Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Einkommensteuerbescheid 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 05.08.2011 wird dahingehend geändert, dass der erklärte Verlust in Höhe von 388.720,00 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt wird.
Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
2Die Deutsche Bank AG emittierte im Jahr 2007 sogenannte Yield Enhanced Securities. Es handelte sich hierbei um innovativ strukturierte Schuldverschreibungen. Diese Schuldverschreibungen hatten eine Laufzeit von 13 Monaten. Der Nennbetrag betrug 100.000,00 €. Die Verzinsung (Kupon) betrug 11,75 % per anno auf den Nennbetrag. Der Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibungen, der am 21.10.2008 fällig wurde, war unmittelbar von der Entwicklung des Indexes DB Alpha Index Strategy abhängig und konnte zwischen 0 und 200 % des Nennbetrages betragen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Investitionsbedingungen der Schuldverschreibungen und die Produktbeschreibung verwiesen.
3Der Kläger erwarb am 13.09.2007 10 Stück der Schuldverschreibungen zu einem Emissionspreis einschließlich 3 % Emissionsaufgeld in Höhe von 1.030.000,00 €. Die Schuldverschreibungen wurden am 18.09.2007 valutiert. Am 21.10.2008, dem vertraglichen Fälligkeitstag, erhielt der Kläger die Zinsen aus den Kupons in Höhe von 128.270,80 €. Zudem wurden ebenfalls am 21.10.2008 die Schuldverschreibungen zurückgezahlt. Da der Bezugsindex DB Alpha Index Strategy am Bewertungstag gegenüber dem Emissionszeitpunkt erheblich gesunken war, wurde lediglich ein Tilgungsbetrag in Höhe von 641.280,00 € an den Kläger überwiesen, wodurch dem Kläger ein Verlust aus der Rückzahlung der Schuldverschreibungen in Höhe von 388.720,00 € entstand.
4In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger den Zinsertrag in Höhe von 128.270,00 € und machten darüber hinaus den Verlust aus der Endeinlösung der Schuldverschreibungen in Höhe von 388.720,00 € nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c, 2. Alternative, Satz 2 und 4 Einkommensteuergesetz (EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Mit Bescheid vom 06.11.2009 berücksichtigte der Beklagte lediglich die Zinseinnahmen. Der Verlust aus der Endeinlösung der Schuldverschreibungen wurde mit der Begründung versagt, dass es sich bei den Schuldverschreibungen um sogenannte unechte Finanzinnovationen handele, auf die die Besteuerung nach der Marktrendite keine Anwendung finde. Der angefochtene Bescheid wurde mit Bescheid vom 06.01.2010 aus nicht in Streit stehenden Gründen geändert.
5Der gegen die Nichtberücksichtigung des Verlustes gerichtete Einspruch wurde mit Entscheidung des Beklagten vom 20.01.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte wie folgt aus:
6Bis 2006 sei die Marktrendite regelmäßig in den Fällen angesetzt worden, in denen die Emissionsrendite nicht existiert habe oder vom Steuerpflichtigen nicht nachgewiesen worden sei. Insoweit sei ein echtes Wahlrecht angenommen worden, welches die Höhe der steuerpflichtigen Erträge direkt bestimmt habe. Mit verschiedenen Urteilen aus dem Jahre 2006 habe der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch ein neues Gesamtkonzept zur Besteuerung der sogenannten Finanzinnovationen entwickelt und sei dabei von bis dahin allgemein anerkannten Grundsätzen abgewichen. Er habe den gesetzlichen Katalog der Finanzinnovationen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG durch teleologische Reduktion eingeschränkt, in dem er nunmehr begrifflich zwischen echten und unechten Finanzinnovationen differenziere. Danach finde die Marktrendite lediglich auf die sogenannten echten Finanzinnovationen Anwendung. Nach der vom BFH entwickelten Gesamtkonzeption bei Wertpapieren ohne ermittelbare Emissionsrendite sei nur dann die Marktrendite anzusetzen, wenn das Entgelt für die Kapitalnutzung einerseits und für die Wertermittlung andererseits nicht eindeutig abgrenzbar sei. Daher lehne die Finanzverwaltung die Berücksichtigung der negativen Marktrendite in den Fällen ab, in denen die Zinserträge von Erträgen auf der privaten Vermögensebene eindeutig abgrenzbar seien, wie sich aus der Einkommensteuerkurzinformation der Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland vom 21.01.2008, DB 2008, 436, ergebe.
7Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei bei Aktienanleihen keine Marktrendite anzusetzen, da eine leichte Trennung zwischen der Ertrags – und Vermögensebene möglich sei.
8Die streitigen Schuldverschreibungen seien den Aktienanleihen vergleichbar. Sie garantierten einen weit über dem Kapitalmarktzins liegenden Zinssatz von 11,75 %. Durch diesen hohen Zinssatz solle u. a. auch das Risiko der nicht garantierten Kapitalrückzahlung ausgeglichen werden. Eine Garantie fehle, weil die Rückzahlung von der Entwicklung des DB Alpha Index Strategy Indexes abhängig sei. Der Erfolg dieses Indexes sei wiederum abhängig vom Verhältnis der Entwicklung ausgewählter Einzelaktien im „CROCI“ - Modell zum Aktienindex DJ Global Titans. Für diese Schuldverschreibungen seien einige Entscheidungen des BFH zu ähnlichen Zertifikaten entsprechend anzuwenden. In den Ausführungen des BMF vom 18.07.2007, BStBl I 2007, 548, zu den BFH - Urteilen habe im Vordergrund gestanden, dass zwar eine Emissionsrendite im Voraus nicht zu errechnen sei und es damit grundsätzlich zum Ansatz einer Marktrendite komme. Die Marktrendite sei in diesen Fällen jedoch nur anzusetzen, wenn das Entgelt für die Kapitalnutzung einerseits und für die Wertentwicklung des Papiers andererseits nicht eindeutig abgrenzbar sei. Diese Abgrenzbarkeit habe in allen vom BFH entschiedenen Fällen ebenso eindeutig vorgelegen wie im vorliegenden Fall mit einer garantierten Verzinsung von 11,75 %. Die streitigen Schuldverschreibungen seien als sogenannte unechte Finanzinnovationen zu beurteilen, weil sich die Kapitalnutzungsentgelte von der Wertveränderung auf der Vermögensebene ohne größeren Aufwand abgrenzen ließen. Entscheidend sei somit nicht, ob und in welcher Höhe eine Kapitalrückzahlung garantiert sei, sondern, ob eine Trennung hinsichtlich der Kapitalnutzung von der Wertermittlung ohne größeren Aufwand möglich sei. Diese Beurteilung werde durch das BFH - Urteil vom 04.12.2007 VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563, ergangen zu einem Indexzertifikat mit garantierter Kapitalrückzahlung, bestätigt. Dort habe der BFH den bei der Veräußerung des Zertifikats entstandenen Gewinn bzw. Verlust nur insoweit als steuerpflichtig nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt, als er prozentual zum Gesamtkapital bei der Rückzahlung garantiert gewesen sei. Übertragen auf den Streitfall bedeute dies, dass ein steuerlicher Ansatz des Verlustes nach § 20 EStG nicht erfolgen könne, da nach den Emissionsbedingungen ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich gewesen sei.
9Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage tragen die Kläger wie folgt vor:
10Die Verluste aus der Endeinlösung der Schuldverschreibungen seien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c, 2. Alternative, Satz 2 und 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung zu berücksichtigen.
11Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c, 2. Alternative EStG gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen und sonstigen Kapitalforderungen mit Zinsschein oder Zinsforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhänge, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprächen. Hätten die Wertpapiere und Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weise der Steuerpflichtige sie nicht nach, sei, wie von den Klägern beantragt, gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag (sogenannte Marktrendite) zu berücksichtigen. Diese Grundsätze seien nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG für die Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit entsprechend anzuwenden.
