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Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 08.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 wird geändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu errechnen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils an die Kläger neu bekannt zu geben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft entstanden und im Rahmen seines Veräußerungsverlustes im Sinne des § 17 EStG zu berücksichtigen sind.
3Der Kläger war zunächst zu einem Drittel und ab dem ....05.1987 zur Hälfte an der mit Gesellschaftsvertrag vom ....11.1979 gegründeten A & E GmbH (GmbH) mit Sitz in B beteiligt. Weiterer, zur Hälfte beteiligter Gesellschafter war ab diesem Zeitpunkt Herr D.
4Gegenstand des Unternehmens war der Einzelhandel mit ....
5Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 120.000,- DM (= 61.355,03 €), an dem der Kläger ab dem Jahre 1987 mit 60.000,- DM (= 30.677,51 €) zur Hälfte beteiligt gewesen ist.
6Am 13.02.2001 schloss die GmbH mit der Sparkasse B einen Kontokorrentkreditvertrag ab, der einen Kredit in laufender Rechnung zum Höchstbetrag von 75.000,- DM vorsah. Der Kontokorrentkredit wurde über das Konto mit der Nummer 1 geführt.
7Im Rahmen dieses Kontokorrentkreditvertrages zeichneten der Kläger sowie der Mitgesellschafter Herr D als „Mitverpflichtete“.
8In den Jahren zwischen 2001 und 2008 erzielte die GmbH die nachfolgenden Umsätze und Betriebsergebnisse:
92001 |
711.000 € Umsatz, |
Gewinn 10.000,- € |
2002 |
616.000 € Umsatz, |
Verlust 3.000,- € |
2003 |
638.000 € Umsatz, |
Verlust 42.000,- € |
2004 |
498.000 € Umsatz, |
Verlust 74.000,- € |
2005 |
431.000 € Umsatz, |
Verlust 67.000,- € |
2006 |
456.000 € Umsatz, |
Gewinn 14.000,- € |
2007 |
491.000 € Umsatz, |
Gewinn 19.000,- € |
Aus den Bilanzakten der GmbH ergibt sich, dass sich deren Anlagevermögen zum 31.12.2000 aus einer Betriebs- und Geschäftsausstattung mit einem Buchwert in Höhe von 43.106 DM zusammensetzte.
11Das Stammkapital der GmbH betrug zum 31.12.2000 ca. 40.000 DM und zum 31.12.2001 ca. 60.000 DM. Ab dem Jahre 2003 wies die GmbH ein negatives Eigenkapital von ca. 14.500 € aus, das sich in den Jahren zwischen 2004 und 2006 über ca. 89.400 € auf ca. 156.900 € bzw. ca. 151.300 € steigerte und im Jahre 2007 ca. 131.500 € betrug. Für die Jahre nach 2007 erstellte die GmbH keine Jahresabschlüsse mehr.
12Nach den betriebswirtschaftlichen Auswertungen zum 30.11.2008 erzielte die GmbH im Jahre 2008 bis zu diesem Zeitpunkt einen Umsatz in Höhe von 411.000,- € und einen Gewinn in Höhe von 32.000,- €.
13Mit notariellem Vertrag vom ....01.2009 veräußerte der Kläger seine GmbH-Geschäftsanteile an den Mitgesellschafter Herrn D zu einem Kaufpreis in Höhe von 1,‑ €. Gemäß Ziffer III dieses GmbH-Anteils-Veräußerungs- und Abtretungsvertrages sollte der Erwerber verpflichtet sein, den Veräußerer aus der im Zusammenhang mit der Gesellschaft eingegangenen Darlehensverpflichtung in Höhe von noch ca. 26.000,- € gegenüber der Sparkasse B im Innenverhältnis vollständig freizustellen. Im Außenverhältnis gegenüber der Sparkasse B sollte es bei der bisherigen Haftung verbleiben.
14U.a. aufgrund eines Eigenantrags vom ....09.2010 wurde am ....10.2010 vom Amtsgericht F - Insolvenzgericht - zum Aktenzeichen 2 gegenüber der GmbH das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.
15Im Insolvenzeröffnungsverfahren führte die als Sachverständige eingesetzte Rechtsanwältin G in ihrem Gutachten vom 21.10.2010 u.a. aus, dass der Betrieb der Schuldnerin bereits vor über 100 Jahren gegründet worden sei. Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit sei stets das ... gewesen. Letzteres sei anlässlich der Geschäftsanteilsübertragung Anfang des Jahres 2009 ausgegliedert worden.
16Der ursprüngliche Gesellschafter K - der Kläger - sei aus der GmbH ausgeschieden und habe die A & E ... GmbH gegründet. Für die Schuldnerin sei diese Ausgliederung verhängnisvoll gewesen, da der umsatzstarke Geschäftszweig der ... fortan gefehlt habe und aus dem Bereich ... kein ausreichender Umsatz habe generiert werden können. Nach Auffassung der Sachverständigen habe die Ausgliederung des Teilbetriebs ... zur Insolvenz der Schuldnerin geführt.
17In der Folgezeit trat die Sparkasse B an den Kläger heran und nahm ihn im Hinblick auf seine Mitverpflichtungserklärung für den Kontokorrentkredit der GmbH in Höhe von 35.000,- € in Anspruch. Diese Beträge wurden in Höhe von 20.000,- € am 19.11.2010 und in Höhe von 15.000,- € am 30.12.2010 gezahlt.
18Der Kläger machte den ihm aus dem Anteilsveräußerungsvertrag zustehenden Freistellungsanspruch gegenüber dem Mitgesellschafter D zivilgerichtlich vor dem Landgericht F zum Aktenzeichen 3 erfolglos geltend. Der Mitgesellschafter D verstarb am ....2011. Die Erbschaft wurde von den Angehörigen wegen Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen.
19Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Rückgriffsanspruch des Klägers als Mitverpflichteter gegen die GmbH ebenfalls nicht werthaltig gewesen ist.
20Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 machten die Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe von 30.676,51 € gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG geltend. Dabei berücksichtigte sie die Anschaffungskosten des Klägers für die GmbH-Gesellschaftsanteile vom 07.09.1979 in Höhe von 20.451,68 € und vom 26.05.1987 in Höhe von 10.225,84 €, mithin in Höhe von insgesamt 30.677,51 € abzüglich des Veräußerungserlöses in Höhe von 1,- €.
21Im Rahmen des erstmaligen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2009 vom 08.10.2010 wurde dieser Veräußerungsverlust in Höhe von 60 %, mithin 18.406,- € anerkannt. Dabei stellte sich der Beklagte auf den Standpunkt, dass der im Kalenderjahr 2009 angefallene Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an der GmbH nach § 17 EStG unter Anwendung des Teileinkünfte-verfahrens lediglich mit insgesamt 18.406,- € berücksichtigt werden könne.
22Hiergegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und machten dabei geltend, dass die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im Streitfall nicht geklärt sei.
23Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens machten die Kläger sodann geltend, dass durch die nachträgliche Inanspruchnahme des Klägers aus seiner Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der Sparkasse B nachträgliche Anschaffungskosten entstanden seien, die ebenfalls in den Veräußerungsverlust für die GmbH-Anteile einzubeziehen seien.
