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Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2011 wird die Einkommensteuer für 2009 auf 0 € herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
2Streitig ist, in welcher Höhe im Streitjahr (2009) im Rahmen des Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG ein Gesellschafterdarlehen zu berücksichtigen ist.
3Der Kläger betrieb ein Gewerbe als Immobilien- und Hausverwalter. 1999 gründete er als alleiniger Gesellschafter die A GmbH in E mit einem Stammkapital von 25.000 €. Gegenstand war der Erwerb von Grundstücken zum Zweck der Bebauung oder Sanierung und anschließender Veräußerung. Der Kläger wurde zum alleinigen Geschäftsführer bestellt und vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) befreit. Er erhielt ein Monatsgehalt von umgerechnet 7.158 € (=14.000 DM) und jeweils ein weiteres Monatsgehalt als Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Weitere Arbeitnehmer gab es nicht. Die GmbH führte im Wesentlichen zwei große Bauprojekte durch.
4Das erste Projekt war Wohn- und Geschäftshaus B-Straße ... in E. Es handelte sich um ein sanierungsbedürftiges und kriegsbeschädigtes Altbauobjekt, das die GmbH wieder aufbauen, modernisieren und teilweise umbauen wollte. In 2000 erwarb sie das Grundstück und teilte es in zwölf Wohnungseigentums- bzw. Teileigentumseinheiten auf. Diese bot sie schon vor Beginn der Bauarbeiten zum Ankauf und zur Herstellung an. Den Ankauf des Grundstücks und die Bauarbeiten finanzierte die E-Bank mit Darlehen, die durch Grundschulden auf den erworbenen Grundstücken gesichert wurden. In 2002 verkaufte die GmbH alle Einheiten für zusammen 2,71 Mio. €. Hierdurch konnte sie das Darlehen der E-Bank zurückzahlen. Der Jahresüberschuss von rund 109.000 € in 2002 reichte indessen nicht aus, um die Verluste aus den Vorjahren - zusammen umgerechnet 150.000 € - zu decken. In allen drei Jahresabschlüssen überstiegen die Verbindlichkeiten das Aktivvermögen, so dass die GmbH nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge ausweisen musste. Der bei der Aufstellung der Bilanzen mitwirkende Steuerberater M aus E machte den Kläger als Geschäftsführer stets darauf aufmerksam, dass die GmbH nach Buchwerten überschuldet sei und er prüfen müsse, ob dies durch Aufdeckung stiller Reserven beseitigt werde. Der Kläger erklärte darauf als Gesellschafter gegenüber der GmbH, dass er diese bei einer dauerhaften Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit von Verbindlichkeiten in Höhe des Fehlbetrags freistellen werde. Mit Wirkung ab 2002 wurde das Gehalt des Klägers aufgrund einer Vereinbarung mit der GmbH wegen Rückgangs der Bautätigkeit auf 1.600 € monatlich reduziert sowie sein Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen.
5Im Jahr 2000 hatte die GmbH noch ein weiteres Grundstück gekauft, nämlich in X. Sie wollte dort ein Vierfamilienhaus errichten. Als Anzahlung leistete sie umgerechnet rund 49.000 €. Zum Vollzug des Kaufvertrags kam es jedoch nicht mehr.
6Das zweite Projekt der GmbH begann im Herbst 2003 mit dem Erwerb des Grundstücks O-Straße ... in E für rund 1 Mio. €. Dort sollte ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen ‑ unter anderem eine luxuriöse Penthousewohnung – und eine Tiefgarage errichtet werden. Die GmbH kalkulierte einen Verkaufspreis von rund 3 Mio. €. Die Finanzierung übernahm erneut die E-Bank. Zur Sicherung wurde eine Grundschuld über 1,757 Mio. € bestellt. Die Durchführung dieses Bauvorhabens verlief schleppend und zog sich durch Streitigkeiten mit Nachbarn, der Bauaufsichtsbehörde und den Bauhandwerkern bis zum Streitjahr hin. Die GmbH konnte während der ersten Jahre keine der geplanten und im Bau befindlichen Wohnungen veräußern. Der Kläger stimmte deshalb intern einer weiteren Reduzierung seines Geschäftsführergehalts auf 500 € zu.
7Unter dem 01.01.2004 vereinbarte der Kläger mit der GmbH, dass sich die GmbH und er wechselseitig Darlehen in Form eines Kontokorrents (§ 355 HGB) gewähren. Ausdrücklich erwähnt wurden Zahlungen, die der Gesellschafter für die Durchführung von Baumaßnahmen leistet. Der Saldo sollte mit 5% und ab 01.01.2006 mit 2,5 % verzinst werden, wobei die Zinsen dem Saldo hinzuzurechnen waren. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte mit einer Frist von 14 Tagen schriftlich gekündigt werden. Das dafür eingerichtete Verrechnungskonto (Nr. 2) wies Anfang 2004 noch eine Forderung gegen den Kläger aus. Erstmals am 29.10.2004 entstand durch eine Zahlung des Klägers auf dem Konto ein Saldo zu seinen Gunsten in Höhe von 13.997 €. Der Kläger zahlte seither regelmäßig Beträge in unterschiedlicher Höhe aus seinem Privatvermögen auf das Girokonto der GmbH bei der E-Bank ein. Die Zahlungen wurden von der GmbH wie vereinbart verzinst. Sie wies die Schuld in ihren Bilanzen als sonstige Verbindlichkeit aus „Gesellschafterdarlehen“ aus.
8Als sich Mitte 2005 aufgrund der Kalkulation der GmbH abzeichnete, dass die Errichtung des Objektes erheblich höhere Kosten als ursprünglich geplant verursachen würde, schloss die E-Bank am 01.06.2005 mit der GmbH einen Multifunktionskreditvertrag speziell für das Objekt O-Straße. Als zusätzliche Sicherheit wurde am 08.07.2005 für die E-Bank eine weitere Grundschuld über 790.000 € in das Grundbuch eingetragen.
9Anschließend überwies der Kläger mehrfach größere Geldbeträge in das Gesellschaftsvermögen ein, nämlich am 03.06.2005 rund 48.000 €, am 05.09.2005 405.000 € mit dem Verwendungszweck „Eigenkapitalersatz“ und am 21.11.2005 rund 84.000 €. In 2006 überwies die Klägerin aus ihrem Vermögen der GmbH in zwei Teilbeträgen zusammen 154.000 €. Die GmbH passivierte diese zum 31.12.2006 und 31.12.2007 als sonstige Verbindlichkeit. Unter dem 01.02.2007 gab der Kläger bezüglich seiner Forderung gegen die GmbH eine schriftliche Rangrücktrittserklärung ab. Danach soll die Forderung zugunsten aller gegenwärtigen und künftigen Gläubiger der Gesellschaft im Rang zurücktreten. Eine Rückzahlung habe nur dann zu erfolgen, wenn die GmbH dazu aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem ‑ freien - Vermögen künftig dazu in der Lage sei. Seine Forderung werde er gegenüber der Gesellschaft so lange nicht geltend zu machen, wie die Befriedigung zu einer rechnerischen Überschuldung der Gesellschaft führe. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens solle die Forderung erlöschen. In dem am 03.02.2007 aufgestellten Jahresabschluss für 2005 ist ausdrücklich festgehalten, dass der Kläger zur Vermeidung einer Überschuldung gegenüber der GmbH eine Rangrücktrittserklärung hinsichtlich seines Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens abgegeben hat. In den nachfolgenden Jahren wurden vom Kläger gleichlautende Erklärungen abgegeben und bekanntgemacht.
10Der Multifunktionskredit der E-Bank musste wegen Kostensteigerungen in 2007 erhöht werden. Unter dem 17.08.2007 sagte die E-Bank der GmbH eine Kreditsumme von 2,386 Mio. € zu. Nach dem Inhalt des Schreibens ging sie seinerzeit aufgrund der Kalkulation der GmbH von 2,965 Mio. € Gesamtkosten für das Objekt aus. Darauf rechnete sie Eigenkapital in Höhe von 579.300 € an.
