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Die Erinnerung wird abgewiesen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
2Der Erinnerungsführer hat den Erinnerungsgegner gegen das FA A im Verfahren 8 K 335/13 wegen Einkommensteuer 2010 vertreten. Das FA A hatte den nach seiner Auffassung am 19.12.2012 verspätet eingegangenen Einspruch als unzulässig zurückgewiesen.
3Mit der Klage machte der Erinnerungsführer, der vom Erinnerungsgegner mit der Führung des Rechtsstreits beauftragt worden war (GA Bl. 4), für den Erinnerungsgegner geltend, der Erinnerungsgegner habe bereits am 11.9.2012 bei der Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau B, wegen des Einkommensteuerbescheids für 2010 vom 27.8.2012 vorgesprochen und die Angelegenheit mit ihr besprochen. Dabei habe er auch erklärt, im Jahr 2010 keine weiteren Einkünfte als ALG-II-Leistungen erzielt zu haben. Dieses Gespräch habe bei verständiger Würdigung als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27.8.2012 gewertet werden müssen.
4Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 25.4.2013, bei welchem auch die Sachbearbeiterin Frau B mit anwesend war, erklärte diese, über den zweiten Besuch des Erinnerungsgegners keinen Aktenvermerk gefertigt zu haben. Sie sei sich jedoch sicher, dass der Besuch nach Ende der Einspruchsfrist stattgefunden habe. Dies wisse sie deshalb, weil sie sich genau daran erinnern könne, den Kläger bereits im Rahmen des ersten Besuchs auf die bereits abgelaufene Einspruchsfrist hingewiesen zu haben. Auf die anschließende an den Erinnerungsführer gerichtete Frage, warum er so genau wisse, dass der Erinnerungsgegner am 11.9.2012 beim FA gewesen sei, erklärte der Erinnerungsführer, dass der Erinnerungsgegner in seinem Kalender unter dem 11.9.2012 für 11:00 Uhr einen Besuch beim FA notiert habe. Hierbei habe es sich allerdings nicht um einen offiziellen Termin gehandelt, sondern um eine Erinnerung.
5Im Anschluss an einen Hinweis des Berichterstatters auf die Feststellungslast zur Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchseingangs erklärte der Erinnerungsführer für den Erinnerungsgegner die Rücknahme der Klage und die Rücknahme des Antrags auf Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurde das Verfahren unter Hinweis auf die Kostenfolge des § 72 FGO eingestellt.
6Mit Antrag vom 12.6.2013 begehrte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Anwaltsvergütung gegen die Erinnerungsgegner gemäß § 11 RVG auf der Grundlage des gerichtlich mitgeteilten Gegenstandswerts von 1.000 € für das Gerichtsverfahren mit insgesamt 307,02 € (GA Bl. 57). Nach Aufforderung zur Stellungnahme erschien der Erinnerungsgegner zunächst am 20.6.2013 bei Gericht und erklärte zur Niederschrift, vom Erinnerungsführer schlecht vertreten worden zu sein. Außer der Klageerhebung habe er nicht die weiteren vereinbarten Schritte unternommen (Aufhebung der Kontopfändung, Rücküberweisung des von der Sparkasse als Drittschuldnerin an das FA überwiesenen Betrags). Zudem habe er gegen seinen ausdrücklichen Willen die Klage und den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgezogen. Am 26.6.2013 erschien der Erinnerungsgegner erneut beim FG und begehrte, das Verfahren 8 K 335/13 wegen der abredewidrig erklärten Klagerücknahme fortzusetzen. Die von der Oberjustizkasse Hamm angeforderten Gerichtskosten müsse der Bevollmächtigte tragen, da er – der Erinnerungsgegner – das Klageverfahren nicht habe beenden wollen.
7Vor diesem Hintergrund lehnte der Kostenbeamte die vom Erinnerungsführer beantragte Gebührenfestsetzung gegen den Erinnerungsgegner mit dem vorliegend streitgegenständlichen Beschluss vom 20.6.2013 ab (GA Bl. 60), weil der Erinnerungsgegner Einwendungen erhoben habe, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund hätten (Hinweis auf § 11 Abs. 5 S. 1 RVG).
8Dagegen macht die Erinnerungsführer geltend: Evident nicht stichhaltige Einwendungen hinderten die Vergütungsfestsetzung auch dann nicht, wenn es sich um nichtgebührenrechtliche Einwendungen handle. Der Einwand, dass der Erinnerungsführer nicht die Aufhebung der Kontopfändung und auch nicht die Rücküberweisung des von der Sparkasse an das FA überwiesenen Betrags veranlasst habe, habe nichts mit dem Rechtsstreit beim FG Köln zu tun und sei willkürlich. Ebenso wenig stichhaltig sei der Einwand der abredewidrigen Klagerücknahme, da diese von der erteilten Prozessvollmacht umfasst gewesen sei. Eine abweichende Weisung des Erinnerungsgegners habe es nicht gegeben. Die Rücknahme der Klage sei sachgerecht gewesen.
