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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.500,-- EUR festgesetzt.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die von der Klägerin erhaltenen Entgelte für die von ihr angebotenen Auslandsunfallversicherungen der Versicherungsteuerpflicht unterliegen.
3Die Klägerin ist die in der Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts organisierte Berufsgenossenschaft der Branchen .... Die Klägerin bietet aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Vertreterversammlung und auf Grundlage der Befugnis gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ihren Mitgliedern den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung (AUV) gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII für deren Arbeitnehmer an. Die AUV tritt gemäß der Versicherungsbedingungen immer dann ein, wenn aufgrund des Auslandssachverhalts und des geltenden Territorialitätsprinzips (vgl. § 3 SGB IV) deutsches Sozialrecht nicht eingreift und dem entsprechend die gesetzliche Unfallversicherung – auch im Wege der sog. sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlung (vgl. § 4 SGB IV) – keine Leistungen erbringt.
4Voraussetzung für die Gewährung des Versicherungsschutzes ist, dass eine Auslandstätigkeit im Zusammenhang mit einer Beschäftigung oder ehrenamtlichen Tätigkeit bei einem inländischen Unternehmen ausgeübt wird. Der durch die AUV gewährte Versicherungsschutz entspricht den der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB VII (vgl. §§ 5 ff. Richtlinien AUV). Die Aufbringung der Mittel für die AUV erfolgt im Umlageverfahren, an dem die Unternehmen, die eine AUV abgeschlossen haben, beteiligt sind. Im Unterschied zur gesetzlichen Unfallversicherung handelt es sich bei der AUV um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers; eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers auf Abschluss einer AUV besteht nicht. Die AUV muss für den jeweiligen Abnehmer gesondert abgeschlossen werden.
5Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 (Bl. 33 der vom Beklagten für den Anmeldungszeitraum Dezember 2005 geführten Rechtsbehelfsakte) teilte das Bundesversicherungsamt der Klägerin auf deren Anfrage hin, ob Auslandsversicherungen nach § 140 Abs. 2 SGB VII in den Anwendungsbereich des Versicherungsaufsichtsgesetzes fallen, u.a. mit, dass die Auslandsunfallversicherung – in Abgrenzung zur Haftpflichtversicherung nach § 140 Abs. 1 SGB VII – Teil der öffentlich-rechtlichen Sozialversicherung und somit nicht von der Fachaufsicht betroffen ist.
6Die Klägerin gab für die von ihr vereinnahmten Entgelte für die von ihren Mitgliedern abgeschlossenen Auslandsunfallversicherungen betreffend verschiedene monatliche Anmeldungszeiträume zunächst keine entsprechenden Versicherungsteueranmeldungen ab. Sie wurde seitens des Beklagten wegen verschiedener Erhebungszeiträume als Versicherungsteuerschuldner im Zusammenhang mit der AUV in Anspruch genommen. In der Folge hatten die Beteiligten zunächst für den Anmeldungszeitraum Dezember 2005 unter dem Aktenzeichen 2 K 735/15 bereits ein finanzgerichtliches Streitverfahren geführt, in dem jedoch aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung die streitigen materiell-rechtlichen Fragen zur Versicherungsteuerpflicht der AUV nicht geklärt werden konnten.
7Auf der Grundlage der seitens der Klägerin im November 2017 vereinnahmten Versicherungsentgelte in Höhe von insgesamt 3.530 € für abgeschlossene Auslandsunfallversicherungen (für Personen bezüglich deren Tätigkeiten in den USA, in China, Indien, Südkorea, Thailand, Mexiko, Israel und Südafrika) gab die Klägerin für den Voranmeldungszeitraum November 2017 eine entsprechende Versicherungsteueranmeldung vom 7. Dezember 2017 (Bl. 31 der GA) mit einem Versicherungsteuerbetrag von 563,61 € ab.
8Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Sprungklage, der der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2018 (Bl. 50 der GA) zugestimmt hat, wendet sich die Klägerin gegen die Erhebung von Versicherungsteuer auf die im November 2017 vereinnahmten Beiträge für die AUV, und trägt zur Klagebegründung im Wesentlichen vor: Die von der Klägerin angebotenen Auslandsunfallversicherungen seien bereits nicht steuerbar, da das abgesicherte Risiko nicht im Inland belegen sei. Bei der Bestimmung der Risikobelegenheit sei auf den Ort der Tätigkeit der versicherten Person, d.h. des Arbeitnehmers, und nicht auf die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers, d.h. des Unternehmens/Arbeitgebers, abzustellen. Die AUV sei einer Versicherung auf fremde Rechnung stark angenähert. Durch eine AUV könne nur ein Versicherungsfall abgesichert werden, der durch ein im Ausland verursachtes Ereignis begründet werde und bei dem ein rechtlicher Zusammenhang mit einer Beschäftigung im inländischen Unternehmen bestehe. Anderenfalls, d.h. wenn das versicherte Risiko im Inland liege, würde eine AUV nicht benötigt werden. Bei der AUV liege das Risiko am Tätigkeitsort im Ausland, da das dort für den Arbeitnehmer bestehende Risiko eines Unfalls bzw. einer Erkrankung abgedeckt werde. Im Unterschied zur sog. Ausstrahlung der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 4 SGB IV sei der Bezug zum Inland in diesen Fällen soweit gelockert, dass nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr im Inland, sondern im Ausland liege. Insoweit sei der Begriff der Niederlassung für Zwecke der Versicherungsteuer autonom auszulegen. Hierfür genüge die Tätigkeit eines Arbeitnehmers wie auch eine Tätigkeit für eine im Ausland ansässige (rechtlich selbständige) Konzerngesellschaft (Verweis auf EuGH-Urteil vom 14. Juni 2001, C-191/99). Soweit im Ausland tätige Arbeitnehmer versichert seien, handele es sich um eine Versicherung, die sich auf eine ausländische Niederlassung beziehe.
9Das mit der AUV versicherte Risiko entspreche dem der gesetzlichen Unfallversicherung mit dem Unterschied, dass das den Versicherungsfall begründende Ereignis im Ausland eintreten müsse. Mit der Einführung der AUV habe – wie auch bei der gesetzlichen Unfallversicherung – ursprünglich die Ablösung der Unternehmerhaftung im Vordergrund gestanden. Mittlerweile sei jedoch dieser Aspekt in den Hintergrund getreten und hätten sich sowohl die gesetzliche Unfallversicherung als auch die AUV zu Gunsten eines Ausbaus der Unfallversicherung zu einem elementaren Bestandteil der Sozialversicherung entwickelt. Das durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckte eigene Haftungsrisiko des Versicherungsnehmers/Arbeitgebers im Sinne einer Haftungsfreistellung werde durch das soziale Schutzprinzip, bei dem der Schutz des Unfallopfers/Arbeitnehmers im Mittelpunkt stehe, überlagert. Dies zeige sich insbesondere darin, dass neben Haftungsfragen auch die Absicherung im Zusammenhang mit Wegeunfällen und Berufskrankheiten, obwohl der Arbeitgeber für derartige Risiken isoliert betrachtet nicht hafte, Gegenstände der Unfallversicherung seien. Aufgrund der Ausweitung des Versicherungsschutzes und des Leistungsumfangs der Unfallversicherung habe sich diese immer mehr weg vom Gedanken der Ablösung der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers hin zu einem umfassenden Schadensausgleich entwickelt. Der Unternehmer decke mit der Unfallversicherung aufgrund seiner Beitragspflicht nunmehr Schäden ab, für die er zivilrechtlich gar nicht haftbar gemacht werden könne. Die gesetzliche Unfallversicherung gewähre unabhängig vom Verschulden Versicherungsschutz gegen Gefahren, die im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stünden, und stehe daher einer Gefährdungshaftung nahe. Das durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckte Risiko liege in erster Linie in der Kosten- und Lastenfreistellung des Arbeitnehmers bei Unfällen und Berufskrankheiten, die auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen seien. Dies gelte in gleicher Weise für die AUV, die sich inhaltlich vollumfänglich auf die Regelungen zur gesetzlichen Unfallversicherung beziehe. Soweit danach das soziale Schutzprinzip und damit die Risiken der Arbeitnehmer, die durch die AUV abgedeckt werden sollen, im Vordergrund stünden, komme es für die Frage der Risikobelegenheit – und damit der Steuerbarkeit – allein darauf an, wo sich der Tätigkeitsort des Arbeitnehmers befinde.