12Die Regelungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zur Besteuerung von sogenannten Finanzinnovationen seien in den Jahren 2006 und 2007 Gegenstand von insgesamt sieben Urteilen des BFH gewesen. In diesen Urteilen habe der BFH ein Gesamtkonzept der Besteuerung von Finanzinnovationen entwickelt. Nach den Feststellungen des BFH stelle die Besteuerung von Finanzinnovationen nach der Marktrendite zwar einen Systembruch dar, der jedoch nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße, sondern eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des § 20 EStG darstelle. Dieser Systembruch sei nach der BFH - Rechtsprechung jedoch durch eine sogenannte Dreistufenprüfung zu begrenzen:
13- Bei Finanzinnovationen mit Emissionsrendite habe die Besteuerung nach der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite Vorrang vor der Besteuerung nach der Marktrendite.
14- Zudem schränke der BFH den Katalog der Finanzinnovation in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ein und differenziere dabei zwischen sogenannten echten und unechten Finanzinnovationen, wodurch im Ergebnis für eine Vielzahl von Kapitalanlagen die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG unanwendbar sei.
15- Schließlich prüfe der BFH selbst bei echten Finanzinnovationen ohne Emissionsrendite im Einzelfall, ob die Veräußerungs- bzw. Einlösungsverluste oder - gewinne als positive oder negative Kapitalnutzungsvergütungen zu beurteilen seien. Sei dies nicht der Fall, weil exogene Wertänderungen vorlägen, sei eine Besteuerung von Veräußerungs- bzw. Einlösungsergebnissen nach der Marktrendite ausgeschlossen.
16Unter Anwendung dieser Grundsätze sei der streitgegenständliche Verlust als negativer Kapitalertrag nach der Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c, 2. Alternative, Satz 2 und 4 EStG anzuerkennen, weil es sich bei den streitigen Schuldverschreibungen um echte Finanzinnovationen ohne Emissionsrendite handele und die Verluste negative Kapitalnutzungsvergütungen darstellten. Die streitigen Schuldverschreibungen seien Kapitalforderungen mit Zinsforderungen, deren Ertragshöhe von einem ungewissen Ereignis abhängen. Für die Einstufung als Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sei es ausreichend, dass unter den Schuldverschreibungen fixe Kupons zugesagt worden seien. Es handele sich um eine Finanzinnovation, weil die Höhe der Rückzahlung vom Stand eines Bezugsindexes und damit von einem ungewissen Ereignis abhängig gewesen sei. Die streitigen Verluste stellten auch negative Kapitalerträge nach der Marktrendite dar, weil die Schuldverschreibungen über keine Emissionsrendite verfügten, als echte Finanzinnovation einzustufen seien, die Verluste negative Kapitalnutzungsvergütungen darstellten und es sich bei der Rückzahlung der Schuldverschreibungen am Fälligkeitstag um eine Einlösung bei Endfälligkeit handele, welche gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG auch beim Kläger als Ersterwerber zur Besteuerung nach der Marktrendite führe.
17Die Schuldverschreibungen wiesen keine Emissionsrendite auf. Im Allgemeinen werde unter Emissionsrendite die Rendite verstanden, die bei der Emission von Schuldverschreibungen bzw. bei der Begründung von Kapitalforderungen von vornherein zugesagt und bis zur Endeinlösung der Schuldverschreibungen bzw. der Kapitalforderungen mit Sicherheit erzielt werden könne. Dabei seien zur Beurteilung sowohl die laufenden Entgeltzahlungen als auch die Rückzahlung der Schuldverschreibungen bzw. Kapitalforderungen zu betrachten. Beide Zahlungen müssten im Zeitpunkt der Emission der Höhe nach feststehen. Demgegenüber wiesen Schuldverschreibungen bzw. Kapitalforderungen, bei denen auch nur eine der Komponenten im Emissionszeitpunkt von einem ungewissen Ereignis abhänge, keine Emissionsrendite auf. Zwar sei vorliegend eine fixe Verzinsung von 11,75 % vereinbart, der Tilgungsbarbetrag sei aber von der ungewissen Entwicklung des Bezugsindexes abhängig gewesen. Die Höhe der Rückzahlung der Schuldverschreibung sei im Emissionszeitpunkt somit nicht genau bezifferbar gewesen. Diese Beurteilung werde auch vom Beklagten geteilt, der in der Einspruchsentscheidung auf Seite 9 ausführe, dass die Ertragsermittlung nach der Emissionsrendite ausscheide.
