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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2014 streitig, ob Unterhaltsleistungen der Klägerin an ihren in Indien lebenden Lebensgefährten für die Zeit eines Aufenthaltes des Lebensgefährten in Deutschland als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 oder § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden können.
3Die Klägerin wird alleine zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte im Streitjahr aus einer nichtselbständigen Tätigkeit ... einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von ca. 33.200 €. Sie hat keine Kinder. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug im Streitjahr 29.047 €. Nach eigenen Angaben ist die Klägerin seit mehreren Jahren mit Herrn A partnerschaftlich liiert. Eine Ehe nach deutschem oder indischem Recht besteht nicht. Ein Verlöbnis besteht ebenso nicht. Herr A ist indischer Staatsbürger und wohnt im Bundesstaat B im Südwesten von Indien.
4Vom .... Mai 2014 bis zum .... August 2014 hielt er sich in Deutschland bei der Klägerin auf. Wegen der Ein- und Ausreise wird auf die Kopie des Reisepasses (Bl. 30 der Gerichtsakte – d.A.) verwiesen.
5Der Aufenthalt erfolgte im Rahmen eines Besuchervisums (Schengen-Visums) gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Das Visum war vom 27. Mai 2014 bis zum 8. September 2014 gültig, eine Erwerbstätigkeit war ausweislich der in den Rechtsbehelfsakten befindlichen Kopie des Visums nicht gestattet. Damit Herrn A ein Visum erteilt werden konnte, gab die Klägerin am 11. März gem. § 68 AufenthG eine Verpflichtungserklärung zur Sicherung des Lebensunterhalts des Herrn A während seiner Aufenthaltszeit ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verpflichtungserklärung (Bl. 31 d.A.) verwiesen.
6Im März 2015 reichte die Klägerin ihre Einkommensteuerklärung 2014 beim Beklagten ein und machte hierin unter anderem Unterhaltsleistungen an Herrn A i.H.v. 1.593 € (8.354 € Höchstbetrag gem. § 33a Abs. 1 EStG / 365 Tage x 69 Tage Inlandsaufenthalt) geltend, welche sie später unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 (III R 10/02, BStBl II 2003, 714) auf 696 € (8.354 € Höchstbetrag gem.
7§ 33a Abs. 1 EStG x ¼ Ländergruppen-Anteil für Indien x 4 Monate) verminderte. Hierzu trug sie vor, der gewährte Unterhalt während des inländischen Aufenthalts von Herrn A sei nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung geschätzt und entsprechend der Ländergruppeneinteilung, welche auch für kurzfristige inländische Aufenthalte von Unterhaltsempfängern mit Wohnsitz im Ausland gelte, begrenzt worden. An allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen machte sie 504 € (insbes. Krankheitskosten) geltend.
8Unter dem 25. März 2015 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2014, in welchem er die Einkommensteuer bei einem zu versteuernden Einkommen von 23.836 € ohne Berücksichtigung der Aufwendungen mit 3.698 € festsetzte.
9Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 22. April 2016 als unbegründet zurückwies.
10Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage, mit welcher sie eine Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen i.H.v. 696 € (begehrte Verminderung der Einkommensteuer: 198 €) begehrt. Zur Begründung führt sie aus, ihr indischer Lebenspartner sei zwar keine unterhaltsberechtigte Person gem. § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG, jedoch eine gleichgestellte Person gem. § 33a Abs. 1 Satz 3. Unter Verweis auf die BFH-Urteile vom 23. Oktober 2002 (III R 57/99, BStBl II 2003, 187) und vom 20. April 2006 (III R 23/05, BStBl II 2007, 41) sowie das BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 (BStBl I 2015, 474) ist sie der Ansicht, ihr Lebensgefährte gehöre auch bei Erteilung eines Schengen-Visums nach §§ 4, 6 AufenthG zum begünstigen Personenkreis. Das Schengen-Visum sei – ebenso wie die Aufenthaltserlaubnis – ein Aufenthaltstitel gem. § 4 AufenthG. Zur Einreise habe sie – die Klägerin – eine Verpflichtungserklärung gem. § 68 AufenthG abgeben müssen. Es sei dadurch im Streitfall nicht ausgeschlossen, dass öffentliche Leistungen im Rahmen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft gekürzt oder gar nicht gewährt worden wären. Das BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 lasse einen Abzug von Unterhaltsleistungen bei einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG zu, dies müsse auch für den Fall des Schengen-Visums gelten.
