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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten zum einen darüber, ob von der Beklagten für die beiden Töchter der Klägerin für den Zeitraum Januar 2011 bis November 2012 Kindergeld auszuzahlen ist oder ob der Auszahlungsanspruch der Klägerin infolge von ihr abgegebener Weiterleitungserklärungen erloschen ist. Des Weiteren streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte zu Recht das an die Klägerin ausgezahlte Kindergeld für die Tochter A für die Monate August bis Oktober 2012 zurückgefordert hat.
3Die Klägerin hat zwei Töchter: A, geboren ....1989, und B, geboren ....1993. Ausweislich entsprechender schriftlicher Nachweise absolvierte die Tochter A im Zeitraum Januar 2011 bis November 2012 ein Hochschulstudium. Die Tochter B wurde im Februar 2011 volljährig; sie bestand in Juni 2012 ihr Abitur und studierte seit Oktober 2012 Erziehungswissenschaften. Die erklärten Einkünfte und Bezüge beider Töchter überschreiten nicht den bis 2011 geltenden jeweiligen Grenzbetrag.
4Für beide Kinder stellte die Klägerin mit Datum 30.10.2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum 1.1.2011 bis 30.11.2012. In diesem Antrag gab sie an, leiblicher Vater beider Kinder sei Herr C. Dieser habe für beide Kinder beim LBV NRW als Familienkasse (im folgenden: LBV) Kindergeld erhalten, es aber zwischenzeitlich wieder zurückgezahlt. Er habe kein Kindergeld erhalten für November 2012 (für A) bzw. August bis November 2012 (für B). Der Kindesvater sei beschäftigt im ... Landes NRW.
5Die Klägerin fügte ihrem Antrag zwei Bescheide des LBV bei, die an den Kindesvater adressiert sind:
6Mit Bescheid vom 22.1.2013 hat dieses dem Kindesvater gegenüber die Kindergeldfestsetzung für A ab Januar 2011 bis einschließlich November 2012 aufgehoben, da A bis 30.11.2012 im Haushalt der Klägerin gelebt habe. Zugleich wird ausgeführt, die Kindergeldzahlungen von Januar 2011 bis einschließlich Oktober 2012 i.H.v. 4.048 Euro seien grundsätzlich zu erstatten. Sodann heißt es:
7„Mit Erklärung vom 27.12.2012 hat die Kindesmutter die Weiterleitung des Kindergeldes für den vorgenannten Zeitraum bestätigt. Mein Erstattungsanspruch ist insofern als erfüllt anzusehen.“
8Mit weiterem Bescheid vom 13.12.2012 hob das LBV die Kindergeldfestsetzung für B ebenfalls ab Januar 2011 bis November 2012 mit der Begründung auf, sie habe in diesem Zeitraum im Haushalt der Klägerin gelebt. Das für den Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Juli 2012 an den Kindesvater ausgezahlte Kindergeld ergebe einen grundsätzlich gemäß § 32 Abs. 2 AO zu erstattenden Betrag von 3.496 Euro. Sodann heißt es in diesem Bescheid:
9„Mit Erklärung vom 16.11.2012 hat die Kindesmutter die Weiterleitung des Kindergeldes und damit die Erfüllung ihres Anspruchs auf Kindergeld für den vorgenannten Zeitraum als erfüllt bestätigt. Folglich ist mein Erstattungsanspruch Ihnen gegenüber ebenfalls als erfüllt anzusehen, so dass keine Rückzahlung geleistet werden muss.“
10Auf Nachfrage teilte das LBV der Beklagten am 12.1.2015 mit, beide Bescheide seien bestandskräftig. Die Eltern lebten seit Januar 2011 getrennt. Dem Kindesvater werde seit Dezember 2012 wieder Kindergeld gewährt, da er den höheren Unterhalt leiste.
11Die beiden beigefügten Weiterleitungsbescheinigungen der Klägerin sind in Bl. 35 und 36 der Kindergeldakte enthalten; auf deren Form und Inhalt wird hier ergänzend Bezug genommen. Beide Erklärungen tragen den Eingangsstempel des LBV vom 20.11.2012 bzw. 3.1.2013. Beide sind auf Formularen der Überschrift „Bestätigung über die Weiterleitung von Kindergeld zur Vorlage bei der Familienkasse“ gefertigt und an das LBV gerichtet. Beide weisen den Namen des Kindesvaters und dessen Kindergeldnummer (Personalnummer) beim LBV sowie in der Codierzeile den Namen und das Geburtsdatum des jeweiligen Kindes auf. In beiden sind zu Z. 1 „Angaben zur Person (Kindesmutter)“ unter Z. 2 „Angaben zur Person des Kindes“ gemacht. Im Feld zu Z. 3 des Formulars „Weiterleitung von Kindergeld“ ist ausgeführt, das LBV habe Kindergeld für „01.01.2011 bis 30.11.2012“ (A) bzw. „31.7 2012“ (B) nicht an die Klägerin ausgezahlt, sondern an den Vater der Kinder. Die Datumsangaben sind handschriftlich von der Klägerin ergänzt. Weiter heißt es: „Ich bestätige hiermit unwiderruflich, dass dieser das Kindergeld nicht für sich behalten, sondern weitergeleitet hat. Ich sehe daher meinen Anspruch auf Kindergeld für den o. g. Zeitraum als erfüllt an (§ 37 Absatz 2 Abgabenordnung) und verzichte damit auf die Auszahlung von Kindergeld durch die u. g. Familienkasse.“ Beide Formulare sind datiert (16.11.2012 bzw. 27.12.2012) und von der Klägerin unterschrieben.
