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Die Umsatzsteuer 2006 wird mit … €, die Umsatzsteuer 2007 mit … € und die Umsatzsteuer 2008 mit … € zur Tabelle festgestellt.
Die zuletzt mit … € festgesetzte Körperschaftsteuer 2007, die bisher mit … € zur Tabelle angemeldet ist, wird mit dem Betrag zur Tabelle festgestellt, der sich ergibt, wenn der anrechenbare zum 31. Dezember 2006 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer um … € erhöht, die zu berücksichtigende Gewerbesteuerrückstellung 2007 korrespondierend vermindert und von der dergestalt neu berechneten Körperschaftsteuer der bereits getilgte Betrag von … € abgezogen wird.
Die Berechnung des zur Tabelle festzustellenden Betrages wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Kläger (Finanzamt) auferlegt.
Die Körperschaftsteuer 2008 wird mit … € zur Tabelle festgestellt.
Es wird festgestellt, dass die Bescheide zur Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und zur Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2005 und 2006 insoweit rechtswidrig sind, wie alle Feststellungen um jeweils … € zu niedrige Verlustbeträge ausweisen.
Es wird festgestellt, dass der Gewerbesteuermessbescheid 2007 insoweit rechtswidrig ist, wie der Gewerbesteuermessbetrag auf einem um … € zu niedrigen zum 31. Dezember 2006 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust abzüglich einer korrespondierend zu berücksichtigenden Minderung der Gewerbesteuerrückstellung 2007 beruht.
Im Übrigen wird die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu den Gewerbesteuermessbeträgen 2007 und 2008, der Bescheide über Gewerbesteuermessbetrags-Zerlegung 2006 bis 2008, der Bescheide zur gesonderten Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31. Dezember 2005 bis 2008 und der Bescheide zur gesonderten Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 bis 2008 festgestellt.
Die weitergehende Klage auf Feststellung der Körperschaftsteuer 2007 zur Tabelle und auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Bescheide zur gesonderten Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31. Dezember 2005 und 2006 und der Bescheide zur gesonderten Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaft-steuer auf den 31. Dezember 2005 und 2006 sowie des Gewerbesteuermessbescheides 2007 wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird hinsichtlich der Entscheidung zum Gewerbesteuermessbescheid 2008, zur Zerlegung des Gewerbesteuermessbescheids 2008 sowie zum vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2008 zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen des Klägers zu den Einkünften der Insolvenzschuldnerin, der P GmbH – GmbH –. Der Beklagte ist anlässlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zu deren Insolvenzverwalter bestellt worden.
3Die GmbH ist eine im Jahr … gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gegenstand der Handel mit… war. Die Gesellschaftsanteile wurden von … gehalten, die auch Geschäftsführer der GmbH waren. Seit 2010 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ( IN …) war nur noch Herr I Geschäftsführer der Gesellschaft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vertragsakte des Beklagten sowie den Auszug aus dem Handelsregister (HRB … des Amtsgerichts Köln) verwiesen.
4Die GmbH wurde zunächst auf der Basis der von ihr in den Jahren 2006 und 2007 abgegebenen Steuererklärungen zu den Festsetzungen und Feststellungen der Jahre 2005 und 2006 veranlagt. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Für die Jahre 2003 bis 2005 wurde im Jahr 2007 eine Außenprüfung bei der GmbH durchgeführt, bei der unter anderem Mängel in der Kassenführung festgestellt wurden. Wegen der Feststellungen im Einzelnen wird auf den Betriebsprüfungsbericht für die Jahre 2003 bis 2005 vom 29. Oktober 2007, insbesondere Tz. 2.2 und 2.3 (Rechtsbehelfsakte II) verwiesen.
5Nach der Außenprüfung erging unter dem 2. Januar 2008 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2005, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2005 erging unter dem 3. Januar 2008 ein Änderungsbescheid über null Euro mit dem ebenfalls der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Der Gewerbesteuermessbescheid 2005 wurde geändert. Der Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2005 wurde unter dem 14. Januar 2008 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geändert und der verbleibende Verlustvortrag mit null Euro festgestellt.
6Für das Jahr 2006 gab die GmbH im Jahr 2007 die Steuererklärungen ab. Die Umsatzsteuererklärung stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Sie führte zu einer Festsetzung i.H.v. … €.
7Auf der Basis der von ihr abgegebenen Ertragssteuererklärungen wurde die GmbH zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Körperschaftsteuer 2006 veranlagt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde im Jahr 2008 aufgehoben. Die Körperschaftsteuer wurde mit null Euro festgesetzt. Ein Änderungsbescheid (vom 6. August 2009) ergab sich aufgrund der Anpassung an die Betriebsprüfungsergebnisse der Vorjahre. Es blieb bei der Festsetzung auf null Euro. Der Gewerbesteuermessbetrag 2006 wurde mit endgültigem Bescheid vom 3. Dezember 2008 auf null Euro festgesetzt, der vortragsfähige Gewerbeverlust auf … € festgestellt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
8Die Erklärungen zur Umsatzsteuer 2007 und 2008 standen jeweils Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Bei den Ertragssteuern erfolgten die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung 2007 unter dem 26. November bzw. 5. Dezember 2008 endgültig. Die Veranlagungen zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2008 erfolgten unter dem 11. bzw. 20. November 2009 jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
9Im Mai 2010 wurde eine Außenprüfung bei der GmbH angeordnet, die unter anderem die hier streitbefangenen Steuern der Jahre 2006 bis 2008 betraf. Infolge einer Anzeige, die den Verdacht von Kassenmanipulationen begründete, wurde die Prüfung am gleichen Tag auf die Jahre 2003 bis 2005 erweitert. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Betriebsprüfungsakte 2003 bis 2005 Bezug genommen.
10Im Rahmen der Außenprüfung in den Jahren 2010 und 2011 bestand zunächst der Verdacht erheblicher Schwarzeinkäufe, der aber entkräftet werden konnte. Im Kern verblieb daher die Überzeugung des Klägers von der erneuten Feststellung mangelhafter Kassenführung, da – wie bereits im Rahmen der Vorbetriebsprüfung gerügt – zwar täglich Kassenbestände ausgewiesen wurden, die aber nach Auffassung des Klägers nur rechnerisch ermittelt worden seien, da der Tagesanfangs- und -endbestand immer genau … € betragen habe. Auch seien jeweils die Geldbestände aus drei Filialen zusammengefasst worden, so dass nicht nachvollziehbar sei, wie hoch die Kassenbestände in den einzelnen Ladenlokalen am Ende des Tages gewesen seien. Weiterhin seien teilweise bis zu sieben Registrierkassen gleichzeitig eingesetzt gewesen, ohne dass völlig klar gewesen sei, an welchen Tagen die zusätzlichen (vier) Kassen eingesetzt worden seien. Außerdem ergäben sich bei einer stichprobenartigen Überprüfung Lücken bei den Z-Bons. Im Übrigen verwies der Beklagte auf ungeklärte Geldzugänge, nicht erklärbare Schwankungen der Rohgewinnaufschläge, die zudem am untersten Ende der Richtsatztabelle lägen, sowie auf Buchführungsmängel. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf Tz. 2.2 bis 2.6 des Betriebsprüfungsberichtes für die Jahre 2006 bis 2008 vom 1. Juli 2011 verwiesen (BpHA II). Der Betriebsprüfer ging daher davon aus, aufgrund der Differenzen und Unsicherheiten sei für die Jahre 2006 bis 2008 eine Hinzuschätzung i.H.v. 2 % der bisher erklärten Umsätze vorzunehmen und hinsichtlich ungeklärter Bargeldeinzahlungen auf den Privatkonten der Gesellschafter jeweils eine vGA in entsprechender Höhe anzusetzen.
11Hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2005 erging ebenfalls unter dem 1. Juli 2011 ein Prüfungsbericht (BpHA 2003 bis 2005). Unter Hinweis auf die mangelhafte Kassenführung, die bereits in dem Prüfungsbericht vom 26. Oktober 2007 zur vorangegangenen Außenprüfung dargestellt worden war, ging der Prüfer davon aus, dass wegen der im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Bareinzahlungen auf Privatkonten der Gesellschafter, für die die Mittelherkunft nicht ausreichend nachgewiesen worden sei, eine Änderung der bisherigen Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – erfolgen könne. Insoweit nahm er für das Jahr 2003 eine vGA i.H.v. … € und für das Jahr 2005 i.H.v. … € an. Für das Jahr 2005 erfolgte eine entsprechende Hinzuschätzung bei den Erlösen i.H.v. … € brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht verwiesen.
12Der Kläger folgte den Feststellungen und Bewertungen des Außenprüfers. Er erließ in der Folgezeit unter dem 19. und 30. August 2011 für die Streitjahre 2005 bis 2008 geänderte Bescheide:
131. 2005
14Es ergingen ein geänderter Umsatzsteuerbescheid, mit dem die Steuer auf … € (Differenz zum Vorbescheid … €) und ein geänderter Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005, mit dem ausgehend von einem unveränderten verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 2004 i.H.v. … € der verbleibende Verlust auf … € festgestellt wurde (Differenz zum Vorbescheid: … €). Weiterhin erging ein nach § 35b des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – geänderter Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2005, mit dem der vortragsfähige Gewerbeverlust auf … € festgestellt wurde (Differenz zum Vorbescheid über … €: … €).
152. 2006
16Es ergingen ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2006, mit dem die Umsatzsteuer auf … € festgesetzt wurde (Differenz zum Vorbescheid: … €), und ein Körperschaftsteuerbescheid 2006, mit dem die Steuer auf … € (Vorbescheid: null Euro) festgesetzt wurde, sowie ein Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2006, mit dem der verbleibende Verlustabzug auf null Euro festgestellt wurde. Der Gewerbesteuermessbetrag 2006 wurde auf … € (Vorbescheid: null Euro) festgesetzt, der verbleibende vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2006 mit null Euro festgestellt.
173. 2007
18Mit geändertem Umsatzsteuerbescheid wurde die Umsatzsteuer 2007 auf … € festgesetzt (Differenz zum Vorbescheid: … €). Die Körperschaftsteuer 2007 wurde auf … € (Vorbescheid: null Euro) festgesetzt, der zuvor ergangene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaft-steuer auf den 31. Dezember 2007 wurde aufgehoben. Der Gewerbesteuermessbetrag 2007 wurde auf … € festgesetzt (Vorbescheid: null Euro), der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2007 aufgehoben.
194. 2008
20Die Umsatzsteuer 2008 wurde auf … € (Differenz zum Vorbescheid: … €) festgesetzt. Die Körperschaftsteuer 2008 wurde auf … € festgesetzt (Differenz zum Vorbescheid … €), der Vorbehalt der Nachprüfung in dem auf null Euro lautenden Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2008 wurde aufgehoben. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde auf … € festgesetzt (Vorbescheid: null Euro). Der zuvor ergangene Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2008 wurde aufgehoben (Vorbescheid über … €).
21Hinsichtlich aller Streitjahre ergingen unter dem 30. August 2011 geänderte Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages. Streitigkeiten über den Zerlegungsmaßstab bestehen nach Lage der Akten nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidkopien verwiesen.
22Gegen alle Bescheide wandte sich die GmbH mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen. Wegen der Begründung wird auf das Einspruchsschreiben vom 13. September 2011 (Rechtsbehelfsakte II) verwiesen.
23Die Einsprüche hatten teilweise Erfolg. Mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2013 setzte der Kläger, unter Berücksichtigung zwischenzeitlich geklärter Bareinzahlungen und Reduzierung der Hinzuschätzung wegen der Kassenmängel von 2 % auf 1 % der bisher erklärten Umsätze, die Steuer teilweise herab und stellte die Verlustvorträge teilweise wie folgt höher fest:
24
Umsatzsteuer |
2005 |
auf |
|
Umsatzsteuer |
2006 |
auf |
|
Umsatzsteuer |
2007 |
auf |
|
Umsatzsteuer |
2008 |
auf |
|
Körperschaftsteuer |
2005 |
auf |
|
Körperschaftsteuer |
2006 |
auf |
|
Körperschaftsteuer |
2007 |
auf |
|
Körperschaftsteuer |
2008 |
auf |
|
Verlustvortrag Körperschaftsteuer |
31.12.2005 |
auf |
|
Verlustvortrag Körperschaftsteuer |
31.12.2006 |
auf |
|
Verlustvortrag Körperschaftsteuer |
31.12.2007 |
auf |
|
Verlustvortrag Körperschaftsteuer |
31.12.2008 |
auf |
|
Gewerbeverlust |
31.12.2005 |
auf |
|
Gewerbeverlust |
31.12.2006 |
auf |
|
Gewerbeverlust |
31.12.2007 |
auf |
|
Gewerbesteuermessbetrag |
2005 |
auf |
|
Gewerbesteuermessbetrag |
2006 |
auf |
|
Gewerbesteuermessbetrag |
2007 |
auf |
|
Gewerbesteuermessbetrag |
2008 |
auf |
Gegen die oben bezeichneten geänderten Bescheide sowie weitere ebenfalls angefochtene Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung richtete sich die von der GmbH fristgerecht erhobene Klage, mit der sie sich weiterhin gegen die Zuschätzungen des Klägers, aber nicht mehr gegen die Hinzurechnung der fehlerhaft erfassten Einnahme von …. € im Jahr 2008 wandte.
26Mit der Klagebegründung zeichnete die GmbH zunächst den Gang des Betriebsprüfungs- und des Rechtsbehelfsverfahrens nach und führte aus, dass nach Ergehen des Außenprüfungsberichtes die bis dato ungeklärten Geldzugänge mit Ausnahme des inzwischen unstreitigen Zuflusses von … € im Jahr 2008 geklärt werden konnten.
27Hinsichtlich der verbleibenden Hinzuschätzung von 1 %, d.h. in Höhe von … € (2005), von … € (2006), von … € (2007) und … € (2008) stütze sich der Kläger zu Unrecht auf die angeblich nicht ordnungsgemäße Buchführung (fehlende Z-Bons) und die Abweichungen im Rahmen des inneren und äußeren Betriebsvergleichs.
