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Der Haftungsbescheid vom 18.6.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.6.2015 wird dahingehend abgeändert, dass die Haftungssumme auf 29.711,03 € herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 92 %, der Beklagte zu 8 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte den Kläger für Steuerschulden der A GmbH in Anspruch genommen hat.
3Der Kläger ist spätestens seit dem ....5.2011 im Handelsregister eingetragen als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A GmbH (Amtsgericht M, HRB 1). Neben ihm ist ebenfalls spätestens seit dem ....5.2011 als weiterer einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer Herr B im Handelsregister eingetragen. Das Amtsgericht M hat mit Beschluss vom ....3.2013 Herrn E als vorläufigen Insolvenzverwalter für die A GmbH bestellt (... IN ...). Der vorläufige Insolvenzverwalter hat im Eröffnungsverfahren ein Gutachten vom 29.4.2013 erstellt, auf das Bezug genommen wird (Haftungsakte). Das Amtsgericht M hat mit Beschluss vom ....5.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH eröffnet und den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Prüfungstermin fand entsprechend der Festlegung im Eröffnungsbeschluss am ....8.2013 statt.
4Die A GmbH übermittelte am 11.12.2012 für den Zeitraum November 2012 (Bl. 36 der Akte), am 14.1.2013 für den Zeitraum Dezember 2012 (Bl. 37 der Akte) sowie am 12.2.2013 für den Zeitraum Januar 2013 (Bl. 38 der Akte) Lohnsteueranmeldungen elektronisch an den Beklagten. Insgesamt meldete die A GmbH darin Lohnsteuern, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer, evangelische und katholische Kirchensteuer zur Lohnsteuer i.H.v. 32.697,01 € an, führte sie aber nicht an den Beklagten ab. Auf die Ausdrucke der elektronisch an den Beklagten übermittelten Daten wird Bezug genommen.
5Die A GmbH meldete darüber hinaus noch am 13.3.2013 für den Zeitraum Februar 2013 Lohnsteuern usw. in Höhe von insgesamt 11.376,79 € beim Beklagten an.
6Mit Schreiben 22.3.2013 kündigte der Beklagte dem Kläger an, ihn als Geschäftsführer der A GmbH für die Lohnsteuerverbindlichkeiten der A GmbH hinsichtlich der Monate November 2012 bis - seinerzeit noch - Februar 2013 in Anspruch zu nehmen. Auf das Schreiben wird Bezug genommen.
7Der Kläger nahm dazu mit Schreiben vom 22.4.2013 Stellung. Darin führte er unter anderem aus, dass er hinsichtlich der infrage stehenden Zeiträume nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei, was durch aktuelle Handelsregisterauszüge nachweisbar sei. Abgesehen davon sei er im Rahmen seines bestehenden Geschäftsführervertrages mit der Abwicklung der Arbeitsverträge nicht betraut gewesen.
8Am 18.6.2013 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Haftungsbescheid, mit dem er den Kläger i.H.v. 32.248,51 € für Verbindlichkeiten der GmbH in Haftung nahm. Auf den Haftungsbescheid wird Bezug genommen.
9Der Betrag setzte sich zusammen aus Lohnsteuern, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer, evangelischer und katholischer Kirchensteuer zur Lohnsteuer für die Lohnsteueranmeldungszeiträume November 2012 bis Januar 2013 i.H.v. 31.197,01 €, einem Verspätungszuschlag zur Lohnsteuer Dezember 2012 i.H.v. 140 € sowie Säumniszuschlägen zur Lohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag für November 2012 bis Januar 2013 i.H.v. 911,50 €.