10Unabhängig davon sei die AUV im Sinne des § 140 Abs. 2 SGB VII nach Systematik, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des Versicherungsteuergesetzes von der Steuerpflicht befreit. Der Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 3 VersStG müsse für die gesetzliche Unfallversicherung insgesamt, d.h. einschließlich der durch eine AUV abgedeckten Auslandskomponente gelten. Die AUV nach § 140 Abs. 2 SGB VII sei sowohl formell als auch materiell Bestandteil der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierdurch werde lediglich der Versicherungsschutz auf Auslandseinsätze ausgedehnt; im Versicherungsfall würden dieselben Leistungen, wie sie im SGB VII für die übrigen Versicherungsfälle vorgesehen seien, gewährt. Da die gesetzliche Unfallversicherung und die damit zusammenhängende AUV aus Sicht der betroffenen Unternehmen ein einheitliches öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis darstellten und die AUV nur ein Annex der gesetzlichen Unfallversicherung sei, erstrecke sich die Steuerfreiheit der Grundversicherung auch auf die Zusatzversicherung bezüglich des Auslandsrisikos. Auslandsunfallversicherungen könnten nur im Inland tätige Unternehmen, die ohnehin schon Mitglied in der gesetzlichen Unfallversicherung seien, abschließen. Ebenso wie die gesetzliche Unfallversicherung sichere die AUV in gleicher Weise ein identisches Risiko der Arbeitnehmer ab, dass jedoch allein wegen des Territorialitätsprinzips nicht der Zwangsversicherung unterliege. Zwar sei die AUV anders als die gesetzliche Unfallversicherung kein öffentlich-rechtliches Pflichtversicherungsverhältnis, sondern komme erst auf Antrag zu Stande. Allerdings bestehe für einen Unternehmer nach ganz herrschender Meinung eine aus dem Arbeitsverhältnis herrührende Nebenpflicht, den Arbeitnehmer für den Fall der Entsendung ins Ausland durch eine AUV abzusichern.
11Auch organisatorisch bestätige sich der Zusammenhang der AUV mit der gesetzlichen Unfallversicherung dadurch, dass die Berufsgenossenschaften die AUV zwar als Sondervermögen führten, jedoch diese nicht in abgesonderten Abteilungen verwalteten. Stattdessen erfolge die Abwicklung der Versicherungsfälle im Rahmen der allgemeinen Unfallsachbearbeitung, während Haftpflichtversicherungen nach § 140 Abs. 1 SGB VII als (unselbständige) Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert würden.
12Entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich vorliegend auch nicht (lediglich) um ein einheitlich zu beurteilendes Versicherungspaket etwa bestehend aus den Komponenten gesetzliche Unfallversicherung einerseits und AUV andererseits. Bei einem Versicherungspaket würden dem Versicherungsnehmer mehrere verschiedene Leistungskomponenten zur Auswahl gestellt, die jeweils für sich spezifische Risiken absicherten und vollständig disponibel seien. Im Unterschied hierzu handele es sich vorliegend gerade um ein einheitliches Versicherungsverhältnis, da die einzelnen Versicherungsverträge keinen selbständigen Charakter aufwiesen. Durch die AUV käme keine weitere Leistungskomponente hinzu, sondern beschränke sich der Umfang der Leistungspflichten auf die im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 27 SGB VII zu erbringenden Leistungen.
13Der Steuerfreiheit stehe der Wortlaut der Rückausnahme in § 4 Nr. 3, 2. Halbsatz VersStG, wonach Unfallversicherungen, die auf § 140 SGB VII beruhen, von der Steuerbefreiung ausgenommen seien, nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe mit § 4 Nr. 3 VersStG vielmehr auch Auslandsunfallversicherungen von der Versicherungsteuerpflicht ausnehmen wollen. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass § 4 Nr. 3 VersStG in der bis zum 19. Dezember 2003 geltenden Fassung noch nicht auf das SGB VII, sondern auf die Vorgängerregelungen in der Reichsversicherungsordnung (§§ 843, 1029, 1198 RVO) verwiesen habe. Allerdings seien bereits 1963 mit der Neuregelung der RVO durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (vom 30. April 1963, BGBl. I 1963, 241 – UVNG) die Vorschriften der §§ 1029, 1198 RVO weggefallen und die frühere Regelung in § 843 RVO a.F. im Wesentlichen inhaltsgleich in § 762 RVO n.F. übernommen worden. Die damit obsolet gewordene Verweisung von § 4 Nr. 3 VersStG a.F. auf § 843 RVO habe der Gesetzgeber trotz zweier Neufassungen des Versicherungsteuergesetzes in den Jahren 1968 und 1996 zunächst nicht, sondern erst mit dem Steueränderungsgesetz 2003 dergestalt korrigiert, dass seither auf die § 762 RVO n.F. nachfolgende Regelung in § 140 SGB VII Bezug genommen werde. Bis dahin jedoch sei der Verweis in § 4 Nr. 3 VersStG in der bis zum 19. Dezember 2003 geltenden Fassung auf die RVO quasi ins Leere gegangen, jedenfalls sei die Norm unklar und unbestimmt gewesen. Die Norm könne allenfalls insoweit hinreichend bestimmt sein, als sie sich auf die in § 843 Nr. 1 RVO a.F. bzw. § 762 Abs. 1 RVO n.F. genannte Haftpflichtversicherung bezieht, nicht jedoch im Hinblick auf die AUV nach § 762 Abs. 2 RVO n.F. Denn § 762 RVO n.F. sei nicht in Gänze als Nachfolgeregelung von § 843 RVO a.F. angelegt gewesen. Lediglich § 762 Abs. 1 RVO n.F. entspreche der früheren Regelung in § 843 Nr. 1 RVO a.F. Die Regelung zur AUV sei hingegen erstmals mit § 762 Abs. 2 RVO n.F. aufgenommen worden, habe keine Vorgängerbestimmung in § 843 RVO a.F. gehabt und könne daher auch nicht vom Verweis in § 4 Nr. 3 VersStG a.F. erfasst gewesen sein.