28Aufgrund der Feststellungen des Klägers (BpHA I, Feststellungen zur Kasse) seien die angeblich fehlenden Z-Bons überprüft worden. Dabei sei ein Teil der (angeblich) fehlenden Z-Bons aufgefunden worden. Andere Z-Bons hätten nicht existiert, da die entsprechenden Kassen an bestimmten Tagen nicht im Einsatz gewesen seien. Es fehlten daher wesentlich weniger Z-Bons als vom Kläger gerügt. Wegen der Feststellungen im Einzelnen wird auf die Stellungnahme vom 1. August 2011 verwiesen (Blatt 96 bis 100 d. A.). Da jeweils der Kassenbestand mit Ausnahme des einheitlichen Wechselgeldbestandes von … € auf der Bank eingezahlt worden sei, vermöge sie, die GmbH, keine Unregelmäßigkeit bei der Ermittlung des Kassenbestandes festzustellen. Die Zahl der Kassen habe je nach Witterung geschwankt. Bei schlechtem Wetter sei nur eine Kasse je Filiale im Einsatz gewesen.
29Im Zuge des Verfahrens sind die Streitgegenstände, hinsichtlich derer die GmbH keine Beschwer geltend machen konnte (Nullfestsetzungen) abgetrennt und das Verfahren durch Gerichtsbescheid vom 24. September 2013 abgeschlossen worden.
30Im Zuge des Klageverfahrens wurden sodann weitere Unterlagen zur Kassenführung, insbesondere die Bedienungsunterlagen vorgelegt.
31Daraufhin hat der Kläger ergänzend zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung vorgetragen. Es sei unstreitig, dass bei den von der Außenprüfung stichprobenartig überprüften zwei Monaten pro Prüfungsjahr in erheblichem Umfang fehlende Z-Bons festgestellt worden seien. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die GmbH einen Teil der fehlenden Bons nachgereicht habe. Auch sei völlig unklar, wann die jeweiligen Kassen im Einsatz gewesen seien.
32Die mehrfach vorgetragene rein rechnerische Ermittlung der Kassenbestände ergebe sich auch aus den Korrekturbuchungen des Geldtransitkontos, in dem immer wieder Korrekturbuchungen zur Kasse erfolgt seien, sowie der fehlerhaften Erfassung von Zahlungen mit EC-Karten.
33Hinsichtlich der Programmierungsprotokolle fehlten unter anderem Unterlagen über die von der GmbH vorgenommenen Programmierungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 12. April 2016 Bezug genommen.
34Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens erging aufgrund eines verminderten Verlustrücktrags aus 2009 unter dem 10. Oktober 2016 ein geänderter Bescheid zur Körperschaftsteuer 2008, mit dem die Körperschaftsteuer auf … € festgesetzt wurde sowie ein scheinbar geänderter Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2008, mit dem aber weiterhin die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs abgelehnt wurde, weil ein verbleibender Verlust nicht bestehe.
35Am 1. November 2016 ist sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. In der Folgezeit hat das Gericht die vom Insolvenzbeschlag nicht erfassten Streitgegenstände aus dem zuvor einheitlich geführten Verfahren abgetrennt und das abgetrennte Verfahren mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2017 abgeschlossen.
36Hinsichtlich der verbleibenden Streitgegenstände wandelte sich das Verfahren der GmbH gegen das zuvor beklagte Finanzamt, den jetzigen Kläger, in ein Verfahren auf Feststellung – der vom Beklagten nach Anmeldung zur Insolvenztabelle bestrittenen – Forderungen zur Insolvenztabelle und hinsichtlich der Grundlagenbescheide auf Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide um.
37Der Kläger hat zwischenzeitlich seine hier noch streitbefangenen Forderungen sowie die zugehörigen Nebenleistungen in nachfolgend dargestellter Höhe zur Tabelle angemeldet. Der Beklagte hat alle Anmeldungen in vollem Umfang bestritten.
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Steuer/Zinsen |
laut EE oder Änderungsbescheid |
Angemeldet |
Bestritten |
Körperschaftsteuer 2007 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
||
Solidaritätszuschlag |
voll |
||
Körperschaftsteuer 2008 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
||
Solidaritätszuschlag |
voll |
||
Körperschaftsteuer 2008 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
||
Solidaritätszuschlag |
voll |
||
Umsatzsteuer 2005 |
|||
Zinsen zur USt 2005 |
voll |
||
Umsatzsteuer 2006 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
||
Umsatzsteuer 2007 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
||
Umsatzsteuer 2008 |
voll |
||
Zinsen |
voll |
Hinsichtlich der Umsatzsteuer 2005 bestand im Rahmen der mündlichen Verhandlung Einvernehmen, dass eine Feststellung zur Tabelle bei einer vollständig getilgten Forderung nicht in Betracht komme. Der Kläger hat angekündigt, sein Begehren auf Feststellung zur Tabelle insoweit zu beschränken. Der Senat hat das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2005 daraufhin mit Beschluss vom gleichen Tag abgetrennt.
40Die Hauptgläubigerin der Gewerbesteuer, die Stadt L, hatte ihrerseits die Anmeldung ihrer Forderungen wegen Gewerbesteuer 2007 und 2008 zur Insolvenztabelle angekündigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dazu erklärt, dass die Stadt zwischenzeitig mitgeteilt habe, eine Anmeldung werde nicht erfolgen, da die Forderungen in vollem Umfang getilgt seien. Zur Tabelle angemeldet seien aber die Gewerbesteuerforderungen der Folgejahre.
41Der Kläger hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 3. Mai 2017 gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2, 185 der Insolvenzordnung – InsO – wieder aufgenommen und beantragt, die streitbefangenen Forderungen zur Insolvenztabelle festzustellen. Das Schreiben ist dem Beklagten entsprechend § 155 der Finanzgerichtsordnung – FGO – i.V.m. § 250 der Zivilprozessordnung – ZPO – zugestellt worden.
42Der Kläger beantragt,
43die angemeldeten Beträge der Körperschaftsteuer 2007 und 2008 und der Umsatzsteuer 2006 bis 2008 zur Tabelle festzustellen und
44die Rechtmäßigkeit der Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 2007 und 2008, zur Gewerbesteuermessbetrags-Zerlegung 2006 bis 2008, zur gesonderter Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31. Dezember 2005 bis 2008 und der Bescheide zur gesonderten Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 bis 2008 festzustellen.
45Der Beklagte beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Er verweist zur Begründung auf die Einwendungen der GmbH (Insolvenzschuldnerin) im Rahmen des vor der Insolvenzeröffnung geführten Klageverfahrens.
