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Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.1.2015 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Erinnerungsgegner.
Gründe:
2I. Der Erinnerungsgegner hatte im Verfahren 14 K 2052/14 wegen Kindergeld geklagt, und zwar gegen den Ablehnungsbescheid vom 14. 2. 2014 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17. 6. 2014, mit welchem die Kindergeldfestsetzung für die 1993 geborene Tochter A wegen Vollendung des 21. Lebensjahres mit Ablauf des Monats März 2014 aufgehoben worden war, verbunden mit dem Verpflichtungsantrag, dem Kläger weiterhin das Kindergeld für seine Tochter A zu gewähren. Zur Begründung ihrer Entscheidung hatte die Erinnerungsführerin in der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung vom 17. 6. 2014 ergänzend ausgeführt, dass auch eine Berücksichtigung als behindertes Kind nicht möglich sei, weil aus der Stellungnahme des Rehabilitation/Schwerbehindertenteam der Bundesagentur vom 27. 5. 2014 hervorgehe, dass das Kind in der Lage sei, eine arbeitslosenversicherungspflichtige mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben.
3Im anschließenden Klageverfahren hatte die Erinnerungsführerin zunächst Klageabweisung beantragt. Soweit der Kindergeldanspruch für die Zeit ab April 2014 im Rahmen der Klage ergänzend erstmalig auf § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG gestützt werde mit der Begründung, A suche zurzeit nach einem geeigneten Ausbildungsplatz, seien bislang keine geeigneten Nachweise vorgelegt worden.
4Im Anschluss daran legte der Erinnerungsgegner eine ganze Reihe von Bewerbungsunterlagen vor. Die Beweisaufnahme bestätigte nach Auffassung des im Verfahren 14 K 2052/14 zuständigen Einzelrichters, dass die Klägerin sich jedenfalls in den Monaten April bis Juni 2014 ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht habe. Mit Urteil des FG Köln vom 9. 10. 2014 wurden der Aufhebungsbescheid vom 14. 2. 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 17. 6. 2014 aufgehoben.
5Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 17. 11. 2014 begehrte der Bevollmächtigte, die dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten ausgehend von einem Gegenstandswert von 2.944 € auf 693,53 € festzusetzen, da in Kindergeld-Verfahren als Streitwert in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 1 GKG - unabhängig vom Alter des Kindes - der einfache Jahresbetrag des geltend gemachten Anspruchs zuzüglich der bis zur Klageerhebung rückständigen Monatsbeträge anzusetzen sei. Der einfache Jahresbetrag betrage 2.208 € (12 x 184 €). Hinzu kämen 736 €, da bis zur Klageerhebung vier Monatsbeträge Kindergeld rückständig geworden seien.
6Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 1. 2015 wurden die zu erstattenden Kosten ausgehend von einem Streitwert von 552 € auf 290,36 € festgesetzt. Denn nach dem ersten Satz des Urteils hätten die Beteiligten im Ausgangsverfahren „über die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von April 2014 bis Juni 2014" gestritten.
7Mit seiner Erinnerung hatte der Bevollmächtigte des Erinnerungsgegners geltend gemacht, es sei weder eine gesetzliche Grundlage für eine Beschränkung des Gegenstandswerts auf Kindergeld lediglich für drei Monate ersichtlich noch ergebe sich aus dem Sachvortrag bzw. dem Antrag des Erinnerungsgegners eine entsprechende Begrenzung des Klagebegehrens. Das Interesse des Klägers an der Aufhebung des Bescheides vom 24. 2. 2014 bzw. der Einspruchsentscheidung vom 17. 6. 2014 sei nicht auf lediglich drei Monate begrenzt gewesen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld lägen über den entschiedenen Zeitraum hinaus vor, so dass von einem Verfahren wegen Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer auszugehen sei, bei welcher sich der Streitwert nach dem Jahresbetrag des Kindergeldes unter Hinzurechnung der bis zur Einreichung der Klage zu zahlenden Kindergeldbeträge ergebe, im Streitfall also 2.944 € lt. Kostenfestsetzungsantrag (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 24. 5. 2000 - VI S 4/00, BFHE 192, 19, BStBl II 2000, 544, DB 2000, 1947).
8Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. 1. 2015 wurde der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 1. 2015 sodann aufgehoben und die dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten ausgehend von einem Streitwert von 2.760 € (552 € zzgl. 2.208 €) auf 693,53 € festgesetzt. Zwar sei der BFH von seiner im Beschluss vom 24. 5. 2000 - VI S 4/00 vertretenen Auffassung abgerückt und gehe nunmehr davon aus, dass sich der Streitwert einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer aus der Summe der Kindergeldbeträge ab dem Monat der Aufhebung bis zum Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ergebe, weil es für spätere Zeiträume an dem für eine zulässige Klage erforderlichen abgeschlossenen Vorverfahren fehle (BFH‑Beschluss vom 2. 10. 2014, III S 2/14, BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37). Im Streitfall sei die Klage jedoch erst am 18. 7. 2014 anhängig geworden, so dass sich der Streitwert nach der ab dem 16. 7. 2014 gültigen Fassung des GKG bemesse. Demnach ergebe sich der Streitwert aus der Summe des nach obigen Grundsätzen ermittelten Betrags zuzüglich eines Jahresbetrags (§ 52 Abs. 3 Satz 3 GKG n.F.) und betrage im Streitfall somit 2.760 € (552 € zzgl. 2.208 €). Daher sei der Erinnerung des Bevollmächtigten zu entsprechen gewesen.
