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Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2009 und Änderung der Bescheide vom 29. September 2008 wird der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 mit 66.893.406 € und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2005 mit 12.762.847 € festgestellt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die außerbilanzielle Hinzurechnung von Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttungen – vGA – aufgrund der Anwendung des § 8a Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung.
3Die Klägerin ist eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH –. Sie ist unter der Nummer HRB 1 im Handelsregister des Amtsgerichts A erfasst. Ihr Geschäftsgegenstand ist insbesondere das Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe sowie .... Sie gehörte zumindest im hier interessierenden Zeitraum von 2003 bis 2005 zu einem Konzern, dessen Obergesellschaft die B Company Inc. in C, USA war (im Folgenden: Konzernmutter).
4Die Konzernmutter war über diverse Zwischengesellschaften sowohl an der D Netherlands BV, Niederlande (im Folgenden: Schwestergesellschaft) als auch an der Klägerin zu jeweils 100 % beteiligt. Weitere Einzelheiten ergeben sich insoweit aus der Darstellung in den Klagebegründungsschriften. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin und ihre niederländische Schwestergesellschaft nahestehende Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Außensteuergesetzes – AStG – sind.
5Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 26. August 2003 von Ihrer niederländischen Schwestergesellschaft 873 Geschäftsanteile an der B1 GmbH, Deutschland, zum Preis von 20.440.000 €. Der Kaufpreis für den Beteiligungserwerb wurde in Form eines Schuldanerkenntnisses der Klägerin gegenüber der Schwestergesellschaft fremdfinanziert, wirtschaftlich demnach verzinslich gestundet. Die im Einzelnen von der Klägerin dargestellte Form der Verzinsung mit 550 Basispunkten über Euribor entspricht unstreitig fremdüblichen Bedingungen.
6Die Fremdfinanzierung des Anteilserwerbs löste im Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Januar 2005, mit dem eine Übereinstimmung der Bilanzstichtage aller Konzerngesellschaften erreicht wurde, Schuldzinsen i.H.v. 134.695 € aus, die die Klägerin an ihre niederländische Schwestergesellschaft entrichtet hat.
7Die niederländische Schwestergesellschaft hatte ihre Forderungen auf die ebenfalls niederländische direkte Muttergesellschaft (B2 Holdings B.V., in E (Niederlande)) der Klägerin übertragen, die diese am gleichen Tag (31. Januar 2005) als Sacheinlage in die Klägerin einbrachte. Die Verbindlichkeit erlosch dadurch infolge der eingetretenen Konfusion am 31. Januar 2005. Durch die infolge der Sacheinlage eingetretene Erhöhung der Kapitalrücklage erhöhte sich die Eigenkapitalquote der Klägerin im Rumpfgeschäftsjahr von 31,4 % auf nunmehr 40,7 %. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf den Prüfungsbericht zum Jahresabschluss auf den 31. Januar 2005 Bezug genommen.
8Im Anschluss an eine Außenprüfung, deren Ergebnisse sich aus dem Außenprüfungsbericht vom 16. Juli 2008 ergeben, änderte der Beklagte die vorhergehenden, gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen, Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftssteuer und zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2005 nach § 164 Abs. 2 AO unter anderem dahingehend, dass bei der Berechnung der festgestellten Verlustbeträge eine vGA nach § 8a KStG i.H.v. 134.694 € berücksichtigt wurde. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die in Kopie vorliegenden Bescheide zur Körperschaftsteuer 2005 und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftssteuer sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2005 vom 29. September 2008 Bezug genommen.
9Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortrug, dass die bei ihr in vGA umqualifizierten Zinszahlungen bei der niederländischen Schwestergesellschaft korrespondierend als Zinserträge erfasst und besteuert worden seien. Es ergebe sich eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber einem reinen Inlandsfall, da bei der Zahlung an eine inländische Schwestergesellschaft die empfangenen, in vGA umqualifizierten, Zinsen nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz geblieben wären. Außerdem verstoße § 8a KStG gegen das Grundgesetz – GG –, da die hier angewendete Regelung erst im Jahr 2004 in das KStG aufgenommen worden sei, aber nach § 34 Abs. 6a KStG Anwendung auch auf Anteilskäufe finde, die vor dem Jahr 2004 stattgefunden hätten und die Finanzverwaltung dies zumindest auf nach dem 31. Dezember 2001 erfolgte Unternehmenskäufe anwende (vgl. BMF-Schreiben vom 19. Juni 2005, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2006, 632, Tz 33).
