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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vergabe der Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß ist.
3Der Klägerin wurde vom Beklagten unter der Bezeichnung „Persönliche Identifikationsnummer“ eine steuerliche Identifikationsnummer zugeteilt. Diese Nummer wurde ihr mit Schreiben vom 14. September 2008 mitgeteilt. In dem entsprechenden Schreiben heißt es u.a. wörtlich: „ … Sie <Anm.: die Steueridentifikationsnummer> wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an. …“ Es folgt die Angabe der gespeicherten Daten: Name, Vorname, Geschlecht, vollständige Adresse, Geburtstag und –ort.
4Insgesamt sieht die Mitteilung – je nach Gegebenheiten - folgende Eintragungen vor: 1) Titel, Familienname; 2) Ehename; 3) Lebenspartnerschaft; 4) Geburtsname; 5) Vornamen; 6) Geschlecht; 7) vollständige Adresse; 8) Geburtstag und –ort; 9) Geburtsstaat (bei Geburt im Ausland).
5Am 10. März 2009 erhob die Klägerin Klage.
6Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die Vergabe der Steueridentifikationsnummer aufgrund von § 139b AO rechtswidrig sei und sie in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.
7§ 139b AO greife in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition ein, da er die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von persönlichen Daten ermögliche. Gespeichert würden vom Bundeszentralamt für Steuern die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Daten. Ferner würden die Finanzbehörden und andere (nicht-) öffentliche Stellen zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer ermächtigt.
8Dieser Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sei aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Regelung der §§ 139 a und 139b AO würden weder dem Gebot der Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
9Soweit es um die Ermächtigung zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer durch andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen nach § 139b Abs. 2 AO gehe, mangele es indes an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
10Insbesondere eine wirksame Zweckbindung für die Verwendung der Steueridentifikationsnummer fehle in der Ermächtigungsgrundlage. Der unbestimmte Begriff der „andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen“ aus § 139b Abs. 2 Satz 2 AO werde nicht näher definiert und sei auch einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. In Anbetracht der Vielzahl von Steuergesetzen und den darüber hinaus bestehenden Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Finanz- und Sozialbehörden sowie Dritten sei für den Bürger nicht überschaubar, welchen Stellen der Zugriff auf die Steueridentifikationsnummer gestattet sei. Letztlich dürfe jede Stelle die Identifikationsnummer erheben und verwenden. Damit sei die Bestimmung grenzenlos.
11Auch der Verwendungszweck für die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer sei nicht genau geregelt.
12Nicht hinreichend bestimmt sei auch § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO. Danach erfolge die Speicherung, um Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- oder zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen seien, an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können. Diese Regelung mache nicht eingrenzend klar, um welche Gesetze es sich handele.
13Entsprechendes gelte für § 139b Abs. 4 Nr. 5 AO, der die Datenspeicherung zum Zwecke der Erfüllung der den Finanzbehörden durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgaben vorsehe. Es sei nicht auszuschließen, dass im Nachgang zur Einführung der Identifikationsnummer neue Gesetze geschaffen würden, die den Finanzbehörden Aufgaben auferlegen würden, zu deren Erfüllung sie auf die Identifikationsnummer zugreifen müssten. Insofern komme auch § 139b Abs. 4 Nr. 5 AO keine begrenzende Funktion zu. Vielmehr sei eine beliebige Erweiterung der Datenverwendung möglich.
14Darüber hinaus verstoße § 139b AO gegen das Übermaßverbot.
15Die neue zentrale Steuernummer sei nicht erforderlich. Es gebe nämlich ein gleich wirksameres, milderes Mittel: die jetzige Steuernummer. Das bisherige System mit den Steuernummern der Bundesländer gebe es schon seit 80 Jahren – und es sei erfolgreich. Wenn man etwas hätte verbessern wollen, hätte die Zusammenarbeit der Bundesländer besser abgestimmt werden können, um eine größere Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Außerdem könne beim Schreiben von Zahlen ein Fehler einfacher unterlaufen als beim Schreiben von Namen.
16Der Hinweis auf internationale Standards als Zweck der Einführung der Steueridentifikationsnummer sei unzutreffend. Es gebe noch viele Länder, die keine Steueridentifikationsnummern hätten. Andere Länder, wie z.B. die Ukraine und Armenien, hätten aufgrund von Verfassungsklagen ihrer Bürger ihre Gesetze ändern und Ausnahmen zu den Steueridentifikationsnummern zulassen müssen.