9Der Erinnerungsführer hielt demgegenüber an seiner Auffassung fest, dass mit der Klage das Kindergeld für die Monate April bis Juni 2014 (Monat des Erlasses der Einspruchsentscheidung) begehrt worden sei, so dass sich ein Streitwert von 552 € ergebe und die zu erstattenden Kosten auf 290,36 € festzusetzen seien. Zwar sei der Streitwert nach dem GKG in der ab dem 16. 7. 2014 gültigen Fassung zu bemessen. Allerdings werde in dem nach § 52 Abs. 3 S. 3 GKG anzuwendenden § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ausdrücklich geregelt, dass der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend sei, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer sei. Vor diesem Hintergrund könne auch in Kindergeldangelegenheiten der an die Stelle des dreifachen Jahresbetrages tretende einfache Jahresbetrag nur dann maßgeblich sein, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer sei, im Streitfall also 552 €, da es für die Monate danach an dem für eine zulässige Klage erforderlichen abgeschlossenen Vorverfahren fehle.
10II. Die Erinnerung ist begründet. Der Streitwert war nach der sich für die Monate März bis Juni 2014 ergebenden Summe der Kindergeldbeträge (552 €) zu bemessen.
111. Gemäß §§ 2 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 RVG werden die Gebühren des Bevollmächtigten nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften.
122. Betrifft der Antrag des Klägers bzw. der Gegenstand seines Klagebegehrens eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe gemäß § 52 Abs. 3 GKG für den Streitwert maßgebend (§ 52 Abs. 3 S. 1 GKG). Dies ist in finanzgerichtlichen Verfahren der Regelfall. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben (§ 52 Abs. 3 S. 2 GKG in der Fassung des 2. KostRMoG, anzuwenden ab 01.08.2013). Damit beabsichtigte der Gesetzgeber, dem Aufwand besser Rechnung zu tragen, den ein finanzgerichtliches Verfahren mit sich bringt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 156 vom 11. 11. 2003). Ergänzend bestimmt der durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 08.07.2014 angefügte § 52 Abs. 3 S. 3 GKG, der ab dem 16. 7. 2014 - und damit auch im Streitfall - anzuwenden ist, dass in Kindergeldverfahren § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags der einfache Jahresbetrag tritt. Danach errechnet sich der Streitwert in Kindergeldverfahren grundsätzlich nach den bis zur Einreichung der Klage fälligen Beträgen (§ 42 Abs. 3 GKG) zuzüglich des einfachen Jahresbetrags, allerdings nur dann, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist (§ 42 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 GKG). In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu, dass in Kindergeldangelegenheiten für zukünftige wiederkehrende Leistungen entsprechend der derzeitigen Rechtsprechung auf einen Jahresbezug abgestellt werden soll (BTDrucks 18/823, S. 26; vgl. dazu BFH-Beschluss vom 2. 10. 2014, III S 2/14, BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37). Für die Untergrenze des Streitwerts ist ferner § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG zu beachten, nachdem in finanzgerichtlichen Verfahren der Streitwert nicht unter 1.500 € (Mindeststreitwert) angenommen werden darf, wobei von der Mindeststreitwert-Regelung Kindergeldangelegenheiten allerdings aus sozialpolitischen Gründen ausdrücklich ausgenommen worden sind (vgl. ausführlich BFH-Beschluss vom 2. 10. 2014, III S 2/14, BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37).
133. Danach ergab sich der Streitwert vorliegend aus der Summe der Kindergeldbeträge für die Monate März bis Juni 2014 (§ 52 Abs. 3 und 4 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Der Kläger hat im Ausgangsfall in voller Höhe obsiegt, weil das erkennende Gericht den Antrag des Klägers in seinem vollumfänglich klagestattgebenden Urteil vom 9. 10. 2014 ausdrücklich dahin verstanden hatte, das Kindergeld für die Monate März bis Juni 2014 beantragt gewesen sei, weil das für eine zulässige Klage erforderliche Vorverfahren wegen der Einspruchsentscheidung vom 17. 6. 2014 lediglich für die Monate März bis Juni 2014 vorlag. Für weitere Monate hätte die Klage abgewiesen werden müssen; für vorhergehende Monate fehlte wegen der bis dahin erfolgten Kindergeldgewährung eine für eine zulässige Klage erforderliche Beschwer.
14Wegen der Unzulässigkeit einer Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger Kindergeld für einen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung liegenden Zeitraum begehrt, umfasst auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein mit einer Anfechtungsklage (bzw. Verpflichtungsklage) angegriffener Aufhebungsbescheid (bzw. Ablehnungsbescheid) eine Regelung des Kindergeldanspruchs ab dem Monat der Aufhebung (bzw. Ablehnung) bis längstens zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (BFH-Beschluss vom 2. 10. 2014 - III S 2/14, BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37). Zwar hatte der Gesetzgeber den Abs. 3 des § 52 GKG geändert, um einer systematischen Unterbewertung von Streitwerten in finanzgerichtlichen Verfahren entgegenzuwirken (BRDrucks 517/12, S. 373); andererseits hatte er in § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG in der ab August 2013 geltenden Fassung für Verfahren in Kindergeldangelegenheiten aus sozialpolitischen Gründen gerade keinen Mindeststreitwert mehr festgelegt (im Ergebnis ebenso FG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 20. 8. 2014 - 6 K 1191/14, EFG 2014, 1991 mit Anm. Hennigfeld entgegen FG Saarland, Beschluss vom 16. 7. 2014 - 2 K 1420/13, EFG 2014, 1992).
154. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.