11Die Jahresabschlüsse der GmbH für 2003 bis 2007 zeigen folgende Zahlen:
12
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
|
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
|
Umsatz |
1.467 |
3.723 |
9.971 |
81.016 |
45.696 |
Verlust |
43.865 |
108.534 |
153.000 |
45.773 |
8.069 |
Aktiva (ohne negatives Ek) |
1.191.256 |
1.262.146 |
1.463.394 |
1.583.035 |
2.294.022 |
Summe Verbindlichkeiten |
1.227.043 |
1.424.092 |
1.793.235 |
1.970.461 |
2.819.934 |
davon E-Bank |
1.064.233 |
1.249.207 |
1.112.956 |
1.105.591 |
1.702.622 |
davon Kläger |
0 |
17.331 |
608.733 |
619.205 |
601.492 |
negatives Eigenkapital |
89.733 |
198.267 |
351.332 |
397.106 |
532.907 |
Weitere Bilanzen stellte die GmbH wegen des nachfolgenden Insolvenzverfahrens nicht mehr auf.
14Mit Wirkung zum 01.01.2008 buchte die GmbH das Darlehen der Klägerin auf das Darlehenskonto des Klägers um. Dieser ließ sich danach rund 61.000 € von seinem Darlehen zurückzahlen und leitete diesen Betrag an die Klägerin weiter. Im Herbst 2008 zahlte der Kläger binnen weniger Tage zusammen nochmals 101.200 € an die GmbH.
15Anfang 2009 war das Objekt O-Straße zu 90% fertig gestellt. Von den fünf Wohnungen waren erst drei verkauft. Davon wurden zwei Verträge aufgrund eines Zivilrechtsstreits rückabgewickelt.
16Am 25.02.2009 überwies der Kläger letztmalig 500 € an die GmbH. Auf den Überweisungsträgern wurde vom Kläger in den meisten Fällen kein Verwendungszweck angegeben. In der Gesamtsumme belief sich die Darlehensverbindlichkeit der GmbH gegenüber dem Kläger einschließlich Zinsen am 30.05.2009 auf 854.695 €.
17Das Verrechnungskonto Nr. 2 entwickelte sich – nach Jahren zusammengefasst - wie folgt:
18
Beginn |
eingezahlt |
ausgezahlt |
Zinsen |
Ende |
|
Jahr |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
2004 |
0,00 |
18.997,91 |
1.000,00 |
-666,68 |
17.331,23 |
2005 |
17.331,23 |
595.169,17 |
13.501,12 |
9.734,29 |
608.733,57 |
2006 |
608.733,57 |
37.851,84 |
42.716,05 |
15.336,01 |
619.205,37 |
Darlehen Klägerin |
154.000,00 |
2.529,03 |
156.529,03 |
||
2007 |
619.205,37 |
42.700,00 |
63.351,84 |
2.938,87 |
601.492,40 |
2008 |
601.492,40 |
||||
Darlehen Klägerin |
157.311,68 |
||||
758.804,08 |
123.700,00 |
61.055,35 |
18.739,46 |
840.188,19 |
|
2009 |
840.188,19 |
5.650,00 |
8.857,06 |
854.695,25 |
|
Summe |
978.068,92 |
181.624,36 |
796.444,56 |
Wegen der einzelnen Zahlungen wird auf die entsprechende Anlage zur Einkommensteuererklärung 2009 verwiesen. Im Klageverfahren hat der Kläger noch eine Aufstellung mit Kontoauszügen der GmbH vorgelegt, wonach er in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 25.02.2009 über die bisher geltend gemachten 854.695 € hinaus insgesamt 1.175.950 € an die GmbH überwiesen haben will. Die Aufstellung mit den Belegen ist die Anlage 27 zum Schriftsatz vom 14.05.2013, hierauf wird Bezug genommen.
20Nach einer Betriebsprüfung machten der Beklagte und die Stadt E Steuerforderungen von etwa 80.000 € gegen die GmbH geltend, die diese nicht mehr in voller Höhe begleichen konnte. Nachdem der Beklagte die Ansprüche gegen die E-Bank gepfändet hatte, beantragte die GmbH - am ....02.2009 - beim Amtsgericht E die Eröffnung des lnsolvenzverfahrens. In diesem Zeitpunkt beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber der E-Bank - nach Abzug eines Guthabens - auf 2,286 Mio. €. In seinem Gutachten vom 26.05.2009 vertrat der spätere Insolvenzverwalter die Auffassung, dass die GmbH überschuldet sei. Aus dem Verkauf der Wohnungen in der O-Straße werde ein Erlös von rund 2,646 Mio. € erzielt, welcher der E-Bank als Grundpfandrechtsgläubigerin zustehe. Unter Berücksichtigung der übrigen Vermögenswerte und aller Verbindlichkeiten werde die Überschuldung etwa 217.000 € betragen. Die Fortführung des Bauträgergeschäfts der GmbH erscheine ausgeschlossen. Am ....06.2009 eröffnete das Amtsgericht das lnsolvenzverfahren. Die Wohnungen in der O-Straße sind inzwischen – teils vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und teils während des Insolvenzverfahrens – alle verkauft worden. Der Erlös betrug 2,394 Mio. €. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K25 zum Schriftsatz vom 20.10.2011 verwiesen.
21In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb einen Auflösungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 879.695 € geltend. Soweit er im Streitjahr nicht ausgeglichen werden könne, solle er bis zu einem Betrag von höchstens 247.047 € in das Jahr 2008 zurückgetragen werden. Der Verlust setzte sich aus der Darlehensforderung von 854.695 € und dem Stammkapital der GmbH von 25.000 € zusammen. Die Kläger vertraten den Standpunkt, die Zahlungen an die GmbH seien nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung. Es handele sich um eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, die gewährt worden seien, weil sich die GmbH seit Anfang 2004 in einer Krise befunden habe. Der Steuererklärung beigefügt war ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 08.04.2010, in dem er dem Kläger bestätigte, dass dessen Forderungen eigenkapitalersetzenden Charakter hätten. Auch nach einer bestmöglichen Verwertung der noch vorhandenen Immobilien würden auf keinen Fall Zahlungen auf die nachrangigen Forderungen erfolgen.
22Nach Erörterung mit den Klägern setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr durch Bescheid vom 26.10.2010 auf 5.826 € fest und berücksichtigte dabei als Auflösungsverlust lediglich einen Betrag in Höhe von 15.000 €. Dabei handelte es sich um das im Wege des Teileinkünfteverfahrens zu 60% erfasste Stammkapital. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der Beklagte ging davon aus, dass als Auflösungsverlust neben dem Stammkapital noch der Ausfall der im Februar 2009 in Höhe von 4.650 € gewährten Darlehen zu 60%, 2.790 € zu erfassen sei. Er erhöhte den Auflösungsverlust auf 17.790 € (= 15.000 € + 2.790 €) und setzte die Einkommensteuer durch Einspruchsentscheidung vom 13.07.2011 auf 3.936 € herab. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass die Krise erst im Februar 2009 eingetreten sei. Dies werde durch den Insolvenzantrag und das Insolvenzgutachten belegt, welches die Zahlungsunfähigkeit der GmbH für Februar 2009 angenommen habe. Die durchgehend buchmäßige Überschuldung der GmbH und die Entwicklung des Darlehenskontos besage nichts, da auf Grund des vorhandenen Grundbesitzes erhebliche stille Reserven vorhanden gewesen seien. Der Kläger habe wiederholt davon gesprochen, dass er bis zum Jahr 2009 mit einer „Rückzahlung der … Eigenmittel" nach dem Verkauf der Wohnungen in der O-Straße rechne. Die GmbH sei zudem nicht kreditunwürdig gewesen. Dies sei aus den diversen Darlehensverträgen mit der E-Bank zu schließen. Schriftliche Versuche der GmbH, sich entsprechende Geldmittel am allgemeinen Kapitalmarkt zu beschaffen, habe die GmbH nicht vorgelegt. Die mit dem Kläger vereinbarte Reduzierung seines Gehalts und der Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld reichten zum Nachweis der Krise nicht aus. Soweit die GmbH ihr Darlehen im Februar stehen gelassen habe, sei es zwar als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren, könne aber nur mit dem Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts, nämlich mit 0 € berücksichtigt werden. Eine Behandlung als krisenbestimmtes Darlehen komme im Streitfall nicht in Betracht.
