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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für die Streitjahre die Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG bzw. § 16 GewStDV oder die normale jährliche Veranlagung durchzuführen ist.
3Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von ...technologie sowie den Vertrieb von sämtlichen Dienstleistungen und Zusatzprodukten zur ...technologie. Geschäftsjahr der Klägerin ist das Kalenderjahr.
4Auf Antrag der Klägerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts D vom ....9.2009 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren wurde im sog. Insolvenzplanverfahren durchgeführt. Das Insolvenzverfahren wurde gemäß Beschluss des Amtsgerichts D vom .... Mai 2011 aufgehoben, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans vom 22. Februar 2011 rechtskräftig geworden war. Auf der Hauptversammlung der Klägerin am 8. Juni 2011 wurde die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen. Der Beschluss wurde ins Handelsregister eingetragen.
5Im Insolvenzplanverfahren beauftragten die Gläubiger den Insolvenzverwalter, einen Insolvenzplan zu Abwicklung des Vermögens zu erstellen, sollte die geplante übertragende Sanierung scheitern. Der Insolvenzverwalter erstellte jedoch aufgrund eines angenommenen eigenen Planinitiativrechts einen Insolvenzplan mit dem Ziel der Fortführung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Insolvenzplan (Bl. 44 ff. GA) Bezug genommen.
6Am 27. April 2012 reichte die Klägerin die Steuererklärungen 2011 für den Insolvenzzeitraum 1. September 2009 bis 31. Mai 2011 ein. Den Steuererklärungen wurden die Jahresabschlüsse zum 31.8.2009, 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.5.2011 beigefügt. Die Klägerin beantragte die Anwendung der Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG. Dabei machte sie von dem Wahlrecht gemäß R 51 Abs. 1 KStR Gebrauch, wonach in 2009 ein steuerliches Rumpfwirtschaftsjahr nicht gebildet werden muss und der Veranlagungszeitraum bereits mit Beginn des Wirtschaftsjahrs begonnen werden kann, in das die Insolvenzeröffnung fällt. Der Veranlagungszeitraum umfasste somit den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Mai 2011.
7In den Gewinn- und Verlustrechnungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin jeweils „Umsatzerlöse“ in Millionenhöhe und keine außergewöhnlichen Erträge. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Steuererklärungen nebst Jahresabschlüssen Bezug genommen.
8Nach den Berechnungen der Klägerin belief sich das körperschaftsteuerliche Einkommen im Liquidationszeitraum auf insgesamt 18.595.891,00 EUR, das sich wie folgt auf die einzelnen Wirtschaftsjahre verteilte:
9
1.1.2009-31.8.2009 |
-24.249.536 € |
1.9.2009-31.12.2009 |
-1.367.245 € |
1.1.2010-31.12.2010 |
-235.630 € |
1.1.2011-31.5.2011 |
44.448.302 € |
In dem letztgenannten Betrag ist ein sich aus dem Forderungsverzicht der Gläubiger im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens ergebender Sanierungsgewinn in Höhe von 35.516.590 EUR enthalten, auf den die sich aus dem BMF–Schreiben vom 27. März 2003 ergebenden Billigkeitsregelungen anwendbar sind. Infolge dessen ergibt sich nach Auffassung der Klägerin für den Liquidationszeitraum nach Anwendung der Billigkeitsregel eine KSt-Belastung von 0 EUR.
11Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Regelungen zur Liquidationsbesteuerung im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da das Unternehmen tatsächlich durchgehend fortgeführt worden sei. Entsprechend führte er nach den allgemeinen Regeln für die Besteuerungszeiträume 2009, 2010 und 2011 eine jährliche Veranlagung durch und erließ mit Datum vom 2. April 2013 entsprechende, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerbescheide. In den Körperschaftsteuerbescheiden der Jahre 2009 und 2010 wurde die Körperschaftsteuer auf 0 Euro festgesetzt. In den Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009 wurde ein verbleibender Verlust i.H.v. 25.616.781 € und auf den 31.12.2010 in Höhe von 25.852.411 € festgestellt. Die für 2009 und 2010 festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge betrugen jeweils 0 Euro. Die vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.2009 bzw. 2010 wurden auf 24.919.666 € bzw. 24.793.921 € festgestellt.
12Für das Jahr 2011 ermittelte der Beklagte nach Hinzurechnung des sich für den Zeitraum vom 1.6. bis 31.12.2011 ergebenden Jahresüberschusses von 1.713.217 € unter Hinzurechnung der nichtabziehbaren Aufwendungen i.S. des § 10 KStG in Höhe von 1.049.040 € und Abzug des auf den 31.12.2010 festgestellten Verlustvortrags ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 21.358.148 €. Die Körperschaftsteuer wurde auf 3.203.722 € festgesetzt. Der zum 31.12.2011 verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer wurde auf 0 Euro festgestellt.