24Der Veräußerungsverlust sei mithin um die an die Sparkasse B gezahlte Summe in Höhe von 35.000,- € zu erhöhen.
25Am 09.06.2011 änderte der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2009 aus für das vorliegende Verfahren nicht bedeutsamen Gründen. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
26Nach Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 06.04.2011 (IX R 61/10 - Tenor: Das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot sind nicht anzuwenden, wenn objektiv wertlose Anteile aus buchungstechnischen Gründen mit einem symbolischen Kaufpreis, z.B. in Höhe von 1,- € veräußert werden) änderte der Beklagte am 08.11.2011 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2009 und berücksichtigte nunmehr einen Veräußerungsverlust in Höhe von 30.678,- €, mithin die gesamten Anschaffungskosten auf den Erwerb der GmbH-Geschäftsanteile.
27Die nachträglichen Anschaffungskosten im Hinblick auf die Bürgschaftsinanspruchnahme des Klägers wurden nicht berücksichtigt.
28Mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 wurde der Einspruch der Kläger als unbegründet zurückgewiesen.
29Dabei stellte der Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass die Zahlung des Klägers an die Sparkasse B aufgrund des im Jahre 2001 eingegangenen Haftungsversprechens bei diesem nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG führe, da sich die GmbH zum Zeitpunkt der Abgabe dieses Haftungsversprechens noch nicht in derjenigen Krise befunden habe, die letztendlich zur Insolvenz der GmbH geführt habe.
30Im Streitfall habe sich nämlich die Situation der GmbH in den Jahren 2006 und 2007 wesentlich verbessert. Nach dem Tiefststand im Jahre 2005 hätten die Umsätze bis zum Jahre 2007 kontinuierlich gesteigert werden können und hätten daneben - nach Verlusten in den Jahren 2002 bis 2005 - wieder positive Betriebsergebnisse erzielt werden können. Die nach Einlassung des Klägers in 2001 bestehende Krise habe die GmbH offensichtlich in dieser Zeit überwunden. Die Insolvenz der GmbH sei zudem nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft eingetreten.
31Da der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen beim Eingehen des Haftungsversprechens im Jahre 2001 gegenüber der Sparkasse B keine bindende Erklärung zum „Stehenlassen“ der Haftungsgarantie abgegeben habe, sei die Haftungsgarantie auch nicht krisenbestimmt gewesen.
32Im Streitfall liege auch keine Finanzplanbürgschaft vor, da durch das Haftungsversprechen keine langfristigen Darlehen, sondern nur Kontokorrentkredite und somit kurzfristige Verbindlichkeiten der GmbH abgesichert worden seien.
33Im Streitfall sei vielmehr das Haftungsversprechen während der Krise, die letztlich zur Insolvenz der GmbH geführt habe, stehen gelassen worden. Lasse der Gesellschafter eine außerhalb der Krise hingegebene Bürgschaft bzw. ein Haftungsversprechen stehen, so treffe er hierdurch eine Finanzierungsentscheidung, die als eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung zu bewerten sei und somit zu nachträglichen Anschaffungskosten führe. Die nachträglichen Anschaffungskosten seien in Höhe des Werts des Rückgriffsanspruchs gegen die Gesellschaft anzusetzen.
34Da unzweifelhaft eine GmbH im Zeitpunkt des Eintritts der Krise bereits mittellos sei, sei im vorliegenden Fall der Wert der Rückgriffsforderung mit 0,- € zu bewerten.
35Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze führten folglich die aufgrund der übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft für das Geschäftskonto der GmbH in 2010 geleisteten Zahlungen an die Sparkasse B in Höhe von 35.000,- € beim Kläger nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung, die nach § 17 EStG Berücksichtigung finden könnten.
36Im Rahmen ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass der Kläger im Jahre 2001 eine selbstschuldnerische Haftung - Bürgschaft - für einen der GmbH eingeräumten Kontokorrentkredit bei der Sparkasse B eingegangen sei. Ohne diese selbstschuldnerische Haftung des Klägers hätte die GmbH keinen Kontokorrentkredit erhalten. Der Kläger habe für die GmbH eine Bürgschaft zu Konditionen übernommen, die nicht dem unter fremden Dritten Üblichen entsprochen hätten.
37Zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme sei zu erkennen gewesen, dass die GmbH sich vor einer Krise befunden habe. Im Kalenderjahr 2002 habe die Verlustsituation begonnen. In den Kalenderjahren 2002 bis 2007 seien insgesamt Verluste in Höhe von 186.000,- € aufgelaufen. Es seien zwar in den folgenden Jahren 2006 und 2007 wieder Gewinne in Höhe von 14.000,- € und 19.000 € entstanden, allerdings habe weiterhin eine bilanzielle Überschuldung vorgelegen, die gemäß § 19 InsO einen Eröffnungsgrund darstelle. Die Krise sei daher nicht überwunden gewesen, sondern habe weiterhin bestanden.
38Schließlich sei im Kalenderjahr 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden.
39Demgegenüber stehe der Beklagte auf dem Standpunkt, dass sich die Vermögenslage der GmbH in den Jahren 2006 und 2007 erheblich verbessert habe, so dass erst eine zweite „neue“ Krise letztendlich zur Insolvenz geführt habe. Daher habe das Haftungsversprechen keinen Eigenkapitalersatzcharakter.
40Im Streitfall sei die Kreditunwürdigkeit mit Beginn der Krise im Jahr 2001 eingetreten, sodass die GmbH den Kontokorrentkredit der Sparkasse B nur aufgrund des Haftungsversprechens des Gesellschafters erhalten habe.
41Entgegen der Auffassung des Beklagten hätten die sich verbessernden Umsätze und Jahresüberschüsse in den Jahren 2006 und 2007 die Kreditwürdigkeit der GmbH nicht erhöht. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die „alte“ Krise überwunden gewesen sei und letztlich eine „neue“ Krise zur Insolvenz geführt habe.
42In die Beurteilung der Kreditwürdigkeit seien auch die Geschäftsergebnisse der Vergangenheit einzubeziehen. In den Kalenderjahren 2006 und 2007 habe weiterhin eine bilanzielle Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorgelegen. So könne eine bereits eingetretene Kreditunwürdigkeit regelmäßig unterstellt werden, wenn Banken bei der Gewährung von vorangegangenen Krediten Gesellschafterbürgschaften erhalten hätten, denen keine ausreichende Sicherheiten auf Seiten der Gesellschaft gegenüber gestanden hätten. Dies sei ein Anzeichen dafür, dass die Gesellschaft ihren Kreditbedarf nicht mehr aus eigener Kraft bestreiten könne und somit die Krise eingetreten sei. Daher habe die Krise in den Jahren 2006 und 2007 fortbestanden.
43Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die GmbH im Jahre 2008 einen Jahresumsatz in Höhe von 411.000,- € und ein Betriebsergebnis in Höhe von 32.000,- € erzielt habe, so lasse der Beklagte die Tatsache unerwähnt, dass der Jahresumsatz 2008 in der Gesamtbetrachtung des Zeitraums 2001 bis 2008 der niedrigste aller Jahre gewesen sei und dass das positive Betriebsergebnis nur durch erhebliche Einsparungen habe erzielt werden können.