23Mit der Klage verfolgen die Kläger den vollständigen Abzug des Auflösungsverlustes weiter und tragen vor:
24Die GmbH sei durch das nicht profitable Projekt O-Straße in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die Krise habe bereits im Jahr 2004 begonnen, da die GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt kreditunwürdig gewesen sei. Sie habe Fremdkapital am allgemeinen Kapitalmarkt weder zu marktüblichen noch zu außergewöhnlichen Bedingungen erwerben können. Für Bauträger sei es allenfalls möglich, projektbezogenes Fremdkapital zu erhalten. Als Darlehnsgeber sei lediglich die E-Bank in Betracht gekommen, da andere Banken Projekte in der hier vorliegenden Größe nicht finanzieren würden. Trotz erheblicher Bemühungen sei es der GmbH bei mündlichen Verhandlungen nicht gelungen, einen Darlehnsvertrag zu erhalten. Der Finanzierungsberater R der E-Bank habe einen Darlehensantrag als aussichtslos dargestellt. Schriftliche Anfragen seien nicht gestellt worden, da dies völlig branchenuntypisch sei. Das von der E-Bank gewährte Darlehen habe ausschließlich der Finanzierung des Bauvorhabens gedient. Die GmbH habe darüber nicht frei verfügen können, sondern habe die Verwendung für die einzelnen Bauabschnitte mit der E-Bank absprechen müssen. Die kreditunwürdige GmbH habe zu keiner Zeit Fremdmittel erhalten. Auch die E-Bank habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt kreditiert. Gerade deshalb hätten sie, die Kläger, später ihr gesamtes Privatvermögen zur weiteren Finanzierung einsetzen müssen. Die GmbH sei zu keiner Zeit in der Lage gewesen, das von ihm, dem Kläger, gewährte Darlehen nennenswert zum Ausgleich zu bringen. Dass die E-Bank das bestehende Darlehen für die GmbH nicht gekündigt habe, lasse keine Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit der GmbH zu. Dies habe die E‑Bank nur deshalb nicht getan, weil der Schaden für sie sonst noch größer ausgefallen wäre. Einen weiteren Nachweis, dass kein Dritter ein Darlehen gewähren würde, brauche nicht erbracht zu werden. Denn jeder Dritte würde dafür eine Sicherheit verlangt haben und eine solche habe die GmbH nicht bieten können.
25Dass die Krise bereits 2004 begonnen habe, ergebe sich aus den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträgen in den Bilanzen der GmbH. Er, der Kläger, habe der GmbH deshalb seit Februar 2004 immer wieder Eigenkapital zugewendet. Mit den Zahlungen seien zudem entsprechende Forderungen der E-Bank erfüllt worden. Die Beträge würden aus Verkäufen privater Immobilien und gekündigten Lebensversicherungen stammen. Weitere Indizien für das Vorliegen der Krise seien seine, des Klägers, Rangrücktrittserklärungen und die verschiedenen Vereinbarungen mit der GmbH mit dem Ziel, Personalkosten einzusparen.
26Stille Reserven hätten nicht bestanden. Die Immobilie sei in 2003 viel zu teuer gekauft worden. Der angedachte Verkaufspreis von 4.500 € bzw. 5.000 € pro m² sei nicht realisierbar gewesen. Die tatsächlichen Erlöse hätten nur bei 3.042 € bis 4.282 € pro m² gelegen. Es habe sich um eine Fehleinschätzung der GmbH gehandelt. Die E-Bank habe dadurch einen Verlust in Höhe von 500.000 € erlitten.
27Die für die Jahre 2002 bis 2005 abgegebenen Freistellungserklärungen seien als eigenkapitalersetzende Bürgschaften anzusehen. Die Rangrücktrittserklärungen würden die qualifizierte Form erfüllen. Sie seien der E-Bank gegenüber kommuniziert worden und in Jahresabschlüssen veröffentlicht worden.
28Sofern man die Darlehen nicht als in der Krise hingegeben ansehen wolle, müsse man sie zumindest als Finanzplandarlehen bzw. als krisenbestimmte Darlehen behandeln.
29Die Kläger beantragen Vernehmung des Finanzierungsberaters R und die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Frage, ob die Darlehen zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, als die Rückzahlung wegen der Krise der GmbH so gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre.
30Die Kläger beantragen,
31die Einkommensteuer 2009 auf 0 € herabzusetzen.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Er wiederholt und vertieft das Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung. Er ist der Auffassung, dass der Kläger nur eine einfache Rangrücktrittserklärung abgegeben habe. Erforderlich sei indessen ein qualifizierter Rangrücktritt, bei dem der Gesellschafter erkläre, dass er bis zur Abwendung der Krise nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen befriedigt werden solle. Dass die beabsichtigten Verkaufspreise nicht erzielt worden seien, spiele keine Rolle. Ursprünglich sei die GmbH von entsprechenden stillen Reserven ausgegangen. Anderenfalls habe sie Teilwertabschreibungen vornehmen können. Im Streitfall liege keiner der vier anerkannten Typen von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen vor.
35Der Senat hat die Insolvenzakte der GmbH beigezogen und die Beteiligten hierüber informiert. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger beantragt, die Akte einzusehen und Schriftsatznachlass von zwei Wochen nach Einsicht zu gewähren. Dem hat der Senat nicht entsprochen.
36Entscheidungsgründe
37Die Klage, über die der Senat entscheiden kann, ist begründet.
38I. Die Voraussetzungen für den von den Klägern beantragten zweiwöchigen Schriftsatznachlass nach Einsicht in die Insolvenzakte liegen nicht vor. Ein Anspruch darauf besteht gemäß § 283 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO nur, wenn sich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Die Bestimmung ist ferner anwendbar, wenn ein Kläger sich zu einer erst in der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen Beiziehung weiterer Akten nicht sofort hinreichend äußern kann (BFH, Beschluss vom 07.10.2008 VIII B 219/07, bei juris). Hier ist den Prozessbevollmächtigten die Beiziehung der Insolvenzakte bereits mit Verfügung vom 14.02.2014 und damit mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden. Dieser Zeitraum genügt für die Einsichtnahme und die Möglichkeit zur Äußerung.
39II. Die Klage ist begründet, weil der Einkommensteuerbescheid für 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Streitjahr bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb zu Unrecht lediglich 17.790 € „Veräußerungsverluste nach § 17 EStG“ abgezogen. Der Auflösungsverlust des Klägers beträgt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG im Streitjahr 131.850 €.
401. Der Auflösungsverlust ist vom Beklagten zu Recht im Streitjahr erfasst worden.
41a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft von mindestens 1 Prozent auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Der Kläger hatte 100% der Anteile an der A GmbH. Der Begriff der Auflösung knüpft an das Zivilrecht an. Eine GmbH wird gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG unter anderem durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Diese hat das Amtsgericht E im Streitjahr, nämlich am ....06.2009 beschlossen. Damit hat die Auflösung im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG allerdings erst begonnen. Auflösung bezieht sich nicht auf einen Zeitpunkt, sondern umschreibt einen Zeitraum. Mit der Verwirklichung eines Tatbestands aus § 60 GmbHG bleibt die GmbH als solche bestehen; lediglich ihr „werbender“ Zweck wandelt sich und richtet sich auf die Liquidation des Gesellschaftsvermögens (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG - Kommentar -, 7. Auflage 2012, § 60 Rn. 7). Die Berechnung des Auflösungsgewinns oder -verlusts gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 EStG muss jedoch wie die Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG stichtagsbezogen durchgeführt werden (BFH, Urteil vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428). Dafür kommt es darauf an, an welchem Stichtag der Gewinn bzw. Verlust realisiert ist (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Das bedeutet, dass alle am jeweiligen Bilanzstichtag vorhersehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen sind, die bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation noch entstehen werden (BFH, Urteil vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162). Ein Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer GmbH entsteht sonach regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation. Nach § 200 Abs. 1 InsO beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sobald die Schlussverteilung vollzogen ist. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter wegen der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann und absehbar ist, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen; insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten (vgl. BFH, Urteil vom 28.10.2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561 m.w.N. und Beschluss vom 08.06.2011 IX B 157/10, BFH/NV 2011, 1510).