48Der Senat hat im Hinblick auf die Besonderheiten bei der bisher nicht zur Tabelle angemeldeten bzw. bisher nicht im Rahmen eines Prüfungstermins bestrittenen Forderungen wegen Gewerbesteuer bis 2008 darauf hingewiesen, dass die Regelung in § 179 Abs. 1 InsO auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit von Grundlagenbescheiden nur sinngemäße Anwendung finden kann. Da im vorliegenden Verfahren keine gewerbesteuerlichen Sondervorschriften, sondern ausschließlich die in den Gewerbeerträgen zu Grunde liegenden Gewinne der Insolvenzschuldnerin streitig seien, sähe der Senat die Voraussetzungen für die Aufnahme des Verfahrens durch das Bestreiten der auf den gleichen Gewerbegewinnen beruhenden Körperschaftsteueranmeldungen als gegeben an. In dem Zusammenhang ist in der mündlichen Verhandlung auch erörtert worden, dass die Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste sich zwangsläufig auf die angemeldete Gewerbesteuer 2009 ff. auswirken und insoweit ein Feststellungsinteresse grundsätzlich besteht.
49Der Senat hat die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung weiterhin darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Änderungen der Steuerfestsetzungen und -feststellungen für das Jahr 2005 zu beachten ist, dass die hier angefochtenen Bescheide aus dem Jahr 2011 bestandskräftige Bescheide geändert haben, die bereits aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind. Entgegen der bisherigen Auffassung des Klägers konnten die Bescheide daher nur bei Feststellung einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder einer Steuerhinterziehung geändert werden (§ 173 Abs. 2 S. 1 AO). Diese Voraussetzungen seien weder im Rahmen des einschlägigen Außenprüfungsberichtes noch im Verlauf des Klageverfahrens dargelegt worden. Dies müsse zur Anpassung der nachfolgenden Steuerfestsetzungen und ggf. Verlustfeststellungen führen.
50Dazu haben die Vertreter des Klägers ausgeführt, dass entgegen der Situation bei Abschluss des Außenprüfungsverfahrens, als diverse ungeklärte Geldzuflüsse den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründet hätten, dieser Verdacht nach Klärung der Geldzuflüsse nicht mehr bestehe. Auch der Kläger gesteht insoweit zu, dass die Voraussetzungen für die Änderung der Bescheide zum Veranlagungszeitraum oder Bilanzstichtag 2005 im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr dargelegt werden können.
51Entscheidungsgründe
52Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Mit Ausnahme der Veränderungen bei den Ertragsteuerbescheiden 2005 sowie den notwendigen Folgeanpassungen (I.) ist das Begehren auf Feststellung der Forderungen zur Tabelle begründet (II.). Dies gilt gleichermaßen für das Begehren auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Grundlagenbescheide (III.).
53Der Senat ist zur Entscheidung über die Feststellung der streitbefangenen Umsatz- und Körperschaftsteuern zur Tabelle wegen des vor Insolvenzeröffnung bei ihm anhängigen Klageverfahrens nach § 180 Abs. 2 InsO zuständig. Einer Entscheidung steht auch nicht die Unterbrechung des Klageverfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO analog entgegen. Der Kläger hat das unterbrochene Verfahren gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO mit dem Schreiben vom 3. Mai 2017 aufgenommen und unter Berücksichtigung der Umwandlung des ursprünglichen Anfechtungsklageverfahrens in ein Insolvenzfeststellungsverfahren (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. März 2006 VII R 11/05, BStBl II 2006, 573; vom 13. November 2007 VII R 61/06, BStBl II 2008, 790) entsprechend angepasste neue Anträge gestellt. Die Feststellung ist auch gemäß § 181 InsO zulässig, da in keinem Fall die Feststellung eines höheren Betrages, als bisher zur Tabelle angemeldet, begehrt wird. Der Feststellung eines geringeren Betrages als des angemeldeten Betrages steht § 181 InsO nicht entgegen. Hinsichtlich dieser prozessualen Voraussetzungen der Entscheidung besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten auch kein Streit, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind.
54I. Die zuletzt mit … € festgesetzte Körperschaftsteuer 2007, bisher mit … € zur Tabelle angemeldet, wird mit dem Betrag zur Tabelle festgestellt, der sich ergibt, wenn der anrechenbare zum 31. Dezember 2006 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer um … € erhöht, korrespondierend die Minderung der Gewerbesteuerrückstellung 2007 berücksichtigt und von dem dergestalt berechneten neuen Körperschaftsteuerbetrag wieder der bereits getilgte Betrag von 140,68 € abgezogen wird. Die Berechnung des exakten zur Tabelle festzustellenden Betrages wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem klagenden Finanzamt auferlegt.
55Die Bescheide zur Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und zur Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2005 und 2006 sind insoweit rechtswidrig, wie alle Feststellungen um … € zu niedrige Verlustbeträge ausweisen, im Übrigen aber rechtmäßig.
56Der Gewerbesteuermessbescheid 2007 ist insoweit rechtswidrig, wie der Gewerbesteuermessbetrag auf einem um 3.972 € zu niedrigen zum 31. Dezember 2006 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust abzüglich einer zu berücksichtigenden Minderung der Gewerbesteuerrückstellung 2007 beruht. Im Übrigen ist der Gewerbesteuermessbescheid 2007 rechtmäßig.
57Soweit das Begehren auf Feststellung zur Tabelle (Körperschaftsteuer 2007) und Feststellung der Rechtmäßigkeit der Bescheide (Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2005 und 2006 sowie zum Gewerbesteuermessbetrag 2007) unbegründet ist (Hinzuschätzung von Gewinn i.H.v. … € im Jahr 2005), beruht die Rechtswidrigkeit darauf, dass der Kläger zu der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Änderung der Bescheide für das Streitjahr 2005 nicht mehr berechtigt war. Den vorgenommenen Änderungen stand die Bestandskraft der Ausgangsbescheide des Jahres 2005 entgegen.
58Alle anderen teilweise rechtswidrigen Bescheide stellen sich hinsichtlich des hier relevanten Streitpunktes als Folgebescheide im Sinne des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO der Verlustfeststellungen zum 31. Dezember 2005 dar. Bei einer Rückgängigmachung der Korrektur im Ausgangsjahr 2005 sind diese Bescheide zwingend nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen.
59Der Kläger hat zu Unrecht mit den zunächst im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheiden für das Jahr 2005 die vorangegangenen, bestandskräftigen nach einer Außenprüfung ergangenen Bescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert und den Gewerbegewinn als Ausgangspunkt der Berechnung der Feststellungen des verbleibenden Gewerbeverlustes und des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer um … € auf den 31. Dezember 2005 bis 2007 sowie darauf aufbauend der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages 2007 erhöht.
60Für eine Änderung bestandskräftiger Feststellungs- oder Steuerbescheide nach einer Außenprüfung ist nach § 173 Abs. 2 AO (ggf. i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO) erforderlich, dass eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dabei kommt es allein darauf an, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides die vorgenommene Änderung durch eine Korrekturmöglichkeit gedeckt war (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761 m.w.N.). Dies war im Streitfall nicht der Fall. Zwar hatten der Betriebsprüfer und ihm folgend der Kläger aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgeklärten Bargeldzuflüsse den Verdacht einer Steuerhinterziehung. Dieser Verdacht hat sich aber nicht bewahrheitet, die Bargeldzuflüsse konnten aufgeklärt werden. Insofern bestand im Rahmen der mündlichen Verhandlung Einvernehmen, dass die Voraussetzungen des § 173 Abs. 2 AO für die Änderung bestandskräftiger Bescheide nach einer Außenprüfung nicht vorgelegen haben. Der Senat verzichtet daher auf weitere Ausführungen zu dieser Frage.