14Nach der Umgestaltung der RVO durch das UVNG sei für den Normanwender jedenfalls nicht mehr erkennbar gewesen, welche Tatbestände im Zusammenhang mit dem früheren § 843 RVO steuerpflichtig und welche steuerbefreit gewesen seien, da zumindest ein Teil der Tatbestände von § 843 RVO a.F. später von Steuerbefreiungsvorschriften erfasst worden sei, so die ursprünglich in § 843 Nr. 2 RVO a.F. genannten Rentenzuschuss- und Ruhegeldkassen für verschiedene Personenkreise, die nunmehr gemäß § 4 Nr. 2, Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 VersStG steuerbefreit seien. Vor diesem Hintergrund sei ein gesetzgeberischer Wille, die Versicherungsteuerpflicht nach 1964 auch auf Auslandsunfallversicherungen zu erstrecken, nicht erkennbar.
15Auch nach der Änderung und der seither geltenden Neufassung des § 4 Nr. 3 VersStG durch das Steueränderungsgesetz 2003 (StÄndG 2003) sei die AUV nicht vom Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 3 VersStG ausgeschlossen. Bei dem nunmehr im Gesetz enthaltenen Verweis auf § 140 SGB VII handele es sich lediglich um eine redaktionelle Änderung. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1562, S. 57) sei keine Änderung der bisher, d.h. bis 2003 geltenden Rechtslage beabsichtigt gewesen. Da § 4 Nr. 3 VersStG a.F. noch § 843 RVO a.F. und nicht auch § 762 RVO n.F. in Bezug genommen habe, könnten mit der redaktionellen Berichtigung von § 4 Nr. 3 VersStG durch das StÄndG 2003 lediglich Versicherungen im Sinne von § 140 Abs. 1 SGB VII (Haftpflichtversicherungen), wie sie auch § 843 Nr. 1 RVO a.F. geregelt habe, erfasst sein. Zwar werde in der Gesetzesbegründung auch § 762 RVO genannt und würden explizit auch freiwillige Unfallversicherungen nach § 140 Abs. 2 und 3 SGB VII erwähnt. Jedoch liege dem eine Fehlvorstellung zu Grunde, da § 4 Nr. 3 VersStG in der vorhergehenden Fassung – wie ausgeführt – gerade nicht die AUV erfasst habe. Zudem werde in der Gesetzesbegründung nur auf die Haftpflichtversicherung inhaltlich näher eingegangen, nicht jedoch auf die AUV. Schließlich würden freiwillige Unfallversicherungen nach § 140 Abs. 3 SGB VII erwähnt, obwohl in dieser Vorschrift keine Versicherungen geregelt, sondern lediglich Wirksamkeitsvoraussetzungen für Versicherungen im Sinne von § 140 Abs. 1 und 2 SGB VII genannt würden. Aufgrund des insoweit erkennbaren inneren Widerspruchs in der Gesetzesbegründung könne ein Regelungswille des Gesetzgebers dahingehend, Auslandsunfallversicherungen im Sinne von § 140 Abs. 2 SGB VII vom Steuerbefreiungstatbestand (wieder) auszunehmen, nicht angenommen werden. Der Verweis in § 4 Nr. 3 VersStG auf § 140 SGB VII könne sich daher nur auf dessen Abs. 1, nicht aber auf Abs. 2 beziehen.
16Dies werde durch eine gesetzessystematische Auslegung bestätigt. Die Gesamtschau aller Steuerbefreiungstatbestände zeige, dass sämtliche Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung steuerfreit sein sollten. Das Versicherungsteuergesetz unterwerfe primär die Sach- und Schadensversicherungen der Besteuerung und nehme demgegenüber die meisten Personenversicherungen (Versicherungen bezüglich Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Falle des Erlebens bzw. des Todesfalles) mit Ausnahme der privaten Unfallversicherung (§ 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG) von der Besteuerung aus. Nach § 4 Nr. 3 bis 5 VersStG würden im Wesentlichen alle Sozialversicherungen von der Steuerpflicht ausgenommen. Hierzu zähle auch die AUV.
17Bei der Einordnung der Haftpflichtversicherungen (§ 140 Abs. 1 SGB VII) einerseits und der AUV (§ 140 Abs. 2 SGB VII) andererseits müsse wie folgt unterschieden werden. Bei der Haftpflichtversicherung handele es sich um eine Schadens- bzw. Sachversicherung, die nicht der Sozialversicherung im eigentlichen Sinne zugerechnet werden könne und daher konsequenterweise der Versicherungsteuer unterliege. Demgegenüber stehe die AUV der privaten Unfallversicherung, die gemäß § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG ausdrücklich von der Versicherungsteuerfreiheit ausgenommen werde, nicht gleich. Bei der privaten Unfallversicherung handele es sich vorwiegend um eine sog. Summenversicherung, die regelmäßig eine feste, vereinbarte Versicherungssumme bei Unfalltod bzw. eine feste, nach Gliedertaxe zu bemessende einmalige Kapitalleistung gewähre. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung seien jedoch strukturell anders geartet und umfassten – von Versicherungssummen unabhängig – Heilbehandlungs- und Rehabilitations- sowie Entschädigungsleistungen unterschiedlichster Art, dienten somit der Daseinsvorsorge. Die gesetzliche Unfallversicherung decke alle gesundheitlichen Schadens- sowie die Erwerbsausfallrisiken im Falle des Arbeitsunfalls bzw. der Berufskrankheit ab. Demgegenüber gewähre die private Unfallversicherung lediglich eine zu Vertragsbeginn frei vereinbarte Versicherungssumme, ohne Rücksicht auf die konkrete Bedürfnissituation des Betroffenen.
18Den Steuerbefreiungstatbeständen des Versicherungsteuergesetzes lasse sich zudem der übergeordnete Zweck, hoheitliche Pflichtaufgaben von der Besteuerung auszunehmen, entnehmen. Noch in § 762 Abs. 2 RVO sei geregelt gewesen, dass die Unfallversicherungsträger eine AUV einrichten „sollen“. Daraus ergebe sich, wenn auch der Wortlaut in § 140 Abs. 2 SGB VII hin zu einem „können“ abgeschwächt worden sei, die Pflicht der Unfallversicherungsträger, eine AUV für die Auslandsbereiche einzuführen, die nicht bereits von der gesetzlichen Ausstrahlung (vgl. § 4 SGB IV) erfasst seien. Insoweit wäre es systemwidrig, eine Pflichtaufgabe der Sachversicherung, wie sie die AUV darstelle, im Gegensatz zu allen anderen Aufgaben der Sozialversicherung der Versicherungsteuer zu unterwerfen. Vor diesem Hintergrund habe auch der Gesetzgeber mit dem untechnischen Begriff der „Unfallversicherung“ alle im Rahmen der sozialen Unfallversicherung begründeten Sozialversicherungsverhältnisse von der Besteuerung ausnehmen wollen, mithin auch die AUV.
19Darüber hinaus unterfalle die AUV jedenfalls der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 5 VersStG, wonach Versicherungsentgelte für Versicherungen, durch die Ansprüche unter anderem auf Leistungen im Fall der Krankheit, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit begründet werden, von der Besteuerung ausgenommen seien. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17. Dezember 2014 II R 18/12) richte sich das Eingreifen einer Steuerbefreiungsnorm allein nach dem maßgeblichen Wagnis. Da die AUV alle gesundheitlichen Schadens- und Erwerbsausfallrisiken im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit abdecke, seien insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 Nr. 5 Satz 1 VersStG erfüllt. Zwar nehme § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG explizit die Unfallversicherung von der Befreiung aus, doch gelte dies lediglich für die private Unfallversicherung (als Geldsummenversicherung) und nicht für die AUV.