9II. Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenbeamte hat die Kostenfestsetzung gegen den Erinnerungsgegner zu Recht abgelehnt.
101. Gemäß § 11 Abs. 1 und 2 RVG ist die gesetzliche Vergütung auf Antrag des Rechtsanwalts durch das Gericht des ersten Rechtszugs festzusetzen, wenn die Vergütung fällig ist. Gemäß § 11 Abs. 3 RVG wird die Vergütung in Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit – wie auch im Streitfall – vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt; die Vorschriften über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren gelten entsprechend.
112. Im Verfahren des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten gemäß § 11 RVG wird ausschließlich über den zivilrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts aus dem mit dem Mandanten geschlossenen Anwaltsvertrag entschieden. Vor diesem Hintergrund ist die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gemäß § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.
123. Nichtgebührenrechtliche Einwendungen in diesem Sinne sind solche, die auf Vorschriften des allgemeinen, auch für andere Rechtsbeziehungen maßgeblichen Rechts oder auf besondere Abmachungen zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gestützt sind (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage 2013, § 11 Rz. 135). Dazu gehört neben dem Aufrechnungseinwand auch die Einrede der Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags, die inzident den Einwand der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrags beinhaltet (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 11 Rz. 193).
134. Nach § 11 Abs. 5 RVG genügt es, dass der Antragsgegner die nichtgebührenrechtliche Einwendung "erhebt". Da über die Begründetheit gerade nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden ist, hat der Kostenbeamte keine materiellrechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Zu Recht führt der Erinnerungsführer allerdings an, dass der Einwand nicht offensichtlich missbräuchlich erhoben sein darf, wie dies bei unsubstantiierter Berufung auf eine bestehende Aufrechnungsmöglichkeit oder auf Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags angenommen wird. Die Einwendung muss daher erkennen lassen, dass der Antragsgegner sie aus konkreten, tatsächlichen Umständen herleitet, so dass zumindest insoweit ein Minimum an Substantiierung zu verlangen ist, damit etwaige Einwendungen nicht missbräuchlich erhoben werden. Die begehrte Vergütungsfestsetzung kann daher nicht abgelehnt werden, wenn der Antragsgegner nur unsubstantiiert geltend macht, er fühle sich schlecht vertreten oder er mache Schlechterfüllung geltend. Für das Maß der notwendigen Substantiierung ist dabei auf den Einzelfall abzustellen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 11 Rz. 139 ff. m.w.N.)
145. Im Streitfall hat sich der Erinnerungsgegner nicht pauschal und unsubstantiiert auf die Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags berufen. Er hat vielmehr konkret geltend gemacht, der Erinnerungsführer habe einer internen Weisung zuwider gehandelt, die Klage nicht zurücknehmen zu dürfen. Wenn der Erinnerungsführer tatsächlich einer solchen Weisung zuwider gehandelt hätte, könnte dies seinen Gebührenanspruch infrage stellen. Zwar ergibt sich eine solche Weisung nicht aus der vom Erinnerungsführer vorgelegten Vollmacht, und der insoweit beweispflichtige Erinnerungsgegner hat auch keinen Nachweis für ein intern verabredetes Verbot der Klagerücknahme vorgelegt. Zudem ist dem Erinnerungsführer auch darin beizupflichten, dass ohne Nachweis eines internen Verbots die Erklärung der Klagerücknahme im Streitfall die Interessen des Erinnerungsgegners angesichts der Feststellungslast im finanzgerichtlichen Klageverfahren betreffend die Rechtzeitigkeit des Einspruchs und des sich daraus ergebenden Kostenrisikos noch am ehesten wahrte. Die Entscheidung über das tatsächliche Bestehen eines solchen Verbots hat aber nicht das Finanzgericht, sondern das Zivilgericht im Streit über das Bestehen des Gebührenanspruchs zu treffen. Denn es ist nicht Sache des Finanzgerichts, dem Anwalt im Kostenfestsetzungsverfahren auf einfache Art und Weise einen Titel zu verschaffen und seinem Mandanten dadurch die Geltendmachung – möglicherweise berechtigter – Einwendungen zu erschweren. Der Einwand einer abredewidrigen Klagerücknahmeerklärung ist daher ein nichtgebühren-rechtlicher Einwand i.S. § 11 Abs. 5 RVG, so dass der Kostenbeamte die Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 Abs. 1 RVG zu Recht abgelehnt hat. Der Erinnerungsführer ist vielmehr auf die ihm offen stehende Möglichkeit einer Vergütungsklage zu verweisen.
156. Das Verfahren gemäß § 11 RVG ist gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 11 Abs. 2 Sätze 3 und 6 RVG entsprechend).