12Der weitere Formularteil mit den Rubriken:
13„Einen Antrag auf Kindergeld habe ich am_____________ bei der folgenden Familienkasse gestellt:……………
14Bezeichnung Familienkasse…………
15Anschrift…………………
16Tel.-Nr. der Sachbearbeiterin/des Sachbearbeiters……..“
17ist betreffend A nicht ausgefüllt und betreffend B durchgestrichen.
18Mit Bescheid vom 19.1.2015 setzte die Familienkasse zu Gunsten der Klägerin Kindergeld für A und B für den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich November 2012 fest. Weiter heißt es in dem Bescheid:
19„Bis einschließlich dem Monat Juli 2012 wird Ihr Anspruch als erfüllt angesehen, weil Sie das Kindergeld im Wege der Weiterleitung erhalten haben. Ihnen wird deshalb erst ab dem Monat August 2012 Kindergeld gezahlt.“
20Dagegen legte die Klägerin am 27.1.2015 Einspruch ein, den sie wie folgt begründete: Der Bescheid habe zur Folge, dass letztlich kein Kindergeld für Januar 2011 bis Juli 2012 geleistet werde. Bei Abgabe des Kindergeldantrags habe sie dargelegt, dass der Kindesvater wegen der Weiterleitung zunächst keine Rückzahlung des Kindergeldes in Gesamthöhe von 7.544 Euro an das LBV habe leisten müssen. Danach aber habe das LBV ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im anschließenden Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung sei dem Kindesvater aufgegeben worden, das Kindergeld in der genannten Höhe zurückzuzahlen. Aus diesem Grund habe sie – die Klägerin – am 18.9.2014 an den Kindesvater und dieser am 22.9.2014 an das LBV den Betrag von 7.540 Euro zurückgezahlt, um die strafrichterliche Auflage zu erfüllen. Da sie, die Klägerin, das Kindergeld zurückerstattet habe, sei der Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum bis Juli 2012 somit nicht erfüllt.
21Die Klägerin legte zwei Beschlüsse des Amtsgerichts H in der Strafsache gegen den Kindesvater vor, in dem dieser ausweislich der Beschlüsse eine Rechtsanwältin als Strafverteidigerin bestellt hatte.
22Mit Beschluss vom 16.9.2014 wurde dessen Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Darin wurde dem Kindesvater aufgegeben,
23„… bis zum 15.10.14 eine Schadenswiedergutmachung i.H.v. 7.544 Euro an das LBV zu tätigen sowie einen Betrag von 3.500 Euro an die Ordensgemeinschaft …...“
24Mit dem weiteren Beschluss vom 16.10.2014 ist das Strafverfahren sodann nach Erfüllung der Auflagen endgültig eingestellt worden.
25Weiter führte die Klägerin zur Einspruchsbegründung aus, mit der durch richterliche Anordnung erfolgten Rückzahlung des Kindergeldes an das LBV sei dessen Erstattungsanspruch erfüllt worden; ihre Weiterleitungsbestätigungen seien damit gegenstandslos geworden. Durch die nur unvollständig ausgefüllten Formulare lägen ihrerseits gegenüber der für sie zuständigen Beklagten keine Erklärungen vor, dass sie ihren Anspruch auf Kindergeld als erfüllt ansehe und auf die Auszahlung durch die für sie zuständige Familienkasse verzichte. Die Voraussetzungen für die Erfüllungswirkung einer Weiterleitungserklärung gegenüber der Beklagten seien nicht erfüllt.
26Auf Nachfrage der Beklagten teilte das LBV mit Schreiben vom 11.3.2015 mit, dass die Auflage nicht vom LBV vereinnahmt, sondern dem Bundeszentralamt für Steuern als Auflage gemeldet und zur Verfügung gestellt worden sei.
27Im Rahmen der Erörterung des Einspruchs drohte die Beklagte der Klägerin eine Verböserung an, da diese für das Kind A für den Zeitraum August 2012 bis Oktober 2012 ebenfalls die Weiterleitung bestätigt habe, was zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für A für diesen Zeitraum nebst Rückforderung des insoweit an sie ausgezahlten Kindergeldes führen könne.