20Soweit die AUV doch nach dem VersStG steuerbar und steuerpflichtig sein sollte, stelle sich schließlich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die gesetzliche Unfallversicherung einerseits und die AUV andererseits versicherungsteuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden. Weder der Auslandsbezug noch der Umstand, dass eine AUV nicht gesetzlich verpflichtend abgeschlossen werden müsse, rechtfertige eine Ungleichbehandlung.
21Neben der hier streitgegenständlichen Versicherungsteuerfestsetzung für November 2017 ist die Klägerin bezüglich diverser anderer Erhebungszeiträume auf Versicherungsteuer im Zusammenhang mit der Auslandsunfallversicherung in Anspruch genommen worden; die Einspruchsverfahren bzgl. entsprechender Versicherungsteuerfestsetzungen ruhen derzeit im Hinblick auf das vorliegende Streitverfahren. In gleicher Weise wie die Klägerin sind auch weitere Anbieter vergleichbarer Auslandsunfallversicherungen seitens des Beklagten in Anspruch genommen worden. Auch insoweit messen die Beteiligten dem vorliegenden Klageverfahren den Charakter eines Musterverfahrens bei.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird ergänzend auf die Schriftsätze der Klägerbevollmächtigten vom 20. Dezember 2017 (Bl. 1 ff. der GA) und vom 28. März 2018 (Bl. 70 der GA) Bezug genommen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Versicherungsteueranmeldung für November 2017 vom 7. Dezember 2017 aufzuheben.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Die streitgegenständlichen Versicherungsentgelte seien steuerbar und steuerpflichtig nach dem Versicherungsteuergesetz.
28Entgegen der Ansicht der Klägerin sei das versicherte Risiko im Inland belegen. Da für die Frage der Risikobelegenheit vorliegend keine besonderen, in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VersStG genannten Anknüpfungspunkte vorlägen, richte sich die Steuerbarkeit im Falle von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG wie auch im vorliegenden Falle nach der Ansässigkeit des Versicherungsnehmers. Hier sei die Klägerin unstreitig inländischer Versicherer, der von den ebenfalls unstreitig inländischen Versicherungsnehmern für das Produkt „Auslandsunfallversicherung nach § 140 SGB VII“ Versicherungsentgelt vereinnahme. Allein das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (und nicht das Verhältnis zwischen Versicherer und versicherter Person) sei für die Frage der Versicherungsteuerpflicht maßgeblich. Nicht entscheidend sei, wo sich das den Versicherungsfall auslösende Ereignis realisiere.
29Die von der Klägerin angeführten sozialversicherungsrechtlichen Aspekte, aus denen eine Risikobelegenheit am Tätigkeitsort der versicherten Personen im Ausland folgen solle, würden nicht verfangen. Insbesondere sei auch das Haftungsprinzip nicht durch das Sozialprinzip verdrängt worden. Tatsächlich verdränge im Falle der gesetzlichen Unfallversicherung das Sozialrecht den zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch im Falle eines Arbeitsunfalls (vgl. §§ 104 ff. SGB VII). Stattdessen bestehe ein Verletzungsgeldanspruch; ein Regress beim Verursacher sei nur eingeschränkt vorgesehen (vgl. §§ 110, 116 SGB VII). Allerdings verfolge das Sozialrecht, anders als der zivilrechtliche Schadensausgleich, lediglich die Deckung eines Mindeststandards, nicht die Totalreparation. Da sich der Unternehmer/Arbeitgeber durch die Beitragszahlung die Freistellung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer erkaufe, sei daher aus Unternehmersicht zugleich Versicherungsschutz im Sinne einer Haftpflichtversicherung gegeben. Die im SGB VII normierten Sozialansprüche stellten gewachsene zivilrechtliche, hier arbeitsrechtliche Ansprüche, die nach den Wertung der Gesellschaft als derart evident eingeordnet würden, dass sie dem besonderen Rechtszweig des Sozialrechts unterstellt worden seien und besondere Ausprägungen, so unter anderem das Pflichtversicherungssystem, aufwiesen. Nichtsdestotrotz bilde das Haftungsprinzip rechtshistorisch das Rückgrat der im Sozialrecht normierten Unfallversicherung.
30Die AUV sei auch im Übrigen nicht mit der gesetzlichen Unfallversicherung gleichzusetzen. Anders als die Klägerin meint, stehe das Produkt der AUV als eigenständiges Produkt zwischen der gesetzlichen Unfallversicherung und der privaten Unfallversicherung. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung und der AUV seien die versicherten Risiken nicht deckungsgleich, mögen sie auch ähnlich sein. Während der Unternehmer als Versicherungsnehmer bei der gesetzlichen Unfallversicherung einer gesetzlichen Pflichtversicherung für seine Arbeitnehmer unterliege, könne er im Hinblick auf ins Ausland entsandte Arbeitnehmer wählen, ob er sich in diesen Fällen einer AUV bediene. Eine gesetzliche Pflicht hierfür bestehe ebenso wenig wie eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, eine AUV abzuschließen. Die AUV sei gerade kein sozialrechtliches Pflichtversicherungsverhältnis. Sie diene in erster Linie dem Unternehmer/Versicherungsnehmer, um besonders gelagerte Risiken, die ihn als Arbeitgeber treffen könnten, abzusichern, und sich gegen Schadensersatzansprüche der eigenen Arbeitnehmer abzusichern sowie die Arbeitskrafterhaltung durch ihre Wiedereingliederung in den Betrieb zu ermöglichen. Im Vergleich zur gesetzlichen Unfallversicherung sei sie daher mindestens im gleichen Maß vom Haftungsprinzip geprägt. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der AUV um eine freiwillige Versicherung handele, die auf Antrag zustande komme.
31Ebenfalls nicht maßgeblich sei, dass sich der Leistungsumfang der AUV weitestgehend an dem der gesetzlichen Unfallversicherung orientiere. Dies folge nicht aus einer gesetzlichen Vorgabe, sondern aus der insoweit etablierten Versicherungspraxis, die sich auf einen normativen Mindestrahmen im Leistungsbereich beschränke. Auch darüber hinaus seien die Zweige der gesetzlichen Pflichtversicherung einerseits und der freiwilligen Versicherungen andererseits getrennt voneinander zu betrachten. Bei der AUV handele es sich um eine freiwillige Versicherung, für die unabhängig von der gesetzlichen Unfallversicherung eine eigene Risikobeurteilung und Erhebung der Beiträge erfolge.
32Die Steuerbarkeit scheitere auch nicht daran, dass nicht eigene Risiken der Versicherungsnehmer (Unternehmer), sondern Risiken der Arbeitnehmer abgesichert seien. Das Versicherungsprodukt AUV diene gerade der Absicherung der Versicherungsnehmer gegen Ansprüche ihrer Arbeitnehmer sowie der Absicherung einer schnellen Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in den Betriebsablauf und eines damit verbundenen Arbeitsausfalls. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer nicht am Sitz des Versicherers im Inland, sondern im Ausland eingesetzt werde, ändere nichts an dem Bezug zu dem Unternehmen des inländischen Versicherungsnehmers.
33Die Rechtsnatur des Versicherungsverhältnisses bei der AUV sei für die Frage der Steuerbarkeit unerheblich, da § 1 Abs. 1 VersStG für die Erhebung der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer allein und unabhängig von der Rechtsnatur des Versicherungsverhältnisses oder des Rechtsgebiets, dem dieses zuzuordnen ist, an den Zahlungsakt anknüpfe.
34Eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 3 VersStG komme nicht in Betracht. Nach dem klaren Wortlaut der Rückausnahme in § 4 Nr. 3, 2. Halbsatz VersStG gelte der Steuerbefreiungstatbestand nicht für Unfallversicherungen, die auf § 140 SGB VII beruhten. Eine einschränkende Auslegung der Rückausnahme sei weder möglich noch erforderlich. Für ein von der Klägerin behauptetes Redaktionsversehen des Gesetzgebers finde sich kein Anhaltspunkt, da der Gesetzgeber in der Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er an der bestehenden Rechtslage festhalten wolle und sich bewusst für eine Steuerpflicht der in § 140 SGB VII normierten Versicherungen einschließlich der AUV entschieden habe.
35Gesetzliche Unfallversicherung und AUV könnten nicht als ein einheitliches Versicherungsverhältnis angesehen werden. Vielmehr handele sich bei beiden Versicherungsprodukten um klar trennbare Rechtskonstrukte. Dies zeige sich schon dadurch, dass für die AUV die Wahlmöglichkeit, ob Versicherungsschutz in Anspruch genommen werde etc., bestehe. Zudem normiere das Sozialrecht keine Abhängigkeit der AUV von der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies sei lediglich Folge der historischen Entwicklung, da aus dem Sozialrecht die Absicherung des Arbeitnehmers durch „Freizeichnung des Arbeitgebers“ folge. Auch die organisatorische Einrichtung der branchentypischen AUV stehe der Annahme eines selbständigen Versicherungsprodukts „AUV“ nicht entgegen, sondern erscheine vielmehr sachgerecht, um eine nach Branchen aufgeteilte Risikoverteilung unter gesetzlich vorgesehenen Versicherern zu gewährleisten. Auch aus der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1952 II 207/51 U) folge, dass jedes Versicherungsverhältnis und jeder Versicherungsvertrag unabhängig von einem anderen Versicherungsverhältnis bzw. Versicherungsvertrag beurteilt werden müsse. Dies gelte für den vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Klägerin für die von ihr angebotene AUV eigenständige Versicherungsbedingungen geschaffen habe und die Versicherungsbeiträge in einem eigenständigen Erhebungsverfahren vereinnahmt würden.
36Schließlich greife auch die Regelung in § 4 Nr. 5 VersStG nach dem klaren Wortlaut nicht ein. Als Steuerbefreiungsvorschrift müsse die Norm eng ausgelegt werden. Bei der Auslegung könne auch keine Verknüpfung der Steuerbefreiung mit einem durch die Versicherung verfolgten Versorgungszweck hergestellt werden. Folglich sei auch nicht danach zu differenzieren, wessen Risiko durch die Versicherung abgedeckt werden solle (vgl. BFH, Urteil vom 17. Dezember 2014 II R 18/12). Zudem habe der von der Klägerin angeführte Zweck einer existenziellen Vorsorge bei der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 VersStG außer Betracht zu bleiben. Für eine hiervon abweichende Auslegung des Gesetzes fehle es an einer Regelungslücke.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 21. Februar 2018 (Bl. 51 ff. der GA) Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe
39Die zulässige Klage ist unbegründet.
40I. Die aufgrund der Versicherungsteueranmeldung vom 7. Dezember 2017 bestehende Steuerfestsetzung für November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
41Die Festsetzung der Versicherungsteuer entspricht den Regelungen des Versicherungsteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (VersStG) und ist nicht zu beanstanden. Die vorliegend streitgegenständlichen, von der Klägerin vereinnahmten Beiträge auf die Auslandsunfallversicherungen stellen ein steuerbares und steuerpflichtiges Versicherungsentgelt im Sinne von § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VersStG dar.
421. Die Steuerbarkeit des von der Klägerin vereinnahmten Versicherungsentgelts ist gegeben, insbesondere betrifft das maßgebliche Versicherungsverhältnis ein im Inland belegenes Risiko.
43a) Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Abhängig von einzelnen Risiken, die Gegenstand des zu beurteilenden Versicherungsverhältnisses sind, trifft das Gesetz in § 1 Abs. 2 VersStG für Versicherungsverhältnisse mit einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) niedergelassen ist, genauere Regelungen zur Versicherungsteuerpflicht. Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VersStG betreffen hierbei die Versicherung von Risiken in Bezug auf unbewegliche Sachen (Nr. 1), Fahrzeuge aller Art (Nr. 2) sowie Reise- oder Ferienrisiken (Nr. 3), die im vorliegenden Fall jedoch – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht einschlägig sind. Infolgedessen ist, da es sich um andere als die in § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG genannten Risiken oder Gegenstände handelt, für die Beurteilung der Steuerpflicht vorliegend § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG maßgeblich. Danach besteht die Steuerpflicht, wenn der Versicherungsnehmer entweder eine natürliche Person ist und er bei Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (Nr. 1) oder keine natürliche Person ist und sich bei Zahlung des Versicherungsentgelts der Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet (Nr. 2).
44Gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, wobei hierunter insbesondere Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen und Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten fallen. Nicht zum Versicherungsentgelt gehört, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird, insbesondere Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde und Mahnkosten (§ 3 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VersStG).
45b) Weder das Versicherungsteuergesetz noch das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz enthalten eine Bestimmung des Begriffs „Versicherungsverhältnis“. Vielmehr muss sein Inhalt aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und, da dieser entscheidend vom Versicherungsrecht geprägt wird, aus dem allgemeinen Versicherungsrecht entnommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977 II R 36/76, BStBl II 1977, 688). Unter dem Versicherungsverhältnis sind hiernach das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010 II R 12/08, BStBl II 2012, 383). Dabei ist der Begriff der Versicherung weit gefasst und nach dem besonderen Zweck des Versicherungsteuerrechts zu deuten. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das Versicherungsteuergesetz nichts anderes erkennen lässt; die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne Weiteres für das Versicherungsteuerrecht. Vor allem muss es sich nicht um eine der Versicherungsaufsicht unterliegende Versicherungsunternehmung handeln (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09, EFG 2009, 1074).
46Wesentliches Merkmal eines „Versicherungsverhältnisses“ im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen, beim Versicherungsnehmer angesiedelten Wagnisses, um damit eine Gefahrengemeinschaft zu bilden mit dem Ziel, Gefahren, d. h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen (vgl. BFH-Urteile 11. Dezember 2013 II R 53/11, BStBl II 2014, 352; vom 19. Juni 2013 II R 26/11, BStBl II 2013, 1060; vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BStBl II 2010, 1097; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09, EFG 2009, 1074).
47c) Nach diesen Maßstäben sind im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG und damit die Steuerbarkeit der streitgegenständlichen Entgelte gegeben. Die von der Klägerin im November 2017 für die von ihr angebotenen AUV vereinnahmten Entgelte stellen ein steuerbares Versicherungsentgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG dar.
48(1) Das maßgebliche Versicherungsverhältnis (bzgl. der AUV) betrifft als Vertragsparteien die Klägerin als Versicherer und die Mitglieder der Klägerin als Versicherungsnehmer. Es handelt sich sowohl bei dem Versicherer, der Klägerin, als auch bei deren Versicherungsnehmern, d.h. den Unternehmen/Arbeitgebern, die Mitglieder bei der Klägerin sind, um im Inland ansässige Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG. Das Gesetz stellt für die Steuerpflicht allein auf die Ansässigkeit des Versicherers sowie auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers ab.