18Die Schuldverschreibungen seien auch als echte Finanzinnovation im Sinne der BFH-Rechtsprechung einzustufen. Echte Finanzinnovationen seien solche Kapitalforderungen, bei denen planmäßig steuerbare Erträge in Wertänderungen umgewandelt würden. Auf echte Finanzinnovationen finde die Besteuerung nach der Marktrendite grundsätzlich Anwendung. Unechte Finanzinnovationen, für die eine Besteuerung nach der Markrendite nicht in Betracht komme, seien hingegen solche Kapitalforderungen, bei denen sich Kapitalnutzungsvergütungen von exogenen Wertänderungen ohne größeren Aufwand rechnerisch oder nach vernünftigen Kriterien im Schätzungswege abgrenzen ließen. Nach der Rechtsprechung seien Indizien für echte Finanzinnovationen u.a. eine fehlende Emissionsrendite, fehlende laufende Entgeltzahlungen und das Ziel, eine möglichst hohe Vergütung für die Kapitalüberlassung im wirtschaftlichen Sinne zu vereinnahmen.
19Die erforderliche Beurteilung müsse dabei auf Basis der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung im Zeitpunkt der Emission erfolgen. Der wirtschaftliche Erfolg der streitigen Schuldverschreibungen werde auf Basis des fixen Kupons von 11,75 % und dem Tilgungsbarbetrag, der zwischen 0 und 200 % des Nennbetrages betragen konnte, gebildet. Da die beiden Komponenten untrennbar miteinander verwoben gewesen seien und dadurch Wertveränderungen zum konstruktiven Bestandteil der Schuldverschreibungen geworden seien, seien diese als echte Finanzinnovation einzustufen. Die untrennbare Verbindung ergebe sich aus folgenden Überlegungen: Einerseits seien die weit über dem Zins von einfachen Anleihen der Deutschen Bank AG liegenden fixen Kupons nur deshalb vereinbart worden, weil der Kläger als Inhaber der Schuldverschreibung gleichzeitig akzeptiert habe, dass die Schuldverschreibungen unter dem Nennbetrag zurückgezahlt werden konnten. Andererseits sei dem Kläger als Inhaber der Schuldverschreibungen aber auch die realistische Chance eingeräumt worden, dass der Tilgungsbarbetrag bis zu 200 % des Nennbetrages betragen konnte. Auf Grund der Verwebung der beiden Komponenten seien Wertänderungen zum konstruktiven Bestandteil der Schuldverschreibungen geworden. Bei den vom BFH bislang als unechte Finanzinnovationen beurteilten Kapitalforderungen habe es sich hingegen, anders als vorliegend, jeweils um Anleihen gehandelt, bei denen eine 100 %-ige Rückzahlung des Nennbetrages vertraglich versprochen worden war, die Höhe der Kupons aber von der Entwicklung eines ungewissen Ereignisses abhängig gewesen sei. In diesen Fällen werde der Wert der Anleihen fast ausschließlich von der Entwicklung der Höhe des Kupons bestimmt. Vorliegend bedinge die Anknüpfung des Rückzahlungsbetrages an ein ungewisses Ereignis, dass der Wert der Schuldverschreibungen nicht nur vom Marktzinsniveau im Vergleich zu den Kupons, sondern daneben ganz entscheidend auch von der Entwicklung des Bezugsindexes bestimmt wurde. Bei der Wertermittlung sei nämlich auch die Erwartung der Höhe des Rückzahlungsbetrages auf Basis des jeweiligen Stands des Bezugsindexes zugrunde gelegt worden. Wie bei den im BFH-Urteil vom 13.12.2006 VIII R 79/03, BStBl II 2007, 562 gegenständlichen DAX-Zertifikaten habe die Besonderheit der hier vorliegenden Schuldverschreibungen darin bestanden, dass die Einbindung von Wertänderungen über die Höhe des Rückzahlungsbetrags ihr konstruktiver Bestandteil gewesen sei. Die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen seien entgegen der Ansicht des Beklagten in der Einspruchsentscheidung mit Aktienanleihen nicht zu vergleichen. Zwar bestünden gewisse Ähnlichkeiten mit Aktienanleihen, weil sie mit hohen fixen Kupons ausgestattet gewesen seien und der Tilgungsbarbetrag abhängig vom Bezugsindex auch unter dem Nennbetrag habe liegen können. Der entscheidende Unterschied zu Aktienanleihen bestehe jedoch darin, dass der Tilgungsbarbetrag auch mehr als den Nennbetrag habe betragen können, während sich bei Aktienanleihen der Rückzahlungsbetrag stets auf den Nennbetrag beschränke (vgl. z.B. BMF - Schreiben vom 25.10.2004, BStBl I 2004, 1034 Tz. 11). Es bestehe eine so erhebliche Differenz zu Aktienanleihen, dass die Einstufung der streitigen Schuldverschreibung als unechte Finanzinnovation durch den Beklagten unter Berufung auf die nicht abgestimmte Kurzinformation ESt 3/2008 der OFD Rheinland zu Aktienanleihen vom 21.01.2008, DB 2008, 436, schon aus diesem Grunde fehl gehe. Im Übrigen wären auch Aktienanleihen entgegen der obigen Kurzinformation als echte Finanzinnovationen im Sinne der BFH-Rechtsprechung einzuordnen.