28Mit Einspruchsentscheidung vom 2.7.2015 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin erfülle im Streitzeitraum zwar die Voraussetzungen zum Bezug des Kindergeldes für die beiden Töchter, jedoch habe sie das Kindergeld im Rahmen einer Weiterleitung für den Streitzeitraum bereits erhalten. Bei der dem Kindesvater auferlegten Schadenswiedergutmachung handle es sich nicht um eine Erstattung des Kindergeldes.
29Daraufhin hat die Klägerin am 4.8.2015 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes für beide Töchter für den Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2012 aufrecht erhält.
30Zur Begründung führt sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags im Wesentlichen aus:
31Sie sei weiterhin der Ansicht, dass keine mehrfache Auszahlung des Kindergelds erfolge. Bei der Schadenswiedergutmachung handle es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um die Erstattung des Kindergeldes. Der Kindesvater habe den zuviel gezahlten Betrag von 7.544 Euro als Schadenswiedergutmachung im Sinne des § 46a Nr. 2 StGB an das LBV zurückzahlen sollen, wogegen der weitere Betrag von 3.500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung habe fließen sollen. Da das Kindergeld vom nachrangig berechtigten Kindesvater zurückgezahlt worden sei, stehe ihr, der Klägerin, als vorrangig Berechtigter nunmehr wiederum die Auszahlung zu.
32Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Weiterleitungsbestätigungen. Sie habe darin nämlich weder Angaben im Hinblick darauf gemacht, dass sie ihren Anspruch als erfüllt ansehe und auf die Auszahlung von Kindergeld verzichte, noch Angaben gegenüber der für sie, der Klägerin, zuständigen Familienkasse gemacht.
33Unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 29.1.2003 VIII R 64/01 und 16.3.2004 VIII R 48/03 sei der von der Dienstanweisung der Beklagten geforderten Form nicht Genüge getan, wenn nicht deutlich gemacht werde, dass der Anspruch der vorrangig berechtigten Person als erfüllt angesehen wird. In den Entscheidungen vom 1.7.2003 VIII R 94/01 und vom 11.3.2003 VIII R 77/01 habe der BFH dies mit dem Risiko der doppelten Inanspruchnahme begründet.
34In der Dienstanweisung V 34 DA – KG 2014, Abs. 3 S. 4 und S. 6 sei vorgeschrieben, wie die beteiligten Familienkassen beim Berechtigtenwechsel zusammenwirken sollten. Darin werde verlangt, dass die Familienkasse bezeichnet werde, bei der der vorrangig Berechtigte den Kindergeldantrag gestellt habe. In S. 4 werde verlangt, dass der vorrangig Berechtigte gegenüber der für ihn zuständigen Familienkasse erkläre, dass sein voraussichtlicher Auszahlungsanspruch erfüllt sei.
35Der Zugang und die Kenntnisnahme der Weiterleitungserklärungen seitens des LBV führe nicht dazu, dass der ihr zustehende Kindergeldanspruch als erfüllt gelte. Sie verweise auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22.11.2011 Az. 12 K 52/11. Darin werde ausgeführt, der vorrangig Berechtigte könne weiterhin seinen Kindergeldanspruch geltend machen, wenn die zuständige Familienkasse keine Kenntnis von der Erklärung des vorrangig Berechtigten habe. Zugang und Kenntnisnahme durch die Familienkasse des nachrangig Berechtigten könnten nicht der Familienkasse des vorrangig Berechtigten zugerechnet werden.
36Im BFH-Urteil vom 1.7.2003 heiße es, dass Voraussetzung für eine zu beachtende Weiterleitung „die Benennung der Familienkasse, bei welcher der allein/vorrangig Berechtigte den Antrag auf Kindergeld gestellt hat“ sei.
37Nach ihrer – der Klägerin – Ansicht hätte das LBV als für den Kindesvater zuständige Familienkasse die Weiterleitungserklärung daher nicht als wirksam ansehen dürfen.
38Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte am 17.12.2015 einen „Erstattungsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung“, demzufolge 552 € als ausgezahltes Kindergeld für die Tochter A für August bis Oktober 2012 zu erstatten sei. Zur Begründung führte die Beklagte aus, für diesen Zeitraum sei Kindergeld ohne Rechtsgrund ausgezahlt worden. Die Klägerin habe die Weiterleitung betreffend A für den Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Oktober 2012 bestätigt. Den dagegen eingelegten Einspruch vom 5.1.2016, zu dessen Begründung sich die Klägerin auf die bereits vorliegende Klage bezog, wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21.7.2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Auszahlung für diese 3 Monate sei letztlich doppelt und damit hinsichtlich der tatsächlichen Auszahlung ohne Rechtsgrund erfolgt, da der Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes bereits als Folge der Weiterleitungserklärungen erfüllt gewesen sei.