10Der Beklagte wies die Einsprüche mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2009 als unbegründet zurück. Ausgehend von der unstreitigen Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 8a Abs. 6 KStG vertrat er die Auffassung, es liege weder ein Verstoß gegen die europarechtlichen Diskriminierungsverbote, insbesondere die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – (im Streitjahr noch Art. 43 des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft – EGV –) noch ein Verfassungsverstoß wegen der Anwendung auf vor dem Jahr 2004 erfolgte Unternehmenskäufe vor. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit scheide bereits deshalb aus, weil die Umqualifizierung ungeachtet der Ansässigkeit der die Zinsen empfangenden Gesellschaft, also auch bei einer inländischen Schwestergesellschaft stattfinde. Außerdem könne ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bereits deshalb ausgeschlossen werden, weil die niederländische Schwestergesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar an der Klägerin beteiligt und die gemeinsame Muttergesellschaft in den USA ansässig sei.
11Ein Verfassungsverstoß liege bereits deshalb nicht vor, da es im Streitfall um die Veranlagung für einen Veranlagungszeitraum nach Inkrafttreten des Gesetzes gehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
12Die fristgerecht erhobene Klage hat zunächst im Hinblick auf ein beim Bundeszentralamt für Steuern – BZSt – beantragtes Verfahren nach der EU-Schiedskonvention von 2009 bis 2012 und dann im Hinblick auf das Verfahren zu dem Az. I R 75/11 vor dem Bundesfinanzhof – BFH – von 2012 bis 2013 geruht. Insoweit wird auf die Ruhensbeschlüsse vom 21. September 2009 und vom 24. August 2012 Bezug genommen.
13Die Klägerin hatte das Verfahren nach der EU-Schiedskonvention im Hinblick auf die Doppelbesteuerung der Zinserträge als vGA in Deutschland und als Zinsen in den Niederlanden unter Vorlage umfangreicher Beweismittel beantragt. Insoweit wird auf das Schreiben der Klägerin vom 1. September 2009 mit Sachverhaltsdarstellung und Anlagen Bezug genommen. Das BZSt lehnte die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach der EU-Schiedskonvention mit der Begründung ab, es liege kein Anwendungsfall des Art. 4 der Konvention (Fremdvergleichsgrundsatz) vor. § 8a Abs. 6 KStG sei vom Gesetzgeber als Missbrauchsverhinderungsregelung eingeführt worden. Die Vorschrift beruhe nicht auf der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Auch die Voraussetzungen für ein Verständigungsverfahren nach Art. 22 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet vom 16. Juni 1959 – DBA Niederlande – lägen nicht vor, da bereits unklar sei, ob Fälle der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von der Vorschrift des DBA erfasst würden, jedenfalls aber Maßstab der vom Beklagten vorgenommenen Korrektur nicht der in Art. 6 DBA Niederlande genannte Fremdvergleichsgrundsatz sei. Für ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA Niederlande sei das BZSt nicht zuständig. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des BZSt vom 8. Dezember 2010 Bezug genommen. An dieser ablehnenden Auffassung hielt das BZSt trotz ergänzender Begründung der Klägerin fest.
14Die Klägerin stützt ihre Klage nunmehr darauf, dass in Fällen der hier vorliegenden Art, § 8a Abs. 6 KStG teleologisch dergestalt zu reduzieren sei, dass im Streitfall eine Gewinnkorrektur ausgeschlossen werde. Außerdem verstoße die Vorschrift gegen § 2 AO i.V.m. Art. 6 des DBA Niederlande, weil die Gewinnkorrektur nicht mit einem Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz begründet werden könne.
15Unter Darlegung der Gesetzgebungsgeschichte erläutert die Klägerin, dass die hier streitbefangenen Zinszahlungen bis zur Einführung des § 8a Abs. 6 KStG als gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung nur bei Vorliegen – hier nicht gegebener – fremdunüblicher Konditionen als vGA qualifiziert worden wären. Diese bis zum Jahr 2003 geltende Rechtslage sei durch die Einführung des § 8a Abs. 6 KStG, der keinen Entlastungsbeweis in Form des Fremdvergleichs vorsehe, verändert worden. Keine der Sachverhaltsgestaltungen, die mit der Einführung der neuen Vorschrift bekämpft werden sollten, liege im Streitfall vor. Es handele sich vielmehr um eine konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen zum Zwecke der Bereinigung der Konzernstruktur. Bei einem entsprechenden rein inländischen Vorgang wäre die im Streitfall eingetretene sinnwidrige doppelte steuerliche Belastung durch eine Minderung des Einkommens der die Zinsen empfangenden Gesellschaft vermieden worden. Nur durch die Ansässigkeit der Schwestergesellschaft in den Niederlanden komme es hier zur Doppelbelastung.