61Hinsichtlich der Feststellung der nach der dargestellten Korrektur verbleibenden Beträge zur Tabelle und der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Grundlagenbescheide hinsichtlich der verbleibenden Beträge wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. und III. verwiesen.
62II. Die vom Kläger zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuern 2006 bis 2008 und Körperschaftsteuern 2007 und 2008 sind mit Ausnahme des unter I. behandelten Teilbetrages der Körperschaftsteuer 2007 zur Tabelle festzustellen.
63Das Begehren des Klägers auf Feststellung zur Tabelle ist begründet. Er hat die Besteuerungsgrundlagen rechtmäßig um die umstrittenen Hinzuschätzungsbeträge erhöht und – insoweit unstreitig – auf der Basis der erhöhten Bemessungsgrundlagen die Steuer zutreffend berechnet. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlagen des Jahres 2008 um die festgestellte vGA (Zufluss von … €) hat die GmbH bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als rechtmäßig zugestanden. Insoweit ist das unsubstantiierte Bestreiten des Beklagten nicht gerechtfertigt. Ein abweichender Sachverhalt ist insoweit nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.
64Im Übrigen hat der Kläger aufgrund der festgestellten Mängel der Buchführung der GmbH dem Grunde (1.) und der Höhe nach (2.) zu Recht Zuschätzungen bei den Erlösen (Ertragssteuern) und den Umsätzen (Umsatzsteuer) vorgenommen.
651. Nach der gesicherten Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430, vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921; vom 25. März 2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743) kann die Finanzbehörde in Fällen, in denen die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verwerfen (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 158 AO Rdnr. 23, m.w.N.). Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das Finanzamt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51, unter 1.a; in BFH/NV 2012, 1921).
66Genügt die Buchführung im Ganzen nicht den Anforderungen der §§ 140 bis 148 AO (vgl. dazu Schumann, Kasse machen, aber richtig! Anforderungen an eine ordnungsmäßige Kassenführung, AO-StB 2015, 213 m.w.N.) ist nach § 162 AO eine Schätzung durchzuführen. Dies ergibt sich aus § 162 Abs. 2 Satz 2 AO, wonach die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen sind, wenn die Buchführung nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51). Entscheidend ist daher zunächst, ob die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, denn nur eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015; BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921).
67Eine formell ordnungsgemäße Buchführung setzt voraus, dass die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Auch sollen Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BStBl II 1990, 109 m.w.N.). Die Kassenbuchführung ist insbesondere dann wesentlicher Teil der Buchführung, wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
68Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer a.a.O., § 158 AO, Rdnr. 13). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 158 AO Rdnr. 2 bis 4). Selbst bei Verwerfung der Buchführung als nicht formell ordnungsgemäß ist zu beachten, dass Buchführungsmängel eine Hinzuschätzung nur dann rechtfertigen, wenn Anlass besteht, auch an der sachlichen Richtigkeit des ausgewiesenen Buchführungsergebnisses zu zweifeln (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462 m.w.N.).
69Die Feststellung der für die Schätzung relevanten Lebenssachverhalte sowie die Bestimmung, welche Schätzungsmethode dem Ziel gerecht wird, möglichst wirklichkeitsnahe Besteuerungsgrundlagen anzunehmen, ist Aufgabe des Tatsachengerichts, dem nach § 96 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis zukommt (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667 m.w.N.; zur begrenzten Anfechtbarkeit vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. August 2006 V B 96/05, BFH/NV 2007, 69).
70Im Streitfall waren bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze die Aufzeichnungen und die Buchführung der GmbH nicht nach § 158 AO der Besteuerung zu Grunde zu legen. Die Aufzeichnungen genügten nicht den Anforderungen der §§ 140 ff. AO. Der Kläger ist zu Recht davon ausgegangen, dass dies in Anbetracht der Bedeutung der Kassenbuchführung für die gesamte Buchführung der GmbH zur Verwerfung der Buchführung führt.
71Bei der GmbH fehlten in den jeweils exemplarisch überprüften zwei Monaten pro Prüfungsjahr in erheblichem Umfang Z-Bons. Daran hat sich auch durch das Auffinden einzelner Bons im Rahmen der Überprüfungen nach der Außenprüfung nichts Grundlegendes geändert. Allein die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons stellt nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. in BStBl II 2015, 743) einen gravierenden Mangel dar, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen dann nicht gesichert ist.
72Dieser festgestellte Mangel ist umso höher zu bewerten, als er bereits im Rahmen der Außenprüfung für die Vorjahre gerügt, aber nicht abgestellt worden ist. Die festgestellten Korrekturbuchungen im Geldtransitkonto machen darüber hinaus deutlich, dass die Kassenbestände wahrscheinlich nur rechnerisch ermittelt worden sind. Beim Auszählen hätten die später korrigierten Differenzen nicht eintreten können; die fehlerhafte Erfassung von EC-Kartenzahlungen hätte auffallen müssen.
73Die unstreitigen Schwankungen beim Einsatz von drei bis sieben Registrierkassen, wobei der Einsatz der einzelnen Kassen nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, führen unter Berücksichtigung der fehlenden Z-Bons dazu, dass der Kassenbuchführung der GmbH kein Glauben geschenkt werden kann. Die vorliegenden Anzeigen mit der Behauptung, einzelne Registrierkassen seien tageweise zusätzlich eingesetzt worden, ohne dass die über diese Kassen vereinnahmten Beträge in die Gesamtkasse eingeflossen seien, beleuchten nur erneut die Unüberprüfbarkeit der Gesamtkassenführung bei den oben bereits dargestellten Mängeln.
74Die teilweise fehlenden Programmierungsunterlagen zu den Registrierkassen stellen daneben einen weiteren formellen Mangel und einen selbstständigen Grund für die Schätzung dem Grunde nach dar.
75Die festgestellten Mängel in der Kassenbuchführung nehmen nach Überzeugung des erkennenden Senats der gesamten Buchführung der GmbH die Ordnungsmäßigkeit, da in dem Unternehmen – unstreitig – vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH/NV 2012, 1921 m.w.N.) und der Finanzgerichte (vgl. z.B. FG Münster, Urteil vom 26. Juli 2012 4 K 2071/09 E, U, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 1982; FG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06 E, U, F, EFG 2008, 1256 m.w.N.).