39Daraufhin hat die Klägerin mit einem bei Gericht am 2.8.2016 eingegangenen Schreiben Klage erhoben und beantragt, diese als Klageerweiterung zur bereits anhängigen Klage anzusehen. Dies sei sachdienlich, da dem nunmehr angefochtenen Erstattungsbescheid derselbe Sachverhalt mit derselben Begründung beider Seiten wie in der bereits vorliegenden Klage zugrunde liege.
40Die Klägerin beantragt:
41den Abrechnungsbescheid vom 19.1.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung von 2.7.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an sie Kindergeld für die Kinder A und B für den Zeitraum 1.1.2011 bis 31.7.2012 auszuzahlen,
42sowie den Bescheid vom 17.12.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21.7.2016 aufzuheben.
43Die Beklagte beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Sie trägt vor, sie habe keine Einwände gegen die von der Klägerin vorgetragene Klageerweiterung. Ihren Abweisungsantrag begründet die Beklagte im Wesentlichen wie folgt:
46Entgegen der Behauptung der Klägerin habe diese in ihren Weiterleitungserklärungen erklärt, sie sehe ihre Zahlungsansprüche als erfüllt an. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass der Kindesvater im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens einen Betrag i.H.v. 7.544 € an das LBV gezahlt habe. Dabei handele es sich nicht um eine Rückzahlung des an den Kindesvater überzahlten Kindergeldes, sondern eine gerichtlich auferlegte Schadenswiedergutmachung, die nicht vom LBV vereinnahmt worden sei.
47Maßgeblich für eine wirksame Weiterleitungserklärung sei aus Sicht der Finanzverwaltung, dass der vorrangig Berechtigte mit seiner Unterschrift unwiderruflich bestätige, das Kindergeld für einen bestimmten Zeitraum vom nachrangig Berechtigten erhalten zu haben und daher auf die Auszahlung des Kindergeldes für diesen Zeitraum verzichte. Diese maßgeblichen Angaben können entweder im amtlichen Vordruck oder in einer formfreien Erklärung durch den vorrangig Berechtigten gemacht werden. Die Weiterleitungserklärungen der Klägerin genügten allen Anforderungen an eine wirksame Erklärung dieser Art. Die fehlende Bezeichnung der für die Klägerin zuständigen Familienkasse führe dabei nicht zur Unwirksamkeit derselben. Zwar verlange DA V 34 Abs. 3 S. 6, dass der vorrangig Berechtigte die Familienkasse bezeichne, bei der er den Kindergeldantrag gestellt habe. Dies solle jedoch lediglich das Risiko für eine doppelte Inanspruchnahme verringern. Bei dem Sachverhalt im Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts habe es sich um einen Einzelfall gehandelt, der sich mit dem Widerruf einer Weiterleitungserklärung vor deren Zugang bei der zuständigen Familienkasse beschäftige. Die Angabe der zuständigen Familienkasse durch den vorrangig Berechtigten werde nach der Rechtsprechung des BFH für die Wirksamkeit der Weiterleitungserklärung nicht als notwendig erachtet. Es reiche die Bescheinigung, das Kindergeld erhalten zu haben und die Anerkennung, seinen Anspruch als erfüllt anzusehen.
48Entscheidungsgründe
49Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 19.1.2015 und vom 17.12.2015 sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 2.7.2015 und vom 21.7.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Zu Recht nämlich hat die Beklagte im Bescheid vom 19.1.2015 das Bestehen eines Auszahlungsanspruchs betreffend das Kindergeld für beide Töchter der Klägerinnen für den Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2012 verneint, da dieser Anspruch der Klägerin als Folge der von ihr erteilten Weiterleitungserklärungen durch dreiseitigen Verrechnungsvertrag im Sinne des § 47 Abgabenordnung – AO – erloschen ist. Weiterhin hat die Beklagte ebenfalls zu Recht das an die Klägerin tatsächlich ausgezahlte Kindergeld für die drei Monate August bis Oktober 2012 in Höhe von 552 € gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert. Auch insoweit ist nämlich der Anspruch der Klägerin im Sinne des § 47 AO aus demselben Rechtsgrund wie für die vorangehenden Monate bereits erloschen; die tatsächliche Auszahlung des Kindergeldes ist daher ohne Rechtsgrund erfolgt.
50I.
51Der Bescheid vom 19.1.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2.7.2015 sind als Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) über die Kindergeldansprüche der Klägerin betreffend ihre beiden Töchter für den Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2012 rechtmäßig, soweit darin die Auszahlungsansprüche der Klägerin als erloschen, nämlich als erfüllt bezeichnet werden.
521.