20Die Verluste aus der Rückzahlung am Fälligkeitstag der Schuldverschreibungen stellten auch negative Kapitalnutzungsvergütungen dar.
21Gemäß ständiger BFH-Rechtsprechung seien Vergütungen für die Kapitalüberlassung, Kapitalerträge, alle Vermögensänderungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Sicht des Anlegers eine Gegenleistung für die Kapitalnutzung darstellten. Kapitalerträge lägen bereits dann vor, wenn die Vermögensänderung durch einen Umstand mit veranlasst sei, der bei wertender Beurteilung in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß der Erwerbssphäre zuzuordnen sei. Die Höhe der fixen Kupons der Schuldverschreibungen sei maßgebend durch den Umstand bedingt gewesen, dass der Tilgungsbarbetrag sowohl unter als auch über dem Nennbetrag der Schuldverschreibungen habe liegen können. Deshalb setze sich der wirtschaftliche Erfolg aus Sicht des Klägers aus den hohen Kupons einerseits und einer eventuellen Minder- oder Mehrrückzahlung anderseits zusammen.
22Die Besteuerung nach der Marktrendite finde auch auf die Rückzahlung zum Tilgungsbarbetrag Anwendung, weil die Rückzahlung der Schuldverschreibungen am Fälligkeitstag eine Einlösung bei Endfälligkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG darstelle. Nach dieser Regelung seien die Sätze 1 bis 3 des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 für die Einlösung der Wertpapier- und Kapitalforderung bei deren Endfälligkeit entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift sei nach dem Gesetzeswortlaut auf die Einlösung bei der nach der Laufzeit der Kapitalforderung definierten Fälligkeit anwendbar. Vorliegend sei die Rückzahlung der Schuldverschreibungen unstreitig zum vertraglichen Tilgungsbarbetrag am vertraglichen Fälligkeitstag zum Laufzeitende erfolgt.
23Im Übrigen sei die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG auch beim Kläger als Ersterwerber der Schuldverschreibungen anzuwenden, was auch der Verwaltungsansicht und der herrschenden Meinung im Schrifttum entspreche und vom Beklagten auch nicht in Frage gestellt werde.
24Die Kläger beantragen,
25den Einkommensteuerbescheid 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 05.08.2011 dahingehend abzuändern, dass der erklärte Verlust in Höhe von 388.720,00 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt wird.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend wie folgt vor:
29Im Streitfall seien die Kapitalnutzungsentgelte und Wertveränderungen, somit die Ertrags- und Vermögensebene, klar voneinander abgrenzbar, weil bei der typischen Indexanleihe nur ein Ertrag auf der Vermögensebene, nicht aber die Verzinsung an einen Index gekoppelt sei. Daher sei der Andienungsverlust der nicht steuerbaren Vermögensebene zuzuordnen. Sofern die Kläger darauf verwiesen, dass ein Vergleich mit Aktienanleihen nicht möglich sei, weil bei Aktienanleihen der Tilgungsbarbetrag auf den Rückzahlungsbetrag beschränkt sei, sei dies nur ein untergeordnetes Kriterium. Viel entscheidender sei, dass bei beiden Papieren eine feste, erheblich über dem Marktzins liegende und garantierte Verzinsung gewährleistet sei und unabhängig davon trotzdem ein Totalverlust entstehen könne. Dementsprechend komme der Ansatz der negativen Marktrendite entgegen der Bescheinigung der Deutschen Bank bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht in Betracht. Der Verlust sei auch nicht nach § 23 EStG berücksichtigungsfähig, da die Spekulationsfrist überschritten sei.