42b) Nach diesen Maßstäben ist ein Auflösungsverlust des Klägers aus seiner Beteiligung an der GmbH bereits im Streitjahr zu erfassen. Darüber streiten die Beteiligten nicht. Die GmbH hatte ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, als sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte. Nach dem Gutachten des Insolvenzverwalters erschien die Fortführung des Bauträgergeschäfts mit Ausnahme der Restabwicklung des Objekts O‑Straße in Ermangelung eines Kreditgebers ausgeschlossen. Mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Auflösungsverlustes war nicht mehr zu rechnen. Nach dem erwähnten Gutachten kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an den Kläger ausgeschlossen werden. Das ergibt sich einerseits aus dem Vergleich der möglichen Erlöse aus dem Verkauf der restlichen Eigentumswohnungen mit den deutlich höheren Verbindlichkeiten der GmbH. Andererseits hat der Insolvenzverwalter dem Kläger ausdrücklich bestätigt, dass er auf keinen Fall eine Zahlung auf seine Forderung erhalten werde. Es war im Streitjahr absehbar, in welcher Höhe dem Kläger nachträgliche Anschaffungskosten entstehen würden. Die für diese Beurteilung erforderlichen Tatsachen standen fest. Eine Erhöhung - etwa durch Verkauf bisher nicht bekannter Wirtschaftsgüter, durch noch ausstehende Bürgschaftszahlungen oder dergleichen - konnte für den Kläger ausgeschlossen werden. Die Unklarheiten über die Behandlung der Gesellschafterdarlehen betreffen die rechtliche Würdigung und sind bei der anzustellenden Prognose nicht zu berücksichtigen. Es reicht, dass der Sachverhalt hinsichtlich dieses Punktes unstreitig war.
432. Die Berechnungsweise für den Auflösungsverlust ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Auflösung einer Kapitalgesellschaft gilt als Veräußerung des Gesellschaftsanteils (§ 17 Abs. 4 Satz 1 EStG). Als Gewinn bzw. Verlust aus dieser Veräußerung ist vom Veräußerungspreis auszugehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei der Auflösung ist der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG). Dieser Ansatz entfällt hier, da der Kläger von der GmbH kein Vermögen zugeteilt oder zurückgezahlt bekommen hat. Es wird ferner kein Abzug von Veräußerungs- bzw. Auflösungskosten vorgenommen, da der Kläger keine geltend gemacht hat und solche nach Aktenlage nicht ersichtlich sind. Jedenfalls abzuziehen sind die Anschaffungskosten; wenn der Veräußerungspreis entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG die Veräußerungskosten und die Anschaffungskosten nicht übersteigt, kommt es zu einem Veräußerungs- bzw. Auflösungsverlust. Im Streitfall sind die Anschaffungskosten und der Auflösungsverlust identisch.
44a) § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG definiert den Begriff der Anschaffungskosten nicht. Von den Anschaffungskosten der Geschäftsanteile an einer GmbH spricht § 57o GmbHG nur im Zusammenhang mit einem hier nicht relevanten Sachverhalt, nämlich der Erhöhung des Stammkapitals. Übrig bleibt im Grundsatz nur, zur Auslegung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG den § 255 Abs. 1 HGB heranzuziehen (BFH, Urteil vom 21.01.1999 IV R 27/97, BStBl II 1999, 638). Danach muss es sich um Aufwendungen handeln, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Das sind hier zweifelsohne die Aufwendungen in Höhe von 25.000 €, die der Kläger aufgrund des Gesellschaftsvertrags geleistet hat, um das Stammkapital der GmbH aufzubringen. Hierdurch hat er 100% der Geschäftsanteile (§ 14 GmbHG) erworben. Diese 25.000 € hat der Beklagte (zu 60%) bereits im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 26.10.2010 als Auflösungsverlust berücksichtigt.
45b) Anschaffungskosten sind außerdem die Nennwerte der vom Kläger in den letzten Monaten vor Insolvenzeröffnung der GmbH gewährten Darlehen, mit denen er im Insolvenzverfahren in voller Höhe ausgefallen ist. Denn gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB gehören zu den Anschaffungskosten auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Dies sind solche Aufwendungen, die zeitlich nach dem Anschaffungsvorgang bzw. nach der Herstellung der Betriebsbereitschaft des betreffenden Wirtschaftsguts anfallen, aber mit dem Erwerbsvorgang noch in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (BFH, Urteile vom 03.07.1997 III R 114/95, BStBl II 1997, 811 und vom 14. März 2011 I R 40/10, BStBl II 2012, 281). Dazu zählen neben (verdeckten) Einlagen nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Diese Voraussetzungen sind bei den eingangs genannten Darlehen erfüllt.
46Die Verluste aus den Darlehen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Senat kann offenlassen, ob der Verlust eines Gesellschafterdarlehens im Rahmen der Insolvenz einer GmbH überhaupt unter einen der § 20 Abs. 1 bis 3 EStG geregelten Tatbestände - welche die Auflösung einer Kapitalgesellschaft nicht regeln - gefasst werden könnte. Jedenfalls finden die Regeln aus § 20 Abs. 1 bis 3 EStG deshalb keine Anwendung, da die Einkünfte hier gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören und aufgrund der Anordnung in § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG nur diesen Einkünften zuzurechnen sind.
47Die Darlehensverluste sind keine Auflösungskosten in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG für Veräußerungskosten. Damit sind Aufwendungen im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft gemeint, die der Steuerpflichtige (persönlich) getragen hat (BFH, Urteil vom 20.08.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310). Solche sind hier weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
48Die ab Oktober 2008 gewährten Darlehen sind durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH veranlasst. Sie erfüllen die gleiche Funktion wie Eigenkapital in Form von Nachschüssen (§ 26 GmbHG) oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§§ 14 Satz 3, 55 ff. GmbHG). Bei Gewährung der vorangegangenen Darlehen - Oktober 2004 bis Juli 2008 - bestand eine solche Veranlassung nicht. In diesem Zeitraum stand der Kläger der GmbH nicht wie ein Gesellschafter, sondern wie ein Fremdgläubiger gegenüber, welcher der GmbH gegen eine Zinsvereinbarung (§ 488 Abs. 1 BGB) Darlehen gewährt. Diese Mittel stellen Fremdkapital dar. Es ist Sache des einzelnen Gesellschafters zu entscheiden, ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellt. Das Einkommensteuerrecht muss den gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Finanzierungsfreiheit respektieren. Erhält der Gesellschafter das eingezahlte Eigenkapital wegen Insolvenz der GmbH nicht zurück, sind die dadurch entstandenen Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und - wie bereits ausgeführt - in Gestalt nachträglicher Anschaffungskosten als Auflösungsverlust abziehbar (BFH, Urteile vom 24.04.1997 VIII R 23/93, BStBl II 1999, 342; und vom 02.04.2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706). Hat der Gesellschafter der GmbH jedoch Fremdkapital zur Verfügung gestellt und fällt er mit seiner Darlehensforderung im Insolvenzverfahren der GmbH aus, ist er wie jeder andere Fremdgläubiger zu behandeln. Der Verlust seines Kapitals ist – weil in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen liegend einkommensteuerrechtlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sofern im Gesetz ‑ wie hier - keine abweichende Regelung getroffen worden ist.
49Dass jedenfalls die im Februar 2009 vom Kläger gewährten Darlehen in Höhe von zusammen 4.650 € durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst worden sind und der insolvenzbedingte Ausfall des Klägers mit diesen Darlehen folgerichtig zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB geführt hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Beklagte hat diesen Auflösungsverlust in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt.
503. Ob der Ausfall des Klägers mit einem seiner Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis mit der GmbH veranlasst ist oder nicht, hat der Beklagte zu Recht durch Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts entschieden. Von dieser Lösung sind auch die Kläger in ihren Schriftsätzen stillschweigend und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ausgegangen.