11Die Klägerin beantragt sinngemäß,
12den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25. März 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2016 dahingehend zu ändern, dass Unterhaltsleistungen i.H.v. 696 € steuermindernd berücksichtigt werden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung trägt er vor, ein Abzug nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG scheide aus. Die Klägerin habe gegenüber Herrn A keine gesetzliche Unterhaltspflicht.
16Herr A sei auch keine nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gleichgestellte Person. Eine Gleichstellung komme nur in Betracht, wenn inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden. Mit inländischen öffentlichen Mitteln seien in der Regel Arbeitslosengeld I oder II, Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen gemeint. Die Unterhaltsleistung müsse der entscheidende Grund für die öffentliche Mittelkürzung gewesen sein. Dies sei im Streitfall nicht der Fall. Der Fall sei nicht mit dem von der Klägerin zitierten BFH-Urteil vom 20. April 2006 (III R 23/05, BStBl II 2007, 41) vergleichbar. Im dortigen Fall habe bei der Beantragung von Sozialleistungen die Gefahr einer Versagung der Aufenthaltsgenehmigung (und Ausweisung) bestanden, welche durch die Unterhaltszahlungen abgewendet worden sei. Der hier zu entscheidende Streitfall sei durch die Einreise auf Basis eines Besucher-Visums (ohne Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung) anders gelagert. Hieran ändere auch der Verweis der Klägerin auf § 4 AufenthG nichts, da dort zwischen verschiedenen Aufenthaltstitel differenziert werde.
17Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf das BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 (BStBl I 2015, 474) berufen, weil dieses nur den besonderen Fall einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG bei besonders gelagerten politischen Interessen und der Neuansiedlung von Schutzsuchenden betreffe, nicht aber ein „schlichtes“ Besuchervisum.
18Das Gericht hat die Beteiligten auf die Vorschrift des § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) und die beabsichtigte Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 30. Januar 2017 hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Einwendungen sind hiergegen nicht erhoben worden.
19Entscheidungsgründe
201. Der Senat entscheidet gem. § 94a FGO im Verfahren nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung. Der Streitwert der Klage (begehrte Verminderung der Einkommensteuer um 198 €) beträgt weniger als 500 €. Eine mündliche Verhandlung ist nach vorherigem Hinweis von keinem Beteiligten beantragt worden.
212. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
22a. Ein Abzug von gewährtem Unterhalt als außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen gem. § 33a Abs. 1 EStG scheidet aus.
23Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (Satz 1). Der Höchstbetrag nach Satz 1 erhöht sich um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach
24§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind (Satz 2). Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (Satz 3).
25Eine gesetzliche Unterhaltspflicht (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG) der Klägerin gegenüber ihrem Lebensgefährten liegt im Streitfall nicht vor. Selbst bei einem – hier nicht gegebenen – Verlöbnis würde keine Unterhaltspflicht nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 3/99, BFH/NV 2001, 969) bestehen.
26Herr A ist auch keine nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gleichgestellte Person, weil keine zu seinem Unterhalt bestimmte inländische Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen der Klägerin gekürzt (oder deshalb nicht gewährt) worden sind.
27Als mögliche Sozialleistung (öffentliche Mittel) kommt hier allenfalls Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe – in Betracht. Nach § 23 Abs. 1 SGB XII kann auch Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet werden. Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten jedoch gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts keine Sozialleistungen nach Absatz 1, wenn sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind. Auch nach einem Aufenthalt für über drei Monaten bestehen weitere Einschränkungen des Sozialhilfeanspruchs von Ausländern.