16Unstreitig betreffe der vorliegende Sachverhalt abkommensberechtigte Kapitalgesellschaften und von dem DBA Niederlande erfasste Steuern. Da es sich bei den betroffenen deutschen und niederländischen Gesellschaften um konzernverbundene Unternehmen handele, die mittelbar unter der gemeinsamen Kontrolle der Konzernmutter (in den USA) stünden, fällt nach Überzeugung der Klägerin die nach nationalem Recht erfolgte Gewinnkorrektur abkommensrechtlich unter Art. 6 Abs. 2 des DBA Niederlande, der im Wesentlichen Art. 9 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development – OECD-MA – entspreche. Danach sei eine Gewinnberichtigung ausgeschlossen, wenn das betreffende Geschäft einem Fremdvergleich standhalte.
17Die Fremdvergleichsregelungen sowohl im OECD-MA als auch im hier konkret betroffenen DBA Niederlande könnten ihren Zweck indes nur erfüllen, wenn sie als Sperrvorschriften für solche Einkunftskorrekturen verstanden würden, die Tatbestandsvoraussetzungen der DBA, also insbesondere dem Maßstab des Fremdvergleichs, nicht genügten. Dem gegenteiligen Verständnis, wonach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und die ihm nachgebildeten speziellen Fremdvergleichsvorschriften nur dann anwendbar seien, wenn eine Gewinnkorrektur speziell wegen der unangemessenen Konditionen erfolge, sei nicht zu folgen. Dieses Verständnis eröffne den Vertragsstaaten die Möglichkeit, den Abzug fiskalisch unerwünschter, aber fremdvergleichskonformer Aufwendungen zu versagen. DBA könnten so unterlaufen werden.
18Missbrauchsverhinderungsvorschriften seien auch aus Sicht der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union – EuGH – zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten nur dann gerechtfertigt, wenn ihnen der Fremdvergleichsmaßstab zu Grunde liege und dem Steuerpflichtigen stets die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt werde.
19Ihr Verständnis der Sperrwirkung der einschlägigen Fremdvergleichsartikel der DBA werde durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 22. August 2007 13 K 647/03, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2008, 161) und des Finanzgerichts – FG – Hamburg (Urteil vom 31. Oktober 2011 6 K 179/10, Internationales Steuerrecht – IStR – 2012, 190) gestützt.
20Im Anwendungsbereich des Art. 6 DBA Niederlande dürfe daher eine Gewinnkorrektur nur nach Maßgabe des materiellen Fremdvergleichs vorgenommen werden. Die Formulierung „wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen“ sei in einem umfassenden Sinn, der alle zwischen verbundenen Unternehmen vorkommenden Leistungsbeziehungen einschließe, zu verstehen. Auch der deutsche Gesetzgeber sei bei Einführung des § 8a KStG davon ausgegangen, die Vorschrift könne nur innerhalb der Schranken des Art. 9 OECD-MA angewendet werden, was sich bereits daraus ergebe, dass die Gesetzesbegründung (vgl. dazu Bundesratsdrucksachen – BR-Drs. – 1/93, 12/4487) ausdrücklich auf den Einklang der Neuregelung mit dem Musterabkommen verweise.
21Da § 8a Abs. 6 KStG einen Entlastungsnachweis durch Fremdvergleich nicht vorsehe, sei die gesamte Vorschrift mit Art. 6 Abs. 2 DBA Niederlande unvereinbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 30. März 2012 verwiesen.
22Im Anschluss an die Entscheidung des BFH vom 11. Oktober 2012 (I R 75/11, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 239, 242, BStBl II 2013, 1046) und die daraus vom Beklagten abgeleiteten Folgerungen verweist die Klägerin ergänzend auf die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen in Randziffer 11 der Entscheidung:
23… Anders als bei § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind aber nur diejenigen (Sachverhalts-) Umstände einbezogen, welche sich auf die besagten „wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen“ auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern – in einem zweistufigen Vorgehen – gleichermaßen auf dessen „Grund“ (Üblichkeit, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben des „dealing at arm`s length“ fremd.
24Ihres Erachtens bedeutet diese Aussage, dass Gewinnkorrekturen, die sich auf die Angemessenheit dem Grunde nach beziehen, dem in Art. 9 OECD-MA enthaltenen Maßstab des Fremdvergleichs widersprechen und dem Abkommensschutz unterfallen. Entgegen der Auffassung des Beklagten entfalte Art. 9 OECD-MA bzw. Art. 6 Abs. 2 DBA Niederlande auch eine Sperrwirkung gegenüber solchen Gewinnkorrekturen, die auf der Beurteilung der Angemessenheit dem Grunde nach beruhten.
25Zusammenfassend könne festgehalten werden, ebenso wie die vom BFH beurteilte Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führe auch die Anwendung des § 8a Abs. 6 KStG zu einer Gewinnkorrektur, die auf einer Unangemessenheit dem Grunde nach beruhe, nämlich auf einer bestimmten vom Gesetzgeber als missbräuchlich beurteilten Fremdfinanzierung. Dies führe dazu, dass auch insoweit die Fremdvergleichsvorschrift des DBA, hier also Art. 6 Abs. 2 DBA Niederlande, Sperrwirkung entfalte.