17Die Regelung sei auch nicht angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Abwägung zwischen dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung und dem gesetzgeberischen Anliegen auf Durchsetzung von Steuergleichheit falle zu Lasten des Letzteren aus. Durch die durch § 139b AO ermöglichte weitere Sammlung, Koordinierung und Vernetzung der Daten mittels der Steueridentifikationsnummer sowie einer gesetzlichen Öffnung für weitere Datenverwendungsmöglichkeiten erfolge nicht nur ein Schritt zum „gläsernen Steuerzahler“, sondern es würden nahezu alle finanziellen Transaktionen mittels der Steuernummer für den Staat zugänglich gemacht. Die neue Nummer werde dem Bürger künftig wie eine Personenkennzahl von der Geburt bis 20 Jahre nach dem Tod „anhaften“. Über sie würden die Daten nach § 139b Abs. 3 AO abrufbar sein, die in die Nähe der Erstellung eines Persönlichkeitsprofil reichen würden. Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Durch die zentrale Steueridentifikationsnummer werde jeder in der Bundesrepublik Deutschland lebende Mensch eindeutig identifizierbar. Dies sei bei den bis dahin vergebenen Steuernummern nicht der Fall. Dies führe zu „einer Art“ Personenkennzeichennummer.
18Es bestünde darüber hinaus eine große Missbrauchsgefahr.
19Es liege auch ein Verstoß gegen die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG vor. Die Entwicklung würde dazu führen, dass Behörden Personen nicht mehr nach ihren Namen suchen werden, sondern nur nach der Steueridentifikationsnummer. Da es mehrere Personen mit einem Namen geben könne, aber die Steueridentifikationsnummer unverwechselbar sein solle, würden die Behörden auf der Grundlage der Nummer suchen.
20Der Mensch werde dann zur „Ware“, mit einer Nummer abgestellt, wie Waren.
21Zudem sei ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG gegeben.
22In der Bibel sei festgelegt, dass Gott den Menschen einen Namen gebe und keine Nummern. Auch sei dem Menschen die Annahme nur einer Nummer untersagt (vgl. Offenbarung des Johannes, Kapitel 13, 16-18; 14, 9-11; 15, 2; 16, 2; 19, 20; 20, 4; 22, 19). Der Mensch als Gottes Geschöpf solle nicht wie eine Ware katalogisierbar sein (vgl. Offenbarung des Johannes, Kapitel 18, 11, 13). Durch die Nummer werde seine Individualität als Gotteskind ausgelöscht. Er verliere sein ewiges Leben. Dabei sei es eine Verpflichtung aller Staatsgewalt, gerade in Verantwortung vor Gott dem Frieden zu dienen (Präambel des Grundgesetzes). Diejenigen, die trotz ihres Glaubens kein Problem in der Vergabe der Steueridentifikationsnummer sehen würden, würden ihren Glauben nicht wirklich ernst verstehen.
23Die Geschichte zeige, dass die Vergabe von Nummern an Menschen stets eine Erniedrigung und Demütigung dargestellt habe. Die Nummern seien den Menschen teilweise auch auf die Haut tätowiert worden, z.B. bei den Sklaven der Ägypter und Römer, den KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen im Dritten Reich.
24Sie, die Klägerin, als Mensch christlichen und messianisch-jüdischen Glaubens, glaube an ein ewiges Leben nach dem Tod, bei welchem nur der Körper sterbe, während die Seele und der Geist des gläubigen Menschen für immer bei Gott lebe. Mit diesem Vorsatz und Ziel habe Gott die Menschen als sein Ebenbild geschaffen, damit sie in Ewigkeit mit ihm und mit seinem Sohn leben können. Im christlichen Glauben sei die Persönlichkeit, welche die Identität eines Menschen ausmache, eine absolute und unantastbare Kostbarkeit. Die Steueridentifikationsnummer, welche eine Personenidentifikationsnummer darstelle, ersetze die Personalien der Menschen, die diese identifizieren, durch eine simple Nummer, welche einen Zahlen-Namen darstelle. Durch die Identifikationsnummer werde bzw. solle ein Mensch und seine Persönlichkeit mit dem Gegenspieler Gottes – mit dem Satan – und mit dessen Zahlennamen verbunden werden, statt dem Wort Gottes gehorsam zu sein und zu bleiben. Dieser Gehorsam könne nur durch die alleinige Identifikation durch den persönlichen, individuellen Namen erfolgen, um so als Gotteskind gemäß der bereits 2000 Jahre alten Anordnung in der Heiligen Schrift, in der Offenbarung des Johannes, seine Zugehörigkeit zu der Gottesfamilie zu bekunden und zu behalten.
25Es gebe Sünden, wie die Annahme des antigöttlichen Zeichens oder die Lästerung des Heiligen Geistes, die Gott ausdrücklich nicht vergebe, da sie den Bund mit Gott und die Zugehörigkeit zu ihm für immer und ewig zerstören würden. Gott kenne keinen Menschen als Zahl, sondern er rufe den Menschen bei seinem Namen und er trägt ihn, sofern er ein Gotteskind geworden sei, mit seinem Namen in das Buch des Lebens ein.