30Mit Bescheid vom 05.08.2011 änderte der Beklagte aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen den streitigen Einkommensteuerbescheid.
31Entscheidungsgründe
32I.
33Die Klage ist begründet. Die Verluste aus der Einlösung der streitigen Schuldverschreibungen sind gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. C, Alternative 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerlich zu berücksichtigen.
34Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Alternative 2 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag; dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen.
35Die streitigen Geldanlagen erfüllen als Schuldverschreibungen grundsätzlich den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. C, Alternative 2 EStG, was zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig ist. Die Höhe der Erträge aus den Schuldverschreibungen hing auch von einem ungewissen Ereignis ab. Zwar sahen die Emissionsbedingungen eine fixe Verzinsung von 11,75 % per anno vor. Die Rendite der vorliegenden Schuldverschreibungen wird jedoch nicht allein durch die Verzinsung, sondern auch durch den Tilgungsbarbetrag bei Fälligkeit bestimmt. Dieser hing wiederum von der Entwicklung des Bezugsindexes (DB Alpha Index Strategy) ab, die ungewiss war.
36Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der streitige Veräußerungsverlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz Nr. 4 Satz 2 EStG als Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung (sogenannte Marktrendite) steuerbar.
37Die streitigen Schuldverschreibungen weisen keine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite auf. Unter einer Emissionsrendite i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, 2. Halbsatz EStG ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage – d.h. von vorn-herein – zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. zur Endfälligkeit der Kapitalforderung mit Sicherheit erzielt werden kann (vgl. etwa BFH-Urteile vom 24.10.2000 VIII R 28/99, BStBl II 2001, 97 zu einem „Floater“; vom 13.12.2006 VIII R 6/05, BStBl II 2007, 571, BStBl II 2007, 751 zu einer „Down-Rating-Anleihe“; vom 13.12.2006 VIII R 62/04, BStBl II 2007, 568 zu „Argentinien-Anleihen“; vom 13.12.2006 VIII R 79/03, BStBl II 2007, 562 zu einem „DAX-Zertifikat“; vom 04.12.2007 VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563 zu einem „Indexzertifikat“). Eine Schuldverschreibung weist demnach dann eine Emissionsrendite auf, wenn eine solche sichere Rendite zugesagt wird. Hängt die Höhe der Kapitalerträge dagegen von einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab, kann die Rendite im Zeitpunkt der Emission nicht berechnet werden und es liegt keine Emissionsrendite vor (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2008, 563; in BStBl II, 2007, 562; vom 20.11.2006 VIII R 97/02, BStBl II 2007, 555 zu einem „Reverse Floater“). Bei der Beurteilung der maßgeblichen Emissionsrendite ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausgabe, d.h. der Emission abzustellen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, der den Tatbestand der steuerbaren Finanzinnovationen beschreibt, mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, der die Bemessung der Höhe der fraglichen Einkünfte regelt. Beide Merkmale, die Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die Berechnung der steuerbaren Einkünfte, bilden zusammen den maßgeblichen Steuertatbestand. Da die Besteuerung an die Emissionsrendite anknüpft, ist der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG auf den Zeitpunkt der Emission zu beziehen (BFH-Urteile in BStBl II 2007, 562 und vom 26.06.2012 VIII R 40/10, DStZ 2013, 96 zu „Schuldverschreibungen“).
38Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze weisen die streitigen Schuldverschreibungen keine Emissionsrendite auf. Wie bereits ausgeführt wird die Rendite der vorliegenden Schuldverschreibungen trotz einer fixen Verzinsung von 11,75 % per anno nicht allein durch die Verzinsung, sondern auch durch den Tilgungsbarbetrag bei Fälligkeit bestimmt, der unter Umständen auch unter dem Ausgabewert liegen konnte und so wesentlichen Einfluss auf die Gesamtrendite hatte. Da die Deutsche Bank als Emittentin nur für den Fall eines gegenüber dem anfänglichen Verkaufspreis höheren Bezugsindexes (DB Alpha Index Strategy) verpflichtet war, einen über den anfänglichen Verkaufspreis hinausgehenden Betrag zu zahlen, hing es von der künftigen Entwicklung des Bezugsindexes als ungewissem Ereignis ab, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe tatsächlich eine Rendite erzielt werden konnte.
39Der somit grundsätzlich gebotene Rückgriff auf die Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stellt im Streitfall auch keine ungerechtfertigte Abweichung von der im EStG angelegten Systematik der Besteuerung von Kapitalerträgen dar; insbesondere verstößt die steuerliche Erfassung von Einnahmen aus der Veräußerung bzw. Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 c EStG) und die keine Emissionsrendite haben, mit der Marktrendite nicht gegen das aus Art. 3 des Grundgesetzes abzuleitende Gebot der gesetzlichen Folgerichtigkeit (vgl. dazu im Einzelnen mit Nachweisen BFH-Urteile in BStBl II 2007, 562; in BStBl II 2007, 571; in BStBl II 2007, 555 und in DStZ 2013, 96).
40Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz Nr. 4 Satz 2 EStG im Wege der teleologischen Reduktion bzw. in verfassungskonformer Auslegung einzuschränken. Eine solche Einschränkung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht.
41§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG enthält eine Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG. Dieses besteht darin, dass nur die „Fruchtziehung“, also das Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals steuerlich erfasst wird. Wertveränderungen auf der Vermögensebene bleiben dagegen grundsätzlich außer Betracht (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2001, 97), sondern werden allenfalls gemäß §§ 17, 23 EStG erfasst. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf Vertragsgestaltungen reagiert, die auf eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gerichtet waren, um statt steuerpflichtiger Zinserträge steuerfreie private Veräußerungsgewinne zu erzielen. Er hat damit jedoch die grundsätzliche im System des EStG hinsichtlich der Überschusseinkünfte angelegte Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und Quellenverwertung nicht aufgegeben (vgl. zur Entstehungsgeschichte BFH-Urteil in BStBl II 2007, 568). Die Maßgeblichkeit der Marktrendite stellt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 nur dann eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche Lebenssachverhalte dar, die der grundsätzlichen im Gesamtsystem des EStG hinsichtlich der Überschusseinkünfte angelegten Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und Quellenverwertung sowie deren unterschiedlicher Erfassung Rechnung trägt, wenn die systematische Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und Kapitalverwertung bzw. Ertrags- und Vermögenssphäre auf systematische bzw. strukturelle Grenzen stößt. Hiervon ist auszugehen, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, bei denen das jeweilige Papier nach der Art seiner Gestaltung und den dieser zugrunde liegenden wirtschaftlichen Rahmendaten gerade eine Verbindung von Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals beinhaltet. Die an sich systematisch gebotene Abschöpfung nur des Kapitalnutzungsentgelts kann in derartigen Fällen nicht gewährleistet werden, weil dieses nicht im traditionellen Sinne von der Wertentwicklung abgrenzbar ist. Eine solche eindeutige Abgrenzbarkeit bzw. Bestimmbarkeit hat der BFH angenommen für den Fall eines „Reverse-Floater“ (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 555) sowie einer „Down-Rating-Anleihe“ (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 571). Abgelehnt hat er sie für den Fall eines „DAX-Zertifikats“ (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 562, unter II.2) und eines „Indexzertifikats“ (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 563; und BFH-Urteil in DStZ 2013, 96).
42In den Fällen der fehlenden Abgrenzbarkeit stellt die Erfassung des Unterschieds zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung, Veräußerung bzw. Abtretung als Kapitalertrag für Wertpapiere und Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite eine sachlich gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG bzw. Anpassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen an die Entwicklung neuer Anlageformen in Gestalt von Finanzinnovationen dar (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 571, m.w.N.).