26Weiter verweist die Klägerin auf die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Verhaltenskodex zur Durchführung des Schiedsübereinkommens (2009/C 342/01, Amtsblatt der Europäischen Union vom 30. Dezember 2009), aus der sich ergebe, dass auch die Regierung davon ausgehe, Darlehenskonditionen wie im Streitfall fielen unter den Fremdvergleichsgrundsatz.
27Letztlich verweist sie auf die Entscheidung des BFH vom 17. Dezember 2014 (I R 23/13, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2015, 466), in der der BFH die Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA auch auf eine Gewinnkorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bereits im Leitsatz bestätigt habe.
28Der Fremdvergleichsartikel des Musterabkommens ermögliche eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (hier: ein Darlehenszins) seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte.
29Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 22. Mai 2014 verwiesen.
30Die Klägerin beantragt,
31den Bescheid auf den 31. Dezember 2005 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer vom 29. September 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2009 zu ändern und den körperschaftsteuerliche Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2005 auf 66.893.406 € festzustellen,
32den Bescheid auf den 31. Dezember 2005 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 29. September 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2009 zu ändern und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2005 auf 12.762.847 € festzustellen,
33hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen,
36hilfsweise, die Revision zuzulassen.
37Er hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest und führt im Hinblick auf die Entscheidung des BFH vom 11. Oktober 2012 (BStBl II 2013, 1046) ergänzend aus, die dort durch den BFH formulierten Grundsätze beträfen den Streitfall nicht.
38Der BFH habe entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung Art. 9 OECD-Musterabkommen so ausgelegt, dass dieser den Vertragsstaaten einen einheitlichen Maßstab vorgebe, woran sich eine Angemessenheitsprüfung von Entgelten zu orientieren habe. Dies bedeute aber, dass Art. 9 OECD-MA nur Fallgestaltungen betreffen könne, in denen ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur speziell wegen der unangemessenen Höhe der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarten Entgelte vornehmen wolle. Ursache der Gewinnkorrektur müsse also die Unangemessenheit von Leistung und Gegenleistung sein. Könne die Gewinnverlagerung aber bereits auf anderen Gründen beruhen, sei Art. 9 OECD-MA schon dem Grunde nach nicht anwendbar.
39Daher unterfalle eine Korrektur nach § 8a Abs. 6 KStG nicht der Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA oder des Art. 6 Abs. 2 DBA Niederlande, denn die Vorschrift versage der gewählten Finanzierungsform nicht wegen Verstoßes gegen die Angemessenheitsgrundsätze die Anerkennung, sondern generell. Es handele sich bei § 8a KStG um eine ausschließlich als Missbrauchsvermeidungsvorschrift konzipierte Regelung, die sich an dem Verhältnis einer unangemessenen Ausstattung mit Fremd- und Eigenkapital orientiere.
40Der Abkommensschutz der Fremdvergleichsvorschriften könne die Anwendung des § 8a KStG schon deshalb nicht einschränken, weil in den Fällen, in denen die gesetzliche Vermutung des § 8a KStG eingreife und die Vergütungen in vGA umqualifiziert werden müssten, gerade keine Gewinnkorrektur eines fremdüblichen Darlehens stattfinde, welche den Angemessenheitsmaßstäben des Art. 9 OECD-MA widersprechen würde. Lediglich das Darlehen werde aufgrund der gesetzlichen Typisierung steuerlich als Tatbestand einer unüblichen Gewinnverlagerung angesehen, deren Ergebnisse in der Gewinnermittlung somit auszuscheiden seien. Gegenstand der gesetzlichen Umqualifizierung seien begrifflich aber nur die angemessenen Vergütungen, ohne dass sich daraus eine von Art. 9 OECD-MA abweichende Angemessenheitsprüfung ergeben würde. Außerdem stehe Art. 9 OECD-MA auch einer nationalen Regelung gegen Unterkapitalisierung nicht entgegen.
41§ 8a Abs. 6 KStG ziele in erster Linie auf die Eindämmung unangemessener Gestaltungen im Inland und betreffe den durch Art. 6 DBA Niederlande geregelten Kollisionsbereich der Gewinnabgrenzung international verbundene Unternehmen nur mittelbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 24. März 2014 und 15. Mai 2015 verwiesen.
42Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Frage eines Verstoßes gegen Art. 49 AEUV insbesondere unter Berücksichtigung der fehlenden Möglichkeit einen Entlastungsnachweis zu erbringen ausführlich erörtert worden.
43Entscheidungsgründe
44Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
45Nach Überzeugung des erkennenden Senats hat der Beklagte zwar § 8a Abs. 6 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung bei einer auf die inländischen Vorschriften begrenzten Betrachtungsweise zutreffend angewandt (1.) und dabei die von der Klägerin begehrte teleologische Reduktion der Vorschrift zu Recht abgelehnt (2.). Der danach gebotenen Umqualifizierung der Zinszahlungen in vGA steht vorrangiges Recht entgegen (3.).