762. Die Zuschätzung in Höhe von 1 % der Umsätze ist auch der Höhe nach rechtmäßig.
77Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das bedeutet, dass das Ziel der Schätzung der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen ist, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. Seer a.a.O., § 162 AO Rdnr. 29 m.w.N.). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Schätzung ein Verfahren ist, bei dem mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden, obwohl eine sichere Feststellung trotz Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Die Unschärfe, die jeder Schätzung anhaftet, muss der Steuerpflichtige, soweit sie sich zu seinen Ungunsten auswirkt, hinnehmen; dies gilt zumindest dann, wenn er den Anlass für die Schätzung gegeben hat. Dabei ist eine Schätzung rechtmäßig, wenn sie innerhalb des durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmens bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259 m.w.N.). Es entspricht daher der herrschenden Meinung, dass die Finanzbehörde berechtigt ist, im Rahmen ihres Schätzungsspielraums bei den steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei den steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze der Wahrscheinlichkeit zu bleiben (vgl. Nachweise zur Rechtsprechung des BFH bei Seer a.a.O., § 162 AO Rdnr. 44). Der Beweisverderber oder Beweisvereitler darf aus seinem Verhalten keinen Vorteil ziehen. Zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses sind auch belastende Unterstellungen oder nachteilige Schlüsse im Rahmen der Beweiswürdigung gerechtfertigt (vgl. BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462; vom 16. Dezember 1992 X R 77/91, BFH NV 1993, 547).
78Bei Zugrundelegung dieser Interpretation des § 162 AO, die das erkennende Gericht für eine zutreffende Auslegung des Gesetzes hält, erweist sich die Schätzung des Klägers auch in der Höhe als rechtmäßig.
79Der Kläger hat die Zuschätzung von einem Prozent der Erlöse durch einen äußeren Betriebsvergleich in der Höhe abgesichert. Die Rohgewinnaufschlagsätze werden in den Richtsatzsammlungen für die Streitjahre 2006 bis 2008 mit einem unteren Rahmensatz von 59 %, einem Mittelsatz von 96 % und einem Höchstsatz von 150 % angegeben. Bei Überprüfung der Rohgewinnaufschlagsätze, wie sie sich aus der Buchführung der GmbH selbst ergeben, wurden in zwei Jahren Aufschlagsätze von ca. 68 % und in einem Jahr ein Aufschlagsatz von ca. 78 % festgestellt. Damit lag die GmbH am unteren Ende der Rahmen-Aufschlagsätze. Nach der, im Rahmen des Einspruchsverfahrens geminderten, Zuschätzung liegt die GmbH mit ihren Rohgewinnaufschlagsätzen immer noch deutlich unter den Mittelsätzen der Richtsatzsammlungen. Der Kläger hat die GmbH daher im Hinblick auf die vorgetragene Konkurrenzsituation als ein Unternehmen mit unterdurchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsätzen und auch weit unterdurchschnittlichen Reingewinnsätzen behandelt. Unter Berücksichtigung der gravierenden, bereits vor den Streitjahren gerügten, Mängel der Buchführung erweist sich danach die Schätzung als maßvoll. Bei der gebotenen Vermeidung einer Privilegierung derjenigen, die ihre Buchführung entgegen den gesetzlichen Regelungen nicht kontrollierbar gestalten, sieht der erkennende Senat keine Veranlassung zu einer noch weiteren Minderung der Zuschätzungen.
80Die auf der Basis der erhöhten Umsätze und Gewinne berechneten Umsatz- und Körperschaftsteuern sind danach unter Berücksichtigung zwischenzeitlich geleisteter Zahlungen in voller Höhe zur Tabelle festzustellen.
81Ein Ausspruch zur Feststellung der Nebenleistungen (Solidaritätszuschlag und Zinsen) zur Insolvenztabelle ist nicht möglich, da diese nicht (unmittelbare) Gegenstände des Klageverfahrens der GmbH waren und daher auch nicht zum Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung von Forderungen zur Tabelle geworden sind.
82III. Der Senat kann über die von der GmbH angegriffenen Bescheide zur Festsetzung und Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder deren Zerlegung, die abstrakt dazu geeignet sind, sich auf zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken, und die aufgrund der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der für die Festsetzung von Insolvenzforderungen relevanten Bescheide geworden sind, im vorliegenden Verfahren entscheiden (1.). Die Bescheide sind – mit Ausnahme der unter I. dargestellten teilweisen Rechtswidrigkeit – rechtmäßig (2.).
831. Alle im Streitgegenstand aufgeführten Bescheide sind vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden. Nach Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens (vgl. § 44 FGO) sind sie Gegenstand des Anfechtungsklageverfahrens der GmbH geworden.
84Allerdings ist das Klageverfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO analog mit der Insolvenzeröffnung nicht nur hinsichtlich der Bescheide zur Festsetzung von Umsatz- und Körperschaftsteuer, sondern auch insoweit zunächst unterbrochen worden, wie sich die streitbefangenen Bescheide „nur“ auf Insolvenzforderungen auswirken können.
85Die aus § 251 Abs. 2 AO i.V.m. § 87 InsO abgeleitete Auffassung, die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO ergreife auch Rechtsbehelfsverfahren über Bescheide, die abstrakt dazu geeignet sind, sich auf zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken, entspricht der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung des BFH zum Verhältnis von Steuer- und Insolvenzrecht (vgl. BFH-Urteile vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BStBl II 1998, 428 – noch zur Konkursordnung –; vom 1. April 2003 I R 51/02, BStBl II 2003, 779; vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BStBl II 2005, 246 jeweils m.w.N.), der Anweisungslage der Finanzverwaltung (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung – AEAO – Tz. 4.1.2 zu § 251) und der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. z.B. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rdnr. 177; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rdnr. 42, 46; Werth in Klein, AO, 13. Aufl., 2016, § 251 Rdnr. 14; Dißars in Schwarz/Pahlke, AO, § 251 Rdnr. 155). Sie entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, der insoweit der ganz herrschenden Meinung folgt.
86Die Unterbrechungswirkung dauert so lange an, bis das Verfahren nach den für das Insolvenzrecht geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (vgl. z.B. Loose a.a.O. § 251 Rdnr. 49; Jatzke a.a.O. § 251 AO Rdnr. 180; Dißars a.a.O. § 251 Rdnr. 156 m.w.N.).
87Hier hat das klagende Finanzamt den Rechtsstreit nach §§ 179, 180 InsO wieder aufgenommen, nachdem der Beklagte der Anmeldung der Körperschaftsteuern 2007 und 2008 widersprochen hat (vgl. Tabellenauszug Blatt 314/315 d. A.). Die Berechtigung des Finanzamtes zur Aufnahme unterbrochener Verfahren trotz bereits vorliegender Titulierung durch Steuerbescheide entspricht der gesicherten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. November 2013 IV B 108/13, BFH/NV 2014, 379 Rdnr. 25 m.w.N.) und ist zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig. Das Wiederaufnahmeschreiben vom 3. Mai 2017 ist dem Beklagten ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde zugestellt und damit das Verfahren gemäß § 250 ZPO wieder aufgenommen worden.
88Die Anträge zu den nur Besteuerungsgrundlagen feststellenden oder zerlegenden Bescheiden sind – und auch insoweit besteht kein Streit zwischen den Verfahrensbeteiligten – entsprechend der geänderten Prozesssituation zutreffend auf Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide umgestellt worden (vgl. zur Umstellung der Anträge im Insolvenzverfahren z.B. BFH-Beschluss vom 5. November 2013 IV B 108/13, BFH/NV 2014, 379).