10Zur Begründung führte der Beklagte aus, die A GmbH schulde die in der Anlage zum Bescheid aufgeführten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen. Die A GmbH habe in der Zeit der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer Lohnsteueranmeldungen für die Zeiträume November 2012 bis Januar 2013 eingereicht und die angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge bisher nicht bezahlt. Der Kläger hafte als Geschäftsführer gemäß § 191 Abs. 1 i.V.m. §§ 69, 34 AO. Die A GmbH sei nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Arbeitgeberin verpflichtet gewesen, die angemeldeten Lohnsteuerbeträge abzuführen. Sie hafte dafür gemäß § 42d EStG. Gemäß § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 GmbHG habe die Verpflichtung zur Abführung den Kläger getroffen. Als Geschäftsführer habe er insbesondere dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die von den Arbeitnehmern der A GmbH einbehaltenen Lohnsteuern aus den verwalteten Mitteln an das Finanzamt abgeführt würden. Dieser Verpflichtung sei der Kläger im Hinblick auf die für die Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume November 2012 bis Januar 2013 angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge nicht nachgekommen. Die Verpflichtung habe er zumindest grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich verletzt. Die Verletzung der Pflicht zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer durch einen Geschäftsführer des Arbeitgebers sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig als grob fahrlässig zu werten. Säumniszuschläge, die Bestandteil der Haftungssumme seien, habe er, der Beklagte, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit berechnet. Er habe den Kläger innerhalb der gemäß § 191 i.V.m. § 5 AO zu beachtenden Ermessensgrenzen in Anspruch genommen. Er habe die A GmbH erfolglos zur Zahlung der rückständigen Ansprüche aufgefordert. Er habe alle denkbaren Vollstreckungsmaßnahmen zur Einziehung der Forderungen ergriffen. Sämtliche Maßnahmen seien ohne Erfolg geblieben. Da die A GmbH bereits zahlungsunfähig sei, könne eine Tilgung der Steuern und sonstigen Rückstände durch sie nicht mehr erwartet werden. Soweit der Kläger eingewendet habe, er sei hinsichtlich der infrage stehenden Zeiträume nicht mehr Geschäftsführer der A GmbH gewesen, so könne dem nicht gefolgt werden. Ausweislich des Handelsregisterauszugs sei der Kläger bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geschäftsführer der A GmbH gewesen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich darüber hinaus nicht, dass der Kläger vom kaufmännischen Bereich der Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeschlossen gewesen sei. Schließlich wies der Beklagte darauf hin, dass er einen Haftungsbescheid gleichen Inhalts an den weiteren Geschäftsführer erlassen habe.
11Mit Schreiben vom 15.7.2013 legte der Kläger Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein. Auf das Schreiben wird Bezug genommen.
12Auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten im Einspruchsverfahren nebst Anlagen wird Bezug genommen (Kläger vom 7.8.2013, 12.8.2013, 17.9.2013, 9.12.2013 und 5.3.2014; Beklagter vom 26.7.2013, 27.8.2013, 21.11.2013 und 15.1.2014). Insbesondere führte der Kläger darin an, dass eine schriftliche Aufgabenteilung in der Geschäftsführung der A GmbH nicht existiert habe, und dass er sein Gehalt von der A GmbH nicht mehr in voller Höhe ausgezahlt bekommen habe. Er habe Forderungen i.H.v. 96.912,44 € gegenüber der A GmbH zur Insolvenztabelle angemeldet. Zum Nachweis überreichte der Kläger dem Beklagten ein Schreiben des Dienstleistungsmanagement H vom 15.8.2013, in dem u.a. Folgendes ausgeführt ist:
13„[…] in dem o.g. Insolvenzverfahren hat uns der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt E mit der Abwicklung sämtlicher Personalangelegenheiten beauftragt.
14Sie haben im oben aufgeführten Verfahren insgesamt 96.912,44 € Forderung angemeldet.
15Folgende Forderungen konnten anerkannt werden:
16Gehalt August bis Dezember 83.331,00 €
17Forderungsbetrag gem. Schreiben DLM für Jan. 11.546,67 € […]“
18Der Beklagte meldete im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH insgesamt eine Forderung i.H.v. 44.105,20 € (lfd. Nr. 29) zur Tabelle an. Der Betrag setzte sich zusammen aus den angemeldeten Lohnsteuern etc. für die Zeiträume November 2012 bis Februar 2013, zuzüglich Säumniszuschlägen und Verspätungszuschlägen.
19Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH übermittelte am 2.8.2013 eine korrigierte Lohnsteueranmeldung für die A GmbH für den Zeitraum Februar 2013, die Lohnsteuer i.H.v. nur noch 0 € auswies.
20Im Prüfungstermin am 7.8.2013 stellte das Amtsgericht M die angemeldete Forderung i.H.v. 30.064,03 € zur Tabelle fest (Tabellenauszug auf Bl. 224 der Akte). Den darüber hinausgehenden Betrag bestritt der Insolvenzverwalter. Der festgestellte Betrag setzt sich zusammen aus sämtlichen vom Beklagten hinsichtlich der Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume November 2012 bis Januar 2013 zur Tabelle angemeldeten Beträgen (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer, evangelischer und katholischer Kirchensteuer zur Lohnsteuer für die Lohnsteueranmeldungszeiträume November 2012 bis Januar 2013 i.H.v. 31.197,01 €, einem Verspätungszuschlag zur Lohnsteuer Dezember 2012 i.H.v. 140 € sowie Säumniszuschlägen zur Lohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag für November 2012 bis Januar 2013 i.H.v. inzwischen insgesamt 1.264,50 €) abzüglich einer vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Teilzahlung auf die Lohnsteuer Januar 2013 i.H.v. 2.537,48 € (siehe Bl. 149 und 224 der Akte).