461. Nach § 8a Abs. 6 KStG sind Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital vGA, wenn
471. das Fremdkapital zum Zwecke des Erwerbs einer Beteiligung am Grund- oder Stammkapital einer anderen Kapitalgesellschaft aufgenommen wurde und
2. der Veräußerer der Beteiligung sowie der Geber des Fremdkapitals der Anteilseigner, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund oder Stammkapital beteiligt war, eine dem Anteilseigner nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG oder ein Dritter im Sinne des Abs. 1 Satz 2 ist.
Hier ist unstreitig, dass die Klägerin das Fremdkapital zum Zwecke des Erwerbs einer Beteiligung an einer weiteren deutschen Gesellschaft aufgenommen hat. Es liegt tatsächlich sogar die Stundung eines Kaufpreises für die Beteiligung vor.
51Die Veräußerin und Darlehensgeberin war auch eine nahestehende Person im Sinne des § 1 AStG. Nach § 1 Abs. 2 AStG liegt eine nahestehende Person unter anderem dann vor, wenn ein Dritter sowohl an dem Steuerpflichtigen als auch an der nahestehenden Person wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Im Streitjahr ist die Darlehensgeberin die niederländische Schwestergesellschaft der Klägerin. Sie ist unstreitig eine nahestehende Person im Sinne des Außensteuergesetzes, da beide Gesellschaften durch die gemeinsame Konzernmutter in den USA kontrolliert werden, diese also mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
522. Der Senat sieht angesichts des eindeutigen Wortlautes auch unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte und der Tatsache, dass Fallgestaltungen wie die vorliegende nicht zu den Gestaltungen gehören, die der Gesetzgeber primär verhindern oder sanktionieren wollte, keine Möglichkeit die Vorschrift gegen den Wortlaut auszulegen (ebenso Gosch, KStG, 1. Auflage, 2005, § 8a Rdnr. 332; Menck in Blümich, EStG/KStG/GewStG, 96. Auflage § 8a KStG Rdnr. 164).
53§ 8a Abs. 6 KStG stellt sich nach Überzeugung des Senats als eine bis an die Grenzen des dem Gesetzgeber Möglichen typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift dar (vgl. Menck a.a.O. Rdnr. 164), die entweder eine Vielzahl teleologischer Reduktionen erfordert (vgl. z.B. Köplin in Erle/Sauter, KStG, 3. Auflage, 2010, Rdnr. 634, 638; Menck a.a.O.; Körner: § 8a Abs. 6 KStG - Ausgewählte Problemkreise, IStR 2005, 584 jeweils m.w.N.), oder als eine zwar misslungene (Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8a KStG Rdnr. 2 spricht von Experimentalgesetzgebung) aber verbindliche gesetzliche Regelung von den Rechtsanwendern, also auch der Justiz, hingenommen werden muss. Der Senat folgt der letzteren Auffassung, da die ansonsten erforderlichen Reduktionen derartig viele Fallgestaltungen beträfen, dass es auf eine partielle Aufhebung des Gesetzes hinausliefe. Die Justiz träte dann faktisch zum Teil an die Stelle des Gesetzgebers.
54Auch fehlt es im Hinblick auf § 8a Abs. 6 KStG im Streitfall teilweise an klaren Leitlinien für eine teleologische Reduktion, da die Gesetzesbegründung die vom Beklagten vorgenommene Besteuerung teilweise als zweckkonform erscheinen lässt, andererseits die Gesetzesbegründung die wahre Zweckrichtung des Gesetzes wohl nicht wirklich zum Ausdruck bringt.
55Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1518 vom 8. September 2003; BR-Drs. 560/03 vom 15. August 2003) strebte der Gesetzgeber eine europarechtskonforme neue Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung durch Gleichbehandlung an. Eine solche Gleichbehandlung tritt auch auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft, also der Gesellschaft, die wie die Klägerin Fremdkapital zum Erwerb einer Beteiligung erhält, ein. Insofern ist der allgemeinen Begründung (vgl. BT-Drs. 15/1518 Seite 10) Genüge getan. Die Einzelbegründung zu § 8a Abs. 6 KStG (im Entwurf noch Abs. 7) ist ebenfalls nicht geeignet einen sicheren Rückschluss darauf zuzulassen, dass der Gesetzgeber der hier vorliegenden Problematik entsprechende Gestaltungen dem Anwendungsbereich der Norm nicht unterwerfen wollte. Vielmehr spricht die primäre Begründung, der Abs. 6 der Vorschrift enthalte eine Missbrauchsregelung für fremdfinanzierte Anteilsverkäufe innerhalb eines Konzerns, für die Anwendung der Vorschrift.
