliche Heilmaßnahme anzusehen sein soll, weil sich die dort herrschenden Bedingungen günstig auf die Krankheit auswirken. Mit der BFH-Entscheidung vom 1.12.1978 VI R 149/75 (BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78) geht der Senat davon aus, dass es sich in diesem Fall nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um - nicht abziehbare - bloße Kosten der Vorbeugung bzw. Folge einer Krankheit handelt (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 14. März 2017 – 13 K 4009/15, juris). Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Abzugsfähigkeit der Kosten für einen solchen Schulbesuch nicht ohnehin von den Nachweisanforderungen abhängig gemacht werden müsste, die § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV für entsprechende Heilmaßnahmen vorsieht, und deshalb für den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen, z.B. soweit hierdurch eine psychotherapeutische Behandlungsmaßnahme ersetzt werden soll, eine vor Beginn des Schulbesuchs ausgestellte amtsärztliche Bescheinigung zu fordern wäre (vgl. dazu FG Düsseldorf, Urteil vom 14. März 2017 – 13 K 4009/15, juris).
592. Tagungsbeiträge und Fahrtkosten zur Tagung
Die Ansicht des Beklagten, dass es sich nicht um unmittelbare Krankheitskosten handelt, ist nach Auffassung des Senates ebenfalls nicht zu beanstanden, da es sich auch insoweit nicht um Kosten handelt, die der Heilung/Linderung einer Krankheit dienen.
623. Aufwendungen für Brillen i.H.v. 635,25 €
Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige zwar grundsätzlich durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (vgl. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) zu erbringen. Bei der Anschaffung von Hilfsmitteln (Brillen, Hörapparate, Rollstühle etc.), die nach der Lebenserfahrung ausschließlich von Kranken angeschafft werden und bei denen häufig eine Anpassung an die individuellen Gebrechen eines Steuerpflichtigen erforderlich ist, kann aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung typisierend davon ausgegangen werden, dass ihr Kauf medizinisch indiziert ist. Auf eine Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach kann bei solchen Hilfsmitteln im engeren Sinne daher verzichtet werden (BFH v. 09.08.1991 III R 54/90 BStBl II 1991, 920). Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung dieser rechtlichen Bewertung angeschlossen und seine Einwände gegen eine Berücksichtigung weiterer Kosten i.H.v. 635,25 € nicht mehr aufrechterhalten.
654. (Zu-)Zahlungen für Medikamente i.H.v. 30,42 €
Die Kläger machen zusätzliche Aufwendungen i.H.v. 30,42 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Diese setzen sich zusammen aus einem Rezept für ASS mit Gebühr über 3,78 € aus Oktober 2012, freiverkäufliche Arzneimittel ohne Rezept i.H.v. 16,50 €, Zuzahlungen für Rezepte i.H.v. 5 € sowie 10,14 € sowie Kosten für eine Lippenpflegecreme i.H.v. 3,95 €. Die Zuzahlungen zu Medikamenten i.H.v. 15,14 € sind zusätzlich berücksichtigungsfähig; dem hat der Beklagte ebenfalls in der mündlichen Verhandung zugestimmt. Das Rezept ASS betrifft nicht das Streitjahr. Die Zahlungen für freiverkäufliche Arznei- und Pflegemittel sind ohne Verordnungen eines Arztes/Heilpraktikers nicht abzugsfähig; frühere Verordnungen können die nach § 64 EStDV erforderliche Verordnung nicht ersetzen.
685. Neuberechnung der zumutbaren Belastung
Seit dem BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 – VI R 75/14 –, BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 ist abweichend von der bisherigen (durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird. Damit ist vorliegend die zumutbare Belastung auf 1.397 € zu mindern und die abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen um weitere 664 € zu erhöhen:
71zumutbare Belastung bisher 4 % von 51.549 € |
= 2.061,00 € |
|
zumutbare Belastung neu |
||
2 % von 15.340,00 = €306,80 |
||
3 % von 51.130,00 = €1073,70 |
||
4 % von 419,00 = €16,76 € |
||
= 1.397,00 € |
||
Differenz |
664,00 € |
Auch dieser Neuberechnung der zumutbaren Belastung hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugestimmt und seinen Klageabweisungsantrag, wie auch hinsichtlich der Punkte 3 und 4, entsprechend eingeschränkt.
736. Reparatur Arbeitskleidung i.H.v. 10 € als Werbungskosten
74Die Aufwendungen für die Reparatur von Arbeitskleidung in Höhe von 10 € sind nicht zusätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen. Zwar handelt es sich um Werbungskosten. Allerdings haben die Kläger bereits 313 € als pauschalen Werbungskostenabzug für Arbeitsmittel erhalten. Vorliegend haben die Kläger aber nicht nachgewiesen, dass ihnen höhere konkrete Aufwendungen als der – hier zudem schon nahezu verdreifachte – als „Arbeitsmittelpauschale“ bezeichnete Betrag entstanden sind.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.