21Der Beklagte korrigierte seinen angemeldeten Betrag um die ursprünglich für Februar 2013 angemeldeten Beträge i.H.v. 11.376,69 € auf 32.928,51 €.
22Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.6.2015 als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
23Der Beklagte führte darin insbesondere aus, es sei ermessensgerecht gewesen, den Kläger als Haftungsschuldner vor den Arbeitnehmern der A GmbH als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen, da die Arbeitnehmer nach Aktenlage keine Schuld an der Pflichtverletzung treffe. Sein Auswahlermessen habe er dahingehend ausgeübt, dass er neben dem Kläger den weiteren Geschäftsführer, Herrn B, hinsichtlich derselben Steuerschuld in Haftung genommen habe. Der Kläger habe nach eigenen Angaben ab August 2012 kein Gehalt mehr ausgezahlt bekommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger, neben seinen Pflichten als Geschäftsführer, auch ein persönliches Interesse daran haben müssen, sich zu informieren und einzuschreiten. Es müsse dem Kläger auch zu Ohren gekommen sein, dass auch weitere Arbeitnehmer der A GmbH keine Gehälter erhalten hätten. Hier hätte der Kläger die Verantwortung als Geschäftsführer wahrnehmen müssen, um auch die Arbeitnehmer zu schützen und die Fürsorgepflichten gegenüber den Arbeitnehmern zu erfüllen. Falls er die erforderlichen Informationen nicht hätte bekommen können, wäre es konsequent für den Kläger gewesen, sein Amt umgehend niederzulegen.
24Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.
25Er trägt vor, der Beklagte leite seine Haftung lediglich aus der Geschäftsführerposition ab und gehe davon aus, dass allein daraus ein grob fahrlässiges Verschulden folge. Er habe sein Amt als Geschäftsführer der A GmbH bereits am 6.3.2013 niedergelegt. Die Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer habe auch schon dazu geführt, dass der Beklagte einen Haftungsbescheid hinsichtlich Forderungen gegen die Q GmbH zurückgenommen habe. Als Geschäftsführer der A GmbH sei er ausschließlich im so genannten operativen Geschäft zuständig und tätig gewesen. Ihm hätten keinerlei Kontovollmachten bei der Hausbank der A GmbH zugestanden. Im kaufmännischen Bereich sei ausschließlich der Mitgeschäftsführer B zuständig gewesen. Herr B habe auch alle Entscheidungen hinsichtlich der Bedienung von Zahlungsverpflichtungen getroffen. Sofern der Beklagte sich auf eine schriftliche Aufgabenteilung versteife, müsse es davon auch Ausnahmen geben.
26Zudem habe der Beklagte die angebliche Schadenshöhe nicht substantiiert angegeben. Mit dem Haftungsbescheid mache der Beklagte einen Schaden i.H.v. 32.248,51 € geltend und verweise auf einen Ausdruck aus der Erhebungsauskunft. Zwischenzeitlich habe sich jedoch herausgestellt, dass die vom Beklagten vorgelegte Rückstandsaufstellung vom Insolvenzverwalter als nicht zutreffend und nur vorläufig bezeichnet worden sei. Insoweit verweise er auf ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 24.5.2013.
27Ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 24.5.2013 befindet sich nicht in den dem Gericht vorliegenden Akten. In der Haftungsakte befindet sich ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 7.8.2013, in dem dieser den Beklagten darauf hinweist, dass entgegen den Ausführungen in dem Insolvenzgutachten davon auszugehen sei, dass für das Jahr 2012 gegenüber dem Kläger sowie den Mitarbeitern unter anderem der A GmbH Lohnsteuerrückstände bestünden. Die genaue Höhe könne er zu diesem Zeitpunkt noch nicht beziffern.