26Es sei hingegen das Ziel des Teufels, jeden Menschen mit dem toten sowie todbringenden Namen des Antichristen, für welchen die Zahl „6 6 6“ stehe, zu brandmarken bzw. für immer zu kennzeichnen, und ihn dazu zu verführen, auf diese Weise den Bund mit Gott für immer zu zerstören.
27Nichts anderes ergebe sich daraus, dass sie, die Klägerin, ihren Namen behalten dürfe. Denn sie könne sich nur noch zuhause allein und ausschließlich mit dem persönlichen Namen ehren. Denn für den Staat und für die Behörden sei sie zuallererst eine Nummer. Dies zeige sich z.B. bei Versicherungen, im JobCenter, Arbeitsamt. Die Steueridentifikationsnummer sei keineswegs nur ein behördeninternes Ordnungsmerkmal. Sie werde oftmals zur Identifizierung verlangt.
28Mit der Zuweisung einer Steueridentifikationsnummer werde sie, die Klägerin, einem Gegenstand gleichgestellt. Damit werde sie von Gott getrennt.
29Sie, die Klägerin, wolle ihren Steuerpflichten nach wie vor pünktlich und korrekt nachkommen. Sie bitte daher um eine alternative Möglichkeit, ihre Steuern und andere Zahlungen sowie andere behördliche Anforderungen ohne Steueridentifikationsnummer erfüllen zu können. Hilfsweise würde sie, die Klägerin, daher begehren, ihr eine Befreiung von der Steueridentifikationsnummer zu erteilen. Selbst wenn die Gründe für die Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß wären, müsse dem Bürger jedoch – wie bei jedem Eingriff – in besonderen Fällen eine Ausnahme- bzw. Befreiungsmöglichkeit bleiben. Bei ihr bestünde eine besondere Notlage aufgrund der Verletzung ihrer Glaubens- und Religionsfreiheit.
30Die Klägerin beantragt,
31festzustellen, dass die Zuteilung der persönlichen Steueridentifikationsnummer rechtswidrig war;
32hilfsweise, ihr eine Befreiung von der Steueridentifikationsnummer zu erteilen.
33Der Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Der Beklagte trägt vor, dass die Klage unbegründet sei.
36Es liege kein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor, da § 139b AO den verfassungsrechtlichen Anforderungen für Eingriffe in das Grundrecht genüge.
37Durch die Ermächtigung zur Erhebung, Speicherung und Verwendung der in § 139b Abs. 3 AO genannten persönlichen Daten greife § 139 b AO zwar in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch werde dieses Recht nicht schrankenlos gewährt, so dass Einschränkungen möglich seien. Hierzu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspreche und verhältnismäßig sei. § 139b AO entspreche diesen Anforderungen.
38§ 139b Abs. 2 AO sei durch den Gesetzgeber hinreichend bestimmt gefasst worden. Insbesondere die Zweckbindung sei gegeben. Bei der Steueridentifikationsnummer unterlägen sowohl die vergebene Nummer selbst als auch die Daten, die bei ihm, dem Beklagten, zu dieser Nummer gespeichert würden, einer strikten Zweckbestimmung. Die Erhebung und Verwendung der Nummer durch die Finanzbehörden dürfe nur dann erfolgen, wenn sie der gleich- und gesetzmäßigen Besteuerung des Bürgers diene (vgl. BT-Drucks. 15/1945, Seite 16; Wiese, in: Beermann/Gosch, § 139b AO, Rn. 9). Eine Verwendung des Identifikationsmerkmals für andere als steuerliche Zwecke sei ausschließlich auf der Grundlage einer ausdrücklichen spezialgesetzlichen Regelung des Bundes erlaubt. In Abgrenzung zum Bundesdatenschutzgesetz, nach dem eine Zweckänderung unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne zusätzliche gesetzliche Regelung zulässig sei (vgl. § 14 Abs. 2 BDSG), habe der Gesetzgeber durch den Gesetzesvorbehalt im Rahmen des § 139 b Abs. 2 AO strenge Anforderungen an eine mögliche Zweckänderung gestellt. Denn immanenter Bestandteil dieser gesetzlichen Öffnungsklausel sei, dass diese spezialgesetzliche Regelung ihrerseits wieder den Anforderungen des Grundgesetzes (insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung) entspreche.
39Unschädlich sei im Hinblick auf die Wahrung des Bestimmtheitsgebotes, dass in § 139 b Abs. 2 AO von „andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen“ die Rede sei. Denn das Bestimmtheitsgebot verbiete nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, sofern sie sich hinreichend konkretisieren ließen und die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Norm ermächtigten staatlichen Stellen nicht gefährdet seien. Insoweit seien auch die „öffentlichen bzw. nicht öffentlichen Stellen“ hinreichend bestimmt, da sich diese durch einen Rückgriff auf das Bundesdatenschutzgesetz ohne Schwierigkeiten bestimmen ließen. Die Begriffe „öffentliche“ und „nicht öffentliche Stellen“ seien in § 2 BDSG definiert.