49Gegenstand dieses Versicherungsverhältnisses ist die Absicherung der Mitglieder der Klägerin (als Versicherungsnehmer) gegen Risiken im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen u.Ä., von denen Arbeitnehmer der Mitglieder der Klägerin betroffen sein können. Die streitgegenständliche AUV betrifft die Fälle, in denen aufgrund des Territorialprinzips § 3 SGB IV und nach den Regelungen der sog. Ausstrahlung nach § 4 SGB IV für die Arbeitnehmer der Versicherungsnehmer kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht. Gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind. Gemäß § 4 Abs. 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist (sog. Ausstrahlung). Hiernach greift die gesetzliche Unfallversicherung grundsätzlich nur für diejenigen Arbeitnehmer, die im Geltungsbereich des Gesetzes, d.h. im Inland, beschäftigt sind. Nur ausnahmsweise erstreckt sich gemäß § 4 Abs. 1 SGB IV der Unfallversicherungsschutz auch auf ins Ausland entsandte Arbeitnehmer, wenn deren Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Infolge dessen besteht Versicherungsschutz für die Arbeitnehmer, die nicht, auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 SGB VII, der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen, nur aufgrund der separat abgeschlossenen streitgegenständlichen AUV.
50Vorliegend wurden die Auslandsunfallversicherungen gerade für die Fälle einer Auslandstätigkeit von Arbeitnehmern abgeschlossen, in denen – auch nicht ausnahmsweise über die Ausstrahlung nach § 4 Abs. 1 SGB – Versicherungsschutz in der Unfallversicherung besteht, weil die Entsendung der Arbeitnehmer im Voraus nicht zeitlich begrenzt ist.
51Das Versicherungsverhältnis bezieht sich insbesondere auch auf das Unternehmen der Versicherungsnehmer, denn es geht darum, die mit einem Arbeitsunfall bzw. einer Berufskrankheit verbundenen Risiken, die sich in der Person der im Ausland tätigen Arbeitnehmer der Versicherungsnehmer verwirklichen können, abzusichern. Soweit der Versicherungsfall eintritt, werden durch die AUV die damit verbundenen Beeinträchtigungen im Unternehmen des Versicherungsnehmers bzw. in der Person des Arbeitnehmers ausgeglichen, worauf der Beklagte zutreffend abstellt. Zwar hängt die Risikoverwirklichung im Falle eines Arbeitsunfalls typischerweise von den konkreten Geschehnissen im Ausland ab und hat die AUV auch den maßgeblichen Effekt, die Absicherung des Arbeitnehmers als versicherte Person sicherzustellen, da aufgrund der Auslandstätigkeit gerade keine Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen. Soweit jedoch keine Risikoabsicherung durch eine freiwillig vom Arbeitgeber abgeschlossene AUV erfolgt, würde sich der Versicherungsnehmer/Arbeitgeber ggf. Ansprüchen gegenübersehen, die der im Ausland tätige Arbeitnehmer auf arbeitsvertraglicher Basis geltend machen könnte. Wenngleich die Ausgestaltung der AUV, die sich an der gesetzlichen Unfallversicherung anlehnt, faktisch einen vergleichbaren Versicherungsschutz wie die gesetzliche Unfallversicherung bietet und aufgrund der Versicherungspraxis einen gewissen eigenständigen Charakter entwickelt hat, ändert dies nichts daran, dass das Versicherungsverhältnis maßgeblich auch zur Absicherung der den Versicherungsnehmer/Arbeitgeber treffenden (potentiellen) Haftungsrisiken abgeschlossen wird.
52Hieran ändert die Berücksichtigung des für die gesetzliche Unfallversicherung maßgeblichen sozialen Schutzprinzips nichts. Dieser Aspekt steht bei den hier zu beurteilenden Versicherungsverhältnissen nicht derart im Vordergrund, als dass der Aspekt der Absicherung von Haftungsrisiken des Versicherungsnehmers/Arbeitgebers dadurch verdrängt wird. Die mit der AUV abgedeckten Risiken entstammen gerade nicht ausschließlich der – im Ausland gelegenen – Sphäre der versicherten Person/des Arbeitnehmers.
53Im Übrigen sind vom Versicherungsrisiko auch Fälle mit Inlandsbezug erfasst, bspw. dann, wenn ein grundsätzlich im Ausland tätiger, vom Versicherungsschutz der AUV erfasster Arbeitnehmer während einer Dienstreise im Inland einen Unfall erleidet.
54(3) Das für die Besteuerung maßgebliche Versicherungsentgelt wird auch in diesem Verhältnis gezahlt. Durch die Zahlung werden die Mitglieder der Klägerin von ihrer Pflicht, das Entgelt für die AUV zu entrichten, befreit. Lediglich die Schutzwirkung der AUV erfasst – wie ausgeführt – die Arbeitnehmer der Unternehmen als versicherte Personen. Dies ändert aber nichts daran, dass das Versicherungsentgelt allein im Verhältnis der Klägerin zu ihren Mitgliedern gezahlt wird.
55(4) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Ansässigkeit der versicherten Personen, d.h. vorliegend der Arbeitnehmer, nicht maßgeblich. Nach dem Charakter der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung des Versicherungsentgelts der Versicherungsteuer. Maßgeblich ist allein das Verhältnis zwischen dem Versicherer, vorliegend der Klägerin, und dem das Versicherungsentgelt schuldenden Versicherungsnehmer, vorliegend der Unternehmen/Arbeitgeber.
56Das Merkmal der „Zahlung eines Versicherungsentgelts“ im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG erfasst den rechtlich erheblichen „Geldumsatz” im Versicherungswesen und damit nicht jegliche Zahlung von Geld an den Versicherer, sondern (nur) jede Leistung, die eine im Versicherungsverhältnis begründete Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer erlöschen lässt (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 1977 II R 47/76, BStBl II 1977, 748; vom 5. Februar 1992 II R 93/88, BFH/NV 1993, 68; vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BStBl II 2010, 1097). Gegenstand der Besteuerung ist nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten. Die Versicherungsteuer ist eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des Geldumsatzes (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BStBl II 2010, 1097; vom 5. Februar 1992 II R 93/88, BFH/NV 1993, 68).
57d) Dem entsprechen auch die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Gemäß Art. 25 Abs. 1, 1. Halbsatz der Zweiten Schadensrichtlinie (Richtlinie 88/359/EWG vom 22. Juni 1988, ABl. EG Nr. L 172, 1) unterliegen unbeschadet einer späteren Harmonisierung im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs abgeschlossene Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die in dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko im Sinne von Art. 2 Buchst. d) belegen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden. Gemäß Art. 2 Buchst. d), vierter Gedankenstrich der Zweiten Schadensrichtlinie gilt als Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, in allen Fällen, die nicht ausdrücklich unter den vorhergehenden drei Gedankenstrichen bezeichnet sind, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. in dem sich die Niederlassung der juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht. Gemäß Art. 2 Buchst. c) der Zweiten Schadensrichtlinie gilt als Niederlassung der Sitz, eine Agentur oder eine Zweigniederlassung des Unternehmens unter Berücksichtigung des Art. 3. Gemäß Art. 3 der Zweiten Schadensrichtlinie ist jede ständige Präsenz eines Unternehmens einer Agentur oder Zweigniederlassung gleichzustellen, und zwar auch dann, wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, dass von dem eigenen Personal des Unternehmens oder einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln.