89Damit liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der Rechtmäßigkeit der für die Anmeldung der Körperschaftsteuern 2007 und 2008 unmittelbar relevanten Bescheide über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 bis 2007 vor.
90Nach Überzeugung des erkennenden Senats liegen auch die Voraussetzungen für die Fortsetzung (Wiederaufnahme) des Verfahrens hinsichtlich des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 und hinsichtlich der Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2007 und 2008, hinsichtlich der Zerlegungsbescheide 2006 bis 2008 sowie der Bescheide zur gesonderten Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31. Dezember 2005 bis 2008 vor.
91Der sachlich mit dem Körperschaftsteuerbescheid 2008 – wenn auch noch nicht als Quasi-Folgebescheid wie nach Änderung der Rechtslage durch das Jahressteuergesetz 2010 – verknüpfte Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31. Dezember 2008 kann sich allerdings aus Rechtsgründen nicht auf die Festsetzung bzw. die Feststellung zur Tabelle der hier streitbefangenen und – nach Anmeldung des Klägers zur Insolvenztabelle – vom Beklagten bestrittenen Forderungen zur Körperschaftsteuer bis einschließlich 2008 auswirken. Er ist aber abstrakt geeignet, sich auf zur Tabelle festzustellende Forderungen der Folgejahre auszuwirken und ist damit unstreitig von der ursprünglichen Unterbrechungswirkung gemäß § 240 ZPO analog erfasst.
92Würde man das Recht auf Wiederaufnahme des regelmäßig mit der Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid verbundenen Verfahrens über den Verlustfeststellungsbescheid bei Bestreiten der, der Verlustfeststellung zu Grunde liegenden, Anmeldung der Körperschaftsteuer zur Tabelle nicht eröffnen, bliebe das entsprechende Verfahren unterbrochen und der – nach Aufnahme durch die Finanzbehörde – nicht mehr unterbrochene Teil (Feststellung der Körperschaftsteuer zur Tabelle) müsste abgetrennt und durch entsprechendes positives oder negatives Feststellungsurteil abgeschlossen werden.
93Das Verfahren zur Verlustfeststellung bliebe unterbrochen bis ggf. Jahre später Forderungen aus den Folgejahren zur Tabelle angemeldet und bestritten würden. Im Streitfall, in dem das Insolvenzverfahren erst acht Jahre nach dem hier betroffenen Jahr 2008 eröffnet worden ist, könnte dies theoretisch zu einer Verknüpfung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2008 mit einer zur Tabelle anzumeldenden Körperschaftsteuer 2015 oder 2016 führen. Erst nach Bestreiten dieser Forderungen könnte das Verfahren wieder aufgenommen und hinsichtlich der gleichen Tatsachen- und Rechtsfragen wie bei der Körperschaftsteuer 2008, aber möglicherweise – z.B. wegen geänderter Rechtsprechung des BFH – mit gegenläufigem Ergebnis abgeschlossen werden.
94Die teilweise anzutreffende Annahme, die Anmeldungen der Forderungen erfolgten wegen der Frist der §§ 28, 29 InsO zeitnah, geht nach den Erfahrungen des erkennenden Senats häufig an der Lebenswirklichkeit vorbei. Gerade bei fehlenden Steueranmeldungen oder -erklärungen kann die Finanzbehörde oft erst wesentlich später – ggf. nach Durchführung von Außenprüfungen – zutreffende Steuerberechnungen vornehmen, was dann zu nachträglichen Anmeldungen gemäß § 177 InsO führt. Eine Trennung der Verfahren über die Steuer und die Verlustfeststellung vermag den erkennenden Senat daher nicht zu überzeugen.
95Eine derartige Teilabwicklung anhängiger Klageverfahren wird nach seiner Auffassung auch nicht zwingend durch die einschlägigen Gesetzesvorschriften vorgegeben.
96Die analoge Anwendung des § 240 ZPO auf Steuerforderungen beruht auf § 251 Abs. 2 Satz 1 AO, der das Verhältnis der an sich eigenständigen Materien des Insolvenz- und Steuerrechtes als wesentliche Kollisionsvorschrift regelt. Danach bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung unberührt. Dies wird regelmäßig im Sinne eines Vorranges des Insolvenzrechtes vor dem Steuerrecht hinsichtlich der Geltendmachung, nicht aber der Entstehung von Ansprüchen verstanden (vgl. z.B. Dißars a.a.O. § 251 Rdnr. 12; Jatzke a.a.O. § 251 AO Rdnr. 27, 28; Loose a.a.O. § 251 Rdnr. 5, jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH).
97Die über § 251 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst in Bezug genommene Vorschrift des Insolvenzrechtes ist § 87 InsO, wonach Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können. Diese Vorschrift ist auf Bescheide, die sich nur mittelbar auf Insolvenzforderungen auswirken können auch nicht unmittelbar anwendbar.
98Die Reichweite der hier zusammenwirkenden, im Wortlaut zumindest nicht eindeutigen, Vorschriften ist daher nach dem Zweck des Normgeflechtes und ggf. weiterer Auslegungskriterien zu ermitteln. Danach dienen die Vorschriften einerseits der einheitlichen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger nach Maßgabe der gleichen insolvenzrechtlichen Regeln, andererseits sollen die Regelungen über die Abwicklung des steuerlichen Massenverfahrens nur insoweit suspendiert werden, wie dies zur Erfüllung der insolvenzrechtlichen Zielvorstellungen erforderlich ist.
99Danach erscheint es sachgerecht, über die Rechtmäßigkeit der mit einer zur Tabelle angemeldeten und bestrittenen Steuerforderung unmittelbar im Zusammenhang stehenden Verlustfeststellung, die auf den gleichen Besteuerungsgrundlagen beruht, jedenfalls bei berechtigter Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens wegen der Feststellung zur Tabelle mit dem Feststellungsurteil zugleich zu entscheiden, wenn Steuerforderung und Verlustfeststellung zuvor Gegenstand eines einheitlichen Verfahrens waren. Damit wird unter Berücksichtigung der dienenden Funktion der Verfahren über Grundlagenbescheide (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Juni 2011 IX R 38/10, BStBl II 2011, 963; vom 20. August 2014 X R 15/10, BStBl II 2015, 109; BFH-Beschluss vom 5. November 2013 IV B 108/13, BFH/NV 2014, 379) ein sachgerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Verfahrensbeteiligten herbeigeführt. Die Finanzbehörde kann einheitlich ein Verfahren abschließen. Dem Insolvenzverwalter werden aber keinesfalls Rechte (hinsichtlich bereits angemeldeter oder noch anzumeldender Steuern als Insolvenzforderungen) abgeschnitten, da er als Verfahrensbeteiligter des Insolvenzfeststellungsverfahrens alle Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nehmen kann. Diese Beteiligtenstellung des Insolvenzverwalters ist dabei aus Sicht des erkennenden Senats, der sich insoweit in Übereinstimmung mit dem BGH sieht, zwingend (vgl. dazu BGH-Beschluss vom 16. Dezember 2008 IX ZR 47/07, juris).