28Der Kläger trägt weiter vor, die angemeldete Lohnsteuer basiere zudem auf der Annahme, dass Gehaltszahlungen auch an ihn erfolgt seien. Er habe jedoch in den Monaten November 2012 bis Januar 2013 kein Gehalt von der A GmbH ausgezahlt bekommen. Hinsichtlich des Monats Januar 2013 ergebe sich das auch daraus, dass in dem vom Insolvenzverwalter eingereichten Jahresabschluss auf den 30.4.2013 Aufwendungen für Geschäftsführergehälter i.H.v. 0,00 € ausgewiesen seien. Allein auf sein Gehalt wären Lohnsteuern i.H.v. (4.887,66 € + 4.887,66 € + 5.620,00 € =) 15.395,32 € und Solidaritätszuschlag i.H.v. (548,80 € + 548,80 € + 282,11 €) 1.379,71 € entfallen. Auch zumindest ein weiterer Arbeitnehmer der A GmbH habe sein Gehalt nicht voll ausgezahlt erhalten. Die Nichtzahlung der Gehälter sei damals vereinbart worden, um der A GmbH finanziellen Spielraum zu geben. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Lohnbüro der A GmbH weiterhin die Meldungen an den Beklagten vorgenommen habe. Nachdem festgestanden habe, dass die Gehälter nicht - wie vereinbart - zu einem späteren Zeitpunkt hätten gezahlt werden können, habe er seine offenen Bruttogehälter zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Insolvenztabelle angemeldet. Er habe angenommen, sein Gehalt würde nachgelagert versteuert, wenn die Auszahlungsquote aus der Insolvenzmasse gezahlt werde. Die nicht ausgezahlten Gehälter habe er bei dem für ihn zuständigen Finanzamt O auch nicht versteuern müssen.
29Dass die Feststellung der Forderungen durch den Insolvenzverwalter zu seinem Nachteil bei der Haftung für die Steuerschuld führen könnte, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der Insolvenzverwalter habe ihn nicht auf mögliche Nachteile hingewiesen. Er, der Kläger, hätte zu diesem Zeitpunkt aber bereits über die Folgen aufgeklärt werden müssen, zumal die offene Lohnsteuerforderung dem Insolvenzverwalter bekannt gewesen sei. Als juristischer Laie habe er keinen Anlass gesehen, auf die Mitteilung des Insolvenzverwalters hin tätig zu werden, zumal er nicht persönlich Gläubiger der Lohnsteuerforderung gewesen sei.
30Zum Nachweis der ausgebliebenen Gehaltszahlungen hat der Kläger ein Schreiben des Geschäftsführers B vom 15.7.2013, Kopien seiner Gehaltsmitteilungen für November 2012 und Januar 2013 (Bl. 171-175 der Akte) und ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 10.10.2017 eingereicht (Bl. 245-247 der Akte). Aus dem Schreiben vom 10.10.2017 geht hervor, dass der Kläger (unter lfd. Nr. 26 und 43) insgesamt Forderungen i.H.v. 278.815,30 € zur Tabelle angemeldet hat, von denen (unter der Nr. 26) 131.151,45 € zur Tabelle festgestellt worden sind.
31Der Kläger ist zudem der Auffassung, der Beklagte habe sein Ermessen nicht korrekt ausgeübt. Der Beklagte habe lediglich angedeutet, neben ihm auch den Mitgeschäftsführer B in Haftung genommen zu haben. Die Rechtsprechung habe klargestellt, dass in Fällen, in denen eine Inanspruchnahme mehrerer Geschäftsführer stattfinden könne und auch erfolge, die Finanzbehörde besondere Ermessenserwägungen bei der Auswahl des in Anspruch genommenen Geschäftsführers zu treffen habe. Er beziehe sich insoweit auf die Entscheidung des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16.9.2004 (1 K 228/02). Der Beklagte bestätige, dass zumindest er, der Kläger, sein Gehalt nicht in voller Höhe erhalten und seinerseits erfolgreich 96.912,44 € als Insolvenzgläubiger der A GmbH zur Tabelle angemeldet habe. Es sei Aufgabe des Beklagten für eine pflichtgemäße Ermessensausübung gewesen, auf eine korrekte Lohnsteueranmeldung seitens des Insolvenzverwalters hinzuwirken.
32Der Kläger beantragt,
33den Haftungsbescheid vom 18.6.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 18.6.2015 aufzuheben.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen, soweit die Haftungsforderung den vom Insolvenzverwalter festgestellten Betrag überschreitet.
36Er trägt vor, der Kläger verkenne, dass die Haftung im Parallelverfahren der Firma Q GmbH daran gescheitert sei, dass der Kläger seine Geschäftsführerverantwortung dort bereits mit Schriftsatz vom 25.4.2012 niedergelegt habe und damit vor Fälligkeit der dort zur Haftung geltend gemachten Lohnsteuerrückstände. Hinsichtlich der A GmbH habe der Kläger seine Geschäftsführerverantwortung allerdings erst am 6.3.2013 und somit nach den Fälligkeiten der Lohnsteuerrückstände für die Monate November 2012 bis Januar 2013 niedergelegt. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass ihm der kaufmännische Bereich verschlossen geblieben sei, führe dies zu keiner anderen Entscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei nur eine schriftliche Aufgabenteilung zu beachten. Im Übrigen habe sich der Kläger durchaus auch mit den steuerlichen Belangen der A GmbH beschäftigt. So habe er die Körperschaft- und die Gewerbesteuererklärungen 2010 und 2011 selbst unterzeichnet. Zum Nachweis hat der Beklagte Kopien der jeweiligen ersten Seiten der vorbezeichneten Erklärungen eingereicht (Bl. 31-34 der Akte).