58Entsprechende Vorgaben finden sich auch in den der Zweiten Schadensrichtlinie nachfolgenden Regelungen, und zwar in Art. 46 der Dritten Richtlinie Schadensversicherung (Richtlinie 92/49/EWG vom 18. Juni 1992, ABl. EG Nr. L 228, 1) sowie in Art. 157 der Richtlinie 2009/138/EG (Richtlinie vom 25. November 2009; Solvabilität II). Zur Besteuerung von Prämien bestimmt nunmehr Art. 157 der Richtlinie 2009/138/EG, dass unbeschadet einer späteren Harmonisierung alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben unterliegen, die in dem Mitgliedstaat des Risikos bzw. dem Mitgliedstaat der Verpflichtung auf Versicherungsprämien erhoben werden. Die in Art. 13 Nr. 13 Buchst. d) der Richtlinie 2009/138/EG enthaltene Begriffsbestimmung des Mitgliedstaates, in dem das Risiko belegen ist, entspricht der Regelung, wie sie bereits in Art. 2 Buchst. d) der Zweiten Schadensrichtlinie enthalten war.
59Hiernach stellen auch die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gerade nicht auf die Ansässigkeit bzw. den Aufenthalt der versicherten Person, sondern auf die Risikobelegenheit bzw. die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers ab.
60e) Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt auch nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 14. Juni 2001 (C-191/99 – Kvaerner), dass für die Risikobelegenheit und damit die Frage der Steuerbarkeit auf die Verhältnisse der versicherten Person abzustellen ist. Der EuGH hat in der Entscheidung zwar, worauf die Klägerin abstellt, den Begriff der „Niederlassung“ im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. d) der Richtlinie 2009/138/EG weit ausgelegt und hierunter auch selbständige Konzerngesellschaften des Versicherungsnehmers gefasst, soweit diese einen Versicherungsvertrag für eine andere konzernangehörige Gesellschaft als versicherte Person abschließen. Aus dem Wortlaut der EU-Richtlinie ergibt sich dies nicht explizit. Der EuGH wollte mit seiner Auslegung jedoch der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen entgegentreten, die dadurch möglich sein könnten, dass die Belegenheit des Risikos innerhalb der EU bzw. des EWR dadurch gestaltet werden könnte, dass ein in einem anderen Staat (mit niedriger Versicherungsteuer) ansässige Person den Versicherungsvertrag für ein fremdes Risiko in eigenem Namen abschließt (vgl. Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz, § 1 Rdnr. 318). Hätte es der EuGH als mit der EU-Richtlinie vereinbar angesehen, zur Bestimmung der Risikobelegenheit bereits auf die Ansässigkeit der versicherten Person abzustellen, hätte sich eine derartige extensive Auslegung des Begriffs der Niederlassung und eine grundsätzlich unveränderte Orientierung an der Ansässigkeit des Versicherungsnehmers erübrigt (vgl. Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz, § 1 Rdnr. 320). Insoweit hat der EuGH – entgegen der Ansicht der Klägerin – mit der besagten Entscheidung gerade die Anknüpfung an den Ansässigkeitsstaat des Versicherungsnehmers bei der Beurteilung der Belegenheit des Risikos bestätigt (so auch Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz, § 1 Rdnr. 322).
612. Die Zahlung des Versicherungsentgelts für die Auslandsunfallversicherungen ist nicht von der Versicherungsteuerpflicht befreit, da die Voraussetzungen der überhaupt nur in Betracht kommenden Steuerbefreiungstatbestände gemäß § 4 Nr. 3 und Nr. 5 VersStG nicht vorliegen.
62a) Gemäß § 4 Nr. 3 VersStG ist die Zahlung des Versicherungsentgelts von der Besteuerung ausgenommen „für eine Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht auf § 140 beruht“.
63In § 140 SGB VII in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung ist unter der Gesetzesüberschrift „Haftpflicht- und Auslandsversicherung“ geregelt:
64(1) Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft kann für diejenigen Unternehmer und die ihnen in der Haftpflicht Gleichstehenden, deren Betriebssitz sich im örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich einer am 31. Dezember 2012 bestehenden landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft befindet, die bis zu diesem Zeitpunkt eine Versicherung gegen Haftpflicht nach den an diesem Tag geltenden Vorschriften betrieben hat, diese Versicherung weiter betreiben.
65(2) Die Unfallversicherungsträger können durch Beschluß der Vertreterversammlung eine Versicherung gegen Unfälle einrichten, die Personen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im Ausland erleiden, wenn diese Personen nicht bereits Versicherte im Sinne dieses Buches sind.
66(3) Die Teilnahme an der Versicherung erfolgt auf Antrag der Unternehmer. Die Mittel der Versicherung werden von den Unternehmern aufgebracht, die der Versicherung angeschlossen sind. Die Beschlüsse der Vertreterversammlung, die sich auf die Einrichtungen beziehen, bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
67Gemäß § 4 Nr. 5 VersStG ist von der Besteuerung befreit eine Versicherung, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Falle des Erlebens, Krankheit, der Pflegebedürftigkeit, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit, des Alters oder des Todes begründet werden. Gemäß § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG gilt dies nicht für die Unfallversicherung, die Haftpflichtversicherungen und sonstige Sachversicherungen. Gemäß § 4 Nr. 5 Satz 3 VersStG bleibt „Nummer 3“ unberührt.
68b) Die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiungstatbestände sind angesichts des klaren Wortlauts der Regelungen nicht gegeben. Aufgrund der aus der Gesetzesbegründung ersichtlich werdenden gesetzgeberischen Intention scheidet eine den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung aus.
69aa) Die Steuerbefreiungsregelung in § 4 Nr. 3 VersStG greift nicht ein, da es sich vorliegend um Auslandsunfallversicherungen handelt, die auf § 140 SGB VII beruhen, und damit aufgrund der Rückausnahme vom Anwendungsbereich des § 4 Nr. 3 VersStG explizit ausgenommen sind.
70(1) Vorliegend handelt es sich bei den streitgegenständlichen Versicherungsverhältnissen um Auslandsunfallversicherungen im Sinne von § 140 Abs. 2 SGB VII. Aufgrund dessen gewährt die Klägerin Versicherungsschutz in Fällen, in denen – wie ausgeführt – aufgrund des Territorialprinzips (vgl. § 3 SGB IV) und nach den Regelungen der sog. Ausstrahlung (vgl. § 4 SGB IV) für im Ausland tätige Arbeitnehmer der Mitgliedsunternehmen der Klägerin kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht.
71Im Übrigen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Anwendungsbereich der AUV im Sinne von § 140 Abs. 2 SGB VII eröffnet ist und die streitgegenständlichen Entgelte für derartige Versicherungen gezahlt wurden.
72(2) Diese für die AUV im Sinne von § 140 Abs. 2 SGB VII von der Klägerin vereinnahmten Entgelte sind nicht von der Versicherungsteuerpflicht befreit, denn § 4 Nr. 3 VersStG nimmt von der Steuerfreiheit ausdrücklich die Unfallversicherungen aus, die auf § 140 SGB VII beruhen. Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber nicht zwischen Abs. 1 und 2 des § 140 SGB VII.