56In der Sache ist die Gesetzesbegründung allerdings falsch (vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8a KStG a.F. Rdnr. 194). § 8a Abs. 6 KStG in der hier streitbefangenen Fassung stellt in Wirklichkeit nicht auf tatsächliche Gestaltungsvorteile ab und geht weit über den Zweck einer Missbrauchsregelung hinaus (Menck a.a.O. Rdnr. 161a; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8a Rdnr. 306; Frotscher a.a.O.). Die Vorschrift ist im Hinblick auf dem Streitfall vergleichbare Konstellationen der Veräußerung einer Beteiligung durch eine ausländische verbundene Gesellschaft an eine inländische Gesellschaft sinnwidrig, weil sie beim Erwerber anknüpft, obwohl die bekämpfte Verbesserung des Eigenkapitals des Verkäufers für die deutsche Besteuerung irrelevant ist (vgl. z.B. Köplin a.a.O. § 8a a.F. Rdnr. 634 m.w.N.; in der Sache ebenso Pung in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 8a KStG vor dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 Rdnr. 508).
57Auch die Handhabung durch die Finanzverwaltung lässt nachvollziehbare Kriterien für die teleologische Reduktion nicht erkennen. Zwar ist auch das BMF davon ausgegangen, die Neuregelung in § 8a Abs. 6 KStG solle die Verbesserung des Eigenkapitals durch steuerbegünstigte Anteilsverkäufe verhindern (Tz 1 des BMF-Schreibens vom 19. September 2006, BStBl I 2006, 559), hat eine einschränkende Auslegung der Norm aber im Wesentlichen nur zeitlich (Tz 33) und im Hinblick auf die Anwendung auf natürliche Personen vorgenommen (Tz 1) und an anderer Stelle (Tz 31) den Anwendungsbereich wohl über das Gesetz hinaus erweitert (vgl. dazu Pung a.a.O. Rdnr. 514).
583. Die Klage hat aber trotzdem Erfolg. § 8a Abs. 6 KStG verstößt jedenfalls im vorliegenden Fall einer unstreitig dem materiellen Fremdvergleich genügenden konzerninternen Finanzierung eines Anteilserwerbs gegen Art. 6 DBA Niederlande.
59Nach Art. 6 Abs. 1 des DBA Niederlande darf ein Vertragsstaat in den Fällen, in denen ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten vermöge seiner Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens des anderen Staates mit diesem Unternehmen wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen vereinbart, die von denjenigen abweichen, die mit einem unabhängigen Unternehmen vereinbart würden, die Einkünfte die eines der beiden Unternehmen üblicherweise erzielt hätte, aber wegen der Bedingungen nicht erzielt hat, den Einkünften dieses Unternehmens zurechnen und entsprechend besteuern.
60Der BFH hat in dem zum DBA Deutschland/USA ergangenen Urteil vom 17. Dezember 2014 (I R 23/13, BFH/NV 2015, 626) insoweit zur allgemeinen Wirkung der Art. 9 des OECD-Musterabkommens entsprechenden DBA-Vorschriften, zu denen Art. 6 DBA Niederlande gehört, ausgeführt, die Abkommensvorschriften bestimmten den Fremdvergleichsmaßstab konstitutiv. Sie erforderten allerdings eine innerstaatliche Rechtsgrundlage, die ihrerseits die Gewinnkorrektur nach Maßgabe des jeweiligen DBA-Artikels ermögliche. Die Fremdvergleichsregelungen der DBA dienten als abkommensrechtliche Vorschriften der Gewinnabgrenzung, nicht aber der unmittelbaren Gewinnkorrektur. Sie legten daher nur den Rahmen und die abkommensrechtlichen Bedingungen für die vorzunehmenden Gewinnkorrekturen fest. Den Vorschriften komme als Ausprägung der so genannten Schrankenwirkung eines DBA begrenzende Wirkung zu. Auch wenn die Fremdvergleichsvorschriften die Korrekturmöglichkeiten des Anwenderstaates nicht schafften, so sperrten sie für ihren Anwendungsbereich weitergehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten jenes Staates. Nur durch einen derartigen bestimmten einheitlichen und verbindlichen Beurteilungsmaßstab für beide Vertragsstaaten ließe sich erreichen, dass die beanstandeten Preise und Preisbestandteile in den einzelnen Staaten nicht doppelt erfasst würden (Rdnr. 18 der Entscheidung).
