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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Durch Verfügung vom 12.12.2006 pfändete der Beklagte wegen offener Umsatzsteuerforderungen gegen den Kläger für das laufende Jahr und für das Jahr 2004 in Höhe von zusammen 7.922 € die Ansprüche des Klägers gegen die C Lebensversicherungs-AG in E. Diese teilte in ihrer Drittschuldnererklärung mit, dass der Kläger eine Rentenversicherung abgeschlossen habe und deren aktueller Rückkaufwert 22.604 € betrage. Die Ansprüche seien derzeit an die Volksbank F e.G. in B abgetreten.
3Anfang 2007 wurden weitere Ansprüche in Höhe von zusammen 61.294 € aus Umsatzsteuer 2001 und 2002 fällig, die auf einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung beruhten. Am 23.08.2007 ordnete der Beklagte wegen der zusätzlichen Rückstände eine weitere Pfändung der Ansprüche gegen die C an. In ihrer Drittschuldnererklärung gab die C nunmehr an, dass wegen der Ansprüche des Klägers bereits eine Abtretung und eine vorrangige Pfändung – nämlich die des Beklagten – bestünden.
4In der Folgezeit wurden aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten, Verrechnung von Guthaben und Einzelzahlungen den Umsatzsteuerforderungen diverse Geldbeträge gegen den Kläger gutgeschrieben. Die Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten streitig. Auf Anregung des Gerichts hat der Beklagte Abrechnungsbescheide über die Umsatzsteuer 2001, 2002, 2004 und 2006 erlassen. Diese sind Gegenstand der Klage 6 K 1084/10, über die das Gericht durch Urteil vom heutigen Tage ebenfalls entschieden hat.
5Der Vollziehungsbeamte des Beklagten begab sich am 20.08.2007 zum ehemaligen Betriebsgrundstück in der G-Straße in B. Dort war der Kläger eingezogen, nachdem er sein zu Wohnzwecken genutztes Hausgrundstück hatte verkaufen müssen. Da der Vollziehungsbeamte den Kläger nicht antraf, kündigte der Beklagte durch ein dem Kläger persönlich zugestelltes Schreiben an, dass der Vollziehungsbeamte ihn am 06.09.2007 erneut aufsuchen werde. Der Vollziehungsbeamte erreichte den Kläger aber auch an diesem Tag nicht.
6Durch Verfügung vom 10.09.2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, am 17.10.2007 zu erscheinen, ein näher bezeichnetes Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und an Eides Statt zu versichern, dass er die verlangten Angaben richtig und vollständig gemacht habe. Zugrunde lagen die Forderungen aus der Umsatzsteuer 2001, 2002, 2004 und 2006, von denen noch ein Gesamtbetrag in Höhe von 49.736 € offen war. Zur Begründung für seine Anordnung stützte der Beklagte sich auf die vergeblichen Versuche seines Vollziehungsbeamten, in die Wohnung des Klägers zu gelangen.
7Kurz darauf meldete sich der Steuerberater H des Klägers aus B und erklärte, dass der Kläger dem Beklagten eine Versicherung mit einem Rückkaufswert von 22.500 € übereignen werde. Weitere 10.000 € würden von Dritten zur Verfügung gestellt. Die restliche Hauptsteuern in Höhe von 15.438 € möge der Beklagte gegen eine Zahlung in fünf Raten stunden. Wegen der verbleibenden Säumniszuschläge werde aufgrund der Liquiditätslage des Klägers ein Erlass aus Billigkeitsgründen beantragt.
8Anschließend legte der Kläger durch die Prozessbevollmächtigten gegen die Verfügung vom 10.09.2007 Einspruch ein und rügte, dass noch kein Bescheid zu dem Stundungsgesuch vorliege. Insoweit sei vermutlich ein Vollstreckungshindernis entstanden. Der Beklagte lehnte die Stundung sodann förmlich ab und wies den Kläger darauf hin, dass diese Entscheidung für das laufende Einspruchsverfahren keine Bedeutung habe.
9Zu dem Termin beim Beklagten am 17.10.2007 erschien der Kläger nicht. Eine weitere Begründung für den Einspruch brachte er trotz Erinnerung nicht bei.
10Währenddessen erklärte die Volksbank F eG gegenüber dem Kläger, dass ihre Forderung vollständig zurückgeführt worden sei und sie die Rechte aus dem Rentenversicherungsvertrag mit der C auf den Kläger zurück übertrage.
11Am 10.12.2007 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und die Ladung zur eidesstattlichen Versicherung zurück. Da der Kläger seinen Einspruch nicht begründet habe, habe er – der Beklagte – die angefochtene Verfügung aufgrund der Aktenlage überprüft und keine Fehler festgestellt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der Verfügung lägen vor und die Entscheidung, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen, sei ermessensfehlerfrei. Die Rückstände bezifferte der Beklagte aktuell auf 46.930 €.
