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Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 13. Februar 2012 wird mit der Maßgabe geändert, dass bei den Sonderausgaben die Beitragsrückerstattung i.H.v. 1.306 € nicht berücksichtigt wird. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen für 2009 im Jahr 2010 mit in diesem Jahr geleisteten Krankenversicherungsbeiträgen verrechnet werden können und damit die Sonderausgaben entsprechend verringert werden.
3Die Kläger sind Eheleute, die unter anderem im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
4Der Kläger erzielt als Steuerberater Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
5Die Kläger zahlten im Jahr 2009 Krankenversicherungsbeiträge i.H.v. 13.797 €. Die Summe der Versicherungsbeiträge betrug insgesamt 29.551 €, wovon insgesamt 10.138 € als Sonderausgaben steuermindernd berücksichtigt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 26. Mai 2011 Bezug genommen.
6Im Jahr 2010 machten die Kläger Krankenversicherungsbeiträge und Pflege–Pflichtversicherung-Beiträge i.H.v. 13.940 € geltend. Der Kläger erhielt im Streitjahr eine Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen für 2009 i.H.v. 1.306 €.
7Der Beklagte kürzte in dem Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 13. Februar 2012 die abzugsfähigen Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG um die Beitragsrückerstattung.
8Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2012 als unbegründet zurück.
9Mit der Klage tragen die Kläger vor:
10Durch den Systemwechsel bei der Berücksichtigung von Krankenkassenbeiträgen handele es sich der Art nach um völlig unterschiedliche Formen des Vorsorgeaufwands, die deshalb nicht miteinander verrechnet werden könnten. Da sich die Krankenkassenbeiträge 2009 nur im Rahmen der Höchstbetragsberechnung für den Sonderausgabenabzug auswirken konnten, seien Beitragserstattungen auch bei diesem Posten zu kürzen. Dies habe allerdings in ihrem Fall keine steuerlichen Auswirkungen zur Folge.
11Die Kläger beantragen,
12den Einkommensteuerbescheid 2010 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Sonderausgaben ohne Kürzung von Beitragsrückerstattungen i.H.v. 1.306 € für Krankenversicherungsbeiträge 2009 anzusetzen sind,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Entscheidungsgründe
17Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
18Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger deshalb in ihren Rechten, vergleiche § 100 Absatz 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑FGO–.
19Der Beklagte hat zu Unrecht die Beitragsrückerstattung für das Jahr 2009 im Jahr 2010 bei den Sonderausgaben berücksichtigt.
20Vorsorgeaufwendungen, zu denen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gehören, sind gemäß dem auch bei den Sonderausgaben geltenden Zufluss- und Abflussprinzip in dem Veranlagungszeitraum abzugsfähig, in dem sie gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – abgeflossen sind. Ist der Steuerpflichtige durch die Aufwendungen jedoch nicht tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet, da die Beiträge ihm (ggfs. teilweise) erstattet werden, sind die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Erfolgt die Erstattung nicht in demselben Jahr, erfolgt die Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit im Erstattungsjahr gezahlten gleichartigen Sonderausgaben (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH–, vergleiche nur Urteil vom 21. Juli 2009 X R 32/07, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2010, 38; FG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2013 13 K 3456/12 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 260 m.w.N.). Für die Bestimmung der Gleichartigkeit hat der BFH auf die Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit des Sinns und Zwecks sowie der wirtschaftlichen Bedeutung und Auswirkung der Sonderausgaben für den Steuerpflichtigen abgestellt.
21Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist der erkennende Senat der Auffassung, dass keine „Gleichartigkeit“ zwischen der Rückerstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für 2009 und den Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung bzw. den Beiträgen zur Pflegeversicherung für 2010 besteht.
22Die Gleichartigkeit ist auch an den steuerlichen Auswirkungen zu messen. Die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen wirkt sich jedoch in den Jahren 2009 und 2010 gravierend unterschiedlich aus, wie der Fall der Kläger plastisch zeigt. Während Beitragsrückerstattungen in VZ vor 2010 den Sonderausgabenabzug nicht minderten und sich damit steuerlich nicht auswirkten, wenn der Steuerpflichtige Versicherungsbeiträge über den Höchstbeträgen leistete, da die Beitragserstattung mit dem „überschießenden“ Betrag verrechnet wurde, mindern Beitragserstattungen ab VZ 2010 den abzugsfähigen „Basisabsicherungsbeitrag“ und wirken sich damit steuerlich immer aus.
23Dass die gesetzliche Neuregelung durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16. Juli 2009 insgesamt im Ergebnis zu einer Verbesserung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage geführt hat, ist kein Grund, die Gleichartigkeit zu bejahen (a.A. FG Düsseldorf, a. a. O.).
24Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
25Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.