61Diese Schrankenwirkung des „dealing at arm`s length“-Grundsatzes der Art. 9 des OECD-Musterabkommens nachgebildeten Fremdvergleichsartikel der DBA (hier Art. 6 DBA Niederlande) entfaltet nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 22. August 2007 13 K 647/03, EFG 2008,161) und der inzwischen gesicherten Rechtsprechung des BFH (vgl. das ebenfalls zu Art. 6 DBA Niederlande ergangene Urteil vom 11. Oktober 2012 I R 75/11, BStBl II 2013, 1046 m.w.N.) Sperrwirkung gegenüber den Sonderbedingungen des § 8 Abs. 3 KStG. Dies bedeutet, dass insoweit eine bei einem rein innerstaatlichen Vorgang vorzunehmende außerbilanzielle Hinzurechnung von vGA bei einem grenzüberschreitenden Fall mit einem DBA-Staat infolge des als Schranke wirkenden DBA unterbleiben muss.
62Ob diese Schrankenwirkung der Fremdvergleichsartikel der DBA auch für die aus ganz anderen Gründen geschaffene Sonderregelung in § 8a Abs. 6 KStG eingreift, ist umstritten. In der einschlägigen Kommentarliteratur werden dazu unterschiedliche Meinungen vertreten. Köplin (a.a.O. § 8a a.F. Rdnr. 22) hält die Regelung für ein treaty overriding, das allerdings für den inländischen Rechtsanwender verbindlich sei. Ditz (in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 9 Rdnr. 24) geht davon aus, die Zinsschranke stelle keine Einkünftekorrekturvorschrift, sondern eine Gewinnermittlungsvorschrift des innerstaatlichen Rechts dar, welche den Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwand regele. Auf derartige Vorschriften sei Art. 9 OECD-Musterabkommen nicht anwendbar. Wassermeyer (in Wassermeyer, DBA, Art. 9 Musterabkommen Rdnr. 107) geht davon aus, Art. 9 OECD-Musterabkommen werde jedenfalls eine Sperrwirkung in den Fällen ausüben, in denen davon auszugehen sei, dass entweder das Verhältnis zwischen dem gesamten Fremdkapital und dem gesamten Eigenkapital an sich angemessen sei oder, dass ein Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen auch von einem unabhängigen Dritten begeben worden wäre. Kaminski (in AStG/DBA, Art. 9 OECD-Musterabkommen Rdnr. 12) sieht ebenfalls eine Kollision in den Fällen, in denen das Gesetz keinen Fremdvergleich zulässt. Kröner (in Ernst & Young, KStG, § 8a Rdnr. 28) hält im Fall des § 8a Abs. 6 KStG die Vereinbarkeit mit Art. 9 OECD-Musterabkommen für zweifelhaft. Frotscher (a.a.O. Rdnr. 197a) geht von einem Verstoß gegen Art. 9 OECD-Musterabkommen aus.
63Das Hessische Finanzgericht hat sich in einer Entscheidung vom 3. September 2013, (4 K 2550/12, juris, Revision beim BFH unter Az. I R 68/13) zur Anwendung von § 8a Abs. 6 KStG auf mittelbare Erwerbsvorgänge auch mit der Frage der Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 6 DBA Niederlande (Fremdvergleichsgrundsatz) befasst. Das FG führt in Rdnr. 28 der Entscheidung aus, ein Verstoß sei nicht erkennbar, da § 8a Abs. 6 KStG in erster Linie auf die Eindämmung unangemessener Gestaltungen im Inland abziele und den durch die Vorschrift des DBA geregelten Kollisionsbereich der Gewinnabgrenzung international verbundener Unternehmen nur mittelbar betreffe.
64Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist Art. 6 DBA Niederlande auf den vorliegenden Fall anwendbar. Er folgt der Auffassung, § 8a Abs. 6 KStG stelle in seinen Wirkungen eine Fremdvergleichsvorschrift im Sinne des Art. 6 DBA Niederlande dar.
65Aus Sicht der Klägerin ist § 8a Abs. 6 KStG eine Gewinnkorrekturvorschrift. Es ist für den Steuerpflichtigen im Ergebnis gleichgültig, ob sein Gewinn dadurch verändert wird, dass nicht erzielte Einnahmen fingiert oder tatsächlich angefallene Betriebsausgaben steuerlich nicht berücksichtigt bzw. durch vGA neutralisiert werden. In beiden Fällen wird der tatsächlich erzielte Gewinn im Ergebnis für Besteuerungszwecke erhöht.
66Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts, § 8a Abs. 6 KStG ziele in erster Linie auf die Eindämmung unangemessener Gestaltungen im Inland ab und betreffe den durch die Vorschrift des DBA geregelten Kollisionsbereich der Gewinnabgrenzung international verbundener Unternehmen nur mittelbar. Vielmehr indiziert die innerhalb deutscher Konzerne eintretende Neutralisierung der Umqualifizierung der Zinsen in vGA durch § 8b KStG und der Ausschluss der Möglichkeit, die Fremdüblichkeit der Zinsbedingungen nachzuweisen, eine verdeckte Ausländerdiskriminierung.