28Herr A war kein (in Deutschland zur Erwerbstätigkeit berechtigter) Arbeitnehmer oder Selbständiger, auch war er nicht nach europarechtlichen Vorschriften freizügigkeitsberechtigt. Für den hier nicht über drei Monate hinausgehenden Aufenthalt bestand demnach kein Anspruch auf Sozialhilfe.
29Aus der von der Klägerin gem. § 68 AufenthG abgegebenen Verpflichtungserklärung ergibt sich nichts Anderes. Allgemeine Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel, hier ein Schengen-Visum gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Herrn A wäre bei nicht gesichertem Lebensunterhalt keine Einreise gestattet worden. Da die Klägerin mit ihrer (freiwillig begründeten) Verpflichtungserklärung überhaupt erst die Möglichkeit für die Einreise des Herrn A geschaffen hat, kann sie einen Abzug nicht beanspruchen, weil sie sich – anders als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, bei denen der andere Partner sozialhilfeberechtigt ist und bei diesem bei eintretender Bedürftigkeit eine Kürzung oder Versagung nach sozialhilferechtlichen Regelungen zur „Bedarfsgemeinschaft“ droht – nicht in einer Zwangslage befindet. Es würde nämlich ein widersprüchliches Verhalten darstellen, sich einerseits zur Sicherung des Lebensunterhalts des Partners zu verpflichten, andererseits aber über das Argument einer potentiellen Bedürftigkeit die Zwangsläufigkeit der Unterhaltsaufwendungen ableiten zu wollen (vgl. in diesem Sinne bereits BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 3/99, BFH/NV 2001, 1233, Rn. 33 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe).
30Ein Abzug folgt auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten BFH-Urteil vom 20. April 2006 (III R 23/05, BStBl II 2007, 41), da die Fälle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht vergleichbar sind. Im dortigen Fall hat der BFH bei einer gleichgeschlechtlichen, später (unter Geltung des Lebenspartnerschaftsgesetzes) eingetragenen Lebenspartnerschaft entschieden, dass sich der deutsche Kläger in einer von § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. (heute: § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG) vergleichbaren Zwangslage befand, weil seinem ausländischen Lebenspartner bei der Beantragung von Sozialhilfe die Abschiebung drohte. Der BFH nahm dort an, dass der Lebenspartner einen Anspruch auf Sozialhilfe hatte, welcher „offenkundig“ wegen des gewährten Unterhalts entfallen war (so Rn. 37 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe). Die Fälle unterscheiden sich damit bereits durch den (möglichen) Sozialhilfeanspruch des (ausländischen) Lebensgefährten.
31Soweit die Klägerin auf das BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 (BStBl I 2015, 474) zur Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen in Fällen des § 23 AufenthG (Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen; Neuansiedlung von Schutzsuchenden) verweist, ist dem nicht zu folgen. Im Streitfall liegt bereits keine Aufenthaltsgewährung nach dieser Norm vor, im Übrigen ist das Gericht an Verwaltungsanweisungen – abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen – nicht gebunden.
32b. Im Streitfall scheidet auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen nach der allgemeinen Vorschrift des § 33 EStG aus.
33Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen gem. § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
34Unabhängig von der Frage des Konkurrenzverhältnisses zwischen den speziellen Abzugsmöglichkeiten des § 33a EStG zum allgemeinen Abzug nach § 33 EStG und der Frage, ob im Falle einer freiwillig begründeten Verpflichtung überhaupt zwangsläufige Aufwendungen vorliegen (kritisch hierzu BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 3/99, BFH/NV 2001, 1233), scheidet im Streitfall ein Abzug schon deshalb aus, weil die von der Klägerin allgemein geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen (504 €) und die geltend gemachten Unterhaltsleistungen (696 €; an dieses Begehren ist der Senat gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gebunden) die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG i.H.v. 1.742,82 € (29.047 € Gesamtbetrag der Einkünfte x 6 Prozent) nicht übersteigen und sich deshalb auf die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer nicht auswirken.
353. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Revisionszulassung gem. § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Da bereits kein gesetzlicher Anspruch auf öffentliche Mittel erkennbar ist, kann der Senat keine durch den BFH klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Rechtsfrage erkennen.