12Auf Nachfrage teilte die C dem Beklagten im Juni 2008 mit, dass die vorrangige Abtretung der Ansprüche aus der Rentenversicherung nicht mehr bestehe, sondern nur noch die beiden vom Beklagten selbst ausgebrachten Pfändungen. Der Beklagte pfändete darauf die Ansprüche aus der Rentenversicherung nochmals mit der Begründung, dass die vorangegangenen Pfändungen wegen der Abtretung ins Leere gegangen seien. Gestützt auf diese neuerliche Pfändung kündigte der Beklagte den Vertrag über die Rentenversicherung. Die C überwies am 21.11.2008 22.549 € an den Beklagten.
13Mit der Klage verfolgt der Kläger das Begehren aus dem Einspruch weiter und trägt vor:
14Die Anordnung der Vorlage des Vermögensverzeichnisses sowie die Ladung zur eidesstattlichen Versicherung hätten nicht ergehen dürfen, weil der Beklagte es versäumt habe, die Steuernachforderungen rechtzeitig beizutreiben. Er habe aufgrund seiner Pfändung die Rentenversicherung früher verwerten können. Dass die Abtretung aufgehoben worden sei, habe er von der C erfahren. Er, der Kläger, habe außerdem sein Einfamilienhaus zur Tilgung der Steuern angeboten. Im Übrigen hätte der Beklagte die beantragte Stundung gewähren müssen. Wegen der Säumniszuschläge habe er, der Kläger, Anspruch auf einen Billigkeitserlass gehabt. Auf diese Weise wären die Steuerforderungen jedenfalls noch vor der Einspruchsentscheidung getilgt worden. Darüber hinaus müssten alle im Klageverfahren geleisteten Zahlungen berücksichtigt werden. Es gehe nicht an, dass der Beklagte an einer Verfügung festhalte, deren Forderungen jetzt alle erloschen seien. Maßgeblich für die Beurteilung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Die angefochtene Verfügung sei schließlich rechtsmissbräuchlich. Denn der Beklagte habe aufgrund des Stundungsverfahrens bereits sämtliche Vermögenswerte gekannt bzw. in diese vollstreckt.
15Der Kläger beantragt,
16die Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufzuheben.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hält an seinen Verwaltungsentscheidungen fest.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist nicht begründet.
22Die Verfügung des Beklagten vom 10.09.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2007 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 44 Abs. 2 FGO). Der Beklagte durfte den Kläger auffordern, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und ihn außerdem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden. Die rechtlichen Grundlagen dafür ergeben sich aus § 284 Abs. 1 Nr. 4 und aus § 284 Abs. 3 Satz 1 AO.
23Gemäß § 284 Abs. 1 Nr. 4 AO hat der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckungsbehörde auf Verlangen ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen, wenn der Vollziehungsbeamte den Vollstreckungsschuldner wiederholt in seinen Wohn- und Geschäftsräumen nicht angetroffen hat, nachdem er einmal die Vollstreckung mindestens zwei Wochen vorher angekündigt hatte; das gilt nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Abwesenheit genügend entschuldigt und den Grund glaubhaft macht. Nach § 284 Abs. 3 Satz 1 AO hat der Vollstreckungsschuldner zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die von ihm gemachten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt.
24Der Kläger ist Vollstreckungsschuldner im Sinne des § 253 AO. Denn gegen ihn ist ein Vollstreckungsverfahren nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AO wegen diverser Steuerbescheide gerichtet. Der Beklagte ist als Finanzamt die Vollstreckungsbehörde (§ 249 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Vollziehungsbeamte hat den Kläger wiederholt - am 20.08.2007 und am 06.09.2007 - in dessen damaligen Wohnung in B in der G-Straße ... nicht angetroffen. Die Vollstreckung hatte der Vollziehungsbeamte zwei Wochen vor dem Termin am 06.09.2007 angekündigt, nämlich durch das dem Kläger am 21.08.2007 persönlich zugestellte Schreiben. Entschuldigt hat der Kläger seine Abwesenheit nicht. Das nach dem Eingangssatz von § 284 Abs. 1 AO die Pflicht zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses begründende „Verlangen“ der Vollstreckungsbehörde hat der Beklagte in der Verfügung vom 10.09.2007 erklärt und durch die Einspruchsentscheidung vom 10.12.2007 bestätigt. Hat der Vollstreckungsschuldner – wie hier der Kläger – ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, ergibt sich für ihn aus § 284 Abs. 3 Satz 1 AO ohne Weiteres die zusätzliche Verpflichtung, die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm verlangten Angaben an Eides statt zu versichern.
25Die Entscheidung des Beklagten, vom Kläger die Vorlage des Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen, hält auch der Überprüfung des Gerichts nach § 102 Satz 1 FGO stand. Die Norm greift ein, weil der Beklagte durch § 284 Abs. 1 AO ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln. Das ergibt sich aus dem bereits erwähnten „Verlangen“ der Vollstreckungsbehörde. Gemäß § 102 Satz 1 FGO prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Grundlage dafür ist die Verpflichtung der Finanzbehörde aus § 5 AO, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Gegen diese Verpflichtung hat der Beklagte nicht verstoßen.