37In dem Haftungsbescheid sei die Lohnsteuer für den Monat Februar 2013 nicht mehr enthalten, weil der Kläger sein Amt bereits zum 6.3.2013 niedergelegt habe. Die Lohnsteuer Februar 2013 wäre erst am 12.3.2013 fällig geworden. Zudem habe der Insolvenzverwalter für die A GmbH die Lohnsteueranmeldung für Februar 2013 korrigiert. Die Lohnsteueranmeldungen November 2012 bis Januar 2013 habe der Insolvenzverwalter jedoch nicht berichtigt. Die von ihm, dem Beklagten, hinsichtlich der Lohnsteuer Februar 2013 zur Tabelle angemeldete Forderung, habe der Insolvenzverwalter auch beim Amtsgericht M bestritten. Die restliche Forderung habe das Amtsgericht M am ....8.2013 unbestritten zur Tabelle festgestellt. Gemäß § 178 Abs. 3 InsO wirke die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Zudem seien dem Geschäftsführer einer GmbH als Haftungsschuldner alle Einwendungen gegen die Höhe der seine Haftungsinanspruchnahme zu Grunde liegenden Steuerschulden gemäß § 166 AO abgeschnitten, wenn er im Insolvenzverfahren der Feststellung der Forderung nicht widersprochen habe (FG Köln, Urteil vom 18.1.2017, 10 K 3671/14).
38Das Gericht hat die Strafakten zu dem Verfahren 2 beigezogen und den Beteiligten Bl. 174-178 der Fallakte 2 „Q GmbH“ mit Hinweisschreiben vom 20.4.2017 zur Stellungnahme zugesandt. Auf die Auszüge aus der Strafakte wird Bezug genommen (Bl. 131-135 der Akte).
39Auf Nachfrage des Gerichts hat der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 24.8.2017 (Bl. 198-199 der Akte) mitgeteilt, dass ihm hinsichtlich der tatsächlich von der A GmbH gezahlten Löhne der Monate November 2012 bis Januar 2013 keine detaillierten Unterlagen vorliegen würden.
40Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 5.9.2017 auf das Urteil des BFH vom 16.5.2017, VII R 25/16, BFH/NV 2017, 1027 hingewiesen.
41Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2017 wird Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe
43Die Klage ist teilweise begründet.
44Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Haftungssumme einen Betrag von 29.711,03 € übersteigt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
45Gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Gemäß § 191 AO kann die Finanzverwaltung jemanden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Gemäß § 219 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner, wenn nichts anderes bestimmt ist, auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt gemäß § 219 Satz 2 AO unter anderem dann nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.
46Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zweigliedrig aufgebaut. Danach hat das Finanzamt zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es zur Haftung heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsnorm erfüllt sind. Insoweit ist die Entscheidung eine vom Finanzgericht in vollem Umfang zu überprüfende rechtlich gebundene Entscheidung. Erst danach, auf der zweiten Stufe, trifft die Finanzbehörde eine Ermessensentscheidung, die nur gemäß § 102 FGO eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat für die gerichtliche Überprüfung von Haftungsbescheiden zur Folge, dass hinsichtlich der sog. ersten Stufe - abgesehen vom Eingreifen einer etwaigen Präklusion (z.B. nach § 79b Abs. 3 FGO) - derjenige Sach- und Streitstand zugrunde zu legen ist, wie er sich am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt. Demgegenüber kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung auf der sog. zweiten Stufe auf die tatsächliche und rechtliche Situation im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung -- dies ist in der Regel der Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung -- an (BFH-Urteil vom 20.9.2016, X R 36/15, BFH/NV 2017, 593 m.w.N.).
471.
48Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte den Kläger dem Grunde nach zu Recht in Anspruch genommen.
49a.
50Der Kläger hat eine ihm auferlegte Pflicht verletzt.
51Gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat ein Arbeitgeber spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums dem Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Betriebsstätte befindet, eine Steuererklärung einzureichen, in der er die Summen der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer angibt (Lohnsteuer-Anmeldung) und die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene und übernommene Lohnsteuer an das Betriebstättenfinanzamt abzuführen. Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3 AO hat der Steuerpflichtige in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung). Gemäß § 168 AO steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
52Gemäß § 34 AO haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG wird eine GmbH durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt.