51a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH sind Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft dadurch „funktionales“ Eigenkapital zugewandt hat. Das bedeutet, das Darlehen muss nach Maßgabe des Zivilrechts einen Ersatz für Eigenkapital darstellen und ebenso wie dieses gesetzlich gebunden sein (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320, m.w.N.). Als dafür einschlägige Norm wurde § 32a Abs. 1 GmbHG (in der Fassung des Art. 48 Nr. 2 Buchstabe a EGInsO vom 05.10.1994, BGBl I 2911, die sog. Novellenregeln) angesehen. § 32a Abs. 1 GmbHG bestimmte: Hat ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten statt dessen ein Darlehen gewährt, so kann er den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen. Mit Wirkung ab 01.05.1998 wurde in § 32a Abs. 1 GmbHG hinter das Wort „hätten“ noch die Klammerdefinition „Krise der Gesellschaft“ eingefügt (Art. 10 Nr. 1 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich - KonTra - vom 27.04.1998, BGBl I S. 786). Der Begriff „Krise der Gesellschaft“ sollte „den von Rechtsprechung und Literatur umfassend zu § 32a Abs. 1 Satz 1 ausgearbeiteten Zeitpunkt“ bezeichnen (BT-Drs 13/10038 S. 28). Krise der Gesellschaft ist daher der Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (BFH, Urteil vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385).
52b) § 32a Abs. 1 GmbHG ist auf den Streitfall nicht mehr anwendbar. Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 22 und Art. 25 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2026) mit Wirkung ab dem 01.11.2008 aufgehoben worden. § 32a GmbHG ist nur in Insolvenzverfahren weiter anzuwenden, die vor diesem Stichtag eröffnet worden sind (Art. 103d Satz 1 EGInsO). Der Fall liegt nicht vor, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nach dem Stichtag, nämlich am ....06.2009 eröffnet worden ist. Die Rückausnahme in Art. 103d Satz 2 EGInsO greift nicht ein, da der Streit hier nicht die Anfechtung von Rechtshandlungen betrifft. Als Ersatz für § 32a Abs. 1 GmbHG ist in § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 Satz 1 InsO eine neue Regelung eingefügt worden. Danach werden Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen bei einer GmbH im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger und innerhalb der nachrangigen Insolvenzgläubiger im letzten Rang berichtigt. Diese Bestimmung gilt unabhängig davon, in welcher wirtschaftlichen Situation sich die Gesellschaft befand, als ihr das Darlehen gewährt worden ist. Die Voraussetzung einer Krise der Gesellschaft aus § 32a Abs. 1 GmbHG hat das MoMiG generell aufgegeben. Ein Gesellschafterdarlehen kann nunmehr ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung dem Gesellschafter zurückgewährt werden (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Mit dieser Bestimmung hat das MoMiG das durch die Rechtsprechungsregeln entwickelte Rückzahlungsverbot nach §§ 30 f. GmbHG a.F. analog aufgehoben (BT-Drs 16/6140, S. 42). Lediglich im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt die Befriedigung des Gesellschaftergläubigers zur Anfechtbarkeit der Rechtshandlung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO); das aus dem Vermögen der Gesellschaft Weggegebene muss zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO).
53c) Unter welchen Voraussetzungen nunmehr Gesellschafterdarlehen als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen sind und ihr Ausfall demgemäß zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG führt, ist noch nicht geklärt (vgl. Heuermann, DB 2009, 2173; Maciejewski, GmbHR 2012, 1335; Graw, Ubg 2014, 251). Der BFH hat bisher ausdrücklich unerörtert gelassen, ob es aufgrund dieser neuen Zivilrechtslage geboten ist, neue Maßstäbe für Aufwendungen des Gesellschafters aufgrund von krisenbedingten Finanzierungshilfen zu entwickeln (BFH, Urteil vom 20.08.2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783). Entscheidungen der Finanzgerichte liegen zu der Frage – soweit ersichtlich – noch nicht vor.
54Nach Ansicht der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 21.10.2010, BStBl I 2010, 832) und diversen Stimmen in der Literatur (Frotscher in Frotscher, EStG, § 17 Rn. 274; Vogt in Blümich, EStG, § 17 Rn. 627; Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Auflage 2013, § 17, Rz. 95; Pung/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 17 EStG, Rz. 331; Waclawik, ZIP 2007, 1838; Bruschke, DStZ 2010, 535; Levedag, GmbHR 2010, 1230, Graw, Ubg 2014, 251; Fuhrmann/Dötsch, DStR 2012, 835) soll das bisherige Eigenkapitalersatzrecht zur Feststellung, ob ein Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, fortgeführt werden.
55Eine andere Auffassung hält an der Maßgeblichkeit des Zivilrechts konsequent fest und gelangt unter Berücksichtigung der aktuellen Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 Satz 1 InsO zu der Lösung, dass nunmehr sämtliche ausgefallenen Gesellschafterdarlehen mit dem Nennwert als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen seien (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 17, Rz. 174; Eilers/R. Schmidt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 17, Rz. 201 b; Bode, DStR 2009, 1781; Weng, StuB 2012, 233).
56Die Gegenposition verneint bei § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Bindung an das Zivilrecht und will die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nach allgemeinen Kriterien beurteilen. Als Indizien für eine gesellschaftliche Veranlassung werden die fehlende oder fremdunübliche Verzinsung, die Nichtdurchführung vertraglicher Abreden, die fehlende Besicherung des Gesellschafterdarlehens und die Darlehensgewährung zu einem Zeitpunkt, zu dem Dritte hierzu nicht mehr bereit waren (Demuth/Helms, KÖSDI 2012, S. 18066; Zimmermann und Zimmermann/Schwier in Bordewin/Brandt, EStG, § 17, Rz. 305; ähnlich Jäschke, Lademann, EStG, § 17, Rz. 243).
57Schließlich wird vertreten, dass der Abzug von ausgefallenen Darlehensforderungen wegen der neuen Rechtslage nicht mehr bei § 17 EStG, sondern nur noch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen möglich sei (Wiese/Möller, GmbHR 2010, 462; Bayer, DStR 2009, 2397; Schwenke/Fischer, FR 2010, 643). Diese These hat der Senat hier bereits - im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG - abgelehnt.
58Weitgehende Einigkeit herrscht, dass die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts nichts an der Behandlung der Finanzplandarlehen als Anschaffungskosten ändert. Denn diese sind von vornherein - also mit ihrer Hingabe - gesellschaftsrechtlich als haftendes Kapital gebunden. Das genügt für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Darlehensgewährung (BMF-Schreiben vom 21.10.2010, BStBl I 2010, 832; Graw, Ubg 2014, 251).
59d) Der Senat befürwortet, weiterhin die Definition der „Krise der Gesellschaft“ aus § 32a Abs. 1 a.F. GmbHG anzuwenden, um festzustellen, ob ein Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst wurde.
60Es besteht keine zwingende Notwendigkeit, das Eigenkapitalersatzrecht heranzuziehen bzw. funktionelles Eigenkapital zu verlangen, wenn es um die Frage geht, ob die Gewährung eines Darlehens durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist oder nicht. Der Begriff Eigenkapital wird in der Definition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 HGB i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG an keiner Stelle verwendet. Es geht um verschiedene Regelungsansätze. Das frühere Eigenkapitalersatzrecht und die neuen Bestimmungen in der InsO bezwecken den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft; darum geht es hier nicht. Die Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 Satz 1 InsO im Rahmen von § 17 EStG würde ferner zu zweifelhaften Ergebnissen führen, weil Gesellschafterdarlehen - wie bereits erwähnt - nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG jetzt jederzeit zurückgezahlt werden dürfen. Selbst die Rückzahlung während einer Krise ist - abgesehen von der Jahresfrist (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) - grundsätzlich möglich. Ob der Gesellschafter mit seinem Darlehen ausfällt, hängt allein davon ab, ob in der Zukunft irgendwann einmal das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wird oder nicht. Dann aber steht der Gesellschafter wegen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO schlechter als jeder Fremdgläubiger. Mit dieser Regelung ließe sich steuerrechtlich sowohl begründen, alle in der Insolvenz ausgefallenen Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten zu behandeln, als auch vertreten, keines von ihnen im Rahmen eines Auflösungsverlustes zu berücksichtigen. Denn bei der Hingabe des Darlehens steht im Zweifel nicht fest, dass die Gesellschaft insolvent wird. Wenn man sich bei der Auslegung des Begriffs „Anschaffungskosten“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht völlig von der Legaldefinition in § 255 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB lösen will, können Aufwendungen für Gesellschafterdarlehen hierunter nur subsumiert werden, wenn sie geleistet werden, um die Beteiligung an der GmbH - den erworbenen Vermögensgegenstand - in einem „betriebsbereiten Zustand“ zu erhalten. Diese Voraussetzung ist beim Gesellschafterdarlehen gerade nicht erfüllt. Denn wenn man sich am Zivilrecht orientiert, ist ein Gesellschafterdarlehen Fremdkapital.