13Der Beklagte erließ des Weiteren entsprechende Gewerbesteuermessbetragsbescheide bzw. Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sowie Bescheide zum 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.12.2011 über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 27 Abs. 2 und 28 Abs. 1 KStG.
14Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Bescheide Bezug genommen.
15Die gegen alle vorgenannten Bescheide eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrechterhalten.
16Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
17Sie sei in der konjunkturellen Abschwungsphase 2008/2009 in eine akute Krisensituation geraten, die schließlich zur Insolvenzanmeldung im Juni 2009 geführt habe. Neben dem plötzlichen und erheblichen Absatzeinbruch hätten die Ursache der Unternehmenskrise vor allem in einer dem Geschäftsvolumen unangemessenen Kostenstruktur, bedingt durch Überkapazitäten in erheblichem Umfang, einer zu stark ausdifferenzierten Organisationsstruktur und einer zu hohen Komplexität in der Geschäftsabwicklung gelegen.
18Die Gläubiger hätten den Insolvenzverwalter beauftragt, einen Insolvenzplan zur Abwicklung des Vermögens für den Fall zu erstellen, dass die geplante übertragende Sanierung scheitere. In enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand und den Führungskräften sowie der bereits in der Krise vor Insolvenzantragstellung beauftragten und tätigen Unternehmensberatungsgesellschaft seien mit Blick auf die beschlossene übertragende Sanierung in Fortsetzung der bisherigen Tätigkeiten in der Insolvenz die rechtlichen Möglichkeiten genutzt worden, das Unternehmen von den in der Vergangenheit aufgebauten Überkapazitäten zu befreien und die Organisationsstruktur sowie die Betriebsabläufe grundlegend anzupassen.
19Nachdem klar geworden sei, dass die übertragende Sanierung scheitere, habe der Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Insolvenzplans begonnen.
20Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten finde für die Streitjahre die Liquidationsbesteuerung Anwendung. Der sinngemäßen Anwendung der Abs. 1-6 des § 11 KStG stehe nicht entgegen, dass ein Insolvenzplanverfahren durchgeführt und sie nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgeführt worden sei. Die Liquidationsbesteuerung sei vielmehr in jedem Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuwenden.
21Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13. Februar 2014 Bezug genommen.
22Die Klägerin beantragt,
23die Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 2009, 2010 und 2011, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.12.2011, die Bescheide zum 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.12.2011 über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 KStG, die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2009, 2010 und 2011, die Bescheide auf den 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.12.2011 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, alle Bescheide vom 2. April 2013, dahingehend zu ändern, dass die Veranlagungen entsprechend der von ihr mit Datum vom 27. April 2012 eingereichten Steuererklärungen unter Anwendung der Liquidationsbesteuerung durchgeführt werden;
24hilfsweise, die Revision zuzulassen.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist zulässig (dazu unter 1.), aber unbegründet (dazu unter 2.).
291. Die Klage ist zulässig.
30a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010, obwohl die Steuer bzw. der Messbetrag jeweils auf 0 € festgesetzt wurde. Die Klägerin ist durch die Festsetzung auf 0 € ausnahmsweise beschwert, da es um die Frage geht, ob überhaupt eine Veranlagung durchgeführt werden durfte.
31b) Die vorgenannte Erwägung gilt auch für die Feststellungen nach §§ 27, 28 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– bzw. die Feststellungen der vortragsfähigen Verlusts nach § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 10d des Einkommensteuergesetzes –EStG– und § 10a des Gewerbesteuergesetzes –GewStG–. Auch hier geht es um die Frage, ob jährliche Feststellungen durchgeführt werden durften.
32c) Für 2011 ergibt sich die Beschwer der Klägerin bereits aus der ihrer Auffassung nach zu hohen Festsetzung der Körperschaftsteuer bzw. des Gewerbesteuermessbetrags.
332. Die Klage ist aber unbegründet.
34Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–.
35Der Beklagte hat zu Recht die normale jährliche Veranlagung durchgeführt und nicht die sog. Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1-6 KStG bzw. § 16 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung ‑GewStDV- angewandt.
36a) Nach § 7 Abs. 3 KStG ist die Körperschaftsteuer grundsätzlich eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (Ermittlungszeitraum). Das bedeutet, dass jedes Jahr eine Veranlagung durchzuführen ist. Entsprechendes gilt für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags (§ 14 GewStG).