44Der Hinweis auf den Jahresumsatz und das Betriebsergebnis 2008 vermöge vor diesem Hintergrund die Position des Beklagten nicht zu stärken, da sich die Kreditwürdigkeit trotz eines vermeintlich hohen Jahresumsatzes und eines positiven Betriebsergebnisses auch im Jahre 2008 nicht verbessert habe.
45Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass letztendlich die Ausgliederung des Geschäftsbereichs ... aus der GmbH für ihr weiteres Fortbestehen verhängnisvoll gewesen sei und letztendlich zur Insolvenz geführt habe, so könne dem nicht gefolgt werden. Nach Ansicht des Beklagten hätte die Insolvenz vermieden werden können, wenn der Geschäftsbereich ... nicht ausgegliedert worden wäre.
46Diese Ausführungen seien für das Klageverfahren nicht sachdienlich. Die steuerlichen Rechtsfolgen knüpften an den tatsächlichen Lebenssachverhalt an. Ob eine Insolvenz durch andere unternehmerische Entscheidungen - unabhängig davon, ob betriebswirtschaftlich sinnvoll oder nicht - hätten verhindert werden können, sei daher unerheblich.
47Darüber hinaus sei der Geschäftsbereich ... nicht ohne Grund ausgegliedert worden. Auf diese Weise sollte zumindest ein Teil, der sich in der Krise befindenden GmbH vor der drohenden Insolvenz gerettet werden, was letztendlich auch gelungen sei.
48Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass der bisherigen BFH-Rechtsprechung zu den nachträglichen Anschaffungskosten aufgrund der Änderungen des MoMiG im Rahmen der Aufhebung der §§ 32a, 32b GmbHG der Boden entzogen worden sei. Danach gebe es keine kapitalersetzenden Darlehen mehr. Nach den Neuregelungen im Rahmen des § 17 EStG seien sämtliche Gesellschafterdarlehen bei ihrem Ausfall als nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Nennwert zu berücksichtigen.
49Festzuhalten sei jedenfalls, dass durch die Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG dem Tatbestandsmerkmal der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Darlehensgewährung oder Gewährung der betreffenden Sicherheiten die Grundlage entzogen worden sei. Auch die vom Beklagten herangezogene Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers reiche als künftige Begründung kaum aus, da diese Begriffe zu wenig bestimmt seien und darüber hinaus der nunmehr nicht mehr gewährleistete Grundsatz der Rechtssicherheit unabdingbar eine spezielle gesetzliche neue Regelung erfordere. Rechtsprechung und Finanzverwaltung seien nunmehr angehalten, die bisherigen Rechtsgrundsätze zum Eigenkapitalersatzrecht zu überprüfen, gegebenenfalls aufzugeben und möglicherweise weiterzuentwickeln.
50Der Beklagte vertrete die Auffassung, der Hinweis auf die ausgereichte Bürgschaft reiche nicht aus, denn die bloße Anforderung von Bürgschaften könne auf verschiedenen Gründen beruhen. Eine derartige Absicherung von Darlehen entspräche einer verbreiteten Praxis im Bankgeschäft, so dass sie nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zulasse.
51Bei dieser Sichtweise des Beklagten stelle sich für die Kläger die Frage, wie sie den Nachweis der Kreditunwürdigkeit erbringen könnten, wenn, wie vom Beklagten behauptet, Bürgschaften häufig aber nicht nur wegen des Sicherungszwecks, sondern vor allem aufgrund der leichteren Verwertbarkeit angefordert würden. Im Streitfall sei jedenfalls der GmbH aufgrund ihrer Kreditunwürdigkeit und dem damit verbundenen Ausfallrisiko für die Bank kein normales Darlehen gewährt worden, sondern lediglich ein Kontokorrentkredit mit erheblichem Zinsaufschlag, und auch dieser nur aufgrund der Bürgschaften des Klägers. Die Argumentation des Beklagten laufe daher ins Leere, denn die Feststellung der Kreditunwürdigkeit beruhe auf einer Tatsachenwürdigung im Einzelfall, für die sich allgemein gültige Abgrenzungskriterien nur bedingt feststellen ließen.
52Der Beklagte stelle zudem bei der Überprüfung der Kreditunwürdigkeit lediglich darauf ab, dass aus den eingereichten Unterlagen nicht erkennbar sei, wieso der eingeräumte Kontokorrentkredit vom Kläger abgesichert worden sei. Demnach seien die Bankverbindlichkeiten in 2001 zurückgeführt worden, was dafür spräche, dass die Gesellschaft ihre Kreditwürdigkeit wiedererlangt habe, falls sie überhaupt jemals kreditunwürdig gewesen sei.
53Hierbei lasse der Beklagte jedoch vollkommen außer Acht, dass für die Frage der Kreditunwürdigkeit nicht lediglich auf die Summe der Verbindlichkeiten abzustellen sei. Eine Kreditunwürdigkeit könne durchaus auch vorliegen, wenn beispielsweise gar keine Verbindlichkeiten bestünden, aber auch keine entsprechenden Sicherheiten angeboten werden könnten.
54Unabhängig davon, ob Verbindlichkeiten zurückgeführt worden seien, habe die GmbH im Streitfall zum damaligen Zeitpunkt über keine ausreichenden Sicherheiten verfügt. Zudem habe sie in den Vorjahren Verlustvorträge angehäuft, sodass auch eine Prognose der zukünftigen Ertragssituation der GmbH nicht mit hinreichender Sicherheit möglich gewesen sei.
55Die Kläger beantragen,
56den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 dergestalt zu ändern, dass der Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 30.676,- € um weitere 35.000,- € auf 65.676,- € erhöht wird,
57im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
58Der Beklagte beantragt,
59die Klage abzuweisen.
60Er steht auf dem Standpunkt, dass sich die GmbH zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger das Haftungsversprechen gegenüber der Sparkasse B eingegangen sei, sich noch nicht in der derjenigen Krise befunden habe, die letztlich zur Insolvenz geführt habe.
61Der Kläger sei am 30.01.2009 aus der GmbH ausgeschieden und habe anschließend die Firma A & E ... GmbH gegründet.
62Nach den Feststellungen der Insolvenzverwalterin im Insolvenzeröffnungsbericht vom ....10.2010 sei die Ausgliederung für die GmbH verhängnisvoll gewesen, da der umsatzstarke Geschäftszweig der ... fortan gefehlt habe und aus dem Bereich ... kein ausreichender Umsatz habe generiert werden können. Der Behauptung der Kläger, die GmbH habe sich seit dem Jahr 2001 bis zur Insolvenz fortwährend in der Krise befunden, könne nach Aktenlage nicht gefolgt werden.
63Die Umsatzzahlen und die Betriebsergebnisse sowie die Feststellungen der Insolvenzverwalterin ließen den eindeutigen Schluss zu, dass sich die GmbH zumindest in den Jahren 2006 bis Ende 2008 nicht in der Krise befunden habe und ohne die Ausgliederung des Teilbetriebs ... sowie dem gleichzeitigen Ausscheiden des Kläger aus der GmbH der Betrieb habe weitergeführt und die Insolvenz habe vermieden werden können.