61Auf der Suche nach einer Lösung sollte berücksichtigt werden, dass es nicht um die Fortführung einer umfangreichen Regelungsmaterie geht, sondern im Kern nur um die Definition der Krise im Tatbestand von § 32a Abs. 1 GmbHG. Schon die Rechtsfolge für das Insolvenzrecht wird hier nicht benötigt. Auch wenn der Begriff im Gesetz gestrichen worden ist, Bei den meisten GmbHs wird es immer wieder einmal eine Krise geben. Und es ist kein Grund ersichtlich, warum man zu deren Konturierung nicht eine frühere gesetzliche Definition heranziehen sollte. Es gibt diverse Kriterien, mit denen festgestellt werden kann, ob ein Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist oder nicht. In erster Linie kommt der Fremdvergleich in Betracht, der beim Problem der verdeckten Gewinnausschüttung herangezogen wird, wo es ebenfalls um eine vermögenswerte Rechtshandlung zwischen der GmbH und einem Gesellschafter geht. Der Fremdvergleich würde hier darauf abstellen, ob der Darlehensvertrag zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft dem entspricht, was ein fremder Kapitalgeber mit der Gesellschaft in der konkreten Situation vereinbart hätte. Die dabei von dem fremden Kapitalgeber anzustellenden Überlegungen werden sich weitgehend mit den Punkten decken, die bei der Anwendung von § 32a Abs. 1 GmbHG und der Auslegung des Merkmals der Krise der Gesellschaft herausgearbeitet worden sind. Der Vorteil ist, dass hier auf eine ständige Rechtsprechung zu den verschiedensten Fallgruppen von Gesellschafterdarlehen zurückgegriffen werden kann, die in einer langjährigen Entwicklung entstanden ist. Die damit verbundene Rechtssicherheit sollte nicht ohne Not aufgegeben werden.
624. Beim Fremdvergleich unter Heranziehung der Wertung aus § 32a Abs. 1 GmbHG a.F. kann der Senat nur die Darlehen als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anerkennen, die der Kläger der GmbH ab Oktober 2008 gewährt hat. Die Gewährung der Darlehen in der Zeit von Mitte 2004 bis Juli 2008 ist dagegen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.
63§ 32a Abs. 1 GmbHG definiert die Krise der Gesellschaft durch den Zeitpunkt, in dem ihr ein Gesellschafter ein Darlehen gewährt, ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute stattdessen Eigenkapital zugeführt hätten. Nach der bisherigen Rechtsprechung muss der Gesellschafter das Darlehen nicht erst in der Krise gewähren, er kann auch ein vor der Krise bereits gewährtes Darlehen in der Krise stehen lassen oder ein Darlehen gewähren, das für die Krise bestimmt ist. Unabhängig von einer Krise wird schließlich der Ausfall des Gesellschafters mit einem Finanzplandarlehen anerkannt. Lässt sich das Darlehen eines Gesellschafters unter keine der vorgenannten Kategorien fassen, hätten sich die Gesellschafter auch als ordentliche Kaufleute nicht veranlasst gesehen, der GmbH Eigenkapital zuzuführen. Der Ausfall mit einem solchen Darlehen führt nicht zu Anschaffungskosten (BFH, Urteil vom 20.08.2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783 m.w.N.). Die vom Kläger bis Juli 2008 gewährten Darlehen lassen sich keiner der vier Kategorien zuordnen. Denn die Krise der GmbH begann erst im Oktober 2008.
64a) Als ordentliche Kaufleute im Sinne des § 32a Abs. 1 GmbHG führen Gesellschafter ihrer GmbH Eigenkapital zu, wenn diese insolvenzreif oder kreditunwürdig geworden ist. Denn in dieser Situation wäre ein fremder Kreditgeber als ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung nicht mehr eingegangen (Vogt in Blümich, EStG, § 17 Rn. 621). Zur Beurteilung dieser Frage ist der Senat aufgrund seiner forensischen Erfahrung selbst in der Lage. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht. Die GmbH im Streitfall war bis Juli 2008 weder kreditunwürdig noch insolvenzreif. Es lag noch kein Eröffnungsgrund vor.
65aa) Die GmbH war weder zahlungsunfähig noch überschuldet (§§ 17 Abs. 1, 19 Abs. 1 InsO). Es ist nichts dazu vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich, dass die GmbH in der Zeit zwischen Oktober 2004 und Juli 2008 einmal nicht in der Lage gewesen wäre, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ihre Zahlungen eingestellt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) hat sie erst Anfang 2009. Überschuldet war die GmbH ebenfalls nicht, da ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten bis Juli 2008 noch gedeckt hat, jedenfalls aber deshalb, weil die Fortführung ihres Unternehmens nach den Umständen bis Juli 2008 überwiegend wahrscheinlich war (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO).
66Der „nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag“, der in allen Bilanzen der GmbH vom 31.12.2003 bis zum 31.12.2007 ausgewiesen wurde und in diesem Zeitraum von rund 90.000 € bis auf 530.000 € angewachsen ist, reicht für die Annahme einer Überschuldung nicht aus. Denn dieser Fehlbetrag beruht alleine auf den Buchwerten. Ob das Vermögen der GmbH deren Verbindlichkeiten deckt, muss anhand der tatsächlichen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter beurteilt werden. Verfügt der Schuldner nämlich über genügend stille Reserven, ist er nicht überschuldet (BGH, Urteile vom 04.12.1995 II ZR 281/94, NJW 1996, 720 und vom 12.07.1999 II ZR 87/98, NJW 1999, 3120). Das Vermögen der GmbH bestand in dem hier interessierenden Zeitraum aus dem Grundstück O-Straße und dem Gebäude, das die GmbH darauf nach und nach errichtete. In den Bilanzen konnte und durfte die GmbH nur die bisher aufgewandten Kosten für den Erwerb und die Herstellung des Gebäudes aktivieren. Diese stiegen von 1,2 Mio. € in 2003 bis auf 2,3 Mio. € in 2007. Es liegt aber auf der Hand, dass die Kaufpreise für die fünf Eigentumswohnungen deren Anschaffungs- und Herstellungskosten erheblich übersteigen würden. In der Kalkulation zu Beginn des Projekts in der O‑Straße kalkulierte die GmbH mit einem Verkaufspreis von insgesamt 3 Mio. €. Damit wäre der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag in vollem Umfang ausgeglichen.
67Soweit die Kläger vortragen, es hätten keine stillen Reserven bestanden, weil die GmbH das Objekt in 2003 zu teuer gekauft habe und der von ihr angedachte Verkaufspreis nicht realisierbar gewesen sei, kann der Senat dem nicht folgen. Soweit die Kläger sich dabei auf die tatsächlichen Verkaufspreise stützen, handelt es sich um Erkenntnisse, die erst während des Insolvenzverfahrens zutage getreten sind und die für die hier interessierende Frage der Überschuldung im Zeitraum Oktober 2004 bis Juli 2008 nicht berücksichtigt werden können. Denn bei der Bewertung sind grundsätzlich nur Risiken und Verluste zu berücksichtigen, die bis zum Abschlussstichtag entstanden und spätestens bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG). Während der Jahre 2004 bis 2007 ist die GmbH nach Aktenlage stets davon ausgegangen, die Eigentumswohnungen aus dem Objekt O-Straße noch gewinnbringend verkaufen zu können. Dass das Grundstück O-Straße in 2003 „viel zu teuer gekauft“ worden sei, haben die Kläger nicht spezifiziert. Von dem im Klageverfahren angesprochenen Recht, deshalb eine Teilwertabschreibung vorzunehmen, hat die GmbH jedenfalls keinen Gebrauch gemacht. Dass sich der Markt für Wohnungen im Streitfall anders entwickelt hat als geplant, gehört zum typischen Risiko, das jeder Unternehmer zu tragen hat.