53Sind mehrere gesetzliche Vertreter einer juristischen Person bestellt, so trifft jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, das heißt dass grundsätzlich jeder von ihnen auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat, die der juristischen Person auferlegt sind. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung eines jeden gesetzlichen Vertreters (Geschäftsführers) verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen (BFH-Urteil vom 23.6.1998, VII R 4/98, BStBl II 1998, 761; BFH-Urteil vom 14.3.2012, XI R 33/09, BStBl II 2012, 477; Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 69 Rn. 105 und 107). Bei einer Verteilung der Geschäfte einer GmbH auf mehrere Geschäftsführer kann die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten, die diesem nicht zugewiesen sind, zwar nicht aufgehoben, aber begrenzt werden. Dies erfordert aber eine vorweg getroffene, eindeutige - und deshalb schriftliche - Klarstellung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist und gilt nur insoweit und so lange, als kein Anlass besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch den hierfür zuständigen Vertreter zu zweifeln (BFH-Urteil vom 23.6.1998, VII R 4/98, BStBl II 1998, 761; BFH-Beschluss vom 11.12.2007, VII B 346/06, BFH/NV 2008, 733; Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 69 Rn. 106 bis 107b). Der Geschäftsführer muss einschreiten, wenn der Mitgeschäftsführer dazu Anlass gibt, zumal wenn er Kenntnis von unterbliebenen Steuerzahlungen erhält oder sonst Anlass hat, an der exakten Erfüllung der Pflichten durch den zuständigen Geschäftsführer zu zweifeln (Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 69 Rn. 107a und 107b m.w.N.).
54Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger eine Pflichtverletzung begangen.
55Die A GmbH hat Lohnsteuern für die Monate November 2012 bis Januar 2013 angemeldet, aber nicht an den Beklagten abgeführt. Mit der Anmeldung liegt gemäß § 168 Satz 1 AO eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung vor, aus der die A GmbH verpflichtet gewesen wäre, die Steuern auch fristgerecht zu zahlen. Dies hat sie nicht getan. Insoweit ist für die Annahme einer Pflichtverletzung unerheblich, ob die Steueranmeldung in zutreffender Höhe erfolgte, da der Kläger jedenfalls nicht infrage stellt, dass überhaupt Lohnsteuern angefallen sind, die angemeldet und bezahlt hätten werden müssen.
56Die Pflicht zur pünktlichen Zahlung der angemeldeten Lohnsteuerbeträge traf auch den Kläger.
57Der Kläger ist bis heute als Geschäftsführer der A GmbH im Handelsregister eingetragen. Der Kläger hat zum 6.3.2013 sein Amt als Geschäftsführer niedergelegt. Zum Zeitpunkt der Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer hatte der Kläger die Pflicht bereits verletzt. Die angemeldete Lohnsteuer November 2012 hätte bereits bis zum 10.12.2012, die angemeldete Lohnsteuer Dezember 2012 hätte bereits bis zum 10.1.2013 und die angemeldete Lohnsteuer Januar 2013 hätte bereits bis zum Montag, dem 11.2.2013, an den Beklagten abgeführt werden müssen.
58Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er aufgrund einer internen Aufgabenaufteilung nicht mit der Aufgabe der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer betraut gewesen ist. Zum einen fehlt es unstreitig an der nach Auffassung des Senats zu Recht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geforderten eindeutigen vorherigen schriftlichen Vereinbarung über die Aufgabenaufteilung. Zum anderen hätte selbst eine schriftliche Aufteilung der Aufgaben den Kläger nicht von der Haftung befreien können. Spätestens nach den Verhandlungen zwischen dem Kläger und der A GmbH über die vorübergehende Stundung seines Gehalts im Juli 2012, die Ausdruck von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der A GmbH waren, hätte er sich auch nach der Aufgabenerfüllung seines Mitgeschäftsführers B in dieser Situation erkundigen und diese überwachen müssen, was er jedoch nicht getan hat.
59b.
60Der Kläger hat die Pflicht auch grob fahrlässig verletzt.
61Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Stande ist, in ungewöhnlich hohem Maße verletzt (Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 69 Nr. 32 m.w.N.). Die objektive Pflichtverletzung indiziert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine zumindest grob fahrlässige Vorgehensweise des Geschäftsführers (vergl. BFH-Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934 m.w.N.). Ein Geschäftsführer kann sich nicht auf sein eigenes Unvermögen, seinen Aufgaben nachzukommen, berufen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss vielmehr von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses niederlegen. Sonst haftet er auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage sein sollte, seinen Überwachungsaufgaben (usw.) nachzukommen (Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 69 Rn. 34 m.w.N.).
62Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger grob fahrlässig gehandelt. Die grobe Fahrlässigkeit wird durch seine Pflichtverletzung indiziert.