64Der Beklagte ist der Auffassung, dass sich unbeschadet der Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die Beurteilung der nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG nach der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung richte. Dabei sei die Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers heranzuziehen, so dass bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung auch zukünftig nachträgliche Anschaffungskosten bei uneinbringlichen Rückzahlungsansprüchen des Gesellschafters anzunehmen seien.
65Für die Frage der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung und des sich daraus ergebenen Umfangs der nachträglichen Anschaffungskosten würden somit für das im vorliegenden Streitfall zugunsten der GmbH eingegangene Haftungsversprechen des Klägers die bisherigen Rechtssprechungsgrundsätze fortgelten. Ein anzuerkennender Verlust aus § 17 EStG ergebe sich danach nicht.
66Die Frage der Kreditwürdigkeit beurteile sich immer im Hinblick auf die konkrete Gesellschafterhilfe, um deren kapitalersetzenden Charakter es gehe. Hierzu reiche der Verweis auf ausgereichte Bürgschaften nicht aus. Denn die bloße Anforderung von Bürgschaften könne auf verschiedenen Gründen beruhen. Derartige Absicherungen von Darlehen entsprächen einer verbreiteten Praxis im Bankgeschäft, so dass sie nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschafter zuließen. Dies gelte erst recht im Hinblick darauf, dass eine Bank oftmals weniger auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft als auf die Verwertbarkeit der Kreditsicherheit und damit auf ihre Ausfallsicherheit achte. Dementsprechend sei eine Gesellschaft nicht kreditunwürdig, wenn sie selbst ausreichende Sicherheiten stellen könne, die Bank dies aber nur deswegen nicht akzeptiere, sondern eine persönliche Absicherung durch die Gesellschafter verlange, weil das ihren allgemeinen Gepflogenheiten entspreche oder sie kein Vertrauen in die Sanierungsbemühungen der Geschäftsführung habe. Werde dagegen die Kreditsicherheit der Gesellschafter verlangt und gewährt, damit die Gesellschaft, die kein eigenes Sicherungsgut habe, überhaupt einen Kredit erhalte, dann spreche dies gegen ihre Kreditwürdigkeit. Ebenso könne der Fall zu beurteilen sein, dass der Gesellschafter zusätzliche Sicherheiten stelle, weil diejenigen der Gesellschaft allein dem Kreditgeber nicht ausreichten.
67Entspreche es den marktüblichen Bedingungen, dass Banken grundsätzlich keine Kredite ohne Gesellschafterbürgschaften an Gesellschaften mit beschränkter Haftung vergäben, könne aus einer diesbezüglichen Forderung der Bank für sich alleine nicht auf die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft geschlossen werden. Hinzu treten müssten vielmehr weitere Umstände, die ein besonderes Sicherungsbedürfnis der Bank erkennen ließen.
68Aus den bisher von den Klägern eingereichten Unterlagen sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen der der GmbH eingeräumte Kontokorrentkredit von ihren Gesellschaftern habe abgesichert werden müssen.
69Der vorliegende Darlehensvertrag vom 13.02.2001 reiche zur Glaubhaftmachung der Krisensituation der GmbH nicht aus, da er keine Feststellung zu ihrer Kreditwürdigkeit bei Vertragsabschluss enthalte.
70In den Bilanzen der GmbH zum 31.12.2000 und 2001 seien folgende Verbindlichkeiten der Kreditinstitute ausgewiesen:
71Zum 31.12.2000: 44.020,16 DM
72Zum 31.12.2001: 150,95 DM
73Danach seien die Bankverbindlichkeiten folglich in 2001 zurückgeführt worden. Der von der Sparkasse B eingeräumte Kontokorrentkredit sei demnach offensichtlich in 2001 von der GmbH nicht in Anspruch genommen worden bzw. zeitnah zurückgezahlt worden. Dieser Umstand lasse den Schluss zu, dass die Gesellschaft, falls sie sich damals überhaupt in einer Krise befunden habe, diese zunächst überwunden und ihre Kreditwürdigkeit kurzfristig wiedererlangt habe. Hierfür spreche auch, dass der Kläger nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditgewährung, sondern erst nach Veräußerung seiner Geschäftsanteile aufgrund der sich daran anschließenden Insolvenz der GmbH in 2010 aus der Mithaftung für den der GmbH eingeräumten Kontokorrentkredit von der Sparkasse B in Anspruch genommen worden sei.
74Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass der von den Klägern angeführte Umsatz im Jahre 2008 in Höhe von 411.000,- € auf dem Gutachten der Insolvenzverwalterin und mithin einer betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 30.11.2008 beruhe. Diese Umsatzzahl habe somit nicht den in der Regel überdurchschnittlichen Dezemberumsatz beinhaltet.
75Aus dem Schlussbericht der Insolvenzverwalterin vom ....01.2014 ergibt sich, dass die Insolvenzgläubiger eine Quote von ca. 2 % zu erwarten haben.
76Dort wird weiterhin ausgeführt, dass der Firmenwert zunächst mit einem Erinnerungswert von 1,- € angesetzt worden sei, durch die spätere Veräußerung der Kundenkartei der GmbH jedoch ein Erlös in Höhe von 14.280,- € habe erzielt werden können.
77Entscheidungsgründe:
78Die Klage ist begründet.
79Zu Unrecht hat es der Beklagte abgelehnt, die Inanspruchnahme des Klägers durch die Sparkasse B als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung seines Ver-äußerungsverlustes nach § 17 Abs. 1 und 2 EStG zu berücksichtigen.
80Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2009 ist daher rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
81I. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt gewesen ist und die Beteiligung im Privatvermögen gehalten wurde.
82Im Streitfall war der Kläger seit dem Jahre 1987 zu 50 % an der GmbH beteiligt. Zudem hielt er diese Beteiligung in seinem Privatvermögen, so wie dies vom Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 EStG vorausgesetzt wird.
83II. Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift derjenige Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
84Entsprechendes gilt für einen Veräußerungsverlust als denjenigen Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Veräußerungskosten sowie seine Anschaffungskosten den Veräußerungspreis übersteigen. Übersteigen also die Anschaffungskosten nebst den Veräußerungskosten den Veräußerungspreis, so erzielt der Steuerpflichtige durch diesen Veräußerungsvorgang einen nach § 17 Abs. 1 und 2 EStG berücksichtigungsfähigen Veräußerungsverlust.
85Im Streitfall hat der Kläger seine Anteile an der GmbH am 30.01.2009 an den Mitgesellschafter Herrn D zu einem Kaufpreis in Höhe von 1,- € veräußert.
86Die ursprünglichen Anschaffungskosten für den Erwerb dieser GmbH-Gesellschafts-anteile betrugen unstreitig insgesamt 30.676,51 €.
87Aber auch die vom Kläger aufgrund seiner „Mitverpflichtung“ für die GmbH aus dem Jahre 2001 im Jahre 2010 an die Sparkasse B gezahlten 35.000 € gehören zu seinen - nachträglichen - Anschaffungskosten für den Erwerb der GmbH-Anteile und erhöhen daher den berücksichtigungsfähigen Veräußerungsverlust.
881. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zählen neben - verdeckten - Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind und entsprechende Forderungen und Rückgriffsansprüche gegen die Gesellschaft wertlos sind (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.2014 IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781).