68Die Kläger lassen ferner außer Acht, dass der Kläger gegenüber der GmbH Freistellungs- und Rangrücktrittserklärungen abgegeben hatte, die gerade im Fall der Insolvenzeröffnung greifen sollten. Die der GmbH daraus erwachsenden Rechtsansprüche gegen den Kläger gehörten im Insolvenzfall zum Aktivvermögen der GmbH. Dass diese Forderungen durchaus werthaltig waren, zeigen die rund 800.000 €, die der Kläger unter Mitwirkung der Klägerin zwischen 2004 und 2009 an die GmbH gezahlt hat.
69Selbst wenn man aber unterstellen würde, dass das Vermögen der GmbH durch einen deutlich niedrigeren Wert des Grundstücks O-Straße bereits zwischen Oktober 2004 und Juli 2008 die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt hätte, wäre die GmbH trotzdem nicht überschuldet gewesen. Denn Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Das war bei der GmbH der Fall. Nachdem die GmbH das Bauvorhaben O-Straße in 2003 aufgrund der Finanzierung der E-Bank begonnen hatte, bestand kein Zweifel, dass es abgeschlossen werden würde. Denn nur durch den Verkauf der Wohnungen konnte der Kredit der E-Bank zurückgezahlt werden. Da die GmbH Eigentümerin des Objekts war, konnte ihr die Fertigstellung niemand streitig machen.
70bb) Die GmbH war bis Juli 2008 noch kreditwürdig.
71Eine auf Kreditunwürdigkeit beruhende Krise der Gesellschaft liegt vor, wenn die Gesellschaft von dritter Seite den zur Fortführung ihres Unternehmens benötigten Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht erhält und deshalb liquidiert werden müsste, wenn nicht der Gesellschafter mit seiner Leistung einspringt oder eingesprungen wäre (BGH, Urteil vom 13.07.1992 II ZR 269/91, BGHZ 119, 201). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die GmbH hat von 2003 bis Juli 2008 von der E-Bank laufend Kredite erhalten. Die von den Klägern insoweit gemachten begrifflichen Unterschiede zwischen einem Kredit bzw. einem Darlehen einerseits, welche die GmbH nicht bekommen habe, und projektbezogenem Fremdkapital, das die E-Bank der GmbH zur Verfügung gestellt habe, spielen hier keine Rolle. Aus diesem Grund bedarf es auch der Vernehmung des Finanzierungsberaters R nicht. Irrelevant ist ebenfalls, dass die E-Bank Nachweise über die Verwendung der ausgezahlten Geldmittel verlangte. Die GmbH war jedenfalls in der Lage, ihr Unternehmen mit dem Kredit der E-Bank fortzuführen. Nachdem sie in den Jahren 2000 bis 2002 die Bauvorhaben am Z-Straße und in X finanziert hatte, gewährte sie der GmbH im Herbst 2003 das Darlehen für das Projekt O-Straße, das durch eine Grundschuld über 1,757 Mio. € gesichert wurde. Die Darlehenssumme wurde durch die Multifunktionskredite der E-Bank in 2005 und 2007 bis auf 2,386 Mio. € erhöht. Entsprechend erhielt die E-Bank durch eine weitere Grundschuld über 790.000 € eine dingliche Sicherheit von insgesamt 2,547 Mio. €. Die Bilanz zum 31.12.2007 zeigt, dass die E-Bank der GmbH im abgelaufenen Jahr rund 600.000 € zur Verfügung gestellt und die GmbH diese Mittel in vollem Umfang in das Bauvorhaben investiert hatte. Das Darlehen des Klägers war im selben Zeitraum um etwa 17.700 € gesunken. Das zeigt, dass die GmbH sogar unabhängig vom Kläger auf Darlehen zurückgreifen konnte. Schließlich hat die E-Bank das Darlehen der GmbH nach Aktenlage bis zum Jahr 2008 einschließlich nicht gekündigt, womit nochmals die Kreditwürdigkeit der GmbH belegt wird. Der Einwand der Kläger, die E-Bank habe nur deshalb nicht gekündigt, weil der Schaden für sie sonst noch größer ausgefallen wäre, verfängt nicht. Dass die E‑Bank das Darlehen nicht gekündigt hat, bestätigt vielmehr, dass sie die GmbH weiterhin für kreditwürdig hielt.
72Der Senat verkennt nicht, dass das finanzielle Engagement des Klägers von der E-Bank durchgehend eingefordert worden ist. Das Schreiben vom 17.08.2007 zeigt, dass die E‑Bank bei der neuerlichen Kreditzusage erwartete, dass die GmbH von den 2,965 Mio. € Gesamtkosten 579.300 € (rund 19%) Eigenkapital übernehme. Im Hinblick auf das geringe Eigenkapital der GmbH musste der Kläger diese Verpflichtung übernehmen, anderenfalls hätte die E-Bank die Darlehen im Zweifel nicht gewährt. Im Hinblick auf die beschränkte Haftung und das Erlöschen im Fall der Insolvenz entspricht es ständiger Praxis der Kreditwirtschaft, einer GmbH nur dann Darlehen zu gewähren, wenn neben dinglichen zusätzlich persönliche Sicherheiten gegeben werden. In aller Regel müssen die maßgeblich beteiligten Gesellschafter für die Schulden der GmbH eine Bürgschaft übernehmen. Nichts anderes ist die Darlehensgewährung durch den Kläger. Diese Konstellation macht die GmbH jedoch nicht kreditunwürdig.
73Dass der Kläger nach und nach der Herabsetzung seines Gehalts von 7.158 € bis auf 500 € ab 01.04.2006 sowie dem jährlichen Verzicht auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zugestimmt hat, ist für sich kein Beleg, dass die GmbH nicht mehr kreditwürdig war. Es kommt häufig vor, dass Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten Gehälter kürzen. Das muss nicht heißen, dass sich das Unternehmen bereits in der Krise befindet.
74cc) Nach Auffassung des Senats begann die Krise der GmbH zeitgleich mit der globalen Finanzkrise im Herbst 2008. Diese nahm ihren Anfang nach allgemeiner Meinung am Montag, den 15.09.2008, als die amerikanische Investmentbank Lehmann Brothers Holding Inc. in New York Insolvenz beantragt hatte, was sofort auf den internationalen Finanzmärkten bekannt wurde und die Vergabe von Krediten nachhaltig erschwerte. Dieser Zusammenhang ist aus dem Zahlungsverhalten des Klägers deutlich zu erkennen. Er hat in einem Zeitraum von weniger als zwei Wochen – vom 24.10.2008 bis zum 05.11.2008 – insgesamt über 100.000 € auf das Geschäftskonto überwiesen. Es ist nicht ersichtlich und ohne weiteres nachvollziehbar, dass die E-Bank ab Oktober 2008 noch bereit gewesen wäre, der GmbH weitere Darlehen zu gewähren. Da das Bauvorhaben kurz vor der Fertigstellung stand, ist es einleuchtend, dass der Kläger versuchte, die noch vorzunehmenden Arbeiten mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf das Insolvenzgutachten den Beginn der Krise erst im Februar 2009 gesehen hat, lässt er unberücksichtigt, dass die Krise nicht erst mit der Insolvenzreife anfängt, sondern bereits die Kreditunwürdigkeit dafür ausreicht.
75dd) Der Kläger leistete während der Krise im Einzelnen folgende Zahlungen:
76
24.10.2008 |
7.000 € |
16.01.2009 |
500 € |
|
27.10.2008 |
7.000 € |
26.01.2009 |
500 € |
|
28.10.2008 |
57.000 € |
02.02.2009 |
4.000 € |
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04.11.2008 |
30.000 € |
06.02.2009 |
500 € |
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05.11.2008 |
200 € |
25.02.2009 |
150 € |
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Summe |
101.200 € |
Summe |
5.650 € |
Gesamtsumme 106.850 € |
Mit den Aufwendungen von 25.000 € für das Stammkapital betragen die nachträglichen Anschaffungskosten und damit der Auflösungsverlust insgesamt 131.850 €.
78b) Der Ausfall des Klägers mit den bis Juli 2008 gewährten Darlehen können auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als Anschaffungskosten berücksichtigt werden.