63Für den Kläger galt auch nicht ausnahmsweise etwas anderes. Der Kläger kann sich nicht damit entschuldigen, dass er z.B. keine Kontovollmacht für die A GmbH gehabt habe. Selbst ohne Kontovollmacht wäre es ihm zumindest möglich gewesen, sich beim Mitgeschäftsführer B nach den Lohnsteueranmeldungen und Zahlungen auf die angemeldete Lohnsteuer an den Beklagten zu erkundigen. Hätte der Kläger dann in Erfahrung gebracht, dass angemeldete Lohnsteuer nicht gezahlt werden sollte, hätte er zumindest beim Mitgeschäftsführer B auf die Zahlung der angemeldeten Lohnsteuer hinwirken bzw. ggf. die Lohnsteueranmeldung korrigieren müssen. Wenn er dazu nicht in der Lage gewesen wäre, hätte er sein Amt als Geschäftsführer niederlegen können, was er jedoch erst am 6.3.2013 getan hat und nicht bereits in dem Zeitpunkt, als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der A GmbH für ihn - wie dargelegt - deutlich wurden.
642.
65Der Beklagte hat den Kläger der Höhe nach zu Recht in Anspruch genommen, soweit die Haftungssumme den Betrag von 29.711,03 € nicht übersteigt.
66a.
67Soweit der Beklagte über die 29.711,03 € hinausgehend einen Betrag i.H.v. 2.537,48 € berücksichtigt hat, ist die Klage begründet. Der Beklagte hält nach der mündlichen Verhandlung insoweit nicht mehr an der Haftungssumme fest.
68Die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerforderungen sind i.H.v. 29.711,03 € (Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlag i.H.v. 28.659,53 €, Verspätungszuschlag i.H.v. 140 € und Säumniszuschlag i.H.v. 911,50 €) unwidersprochen zur Tabelle festgestellt. Der Insolvenzverwalter hat den dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden und in voller Höhe zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen (Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlag i.H.v. 31.197,01 €, Verspätungszuschlag i.H.v. 140 € und Säumniszuschlag i.H.v. 911,50 €) lediglich hinsichtlich der Lohnsteuer Januar 2013 i.H.v. 2.537,48 € widersprochen.
69b.
70In der Höhe, in der die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Steuerforderungen unwidersprochen zur Insolvenztabelle festgestellt sind, ist der Kläger mit Einwendungen gegen die Steuerforderungen ausgeschlossen.
71Der Haftungsschuldner kann Einwendungen nicht nur gegen die Haftungsschuld, sondern auch gegen die Steuerschuld erheben, für die er als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird, soweit nicht die Voraussetzungen des § 166 AO erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12.1.2011, XI R 11/08, BStBl II 2011, 477).
72Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten (sog. Drittwirkung). Die mit Präklusionswirkung ausgestattete Regelung will verhindern, dass das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführte Verfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird; dabei mutet der Gesetzgeber dem Anfechtungsberechtigten zu, selbst dafür Sorge zu tragen, wie er die ihm eingeräumte uneingeschränkte Rechtsmittelbefugnis sicherstellt (BFH-Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934 m.w.N.).
73§ 166 AO gilt nicht, wenn ein Geschäftsführer nicht während des gesamten Laufs der Rechtmittelfrist berechtigt gewesen ist, als Vertreter der GmbH zu handeln (BFH-Urteil vom 24.8.2004, VII R 50/03, BStBl II 2005, 127) oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist und dem damit verbundenen Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung der unter Vorbehalt festgesetzten Steuer hätte stellen können (BFH-Urteil vom 22.4.2015, XI R 43/11, BStBl II 2015, 755 m.w.N.).
74Die - unterlassene - Erhebung eines Widerspruchs gegen die Feststellung einer Steuerforderung zu Insolvenztabelle wird zwar nicht ausdrücklich in § 166 AO erwähnt. Da eine weder vom Insolvenzverwalter noch vom Insolvenzschuldner bestrittene, zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung i.S.d. § 166 AO gleichsteht (BFH-Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934; FG Köln, Urteil vom 18.1.2017, 10 K 3671/14, EFG 2017, 625, n.rkr., Revision anhängig unter I R 39/17), ist nach Auffassung des erkennenden Senats ein unterlassener Widerspruch gegen eine zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung einem unterlassenen Einspruch gegen eine Steuerfestsetzung jedoch gleichzustellen.
75Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier, dass dem Kläger, der aus eigenem Recht hätte Widerspruch gegen die zur Insolvenztabelle angemeldeten, dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Lohnsteuerforderungen einlegen können, Einwendungen gegen die Höhe der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen insoweit verwehrt sind, als die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Forderungen des Beklagten gegenüber der A GmbH unwidersprochen zur Tabelle festgestellt sind.