43Nach Auffassung des Senats ist bei den im Streitfall in Rede stehenden Schuldverschreibungen keine eindeutige Abgrenzbarkeit bzw. Bestimmbarkeit im vorgenannten Sinne gegeben. Auch wenn die Schuldverschreibungen grundsätzlich so beschaffen sind, dass - jedenfalls nachträglich - eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich wäre, ändert dies nichts daran, dass die Schuldverschreibungen nach der Art ihrer Ausgestaltung auf eine Einbindung von Kursgewinnen in das Entgelt für die Kapitalüberlassung ausgerichtet waren.
44Die streitbefangenen Schuldverschreibungen weisen einen festen Zins von 11,75 % per anno auf und versprachen dem Kläger somit eine hohe Verzinsung. Da das Recht zur Einlösung der Schuldverschreibungen zu den Emissionsbedingungen der streitbefangenen Schuldverschreibungen gehörte, ist der wirtschaftliche Erfolg aus der Sicht des Klägers als Kapitalanleger nach eben diesen Bedingungen aber nicht nur von der Verzinsung abhängig, sondern zudem ganz entscheidend von der Kursentwicklung des der Schuldverschreibung unterlegten Bezugsindexes. Im Übertragungsfall wird der über dem Marktzins liegende Renditeerfolg durch die von vornherein im Rechtsverhältnis zwischen Emittenten und Kapitalanleger geregelte mögliche Verminderung des Tilgungsbarbetrages (im Extremfall auf 0,00 €) relativiert. Das wirtschaftliche Ergebnis der Kapitalüberlassung zur Nutzung ist deshalb wegen des von vornherein einbezogenen und vom Nominalzins nicht zu trennenden spekulativen Moments gegebenenfalls auch geringer als der Nominalzins. Hoher Zins und Tilgungsrisiko stehen in engem sachlichen Bezug zueinander. Nur die Unterlegung der Anleihe mit dem von den Klägern eingegangenen Tilgungsrisiko eröffnet der Deutsche Bank kaufmännisch die Möglichkeit, den hohen Zins von 11,75 % zu zahlen. Sofern diese Rechnung im Einzelfall aus Bankensicht nicht aufgeht, gelten diese Zusammenhänge doch für das Bankprodukt der Hochzinsanleihe insgesamt.
45Da wegen der dargestellten Vermengung der Ertrags- und der Vermögensebene schon nach den Emissionsbedingungen die streitbefangenen Bankanleihen keine Emissionsrendite hatten, kommt § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG zur Anwendung mit der Folge, dass insoweit der Ertrag nach der Marktrendite ermittelt wird und deshalb auch dort die Vermischung von Zinsertrag und einem Vorgang auf der Vermögensebene stattfindet bzw. stattfinden kann. Dies findet nach Auffassung des Senats seine Rechtfertigung darin, dass die Vermögenseinbuße nicht aufgrund von Dritteinflüssen außerhalb des eingegangenen Rechtsverhältnisses erfolgt, wie dies z.B. bei Schwankungen des Kapitalmarktzinses oder Bonitätseinbußen des Anleiheemittenten der Fall ist. Vielmehr ist die Einbuße Realisierung des zur Gesamtausstattung der Anleihe gehörenden Einlösungs - und Tilgungsrisikos.
46§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG führt nicht nur dazu, dass eine positive Rendite (Veräußerungsgewinn), sondern - wie im Streitfall - auch dazu, dass eine negative Marktrendite (Veräußerungsverlust) steuermindernd zu berücksichtigen ist. Dass als Kapitalertrag vorliegend ein negativer Saldo zu berücksichtigen ist, führt zu keinem andren Ergebnis (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.2012 VIII R 40/10, DStZ 2013, 96)
47Der Beklagte hat somit bei der Neuberechnung der Einkommensteuer den der Höhe nach unstreitigen Verlust von 388.720,00 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
48Die Neuberechnung der Steuer wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben.
49II.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
51III.
52Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.