79aa) Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis mittels eines krisenbestimmten Darlehens besteht hier nicht. Krisenbestimmt sind Darlehen nur, wenn die zur Aufnahme der Geschäfte notwendige Finanzausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll und die Maßnahme von vornherein als Krisenfinanzierung ausgelegt ist. Der Gesellschafter muss sich dazu gegenüber der Gesellschaft verpflichten, er werde die Darlehensmittel auch in der Krise der Gesellschaft nicht abziehen, sondern stehen lassen und mit der Darlehensforderung im Rang hinter die Forderungen der übrigen Gläubiger der Gesellschaft zurücktreten. Die Erklärung, das Darlehen stehen zu lassen, darf nicht nur für den Fall der Insolvenzreife abgegeben werden, sondern muss sich ferner auf den Fall der Kreditunwürdigkeit beziehen (BFH, Urteil vom 13.07.1999 VIII R 31/98, BStBl II 1999, 724). Bei einem solchen krisenbestimmten Darlehen kann auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, verzichtet werden (vgl. BFH, Beschlüsse vom 08.03.1999 VIII B 35/97, BFH/NV 1999, 1203 und vom 16.03.2012 IX B 142/11, BFH/NV 2012, 1124).
80Der Kläger hat der GmbH kein krisenbestimmtes Darlehen gewährt. Allen Darlehen, die der Kläger der GmbH gewährt hat, liegt der Kontokorrent-Darlehensvertrag vom 01.01.2004 zugrunde. Dieser konnte mit einer Frist von 14 Tagen schriftlich gekündigt werden. Die Rangrücktrittserklärung genügt den Anforderungen an die Krisenbestimmung ebenfalls nicht. Sie bezieht sich nur auf den Insolvenzfall, gilt aber nicht für eine etwaige Kreditunwürdigkeit der GmbH. Der Kläger hat sich außerdem nicht ohne Vorbehalt verpflichtet, die Darlehensmittel nicht abziehen. Die Erklärung lautet eingangs: „Eine Rückzahlung der Verbindlichkeiten hat nur dann zu erfolgen, wenn die … GmbH dazu aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem – freien – Vermögen künftig dazu in der Lage ist“. Der Senat legt diese Erklärung so aus (§§ 133, 157 BGB), dass der Kläger sein Darlehen zumindest teilweise hätte zurückverlangen können, wenn die Wohnungen mit Gewinn verkauft worden wären. Die Verpflichtungs- und Rangrücktrittserklärung wären erst zum Tragen gekommen, wenn das Insolvenzverfahren später eröffnet worden wäre. Das ist jedoch nicht die Funktion eines krisenbestimmten Darlehens.
81bb) Der Kläger hat die bis Juli 2008 gewährten Darlehen nicht ab Oktober 2008 in der Krise stehen gelassen.
82Einer Darlehenshingabe in der Krise steht es grundsätzlich gleich, wenn der Gesellschafter das der Gesellschaft vor der Krise gewährte Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft die Gefährdung der Rückzahlung absehbar war. Das Darlehen wird dann von Fremdkapital zu Eigenkapital umqualifiziert (BFH, Urteil vom 13.07.1999 VIII R 31/98, BStBl II 1999, 724). Allerdings bedarf es dazu einer Erklärung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Es besteht keine Vermutung, dass der Gesellschafter bei nachträglich eintretender Gefährdung des ursprünglich als Fremdkapital gewährten Darlehens dieses mit Rücksicht auf seine Gesellschafterstellung hat stehen lassen; es bedarf vielmehr insoweit hinreichend objektiver Anhaltspunkte (Vogt in Blümich, EStG, § 17 Rn. 636 m.w.N.).
83Im Streitfall bestehen keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zwischen Oktober 2008 und Februar 2009 entschieden hätte, das bereits bis Juli 2008 gewährte Darlehen stehen zu lassen.
84Unabhängig davon würde der Kläger durch die Umqualifizierung nichts gewinnen. Denn bei einem "stehengelassenen Darlehen" entstehen in der Regel keine nachträglichen Anschaffungskosten. Für die Ermittlung der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ist grundsätzlich der gemeine Wert in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht. Diese Differenzierung beruht auf der Erwägung, dass Wertverluste bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit im Einklang mit dem objektiven Nettoprinzip der Privatsphäre des Gesellschafters zuzuordnen sind (BFH, Urteil vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344).
85Der Senat kann den gemeinen Wert des bis Juli 2008 bereits gewährten Darlehens ab Beginn der Krise im Oktober 2008 nur mit 0 € schätzen. Die Valuten waren in das Objekt geflossen; sie kamen lediglich der E-Bank als Grundpfandrechtsgläubigerin zugute. Aussicht auf eine Rückzahlung der älteren Darlehen bestand nicht; der Kläger versuchte vielmehr, mit zusätzlichen Darlehen noch die Insolvenz der GmbH zu verhindern.
86cc) Der Kläger hat der GmbH schließlich keine Finanzplandarlehen gewährt.
87Finanzplandarlehen liegen vor, wenn die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft krisenunabhängig durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll. Solche von den Gesellschaftern gewährten "finanzplanmäßigen" Kredite sind nach Gesellschaftsrecht den Einlagen gleichgestellt. Ebenso wie beim "krisenbestimmtes“ Darlehen ist eine Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft erforderlich, der die Einbindung des Darlehens in die übrige Finanzierung im Einzelnen regelt. Insbesondere muss das Darlehen seiner Bestimmung nach auch in der Krise der Gesellschaft stehen gelassen werden (vgl. BFH, Urteile vom 07.04.2005 IV R 24/03, BStBl II 2005, 598 und vom 23.06.2010 I R 37/09, BStBl II 2010, 895). Eine derartige Vereinbarung hat der Kläger mit der GmbH nicht abgeschlossen. Im Zahlungsverhalten des Klägers ist keine „Planmäßigkeit“ zu erkennen. Die Aufstellung der Einzelleistungen von 2004 bis 2009 zeigen eine Vielzahl kleinerer Beträge – etwa 200 €, 1.000 €; 2.000 €, 5.000 € - und großer Summen – 19.000 €, 30.000 €, 57.000 € 405.000 € -. Der Senat deutet das Geschehen so, dass der Kläger nur jeweils nach Bedarf bzw. Zuruf der E-Bank der GmbH Mittel hat zukommen lassen.
5. Der Verlust aus § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG ist in voller Höhe zu erfassen und nicht dem Teileinkünfteverfahren zu unterwerfen. Die Voraussetzungen des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG liegen nicht vor. Nach dieser Norm dürfen unter anderem Betriebsvermögensminderungen - wie im Streitfall der Auflösungsverlust -, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen nach § 3 Nr. 40a EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 Prozent abgezogen werden. Der Kläger hat während des Bestehens der GmbH in keinem Veranlagungszeitraum eine Gewinnausschüttung erhalten. Sind die Voraussetzungen von § 3c Abs. 2 EStG nicht erfüllt, weil dem Steuerpflichtigen keine durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen zugehen, ist der Erwerbsaufwand im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG unbegrenzt abziehbar (BFH, Urteil vom 25.06.2009 IX R 42/08, BStBl II 2010, 220 und Beschluss vom 18.03.2010 IX B 227/09, BStBl II 2010, 627).
896. Durch den horizontalen Verlustausgleich gemäß § 2 Abs. 3 EStG ergibt sich für das Streitjahr ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 0 €. Der Kläger hat durch die Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG einen Auflösungsverlust in Höhe von 131.850 € erzielt. Mit den unstreitigen 4.325 € Verlust aus Vermietung und Verpachtung hat der Kläger zusammen 136.175 € negative Einkünfte. Seine positiven Einkünfte betragen 10.507 €, nämlich 4.828 € aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer sowie 5.679 € aus nichtselbständiger Arbeit. Durch den Ausgleich seiner positiven und negativen Einkünfte bleiben dem Kläger 125.668 € negative Einkünfte. Die mit dem Kläger zusammenveranlagte Klägerin hat - nur - positive Einkünfte und zwar aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 50.187 €. Nach Ausgleich mit den negativen Einkünften des Klägers in gleicher Höhe (§ 26b EStG) ergeben sich für das Streitjahr ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 0 € und eine Einkommensteuer in Höhe von ebenfalls 0 € (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO hat der Senat die Einkommensteuer für das Streitjahr im Tenor auf 0 € herabgesetzt.
90Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
91Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.