76Im Gegensatz zum vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 16.5.2017 (VII R 25/16, BStBl II 2017, 934) entschiedenen Fall hat der Kläger zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Amt als Geschäftsführer der insolventen A GmbH niedergelegt, so dass er im Prüfungstermin nicht mehr als Vertreter mit Wirkung für die A GmbH als Insolvenzschuldnerin gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO Widerspruch gegen die vom Beklagten angemeldete Insolvenzforderung hätte erheben können. Der Kläger war wegen seiner zur Insolvenztabelle angemeldeten offenen Gehaltsforderung aber selbst Insolvenzgläubiger der A GmbH und als solcher gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO aus eigenem Recht berechtigt, Widerspruch gegen die vom Beklagten zur Tabelle angemeldete Forderung zu erheben. Der Prüfungstermin fand am ....8.2013 und damit zu einem Zeitpunkt statt, in dem der streitige Haftungsbescheid bereits gegenüber dem Kläger ergangen und er als Insolvenzgläubiger zum Widerspruch berechtigt war. Durch seinen Widerspruch hätte der Kläger verhindern können, dass die vom Beklagten angemeldete - und seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegende - Forderung bereits im Prüfungstermin in diesem Umfang zur Tabelle festgestellt worden wäre. Er hätte nach dem Bestreiten gemäß § 179 Abs. 2 InsO seinen Widerspruch weiter betreiben und auf diesem Wege die Rechtmäßigkeit der Höhe der vom Beklagten gegenüber der A GmbH festgesetzten Lohnsteuern November 2012 bis Januar 2013 angreifen können. Der Kläger hat im Prüfungstermin jedoch keinen Widerspruch gegen die vom Beklagten geltend gemachte Insolvenzforderung erhoben. Dies geht zu seinen Lasten.
77Die Einbeziehung des Klägers in die Drittwirkung der Steuerfestsetzung entspricht der Wertung des § 166 AO. Die Regelung sieht selbst vor, dass sowohl ein als Vertreter zur Anfechtung Berechtigter als auch ein aus eigenem Recht zur Anfechtung Berechtigter von der Drittwirkung betroffen wird. Der vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall betraf einen als Vertreter zur Anfechtung Berechtigten. Der Senat hält es für folgerichtig, auch den aus eigenem Recht zur Anfechtung berechtigten Kläger mit in die Drittwirkung einzubeziehen.
78Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es Aufgabe des Insolvenzverwalters gewesen wäre, entweder selbst Widerspruch gegen die angemeldete Forderung des Beklagten zu erheben, oder ihn über die Folgen eines ausbleibenden Widerspruchs weitergehend zu belehren. Zum einen hat der Insolvenzverwalter der angemeldeten Insolvenzforderung des Beklagten teilweise widersprochen. Soweit er widersprochen hat, ist die Forderung des Beklagten bis heute nicht zur Tabelle festgestellt. In Höhe der auf die Haftungssumme entfallenden angefochtenen 2.537,48 € kommt die Anfechtung dem Kläger auch zugute (s.o. unter 2.a.). Zum anderen hätte der Kläger sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Insolvenzverwalter der vom Beklagten angemeldeten Insolvenzforderung weitergehend widerspricht bzw. ihn auf den nur in eingeschränkter Höhe beabsichtigten Widerspruch und die möglichen Folgen eines ausbleibenden Widerspruchs des Klägers hinweisen würde. Unabhängig davon, ob eine solche Pflicht für den Insolvenzverwalter bestanden hat, hängt die Rechtswirkung des § 166 AO nicht davon ab, dass die betroffene Person von der Drittwirkung weiß.
793.
80Der Beklagte hat den Kläger - in dem verbliebenen Umfang - auch ermessensfehlerfrei in Haftung genommen.
81Fehler im Sinne von § 102 FGO bei der Ausübung des Ermessens sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat insbesondere neben dem Kläger auch den anderen Geschäftsführer der A GmbH in selber Höhe in Haftung genommen und den Kläger darüber unterrichtet. Soweit sich der Kläger auf ein Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 16.9.2004,1 K 228/02, juris) bezieht, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der dort entschiedene Fall ist mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. In dem vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall hat das Finanzamt nur einen von zwei Geschäftsführern in Haftung genommen.
824.
83Die Haftungssumme berechnet sich daher wie folgt:
84bisherige Haftungssumme: |
32.248,51 €, |
abzüglich |
-2.537,48 €, |
neue Haftungssumme |
29.711,03 €. |
5.
86Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
876.
88Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.