53Dabei ist der Bescheid vom 19.1.2015 – wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig – als Abrechnungsbescheid über die zu Gunsten der Klägerin festgesetzten Kindergeldansprüche für die streitigen Monate betreffend beide Töchter anzusehen.
54Eine Auslegung des Bescheides und der darin verwendeten Formulierungen aus dem Empfängerhorizont der Klägerin ergibt nämlich zweierlei: Zum einen wird in dem Bescheid ausdrücklich Kindergeld von August bis November 2012 für beide Töchter zu Gunsten der Klägerin festgesetzt. Zum anderen ergibt die Auslegung aus dem Empfängerhorizont, dass sich die weitere Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2011 bis Juli 2012 aus der von der Beklagten gewählten Formulierung ergibt, bis einschließlich Juli 2012 werde der Anspruch der Klägerin als erfüllt angesehen und ihr deshalb erst ab August 2012 Kindergeld gezahlt (also nicht der Anspruch dem Grunde nach negiert). In der Einspruchsentscheidung bestätigt die Beklagte – worauf die Klägerin zurecht hinweist –, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für die Klägerin vorlägen, jedoch kein Anspruch auf Auszahlung bestehe.
55Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin bereits bei Antragstellung diesen ausdrücklich auf den Zeitraum vom 1.1.2011 bis 30.11.2012 beschränkt und die Aufhebungsbescheide des LBV gegenüber dem Kindesvater dem Antrag ebenfalls beigefügt hat. Ihr war mithin das Zusammenspiel zwischen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung gegenüber dem Kindesvater einerseits sowie der beabsichtigten Folgen der Weiterleitungserklärung hinsichtlich einer Kindergeldfestsetzung und dessen Auszahlung ihr gegenüber von vornherein bewusst. Sie hat daher sich folgerichtig beginnend bei der Einspruchsbegründung über ihre Klagebegründung bis hin zum Klageantrag auch stets nur gegen die Verweigerung der Auszahlung von Kindergeld gewendet, hat also nur eine Negation des Auszahlungsanspruchs, nicht jedoch die des Festsetzungsanspruchs dem Bescheid entnommen. Auch in der mündlichen Verhandlung ist nichts anderes zum Ausdruck gebracht worden.
562.
57Die Beklagte hat zu Recht das Bestehen eines Auszahlungsanspruchs für das Kindergeld betreffend beide Töchter der Klägerin für den Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2012 verneint. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nämlich gemäß § 47 AO als Folge eines dreiseitigen Verrechnungsvertrages durch Zahlung erloschen.
58a)
59Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis insbesondere durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass, Verjährung und Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen. Diese Aufzählung der Erlöschensgrunde ist jedoch bereits angesichts des Wortlauts der Norm („insbesondere“) nicht erschöpfend (Ratschow in: Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 47, Rz 1; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 134. Lieferung 10/2013, § 47 AO, Rz. 2). Durch einen (verfügenden) Verrechnungsvertrag können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wechselseitig zum Erlöschen gebracht werden (Ratschow in: Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 47, Rz 10 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung). Dies gilt auch für Ansprüche im Bereich der Weiterleitung von Kindergeld als einer monatlichen Steuervergütung (§ 31 S. 3 EStG) durch Abschluss eines dreiseitigen Verrechnungsvertrages (Hessisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 29.8.2000 3 K 3676/99, juris und Beschluss vom 27.9.2011 3 V 483/01, EFG 2002, 104 ebenso in der Urteilsanmerkung dazu Fumi, EFG 2002, 104, sowie Fumi, EFG 2001, 407; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. Lieferung 10/2015, § 226 AO, Rz. 65). Bei einer aufgrund eines Verrechnungsvertrages vorgenommenen Umbuchung handelt sich dabei um eine Zahlung im Sinne des § 267 BGB.
60Das Rechtsinstitut des Verrechnungsvertrags wird mit der Begründung anerkannt, dass die Abgabenordnung es als selbstverständlich voraussetze, dass auch ein Dritter in sinngemäßer Anwendung des § 267 BGB durch Zahlung das Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringen könne und nichts anderes gelten könne, wenn mit Zustimmung des Gläubigers die Steuerschuld eines Dritten statt durch Zahlung durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen getilgt werden solle. Grundsätze des Steuerrechts stünden der Anerkennung eines Verrechnungsvertrages nicht entgegen, weil der Staat als Steuergläubiger nicht auf seinen Steueranspruch verzichte und der Steuerpflichtige bis zur Tilgung der Steuerschuld Steuerschuldner bleibe (vgl. BFH, Urteil vom 21.2.1989 VII R 42/86, BFH/NV 1989, 762; FG Münster, Urteil vom 8.4.2008 11 K 6309/02 AO EFG 2008, 1597 Rn. 75, juris).