89Ob zu diesen nachträglichen Aufwendungen auch weiterhin - nach den bisherigen Rechtsgrundsätzen - Finanzierungshilfen oder sonstige Finanzierungsmaßnahmen in Gestalt von Darlehen, Bürgschaften, Schuldversprechen und anderen Sicherungsmitteln gehören, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft gewährt oder für diese übernimmt, ist allerdings derzeit noch nicht abschließend geklärt.
90a) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in deren Krise ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.), eine Bürgschaft übernimmt oder eine anderweitige Sicherheit stellt (§ 32a Abs. 2 GmbHG a.F.) oder eine andere Rechtshandlung im Sinne des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. unternimmt und diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten - Krise der Gesellschaft im Sinne des § 32a Abs. 1 GmbHG a.F. -, stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich vergleichbare andere Rechtshandlung vornimmt, § 32a Abs. 1 und 3 GmbHG a.F. (vgl. BFH-Urteile vom 07.12.2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778 und vom 25.05.2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029).
91Das Gleiche gilt danach, wenn eine Finanzierungsmaßnahme krisenbestimmt ist. Dies ist der Fall, wenn die zur Aufnahme der Geschäfte notwendige Finanzausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll und die Maßnahme von vorneherein als Krisenfinanzierung angelegt ist, der Gesellschafter sich also verpflichtet, das Darlehen oder die anderweitige Finanzierungshilfe auch in der Krise der Gesellschaft stehen zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.2014 IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781).
92Fehlte es an der zivilrechtlichen Voraussetzung des Eigenkapitalersatzes, hat das Darlehen nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter ist wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Das Einkommensteuerrecht respektiert danach die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Das - objektive - Nettoprinzip wird dabei durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20.08.2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783 und vom 06.05.2014 IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781).
93Im Falle der Übernahme einer Bürgschaft stellt der Bundesfinanzhof mithin bislang darauf ab, ob die Bürgschaftsübernahme gesellschaftsrechtlich veranlasst gewesen ist und daher eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat. Einen eigenkapitalersetzenden Charakter bejaht der BFH, wenn die Bürgschaft in der Krise übernommen worden oder für den Fall der Krise bestimmt gewesen ist (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854; vom 20.08.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310 sowie vom 05.02.2014 X R 5/11, BFH/NV 2014, 1018).
94b) Insoweit ist allerdings zu beachten, dass das zivilrechtliche - gesellschafts- und insolvenzrechtliche - Eigenkapitalersatzrecht, an das die bisherige ständige Rechtsprechung des BFH anknüpft, durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. 2008, 2026) mit Wirkung ab dem 01.11.2008 außer Kraft gesetzt worden ist.
95An die Stelle des durch das MoMiG aufgehobenen Eigenkapitalersatzrechts der §§ 32a und 32b GmbHG a.F. ist nunmehr die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO getreten, die eine allgemeine und grundsätzliche insolvenzrechtliche Nachrangigkeit von Darlehens- und wirtschaftlich vergleichbaren Forderungen der Gesellschafter vorsieht.
96Daher stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit die bisherigen vom BFH auf der Grundlage des handelsrechtlichen Kapitalersatzrechts nach den §§ 32a und 32b GmbHG a.F. sowie der Rechtsprechung des BGH angewandten Grundsätze der Berücksichtigungsfähigkeit von Finanzierungshilfen des Gesellschafters für seine Kapitalgesellschaft als nachträgliche Anschaffungskosten weiterhin Geltung beanspruchen können.
97c) Der Bundesfinanzhof hat es bislang unerörtert gelassen, ob es aufgrund der neuen Zivilrechtslage, die durch das MoMiG entstanden ist, geboten ist, neue Maßstäbe für Aufwendungen des Gesellschafters aufgrund von krisenbedingten Finanzierungshilfen zu entwickeln (vgl. BFH-Urteil vom 20.8.2013 IX R 43/12, BFH NV 2013, 1783).
98Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 21.10.2010, BStBl I 2010, 832) und zahlreichen Stimmen im Fachschrifttum soll das bisherige Eigenkapitalersatzrecht zur Feststellung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, fortgeführt werden (vgl. z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 13. Auflage 2014, § 17 Rn. 95; Vogt in Blümich, EStG, Stand März 2014, § 17 Rn. 627; Frotscher, EStG, Stand Juli 2013, § 17 Rn. 274).
99Zum Teil wird aber auch die Auffassung vertreten, dass weiterhin die Maßgeblichkeit des Zivilrechts gelten solle und daher unter Berücksichtigung der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sämtliche ausgefallenen Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Finanzierungshilfen mit dem Nennwert als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen seien (vgl. z.B. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 34. Auflage 2015, § 17 Rn. 174; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand September 2010, § 17 EStG Rn. 201b).
100Letztlich wird auch die Beibehaltung der Rechtsfigur der nachträglichen Anschaffungskosten befürwortet, allerdings ohne die Fortführung der strengen zivilrechtlichen Anbindung an das Eigenkapitalersatzrecht, sondern unter originär steuerrechtlicher Beurteilung der Frage, ob die betreffende Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen ist; nicht durch das Gesellschaftsverhältnis erfasste Hilfen sollen dann zwar nicht den Verlusten nach § 17 EStG zuzurechnen sein, aber von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Satz 2 EStG erfasst werden (vgl. z.B. Schneider in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, Stand Juni 2015, § 17 Rn. C 307).
101d) Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 20.03.2014 (3 K 2518/11, EFG 2014, 2136) zu der Frage Stellung genommen, welche Rechtsgrundsätze nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts der §§ 32a und 32b GmbHG a.F. durch das MoMiG für die der Beurteilung von Finanzierungshilfen des Gesellschafters für seine Kapitalgesellschaft als nachträgliche Anschaffungskosten zu gelten haben. Dabei hat er die Auffassung vertreten, dass auch nach Einführung des MoMiG diese Frage weiterhin am Maßstab der Krise der Gesellschaft zu prüfen ist.
102Diesen Rechtsstandpunkt hält der Senat auch weiterhin und für den vorliegenden Fall aufrecht. Gestützt wird diese Rechtsauffassung insbesondere durch die nachfolgenden Überlegungen.
103Das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht ist vom BFH im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit Finanzierungshilfen des Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung beurteilt werden können, herangezogen worden.
104Dabei hat der BFH als entscheidendes Tatbestandsmerkmal das Kriterium herausgearbeitet, dass die betreffende Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sein muss. Für die inhaltliche Konkretisierung und Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals hat der Bundesfinanzhof das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht der §§ 32a und 32b GmbHG a.F. herangezogen.
105Der Senat versteht den BFH aber nicht dahingehend, dass seine Bezugnahme auf das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht die Wirkung einer „dynamischen Verweisung“ entfalten soll, letzteres also nur in seiner jeweils geltenden Fassung zur Anwendung gelangen soll und im Falle seines vollständigen Wegfalls auch im Steuerrecht nicht mehr angewandt werden kann. Eine solche untrennbare Verknüpfung mit den zivilrechtlichen Regeln des Eigenkapitalersatzrechts dergestalt, dass deren zivilrechtlicher Wegfall auch zu deren steuerrechtlichen Nichtanwendbarkeit unabänderlich führt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dies umso mehr, als hierfür auch kein zwingender sachlicher Grund besteht. Denn die Zielsetzung des BFH, inhaltliche Kriterien für die Beantwortung der Frage zu finden, ob eine Finanzierungsmaßnahme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen ist, lässt sich wesentlich besser durch eine statische Verweisung erreichen, in der das vormals geltende handelsrechtliche Eigenkapitalersatzrecht auf der Grundlage der §§ 32a und 32b GmbHG a.F. sowie der Rechtsprechungsgrundsätze des BGH weiterhin Gültigkeit behält.