100Der Kläger konnte daher nach Überzeugung des Senats wegen des Bestreitens der zur Tabelle angemeldeten Körperschaftsteuer 2008 durch den Beklagten einheitlich das auf den gleichen Besteuerungsgrundlagen beruhende Verfahren zur Feststellung der Körperschaftsteuer 2008 zur Tabelle und zur Feststellung der Rechtmäßigkeit des Bescheides zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2008 aufnehmen.
101Auf die Tatsache, dass der Beklagte ausweislich der vorliegenden Insolvenztabelle die Anmeldung der hier nicht streitgegenständlichen Körperschaftsteuer 2009, auf die sich die Verlustfeststellung auf den 31. Dezember 2008 ausgewirkt hat, bestritten hat, kommt es demzufolge nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht an.
102Der Kläger hat auch wirksam das Verfahren wegen der diversen Bescheide zur Gewerbesteuer der Jahre 2005 bis 2008 aufgenommen.
103Zwar hat nach dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Hauptgläubigerin hinsichtlich der Gewerbesteuer, die Stadt L, wegen vollständiger Tilgung keine Gewerbesteuer für die Jahre 2005 bis 2008, wohl aber für die Folgejahre 2009 ff. zur Tabelle angemeldet. Hinsichtlich der Gewerbesteueranteile der Stadt M fehlen Informationen. Dies ist aber letztlich weitgehend nicht entscheidungserheblich.
104Die Gewerbesteuern der Jahre bis einschließlich 2007, wie sie sich auf der Basis der Gewerbesteuermessbescheide, der Zerlegungsbescheide, der Hebesätze der beteiligten Gemeinden und der ggf. zu verändernden vortragsfähigen Gewerbeverluste ergeben, wirken sich als steuerlich zu berücksichtigende Betriebsausgaben auch auf die angemeldete und bestrittene Körperschaftsteuer 2007 und über einen dann ggf. zu korrigierenden Verlustvortrag möglicherweise auch auf die ebenfalls bestrittene Anmeldung zur Körperschaftsteuer 2008 aus. Insoweit liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme des Rechtsstreites schon wegen der bestrittenen, auch auf diesen Bescheiden beruhenden, Körperschaftsteuern 2007 und 2008 vor.
105Nur die Bescheide für den Erhebungszeitraum 2008 (Messbetrag und Zerlegung, verbleibender Verlustabzug) liegen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand des Senats keinen aktuell bestrittenen Insolvenzforderungen zu Grunde. Trotzdem ist auch insoweit das Verfahren zu Recht und wirksam durch den Kläger aufgenommen worden. Dabei kann der Senat letztlich offenlassen, ob die Aufnahme nach § 85 InsO i.V.m. § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO (verzögerte Aufnahme bei Aktivprozess) oder als Aufnahme eines Passivprozesses erfolgt ist.
106Es liegt in der Logik des Verfahrens, dass bei einem erfolgreichen Prozess des Beklagten, also bei Feststellung der Rechtswidrigkeit der entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide (mit Auswirkungen auf Zerlegung und Verlustfeststellung) im Umfang der festgestellten Rechtswidrigkeit Erstattungsansprüche gegenüber der Gemeinde, die die Gewerbesteuer bereits vereinnahmt hat, bestehen.
107Die bei der Zerlegung von Gewerbesteuermessbeträgen nicht seltene Situation, dass die Gewerbesteuer bei der einen Gemeinde beglichen, bei der anderen aber offen geblieben ist, was auch im Streitfall nicht völlig auszuschließen ist, führt dazu, dass in derartigen Fällen die Messbescheide und die anderen auf die Gewerbesteuer einwirkenden Bescheide einerseits Basis für einen Passivprozess im Sinne des § 86 InsO, andererseits zugleich Basis für einen Aktivprozess im Sinne des § 85 InsO darstellen. Für die Finanzbehörde eröffnete dies die Möglichkeit einerseits den Rechtsstreit – zumindest bei Bestreiten angemeldeter Gewerbesteuern – von sich aus aufzunehmen, andererseits bei verzögerter Aufnahme seitens des Insolvenzverwalters entsprechend der Regelung in § 85 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzugehen.
108Auch dies zeigt, dass jedenfalls bei Streitigkeiten über einheitliche Besteuerungsgrundlagen für festzustellende Forderungen und zugehörige Bescheide, die zumindest die abstrakte Eignung haben, sich auf zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken, mit Blick auf die dienende Funktion der letztgenannten Bescheide regelmäßig die Wiederaufnahme und Entscheidung in einem einheitlichen Verfahren zwischen Finanzbehörde und Insolvenzverwalter sowohl die Interessen der durch den Insolvenzverwalter vertretenen Gläubiger als auch des Fiskus angemessen berücksichtigt. Dem Vorrang des Insolvenzrechtes ist durch die zwingende Einbeziehung des Insolvenzverwalters als Beteiligter des Verfahrens Genüge getan.
109Letztlich bedarf es im Streitfall aber auch insoweit keiner abschließenden Entscheidung, weil der Beklagte trotz ausführlicher Erörterung der Rechtsproblematik in der mündlichen Verhandlung rügelos zur Sache verhandelt und entsprechende Anträge gestellt hat. Damit wäre ggf. – soweit die Aufnahme des Verfahrens vorher unwirksam gewesen wäre – gemäß § 295 ZPO i.V.m. § 155 FGO Heilung hinsichtlich dieses Verfahrensmangels eingetreten, bei dem es sich um einen durch Verzicht heilbaren Mangel handelt (vgl. dazu BGH-Urteil vom 30. September 1968 VII ZR 93/67, BGHZ 50, 397 m.w.N.).
1102. Die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 2007 und 2008, zur Gewerbesteuermessbetrags-Zerlegung 2006 bis 2008, zur gesonderten Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31. Dezember 2005 bis 2008 und die Bescheide zur gesonderter Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 bis 2008 sind in dem Umfang, wie er bereits unter I. dargestellt worden ist, rechtswidrig, im Übrigen aber rechtmäßig.
111Soweit die Besteuerungsgrundlagen auf der gegen § 173 Abs. 2 AO verstoßenden Auswertung der Betriebsprüfungserkenntnisse für das Jahr 2005 beruhen, sind auch die Bescheide zu den Besteuerungsgrundlagen rechtswidrig.
112Im Übrigen ergeben sich materiell-rechtlich keine Abweichungen gegenüber den Gründen zur Feststellung der Umsatzsteuern 2006 bis 2008 und der Körperschaftsteuer 2007 und 2008 zur Insolvenztabelle. Den Bescheiden liegen die gleichen Besteuerungsgrundlagen wie den Körperschaftsteuern zu Grunde. Die allein streitbefangene Zuschätzung des Klägers ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellungen unter I. und II. verwiesen.
113IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Kläger ist nur zu einem sehr geringen Teil unterlegen.
114Die Revision wird hinsichtlich der Entscheidung zu den gewerbesteuerlichen Grundlagenbescheiden für den Erhebungszeitraum 2008 (Messbetrag und Zerlegung, verbleibender Verlustabzug) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.