61Ein Steuerpflichtiger kann - neben der Abtretung seines Steuererstattungsanspruchs - nämlich auch beantragen, seine Forderung mit der Steuerschuld eines anderen zu verrechnen. Folgt das Finanzamt einem solchen Antrag, liegt einer derartigen Umbuchung ein öffentlich-rechtlicher Verrechnungsvertrag zugrunde. Für dessen Abschluss genügt es, dass die Vertragsparteien über die zur Verrechnung gestellten Forderungen verfügen können. Ein solcher Verrechnungsvertrag folgt den Vorschriften des Zivilrechts und kommt durch Annahme des Angebots des Erstattungsberechtigten durch das Finanzamt zustande. Die Willenserklärungen der Vertragsparteien sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Besondere Formvorschriften, insbesondere die des § 46 AO, sind nicht zu beachten, weil durch die Verrechnung nicht die Auszahlung an einen Dritten, sondern nur die Umbuchung zu dessen Gunsten ermöglicht wird und auch die Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen über den Erstattungsbetrag nicht auf den begünstigten Dritten übergeht (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.8.1994 - VI 721/89, juris, FG Münster, Urteil vom 8.4.2008 11 K 6309/02 AO, EFG 2008, 1597; BFH‑Beschluss vom 17.11.2008, VII S 21/08 (PKH), BFH/NV 2009, 605 dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG-Beschluss vom 31.8.2009 1 BvR 1620/09, nv, juris).
62b)
63Diese Grundsätze gelten auch für den Fall des Abschlusses eines Verrechnungsvertrages beim Wechsel der Kindergeldberechtigten in so genannten Weiterleitungsfällen, wenn nämlich der vorrangig Berechtigte mit einer Familienkasse als unterer Bundesfinanzbehörde einen verfügenden Verrechnungsvertrag abschließt, der den Sinn haben soll, dass die dem vorrangig Berechtigten zustehenden Kindergeld-Zahlungsansprüche mit den Rückforderungsansprüchen gegen dem nachrangig Berechtigten mit Erlö-schenswirkung verrechnet werden sollen. Denn Sinn und Zweck der dazu verwendeten Weiterleitungserklärungen der Familienkassen als Finanzbehörden ist es gerade in Fällen des Wechsels der Kindergeldberechtigten, im verkürzten Zahlungsweg den Ausgleich zwischen den grundsätzlich völlig unabhängig voneinander bestehenden Steuerrechtsverhältnissen der beiden Beteiligten zur jeweiligen Familienkasse herbeizuführen. Gerade dies ist auch die Zielrichtung desjenigen Kindergeldberechtigten, der eine derartige Weiterleitungserklärung mit dem Inhalt unterzeichnet, dass er seinen Anspruch auf Kindergeld betreffend ein bestimmtes Kind und für bestimmte Zeiträume als erfüllt ansehen und daher auf die Auszahlung von Kindergeld verzichte.
64c)
65Hier lag zur Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Erteilung des Abrechnungsbescheides vom 19.1 2015 ein wirksamer dreiseitiger Verrechnungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten als Vertrag zu Gunsten eines Dritten – nämlich des Kindesvaters – vor.
66aa)
67Das Angebot auf Abschluss dieses Verrechnungsvertrages hat die Klägerin durch Einreichung ihrer Weiterleitungserklärungen vom 16.11.2012 bzw. 27.12.2012 gegenüber dem LBV als Familienkasse des nachrangig Kindergeldberechtigten zum Zeitpunkt ihres Eingangs dort (20.11.2012 bzw. 3.1.2013) abgegeben.
68bb)
69Dieses Angebot hat die Familienkasse des Kindesvaters durch die beiden Bescheide vom 13.12.2012 und 22.1.2013 angenommen, in denen sie den jeweiligen Rückforderungsanspruch gegen den Kindesvater als erfüllt bezeichnet, so dass keine Rückzahlung angeordnet wird. Diese Bescheide hat der Kindesvater der Klägerin zugänglich gemacht, so dass sie diese ihrer Antragstellung im Oktober 2014 beifügen konnte.