26Für die gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung sind entgegen der Auffassung des Klägers die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Das gilt selbst dann, wenn die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – wie hier – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vollzogen ist. Dem Betroffenen ist bei veränderter Sachlage zuzumuten, ein neues Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen und wegen evtl. veränderter Verhältnisse den Widerruf des im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßigen Verwaltungsaktes gemäß § 131 Abs. 1 AO zu beantragen. Das Gericht folgt in dieser Frage der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 22.06.2009 VII B 204/08, BFH/NV 2009, 1780 m. w. N.). Daran gemessen ist die am 11.01.2008 ergangene Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei zustande gekommen.
27Der Beklagte musste bei der Ausübung seines Ermessens nicht auf die Einwendungen des Klägers gegen die Höhe der rückständigen Umsatzsteuer eingehen. Das folgt aus § 256 AO, soweit der Kläger die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide anzweifelt. Denn Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Macht der Kläger geltend, die festgesetzte Umsatzsteuerschuld sei bereits durch Erfüllung erloschen, muss dieser Einwand wegen § 218 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 AO hier außer Betracht bleiben. Nach diesen Bestimmungen entscheidet die Finanzbehörde nämlich über Streitigkeiten, welche die Verwirklichung von Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis betreffen durch einen ‑ gesonderten ‑ Verwaltungsakt, den so genannten Abrechnungsbescheid. Erst wenn durch einen Abrechnungsbescheid das Erlöschen eines Steueranspruchs bestandskräftig festgestellt ist, löst das die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken (§ 257 Abs. 1 Nr. 3 AO). Diese Systematik schließt es aus, über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis in anderen Verfahren – wie hier im Klageverfahren gegen eine Verfügung nach § 284 AO – zu befinden. Das Gericht schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des BFH an (Beschlüsse vom 11.09.1989 VII B129/89, BFH/NV 1990, 212 und vom 19.02.1991 VII B 188/90, BFH/NV 1991, 759).
28Genauso zu behandeln ist der Einwand des Klägers, der Beklagte habe die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu Unrecht nicht gestundet bzw. den beantragten Erlass der Säumniszuschläge rechtsfehlerhaft nicht erlassen. Über diese Begehren hat die Finanzbehörde ebenfalls nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern gemäß § 222 AO bzw. § 227 AO in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden. Erst wenn die Leistung gestundet bzw. der Anspruch erlassen worden ist, führt das zur Einstellung der Vollstreckung (§ 257 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO). Darüber hinaus hat der Beklagte den Stundungsantrag mit Datum vom 05.10.2007 vor Erlass der Einspruchsentscheidung abschlägig beschieden.
29Der Kläger dringt nicht mit seinem Einwand durch, der Beklagte mache mit der Anordnung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und der Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, weil der Beklagte bereits alles über sein, des Klägers, Vermögensverhältnisse wisse.
30Das Gesetz mache sich § 284 Abs. 3 Satz 1 AO den psychologischen Druck der Strafbarkeit einer vorsätzlichen oder falschen eidesstattlichen Versicherung (§§ 156, 163 StGB) für die Durchsetzung der Steueransprüche zunutze. Nur so bekräftigte Erklärungen des Schuldners genügen nach der gesetzlichen Wertung, um dem Gläubiger der Steueransprüche zuverlässige Kenntnis über die Vermögenslage des Schuldners zu geben (BFH, Beschluss vom 05.09.2002 VII 71/02; BFH/NV 2003, 139 m. w. N.). Darauf hat der Beklagte zu Recht hingewiesen. Die vom Kläger erhobene Rüge des Rechtsmissbrauchs geht fehl.
31Der Beklagte hat schließlich nicht deshalb ermessensfehlerhaft gehandelt, weil er die Vollstreckung nicht schnell genug betrieben hätte. Diese Rüge des Klägers ist nicht berechtigt. Der Beklagte hat alle vollstreckungsrechtlich zulässigen Maßnahmen gegen den Kläger unverzüglich ergriffen. Erst im Juni 2008 hat der Beklagte Kenntnis davon erlangt, dass die Abtretung der Versicherungsansprüche beendet worden war. Der Kläger hat davon früher, nämlich bereits im Oktober 2007 erfahren, jedoch ohne diese Tatsache zu offenbaren. Die dadurch entstandene Verzögerung von neun Monaten hat nicht der Beklagte, sondern der Kläger zu vertreten. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass eine sofortige Pfändung verhindert haben würde, dass der Kläger zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert wird. Denn in dem Zeitpunkt, als die Rentenversicherung objektiv vom Beklagten hätte verwertet werden können, machte der zu erwartende Rückkaufswert in Höhe von 22.000 € nicht einmal die Hälfte der rückständigen Umsatzsteuer aus, die seinerzeit rund 47.000 € betrug.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Kläger trägt die Kosten, weil er unterlegen ist.