37b) Von dem vorgenannten Grundsatz macht § 11 Abs. 1 KStG (bzw. § 16 GewStDV) eine Ausnahme. Wird eine Kapitalgesellschaft nach der Auflösung abgewickelt, ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Der Besteuerungszeitraum soll drei Jahre nicht übersteigen. Wird über das Vermögen der Kapitalgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, gilt gemäß § 11 Abs. 7 KStG Abs. 1 sinngemäß. Voraussetzung für die Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG sind die Auflösung der Körperschaft und ihre anschließende tatsächliche Liquidation. Beide Merkmale müssen kumulativ erfüllt sein (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH–, vgl. zuletzt Urteil vom 23.1.2013 – I R 35/12, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2013, 508, Rz. 9; Zuber in Mössner/Seeger, NWB-Kommentar zum KStG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rz. 41).
38aa) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde diese zwar nach § 262 Abs. 1 Nr. 3 des Aktiengesetzes aufgelöst.
39bb) Im Rahmen dieses Verfahrens wurde jedoch nicht eine Abwicklung durch Vermögensverwertung in Gang gesetzt (vgl. zu dieser Voraussetzung BFH-Urteil vom 23.1.2013 – I R 35/12, a.a.O.). Allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens reicht entgegen der Auffassung der Klägerin für die Anwendung der Liquidationsbesteuerung nicht aus.
40aaa) Die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nach §§ 217 ff. der Insolvenzordnung –InsO– bedeutet weder, dass das Unternehmen zwingend fortgesetzt werden soll (so wohl aber die Auffassung des Beklagten), noch, dass es zwingend abgewickelt wird (so wohl die Auffassung der Klägerin). Das Insolvenzplanverfahren soll den Beteiligten lediglich freiere Hand bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens geben (vgl. Andres in Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl. 2011, vor §§ 217-269, Rn. 1).
41bbb) Aus den eigenen Angaben der Klägerin ergibt sich, dass zumindest zunächst eine übertragende Sanierung beabsichtigt war. Zu diesem Zweck wurden Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet, um die Klägerin „verkaufsfähig“ zu machen. Der beabsichtigte Verkauf des gesamten Betriebs eines Unternehmens nach Insolvenzeröffnung stellt nach Auffassung des erkennenden Senats keine Abwicklung im Sinne des § 11 Abs. 1 KStG dar.
42bbb) Ebenfalls keine Abwicklung stellt der Verkauf bzw. die Einstellung einzelner, unrentabler Bereiche eines Unternehmens dar.
43ccc) Zwar haben die Gläubiger am 9.11.2009 den Insolvenzverwalter beauftragt, einen Insolvenzplan zur Abwicklung des Vermögens der Klägerin zu erstellen, falls die zunächst beschlossene übertragende Sanierung scheitert. Der Insolvenzverwalter hat jedoch demgegenüber aufgrund des von ihm angenommenen eigenen Planinitiativrechts einen Insolvenzplan mit dem Ziel der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Klägerin und damit der Erhaltung des Unternehmens sowie der dauerhaften Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze aufgestellt (Rn. 5 des Insolvenzplans). Daraus folgt nach Auffassung des Senats zwingend, dass der Insolvenzverwalter die Fortführung des Unternehmens und nicht dessen Abwicklung „in Gang gesetzt hat“.
44ddd) Dafür, dass der Insolvenzverwalter nicht die Abwicklung, sondern die Fortführung des Unternehmens der Klägerin geplant hat, spricht auch, dass in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Klägerin für die Streitjahre jeweils „Umsatzerlöse“ in Millionenhöhe und keine außergewöhnlichen Erträge erklärt wurden. Unter „Umsatzerlöse“ fallen keine Erlöse aus Ausverkäufen (vgl. § 277 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs –HGB–, wonach als Umsatzerlöse nur Erlöse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erfasst werden).
45eee) Gegen eine Abwicklung des Unternehmens und für dessen Fortführung spricht außerdem, dass der Insolvenzverwalter in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen erhebliche Vorsteuerbeträge geltend gemacht hat (vgl. die Zusammenstellung in der Einspruchsentscheidung). Dies zeigt, dass die Klägerin auch während der Insolvenz in einem Umfang, der weit über das für eine Abwicklung erforderliche Maß hinausging, Leistungen von anderen Unternehmen bezogen hat.
463. Da das den streitigen Veranlagungen zugrunde liegende Zahlenmaterial zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.
474. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
48Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Er folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und wendet diese auf einen Einzelfall an.