70Eine Annahme des Verrechnungsvertrages durch die Beklagte als die – aufgrund des Wohnsitzes der Klägerin bereits damals abstrakt als zuständig feststehende – Familienkasse bedurfte es zur Überzeugung des Senates nicht, da die Annahme eines Antrags auf Verrechnungsvertrag nicht von der Zufälligkeit abhängen kann, ob für die beiden Kindergeldberechtigten jeweils dieselbe Familienkasse zuständig ist oder – wie hier – zum einen eine Familienkasse eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG), zum anderen eine Familienkasse, die im Wege der Organleihe von der Bundesagentur für Arbeit tätig wird. Denn in einem solchen Fall ist zur Überzeugung des Senats nicht zwischen den zwei hier beteiligten Familienkassen zu unterscheiden, sondern diese sind vielmehr als ein Vertragspartner zu betrachten (vgl. Fumi, EFG 2002, 104 und EFG 2001, 409, der die im Rahmen der Vertragsannahme handelnden Familienkassen insoweit als Einheit ansieht). Beide Familienkassen sind nämlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 11 des Finanzverwaltungsgesetzes (örtliche) Bundesfinanzbehörden. Auch im vergleichbaren Fall eines Verrechnungsvertrages zwischen Erstattungsansprüchen des Finanzamtes X, die dem Steuerpflichtigen F zustehen, mit Zahlungsansprüchen des Finanzamts Y, die gegen den Steuerpflichtigen G bestehen, wäre dies nicht anders zu sehen, jedenfalls dann nicht, wenn beide Finanzämter zum selben Landesfiskus gehören und es sich um einheitlich dem Bund zustehende Steuern handelt.
71cc)
72Sofern die Klägerin in ihrem Kindergeldantrag von 30.10.2014 einen Widerruf ihrer Willenserklärung sehen will, ist dem nicht zu folgen. Denn ein Widerruf einer empfangsbedürftigen Willenserklärung wie des Angebots auf Abschluss eines Verrechnungsvertrags ist nur vor oder gleichzeitig mit dem Zugang beim Empfänger möglich, auch wenn dieser eine Behörde ist (§ 130 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB). Dem LBV wäre ein solcher Widerruf zeitlich lange nach Erlass der bestandskräftig gewordenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide betreffend den Kindesvater zugegangen. Wie oben dargelegt, sind hier die beiden Familienkassen als Einheit zu betrachten.
73dd)
74Dass die Zahlungsansprüche der Klägerin erst formell durch den Bescheid vom 19.1.2015 festgesetzt worden sind, ändert an der Wirksamkeit des zustandegekommenen Verrechnungsvertrages nichts. Auch hinsichtlich künftiger Erstattungsansprüche kann ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrages gemacht werden (BFH-Beschluss vom 17.11.2008 VII S 21/08 (PKH), BFH/NV 2009, 605).
75ee)
76Die Wirksamkeit des Verrechnungsvertrages ist auch nicht aus anderen Gründen entfallen. Ernstlich in Betracht zu ziehen war insoweit nur eine etwaige Störung der Geschäftsgrundlage, die mangels nicht zumutbarer Vertragsanpassung zum Vertragsrücktritt berechtigt (§ 313 Abs. 1 und Abs. 3 BGB). Eine Berufung auf die Grundsätze von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt jedoch voraus, dass wesentliche tatsächliche oder rechtliche Umstände, deren Bestand die Parteien als gemeinsame Grundlage angenommen und vorausgesetzt haben, von vornherein gefehlt haben oder nach Abschluss der Verständigung weggefallen sind. Wesentlich sind die Umstände nur, wenn die Beteiligten bei objektiver Betrachtung und bei Kenntnis ihres Fehlens oder ihrer Änderung die Verständigung nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt getroffen hätten (vgl. BFH-Urteil vom 11.4.2017 IX R 24/15, BFHE 258, 199, BStBl II 2017, 1155).
77Eine solche Störung ist jedenfalls hier nicht darin zu sehen, dass – anders als die Klägerin meint – nach Abgabe ihres Angebots auf Abschluss eines Verrechnungsvertrags und Annahme desselben durch die Bescheide des LBV der Rückforderungsanspruch gegen den Kindesvater wieder aufgelebt und dieser dann durch Zahlung der Auflage des Strafrichters erfüllt worden wäre.
78Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ausweislich der Akten gab es nach den Bescheiden des LBV gegen den Kindesvater vom 13.12.2012 und 22.1.2013 keine weiteren Bescheide, die deren bestandskräftigen Inhalt abgeändert hätten. Es bestand daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Strafverfahrens durch Auflagenzahlung kein Anspruch des LBV auf Rückforderung der hier streitigen Kindergeldbeträge gegenüber dem Kindesvater.
79Mangels bestehenden Rückforderungsanspruches kann auch die Zahlung des Kindesvaters in Höhe des ursprünglich errechneten Rückforderungsanspruches nichts zur Tilgung eines solchen Rückforderungsanspruches geführt haben. Mithin ist die Geschäftsgrundlage des Verrechnungsvertrages mit der Klägerin rechtlich unverändert geblieben.