106Der BFH hat sich insoweit vielmehr die Dogmatik eines Rechtsinstituts des Zivilrechts zu Eigen gemacht, um ein steuerrechtliches Tatbestandsmerkmal - nämlich die Veranlassung nachträglicher Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis - inhaltlich näher zu bestimmen. Die Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts im Zivilrecht durch das MoMiG hat mithin nicht zur Folge, dass die bis dahin in ihrer Dogmatik durch den BGH entwickelten Rechtsgrundsätze des Eigenkapitalersatzrechts für das Steuerrecht keine Gültigkeit mehr haben. Dem BFH bleibt es vielmehr unbenommen, diese außersteuerrechtlichen Rechtsgrundsätze für steuerrechtliche Zwecke zu verselbständigen, weiterhin anzuwenden und möglicherweise unter Berücksichtigung der eigenen Dogmatik und Teleologie des Steuerrechts weiterzuentwickeln.
107Hinzu kommt, dass der BFH selbst - bei aller gedanklichen und inhaltlichen Nähe zum Eigenkapitalersatzrecht des Zivilrechts - immer wieder auch betont hat, dass das Steuerrecht gegenüber den primär am Gläubigerschutz orientierten zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln aufgrund seiner andersartigen Zielsetzung eigenständige Kriterien entwickelt habe und daher auch Modifikationen des zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts im Rahmen der steuerrechtlichen Anwendung denkbar und möglich seien (vgl. Urteil vom 20.08.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310).
108So hat der BFH unter anderem entschieden, dass das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F. es nicht ausschließe, den Ansatz von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG anzuerkennen (vgl. Urteil vom 19.08.2008, IX R 63/05, BStBl. II 2009, 5). Nach dem sogenannten Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F. unterliegen Tilgungs- und Zinszahlungen auf Darlehen in den dort genannten Fällen keiner Auszahlungssperre, also nicht den Regeln des Eigenkapitalersatzrechts. Gleichwohl schließe diese Freistellung der Darlehen eines Sanierungsgesellschafters von den Beschränkungen des § 32a GmbHG a.F. im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStG nicht deren Funktion als Eigenkapital aus. Denn Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung sei es, Anreize zu bieten, GmbH’s Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich benachteiligt würde.
109Und ebenso hat der BFH nachträgliche Anschaffungskosten angenommen bei einem darlehensgebenden Gesellschafter, der auf sein Kleinanlegerprivileg nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. verzichtet und mit seinen Darlehensrückforderungsansprüchen ausfällt (vgl. Urteil vom 06.05.2014 IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781). Die Regelung des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. schließe zwar die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts zivilrechtlich aus und privilegiere den Gesellschafter mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger im Insolvenzverfahren gegenüber anderen Gläubigern. Dies stehe jedoch einer steuerlichen Berücksichtigung des Darlehensausfalls als nachträgliche Anschaffungskosten nicht entgegen, wenn der Kleinanleger auf diese Privilegierung freiwillig verzichte und sich dadurch bewusst gegen eine Fremdkapital- und für eine - funktionale - Eigenkapitalfinanzierung entscheide.
110Auch dies zeigt nach Ansicht des Senats, dass der BFH die Anbindung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht im Lichte der steuerrechtlichen Dogmatik, des Telos und der Zielsetzung der steuerrechtlichen Regelungen auslegt und insoweit keine dynamische Bezugnahme auf das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht verfolgt.
111Der Senat wendet daher auch weiterhin die bisherige Rechtsprechung des BFH auf der Grundlage des zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts der §§ 32a und 32b GmbHG a. F. an und beurteilt die gesellschaftsrechtliche Veranlassung von Finanzierungshilfen und Finanzierungsmaßnahmen danach, inwieweit diese in der Krise gewährt worden, krisenbestimmt gewesen oder in der Krise der Gesellschaft belassen worden sind.
112Damit folgt der Senat insoweit auch weitgehend der von der Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben vom 21.10.2010 (BStBl. I 2010, 832) vertretenen Rechtsauffassung.
1132. Aber auch unter Berücksichtigung dieser von der Finanzverwaltung selbst vertretenen Rechtsauffassung zur Beurteilung von Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG gelangt der Senat im Streitfall zu einer stattgebenden Entscheidung.
114Denn die Übernahme derjenigen „Mitverpflichtung“ für die GmbH, aus der der Kläger von der Sparkasse B in Anspruch genommen worden ist, ohne das ihm ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen den Erwerber seiner Gesellschaftsanteile oder gegen die GmbH selbst zustand, erfolgte aufgrund gesellschaftsrechtlicher Veranlassung, so dass die streitbefangene Inanspruchnahme des Klägers bei ihm zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG führt.
115a) Im Streitfall ist es zwar nicht eindeutig, welchen zivilrechtlichen Rechtscharakter die „Mitverpflichtung“ aufweist, die der Kläger für die GmbH eingegangen ist.
116Die Beteiligten sprechen insoweit ohne jede weitere Differenzierung von einer Bürgschaftsverpflichtung des Klägers, obwohl dieser zivilrechtliche Begriff von der Sparkasse B gerade nicht verwandt worden ist. Mit dem Begriff der „Mitverpflichtung“ des Klägers kann somit anstelle einer Bürgschaft im Sinne der §§ 765 ff. BGB auch eine Schuldmitübernahme oder ein Schuldbeitritt des Klägers gemeint gewesen sein, sodass dieser nicht eine fremde Schuld - nämlich die der GmbH - abgesichert hat, sondern als weiterer (Gesamt-)Schuldner neben die GmbH getreten ist (vgl. zu den unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Schuldbeitritt und Bürgschaft Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, vor § 414 Rn. 2 ff.; Sprau in Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, vor § 765 Rn. 15).
117Die abschließende Klärung dieser Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da der Kläger letztendlich eine Sicherheit für den der GmbH gewährten Kontokorrentkredit gestellt hat, entweder in Form einer Bürgschaftsverpflichtung für fremde Schuld oder - noch weitergehend - in Gestalt eines Schuldbeitritts, der den Kontokorrentkredit zu einer eigenen (Mit)-Schuld des Klägers werden ließ.