67Ausgehend von der Grundentscheidung zur Anwendbarkeit des Art. 6 DBA Niederlande auf den Streitfall ist von der tragenden Erwägung der BFH-Rechtsprechung (BFH a.a.O. Rdnr. 19) auszugehen, dass in den maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen, dem der hier streitbefangene Art. 6 DBA Niederlande nachgebildet ist, nur diejenigen (Sachverhalts-) Umstände einbezogen sind, welche sich auf die „wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen” auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren. Eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern - in einem zweistufigen Vorgehen - gleichermaßen auf dessen „Grund” (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben des „dealing at arm's length” als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Diese Vergleichsmaßstäbe sind - schon um mangels einer entsprechenden Gegenkorrektur andernfalls drohenden doppelten Besteuerungen sowohl in dem einen wie in dem anderen Vertragsstaat vorzubeugen - einem abkommenseigenen und damit einheitlichen Begriffsverständnis unterworfen, der innerstaatlichen Modifikationen des Fremdvergleichsbegriffs ex ante entgegensteht.
68Danach kommt im Streitfall eine Umqualifizierung der Zinsen in vGA nicht in Betracht, da die Konditionen unbestritten fremdüblich waren.
694. Da der Senat zur Beschränkung des § 8a Abs. 6 KStG durch die Art. 9 des OECD-Musterabkommens entsprechenden Fremdvergleichsartikel der von der Bundesrepublik abgeschlossenen DBA kommt, kann hier offen bleiben, ob die Vorschrift auch gegen Art. 43 des EG-Vertrages (Niederlassungsfreiheit), der dem heutigen Art. 49 AEUV entspricht, verstößt.
70Es ist geklärt, dass der alte § 8a KStG, der hinsichtlich der Fremdfinanzierung durch Inländer und Ausländer differenzierte, europarechtswidrig war. Die neue – zwischenzeitlich schon wieder überholte – Fassung des § 8a Abs. 1 bis 5 KStG wird demgegenüber überwiegend für europarechtskonform gehalten. Allerdings stellt § 8a Abs. 6 KStG eine vollkommen eigenständige und in der Konzeption abweichende Regelung dar. Während die Abs. 1 bis 5 der Vorschrift einen Mindestbetrag, der im Streitfall nicht überschritten wäre, verlangen und die Möglichkeit des Nachweises der Fremdüblichkeit zulassen, kennt Abs. 6 weder den Mindestbetrag noch den Nachweis der Fremdüblichkeit.
71Wenn man trotz der Konzeption des § 8a Abs. 6 KStG als Konzernregelung nur auf die Klägerin als betroffene inländische Tochtergesellschaft abstellt, kann man zu dem Ergebnis kommen, ungeachtet der Ansässigkeit der Muttergesellschaft – und damit gleichmäßig – erfolge bei der inländischen Darlehensnehmerin eine Umqualifizierung in vGA. Damit scheide ein Europarechtsverstoß aus (vgl. dazu Hessisches Finanzgericht Urteil vom 7. Mai 2014 11 K 346/07, juris; Revision BFH unter Az. IV R 33/14).
72Wenn man eine Konzernbetrachtung anstellen würde, also die Frage aufwürfe, ob die Regelung geeignet ist, eine Investition einer niederländischen Muttergesellschaft unattraktiver erscheinen zu lassen, als die Investition einer deutschen Muttergesellschaft, läge in Anbetracht der korrespondierenden Behandlung bei einer rein innerdeutschen Konstellation (Umqualifizierung in vGA nach § 8a Abs. 6 KStG bei der Tochtergesellschaft und Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Muttergesellschaft) gegenüber der unabgestimmten Doppelbesteuerung bei einem grenzüberschreitenden Fall, die Annahme einer Diskriminierung nahe.
73Grundsätzlich könnte dann zwar eine Regelung, die auf eine Mindestausstattung mit Eigenkapital abzielt, gerechtfertigt sein. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH allerdings nur dann statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Außerdem muss die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteile vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer, C-446/03, Slg. 2005, I-10837, Randnr. 35, vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Randnr. 47, vom 13. Mai 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Randnr. 64, vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha, C-303/07, Slg. 2009, I-5145, Randnr. 57; vom 29. November 2011, National Grid Indus, C-371/10, Slg. 2011, I-12273).
74Danach käme man bei Anwendung des § 8a Abs. 6 KStG zur Europarechtswidrigkeit, weil der Klägerin die Möglichkeit eines Fremdvergleichs abgeschnitten wurde. Die Regelung geht damit eindeutig über das hinaus, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
77Die Revision war, obwohl es sich um ausgelaufenes Recht handelt, wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da sowohl die Frage der teleologischen Reduktion des § 8a Abs. 6 KStG als auch die Anwendung der Fremdvergleichsartikel der DBA und die Frage der Europarechtswidrigkeit im Hinblick auf eine nennenswerte Zahl anhängiger Verfahren geklärt werden sollten.