80Weshalb sich der Kläger als höherer Beamter und seine von ihm bevollmächtigte Rechtsanwältin als Strafverteidigerin gegenüber dem Strafrichter im Strafverfahren nicht unter Bezugnahme auf die bestandskräftigen Bescheide des LBV gegen die Bezeichnung einer der Auflagen als „Schadenswiedergutmachung“ gewendet haben, kann dabei unentschieden bleiben. Rechtlich ist die Zahlung des Klägers jedenfalls eine Auflagenzahlung und keine Kindergeld-Rückzahlung. Ebenso offenbleiben kann und muss, auf welcher Rechtsgrundlage die Klägerin dem Kindesvater den Betrag in Höhe des an sie weitergeleiteten Kindergeldes zurückgezahlt hat. Einen Einfluss auf die Steuerschuldverhältnisse zwischen ihr bzw. dem Kindesvater und der jeweiligen Familienkasse hatte diese Zahlung jedenfalls nicht. Sie erfolgte auf der privaten Vermögensebene.
81d)
82Schließlich ist der Abrechnungsbescheid auch formell rechtmäßig.
83Dass die Beklagte darin keinen Saldo ausgewiesen hat, ist unschädlich, da erkennbar ist, dass die Familienkasse alle Zahlungsansprüche ab frühestmöglichem Beginn Januar 2011 bis einschließlich Juli 2012 als erloschen ansieht. Im Übrigen hat sich die Form des Abrechnungsbescheids an dem mit ihm zu verfolgenden Zweck zu orientieren (vgl. BFH, Urteil vom 4.2.1997 VII R 50/96, BStBl II 1997, 479). Im Streitfall diente der Abrechnungsbescheid dazu, darzustellen, dass und wie die im selben Bescheid festgesetzten Kindergeldansprüche erloschen sind. Über diese Streitfrage gibt der Abrechnungsbescheid mit hinreichender Deutlichkeit Auskunft.
84II.
85Der Senat durfte auch über die Rechtmäßigkeit des von der Klägerin angefochtenen Bescheids vom 17.12.2015 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.7.2016 betreffend die Rückforderung der Kindergeldzahlung für die Tochter A (August bis Oktober 2012) entscheiden, da insoweit eine zulässige Klageänderung nach § 67 Abs. 1, 1. Halbsatz 1. Alternative FGO vorliegt.
86Die Klägerin hat sich mit ihrem bei Gericht am 2.8.2016 eingegangenen Schreiben innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 47 Abs. 1 S. 1 FGO gegen die Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 21.7.2016 gewendet und dieses Schreiben als Klageerweiterung bezeichnet. Sie wendet sich damit gegen einen Verwaltungsakt der Beklagten, der die Rückzahlung von Kindergeld für drei Monate betrifft, die nicht von dem bisher angefochtenen Verwaltungsakt der Beklagten mitumfasst waren. Da die Klägerin sich insoweit gegen einen anderen Verwaltungsakt als den zunächst mit der Klage angefochtenen wendet, liegt eine nachträgliche Klagenhäufung im Sinne des § 43 FGO vor (vgl. Herbert in: Gräber, FGO, 8. Auflage 2015, § 67, Rz. 13 mit weiteren Nachweisen). Dies stellt jedoch im vorliegenden Fall eine zulässige Klageänderung dar, da die Beklagte dieser Vorgehensweise spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch rügelose Einlassung im Sinne des § 67 Abs. 2 FGO zugestimmt hat.
87III.
88Der Rückforderungsbescheid vom 17.12.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21.7.2016 sind rechtmäßig, da der Beklagte die unstreitig tatsächliche Auszahlung von festgesetztem Kindergeld betreffend das Kind A für den Zeitraum August bis Oktober 2012 in Höhe von insgesamt 552 € zu Recht nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert hat.
89a)
90Zwar folgt aus dem Festsetzungsbescheid vom 19.1.2015 grundsätzlich der Zahlungsanspruch der Klägerin auch für diese drei Monate, doch war dieser aufgrund wirksam zustandegekommenen Verrechnungsvertrages (siehe oben I.) bereits nach § 47 AO erloschen. Die Weiterleitungsbestätigung der Klägerin umfasst nämlich betreffend die Tochter A ausdrücklich den Zeitraum bis einschließlich November 2012. Mithin stellt die tatsächliche Auszahlung auf einen bereits erloschenen Zahlungsanspruch rechtlich eine Doppelzahlung dar, für die ein Rechtsgrund fehlt. Vielmehr ist sie offensichtlich irrtümlich erfolgt.
91b)
92Der Rückforderungsbescheid konnte auch noch nach Ergehen der Einspruchsentscheidung über den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 19.1.2015 erlassen werden, da über Ansprüche betreffend Kindergeld als einer monatlichen Steuervergütung monatsweise entschieden wird, und zwar sowohl im Festsetzungs- als auch im Auszahlungsverfahren, das dem Erhebungsverfahren entspricht. Insoweit ist der von der Beklagten im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 19.1.2015 erteilte Verböserungshinweis irrelevant, da sich dieser Bescheid nur auf die Zeitspanne bis Juni 2012 bezieht, nicht aber auf die weiteren Monate.
93IV.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
95V.
96Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 S. 1 FGO).