118b) Für die Frage, ob die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die der Gesellschafter für seine Gesellschaft übernommen hat, für diesen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung führt, stellt der BFH u.a. darauf ab, ob die Bürgschaft in einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft). Eine solche Krise der Gesellschaft tritt nicht erst bei deren Insolvenzreife wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ein, sondern bereits bei Kreditunwürdigkeit, das heißt, wenn es der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, mit den vorhandenen gesellschaftseigenen Sicherungsmitteln die für die beabsichtigte Betriebsfortführung benötigten Kreditmittel zu erhalten, oder wenn solche Sicherungsmittel gänzlich fehlen. Eine Krise liegt mithin vor, wenn zwar noch keine Insolvenzreife im Sinne von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist, die Rückzahlung aber in einem solchen Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu marktüblichen Konditionen zugunsten der Gesellschaft nicht mehr in Kauf genommen hätte. Der Verlust von mehr als der Hälfte des Stammkapitals, mithin eine deutliche Verringerung des Stammkapitals, das Fehlen anderweitiger Sicherungsmittel im Vermögen der Kapitalgesellschaft oder von stillen Reserven bedingen mithin eine Kreditunwürdigkeit, die zugleich die Bewertung gestatten, dass die Kapitalgesellschaft sich in einer Krise befindet. Dabei ist die Frage, ob die Gesellschaft kreditunwürdig und damit in eine Krise geraten ist, vom Finanzgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls als Tatfrage zu entscheiden ist (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854; vom 20.08.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310 sowie vom 05.02.2014 X R 5/11, BFH/NV 2014, 1018).
119Hinsichtlich der Übernahme einer Bürgschaft durch einen Gesellschafter für Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft wird, unabhängig davon, ob eine Krisensituation der Gesellschaft feststellbar ist oder die Bürgschaft krisenbestimmt ist, zum Teil auch die Auffassung vertreten, dass in dem Fall, in dem ein Gesellschafter für Verbindlichkeiten einer wirtschaftlich gesunden Kapitalgesellschaft, unentgeltlich, ohne Sicherheitsleistungen und ohne gesicherte Rückgriffsmöglichkeit eine zeitlich unbeschränkte und bezogen auf die der Kapitalgesellschaft von ihrer Bank eingeräumte Kreditlinie unbegrenzte Bürgschaft übernimmt, davon ausgegangen werden könne, dass dieser Vorgang seine Ursache ausschließlich im Gesellschaftsverhältnis habe. Denn ein außenstehender Dritter bzw. Nichtgesellschafter würde sich die Risikoübernahme auf jeden Fall vergüten lassen und darüber hinaus seine Rückgriffsforderung in irgendeiner Weise sichern. Die bloße Möglichkeit einer Kündigung dieser Bürgschaft stehe dann ihrer Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung nicht mehr entgegen. Andere Umstände seien für diese Qualifizierung unerheblich, so z.B. ob die Bürgschaftszahlungen zu einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen und zu einer Werterhöhung der Anteile geführt haben (so Eilers/R. Schmidt, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand September 2010, § 17 Rn. 202).
120In diesem Zusammenhang vertritt Moritz (DStR 2014, 1636 (1642)) die Auffassung, dass bei einer Bürgschaft die Sache einfach erscheine. Die Übernahme einer solchen, zumal einer selbstschuldnerischen, werde in der Regel nur für denjenigen in Betracht kommen, der seiner Gesellschaft helfen, also seine Beteiligung stärken wolle; jeder andere werde eine Bürgschaft vermeiden. Die Praxis zeige allerdings, dass Bankkredite von Kreditinstituten ohne die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft der Gesellschafter - unabhängig vom üblichen Sicherungsinstrumentarium - nur in seltenen Ausnahmefällen gewährt würden. Insoweit dürften an der gesellschaftlichen Veranlassung einer Bürgschaft, die stets für den Krisenfall gegeben werde - jedenfalls nach der bisherigen Einordnung - kaum Zweifel bestehen.
121Fuhrmann und Potsch (DStR 2012, 835) weisen zudem in einer Besprechung des BFH-Urteils vom 24.01.2012 (IX R 34/10, DStR 2012, 854) darauf hin, dass eine Bürgschaft nicht immer schon dann als eigenkapitalersetzend anzusehen sei, wenn die Bank die Kreditvergabe von einer Bürgschaftsgestellung abhängig gemacht habe. Da das Verlangen einer Bürgschaft oder anderer Sicherungsmittel bei Krediten an eine GmbH nach den hausinternen Kreditvergaberichtlinien der Banken einem üblichen Standard entspreche, komme es entscheidend darauf an, warum die Bank die Bürgschaft verlange. Sei jedenfalls feststellbar, dass eine nach marktüblichen Kriterien arbeitende Geschäftsbank die eigenen Sicherheiten und die Kapitalisierung der Gesellschaft nicht als ausreichend angesehen habe, um eine positive Kreditentscheidung zu treffen, sei die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft als feststehend zu erachten.
122c) Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen, die an die gesellschaftliche Veranlassung einer Bürgschaftsübernahme durch den Gesellschafter zu stellen sind, steht für den erkennenden Senat im Streitfall fest, dass die Übernahme der „Mitverpflichtung“ des Klägers für den Kontokorrentkredit der GmbH zu einem Zeitpunkt erfolgte, als diese bereits kreditunwürdig gewesen ist, sich also in der Krise befunden hat.
123aa) Im Zeitpunkt der Übernahme der „Mitverpflichtung“ durch den Kläger im Februar 2001 betrug das Eigenkapital der GmbH ausweislich der Bilanz zum 31.12.2000 ca. 40.000,- DM. Dies bedeutet, dass die GmbH zu diesem Zeitpunkt aufgrund der in den Vorjahren erzielten Verluste bereits ca. 2/3 ihres Stammkapitals verloren hatte.
124Soweit der Beklagte demgegenüber darauf hinweist, dass die GmbH im Verlaufe des Jahres 2001 ihre Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von ca. 44.000,‑ DM habe zurückführen können, so ist dies zum einen zum Zeitpunkt der Übernahme der „Mitverpflichtung“ durch den Kläger noch nicht erkennbar gewesen. Zum anderen erhöhte sich das Eigenkapital der GmbH im Jahre 2001 lediglich auf ca. 60.000,- DM und erreichte gerade einmal wieder die Hälfte des ursprünglich eingezahlten Stammkapitals.
125Darüber hinaus führt der Umstand einer Verringerung der Verbindlichkeiten noch nicht zu einer erhöhten Kreditwürdigkeit einer Kapitalgesellschaft, die ca. 2/3 ihres Stammkapitals bereits verloren hat und keine gesellschaftseigenen Sicherungsmittel aufzuweisen vermag.
126bb) Ausweislich der Bilanzen verfügte die GmbH über keine Wirtschaftsgüter des Anlagenvermögens, die zur Sicherung aufgenommener Kredite hätten beliehen werden können. Denn die gebrauchte und teilweise technisch veraltete Betriebs- und Geschäftsausstattung kam hierfür nicht in Frage.
127Neben diesen fehlenden gesellschaftseigenen Sicherungsmitteln verfügte die GmbH auch über keine nennenswerten stillen Reserven, die zur Absicherung solcher Kredite hätten realisiert werden können. Soweit der Beklagte auf einen potentiellen Firmenwert des alteingesessenen Unternehmens der GmbH hingewiesen hat, bezweifelt der Senat, ob die Kreditinstitute ein solches immaterielles Wirtschaftsgut als Sicherungsmittel akzeptiert hätten. Darüber hinaus hat die Verwertung der Kundenkartei durch die Insolvenzverwalterin - auch wenn deren Umfang sich durch die Ausgliederung des ... erheblich vermindert haben dürfte - gezeigt, dass die Werthaltigkeit eines solchen Firmenwerts begrenzt ist und seine Realisierbarkeit zudem als erschwert und wenig praktikabel angesehen werden muss.