73bb) Eine den Gesetzeswortlaut korrigierende, die Rückausnahme einschränkende Auslegung mit der Folge, dass die AUV im Sinne von § 140 Abs. 2 SGB VII doch unter die Steuerbefreiungsnorm des § 4 Nr. 3 VersStG fällt, scheidet aus. Es besteht entgegen der Ansicht der Klägerin kein Widerspruch zu dem Gesetzeswortlaut und der gesetzgeberischen Intention bezüglich der Reichweite des Steuerbefreiungstatbestandes, wie er mit der Änderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2645) geschaffen wurde. Nach der Gesetzesbegründung zum StÄndG 2003 hatte der Gesetzgeber ausdrücklich beide Arten der in § 140 SGB VII geregelten Versicherungen, d.h. die freiwillig abzuschließenden „Versicherungen gegen Haftpflicht“ (§ 140 Abs. 1 SGB VII) sowie die freiwilligen Versicherungen gegen Unfälle (…) im Ausland“ (§ 140 Abs. 2 SGB VII) im Blick und ausdrücklich erwähnt, dass beide Versicherungen gemäß § 4 Nr. 3 VersStG „nicht steuerbefreit“ sind (BT-Drucks. 15/1562, S. 57).
74(1) Der Klägerin ist zuzugeben, dass in der Gesetzesbegründung diese beiden Versicherungen nicht zutreffend in den Absätzen 2 und 3 des § 140 SGB VII verortet werden. Allerdings dürfte es sich hierbei um ein bloßes redaktionelles Versehen handelt. Maßgeblich ist statt der (unzutreffenden) Angabe der einzelnen Absätze der in Bezug genommenen Vorschrift der Umstand, dass die Versicherungsarten, auf die sich die Rückausnahme von der Steuerfreiheit beziehen soll, explizit erwähnt werden. Hiernach werden, wie ausgeführt, ausdrücklich sowohl die Haftpflichtversicherung als auch die Unfallversicherung im Sinne von § 140 SGB VII in Bezug genommen.
75(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin weist die Gesetzesbegründung auch keinen Widerspruch insoweit aus, als einerseits eine Änderung der bisher geltenden Rechtslage nicht beabsichtigt gewesen sei, andererseits die vor der Gesetzesänderung durch das StÄndG 2003 geltende Fassung des § 4 Nr. 3 VersStG auf die (zuletzt nicht mehr geltenden) §§ 843, 1029, 1198 RVO a.F. statt auf die zwischenzeitlich maßgeblichen §§ 762, 830, 891 RVO n.F. Bezug genommen hatte und in § 843 RVO a.F. eine AUV noch nicht geregelt war, da die AUV erstmals in § 762 Abs. 2 VO n.F. (entspricht der jetzigen Regelung in § 140 Abs. 2 SGB VII) Erwähnung fand.
76Zwar ist der Klägerin wiederum zuzugestehen, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des StÄndG 2003 die bisher geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 3 VersStG erstmals dahingehend einschränken wollte, dass auch Auslandsunfallversicherungen von der Rückausnahme erfasst sind. Dem würde tatsächlich die Gesetzesbegründung, wonach es sich um eine redaktionelle Anpassung des Gesetzes ohne Änderung der Rechtslage handele, entgegenstehen. Allerdings dürfte der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des StÄndG 2003 von einer anderen „Rechtslage“ bzgl. der Versicherungsteuerpflicht von AUV ausgegangen sein, als die Klägerin meint. Die Gesetzesbegründung spricht dafür, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass auch schon vor dem StÄndG 2003 § 4 Nr. 3 VersStG Auslandsunfallversicherungen mit in Bezug genommen und von dem Tatbestand ausgenommen hatte. Denn in der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, dass § 4 Nr. 3 VersStG „bisher (…) auf die Vorschriften der §§ 762, 830 und 891 RVO“ verweist, obwohl dies nach dem bis dahin geltenden Gesetzeswortlaut gerade nicht der Fall gewesen ist. Allerdings spricht der dieser Nennung der Vorschriften aus der RVO n.F. folgende Klammerzusatz, der die im Gesetzeswortlaut von § 4 Nr. 3 VersStG a.F. in Bezug genommenen, seinerzeit aber nicht mehr geltenden §§ 843, 1029 und 1198 RVO a.F. erwähnt, dafür, dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen ist, dass § 4 Nr. 3 VersStG a.F. auch ohne Änderung des Gesetzeswortlauts insoweit dynamisch auf die Nachfolgeregelungen in der RVO n.F. verwiesen hatte. Dann hätte § 4 Nr. 3 VersStG a.F. auch schon vor der Änderung durch das StÄndG 2003 in der Rückausnahme auf§ 762 Abs. 2 RVO n.F. und damit auf eine § 140 Abs. 2 SGB VII entsprechende Regelung Bezug genommen und hätte sich durch die redaktionelle Änderung mit dem StÄndG 2003 tatsächlich die Rechtslage nicht geändert. Ob eine derartige dynamische Gesetzesverweisung nach dem vor dem StÄndG 2003 geltenden Wortlaut von § 4 Nr. 3 VersStG tatsächlich möglich war, kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben, denn es geht hier lediglich um die Frage, welche subjektive Einschätzung des Gesetzgebers bei Verabschiedung des StÄndG 2003 zugrunde lag, mag diese möglicherweise auch wegen einer nicht zulässigen dynamischen Verweisung auf Vorschriften der RVO rechtlich nicht zutreffend gewesen sein. Daraus ergibt sich zumindest, dass der von der Klägerin behauptete Widerspruch in der Gesetzesbegründung nicht besteht.
77cc) Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 5 VersStG greift ebenfalls nicht ein, denn gemäß Satz 3 dieser Vorschrift gilt die Regelung explizit nicht für die „Unfallversicherung“. Gemäß Satz 4 der Vorschrift bleibt auch § 4 Nr. 3 VersStG unberührt.
78Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob unter der Unfallversicherung im Sinne von § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG – wie die Klägerin meint – nur die private Unfallversicherung und gerade nicht die hier streitgegenständliche AUV gemeint ist. Zwar spricht auch bei § 4 Nr. 5 VersStG ebenso wenig wie bei § 4 Nr. 3 VersStG dafür, über den Gesetzeswortlaut hinaus den Begriff der Unfallversicherung einzuschränken und hierunter nur private Unfallversicherungen zu subsumieren, nicht jedoch die gesetzliche Unfallversicherung und die AUV. Jedenfalls aber stellt § 4 Nr. 5 Satz 3 VersStG klar, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 3 VersStG unberührt bleibt. Insoweit kommt es vorliegend auf die konkrete Reichweite von § 4 Nr. 5 VersStG nicht an, denn im Hinblick auf die Steuerfreiheit von Unfallversicherungen nach dem Siebten Sozialgesetzbuch stellt § 4 Nr. 3 VersStG die vorrangige Norm dar. Deren Regelung und die gesetzgeberische Entscheidung, dass – wie ausgeführt – Auslandsunfallversicherungen gerade nicht steuerbefreit sind, würde obsolet werden, wenn Auslandsunfallversicherungen infolge der Reduktion der Rückausnahme von § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG insoweit über § 4 Nr. 5 VersStG doch steuerbefreit wären.
793. Die Berechnung der – entsprechend der Steueranmeldung der Klägerin – gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 VersStG festgesetzten Versicherungsteuer lässt keine Fehler erkennen. Einwände hiergegen hat die Klägerin auch nicht erhoben.
80II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
81III. Die Revision wird nicht zugelassen, insbesondere da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
82IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes. Es wird der Mindeststreitwert berücksichtigt.