128cc) Angesichts der bis zum Frühjahr 2001 bereits eingetretenen Verlustsituation der GmbH, die zum Verlust von ca. 2/3 des Stammkapitals geführt hatte, sowie den fehlenden gesellschaftseigenen Sicherungsmitteln entsprang das Verlangen der Sparkasse B nach einer Absicherung weiterer Kreditengagements durch die Gesellschafter nicht lediglich den üblichen bankinternen Gepflogenheiten oder marktüblichen Gebräuchen, sondern vielmehr der Notwendigkeit, überhaupt eine Besicherung des begehrten Kredits zu erhalten, ohne die der Kredit nicht hätte gewährt werden können.
129Der Grad der Eigenkapitalisierung der GmbH sowie das Fehlen gesellschaftseigener Sicherungsmittel bildeten somit den entscheidenden Grund dafür, dass die Gesellschafter der GmbH entsprechende Sicherheiten zu stellen hatten.
130Auch dieser Umstand bestätigt die im Frühjahr 2001 bereits eingetretene Kreditunwürdigkeit und damit die Krise der GmbH.
131dd) Diese aufgrund des hälftigen Verlustes des Stammkapitals, der fehlenden gesellschaftseigenen Sicherungsmittel und stillen Reserven bedingte Kreditunwürdigkeit und damit Krise der GmbH zu Beginn des Jahres 2001 wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass es erst ca. 10 Jahre später zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gekommen ist. Insbesondere hat sich die GmbH - entgegen der Auffassung des Beklagten - in der Zwischenzeit nicht derart erholt, dass die „Mitverpflichtung“ des Klägers zwischenzeitlich ihre Eigenschaft als funktionales Eigenkapital verloren hätte.
132Denn die von der GmbH in den Jahren 2002 bis 2005 erwirtschafteten ganz erheblichen Verluste sowie das daraus resultierende beträchtliche negative Eigenkapital, das im Jahre 2007 ca. 130.000,- € betrug, zeigen, dass die GmbH trotz der in den Jahren 2006 bis 2008 erzielten - moderaten - Gewinne letztendlich in der Krise verharrte, jedenfalls weiterhin als kreditunwürdig angesehen werden muss.
133Auch die Tatsache, dass die Insolvenzverwalterin die Ausgliederung des ... Anfang des Jahres 2009 als eigentliche Insolvenzursache angesehen habe, schließt es nicht aus, dass sich die GmbH bereits im Jahre 2001 in einer Krise befunden hat. Denn die bereits im Jahre 2001 vorliegende Kreditunwürdigkeit der GmbH steht in keinem Zusammenhang mit denjenigen Ursachen, die letztendlich zum Zusammenbruch der GmbH geführt haben. Diese können vielmehr auch erst im Jahre 2009 aufgetreten sein.
134ee) Nimmt man hinzu, dass der Kläger die - der Höhe nach zwar im Umfang des Höchstbetrages des Kontokorrentkredits von 75.000,- DM begrenzte „Mitverpflichtung“ - unentgeltlich, ungesichert und zeitlich unbefristet übernommen hat, zudem als „Mitverpflichteter“ und nicht lediglich als Bürge, so wird erkennbar, dass für den Einsatz dieser Finanzierungshilfe allein das zwischen dem Kläger und der GmbH bestehende Gesellschaftsverhältnis ausschlaggebend und damit ursächlich gewesen sein kann. Da ein fremder Dritter - ein Nichtgesellschafter - das finanzielle Risiko dieser Finanzierungsmaßnahme nicht eingegangen wäre, war die vom Kläger für die GmbH eingegangene „Mitverpflichtung“ allein durch sein Gesellschaftsverhältnis zur GmbH veranlasst.
135ff) Soweit der Beklagte demgegenüber die Auffassung vertreten hat, der Kläger habe die gegenüber der Sparkasse B eingegangene „Mitverpfllichtung“ weder in der Krise der GmbH übernommen, noch sei diese Finanzierungshilfe krisenbestimmt gewesen, vielmehr sei Letztere allenfalls in der Krise „stehen gelassen“ worden und seien die nachträglichen Anschaffungskosten daher mit dem gemeinen Wert von 0,- € anzusetzen, so führt dies im Streitfall zu keinem anderweitigen Ergebnis.
136Denn selbst wenn sich die GmbH im Frühjahr 2001 noch nicht in einer Krise befunden haben sollte, so war die „Mitverpflichtung“ des Klägers jedenfalls krisenbestimmt, denn sie war - unabhängig davon, ob es sich um eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt handelte - darauf angelegt, für den Fall, dass die GmbH in wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten geriet, als Finanzierungshilfe zu dienen. Anders als bei einem Darlehen bedarf es hierzu - nach Auffassung des Senats - keiner vorherigen Erklärung des Gesellschafters dahingehend, er werde im Falle einer Krise seine Finanzierungshilfe „stehen lassen“. Bürgschaftsversprechen und Schuldbeitritt verfolgen nämlich gerade den Zweck, dem Gläubiger für den Fall einer Krise der Gesellschaft eine Sicherheit zu bieten, ihre Krisenbestimmtheit muss daher nicht noch durch eine gesonderte bindende Erklärung nachgewiesen werden.
137Der Kläger hat daher die streitbefangene „Verpflichtungserklärung“ für die GmbH entweder zu einem Zeitpunkt abgegeben, als diese sich bereits in der Krise befunden hat, oder sie war jedenfalls für den Fall des Eintritts einer solchen Krise der GmbH bestimmt. Eine erst in der Krise „stehen gelassene“ Finanzierungshilfe vermag der Senat nicht zu erkennen.
1383. Dem Kläger steht aus seiner „Mitverpflichtung“ gegenüber der Sparkasse B, auf die er einen Betrag in Höhe von 35.000,- € gezahlt hat, auch kein werthaltiger Rückgriffs-anspruch zu.
139Ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die GmbH, die die Rückzahlungsverpflichtung aus dem von ihr in Anspruch genommenen Kontokorrentkredit letztendlich zu tragen hat, ist nicht gegeben. Ausweislich des Abschlussberichts der Insolvenzverwalterin vom ....01.2014 haben selbst die Insolvenzgläubiger eine Quote von allenfalls ca. 2 % zu erwarten.
140Auch der Freistellungsanspruch, der dem Kläger gegenüber dem Erwerber seines Gesellschaftsanteils, Herrn D, nach dem Anteilsveräußerungsvertrag zusteht, hat sich im Rahmen der zivilgerichtlichen Geltendmachung nicht als werthaltig erwiesen.
141III. Der Einkommensteuerbescheid 2009 ist daher zu ändern. Der Verlust des Klägers aus Gewerbebetrieb ist von 30.676,- € um 35.000,- € auf 65.676,- € zu erhöhen.
142Die Einkommensteuer ist entsprechend neu zu berechnen und festzusetzen, der geänderte Einkommensteuerbescheid 2009 den Klägern nach Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung neu bekanntzugeben.
143IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
144V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
145VI. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.