40Auch § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO sei vom Gesetzgeber hinreichend konkretisiert worden. § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO bezwecke nicht eine Erweiterung der Verwendung der Identifikationsnummer, sondern – im Gegenteil – eine Einschränkung des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO. Ein Ordnen nach der Steueridentifikationsnummer sowie die Erschließung der Identifikationsnummer für den Zugriff durch die Finanzverwaltung sei nur unter den zusätzlichen Anforderungen des § 139 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO möglich. Die Voraussetzungen des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO müssten aber stets kumulativ vorliegen, da das Ordnen bzw. die Erschließung der Identifikationsnummer für die Datenübermittlung zugleich ein Verwenden bzw. Beschaffen der Identifikationsnummer darstelle.
41Auch § 139b Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO sei hinreichend bestimmt. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen sei dabei unschädlich. Denn der Verwendungsanlass und der Verwendungsgegenstand seien hinreichend umschrieben, indem die Verwendung bzw. Erhebung der Identifikationsnummer auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Finanzverwaltung beschränkt sei. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen führe dabei auch nicht zu einer beliebigen Erweiterbarkeit der Verwendung der Steueridentifikationsnummer. Denn der Gesetzgeber sei lediglich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung frei, eine Zweckänderung herbeizuführen.
42§ 139b AO verstoße auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Übermaßverbot). Die Norm diene der gleichmäßigen und gesetzmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern (vgl. Art. 3 GG, § 85 AO).
43Darüber hinaus werde durch die Einführung einer Steueridentifikationsnummer ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geleistet und zugleich würden Arbeitsabläufe innerhalb der Finanzverwaltung effizienter und kostengünstiger gestaltet (BT-Drucks. 15/1945, Seite 16). Ferner werde mit der Einführung der Steueridentifikationsnummer eine Angleichung an den internationalen Standard bezweckt (vgl. BT-Drucks. 15/1798, Seite 15). Hierbei handele es sich um legitime Zwecke.
44Die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer sei auch geeignet dieses Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern zu erreichen. Zur Gewährleistung der Gleichheit im „Belastungserfolg“ müsse nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, Rn. 106 ff.) das Deklarationsprinzip durch das Verifikationsprinzip ergänzt werden. Wesentliche Voraussetzung für ein effektives Kontrollsystem sei die eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen. Hierfür sei die Steueridentifikationsnummer geeignet, denn sie sei eindeutig, beständig und unveränderlich.
45Die Erhebung und Vergabe der Steueridentifikationsnummer sei auch erforderlich, um diese Gesetzeszwecke zu erreichen. Ein ebenso wirksames, aber den Betroffenen weniger belastendes Mittel, um im Rahmen des Steuerverfahrens eine einwandfreie Identifizierung des Steuerpflichtigen erreichen zu können, sei nicht ersichtlich. Eine erfolgreiche Verwertung steuererheblicher Informationen setze eine eindeutige Identifizierung von Steuersubjekten voraus. Diesem Erfordernis sei insbesondere durch das föderale, länderseparate Steuernummernsystem, in welchem die Steuernummern zudem nicht dauerhaft vergeben würden, nicht ausreichend Rechnung getragen worden.
46Die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer im Rahmen des § 139b AO wahre auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung von Besteuerungsgrundlagen sei Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung. Die Einführung der Identifikationsnummer führe zu mehr Lastengleichheit bei den Steuerpflichtigen, denn mit der Einführung der Identifikationsnummer werde es der Finanzverwaltung möglich sein, Kontrollmitteilungen und andere steuererhebliche Informationen zügig, irrtumsfrei und ohne Reibungsverluste dem richtigen Steuersubjekt zuzuordnen.
47Ferner sei die Verwendung der Steueridentifikationsnummer durch § 139 b AO auch auf das notwendige Maß beschränkt. Denn bei der Steueridentifikationsnummer würden sowohl die Nummer selbst als auch die Daten, die beim Bundeszentralamt für Steuern gespeichert würden, einer strikten besonderen Zweckbindung unterliegen. Andere Stellen als Finanzbehörden dürften die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für die Datenermittlung zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich sei oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung ausdrücklich erlaube oder anordne. Auf die gespeicherten Daten dürften nur Finanzbehörden im Rahmen der gesetzlich geregelten Zwecke zugreifen. Andere öffentliche oder nichtöffentliche Stellen hätten keinen Zugriff auf diese Daten. Insbesondere werde auch der Gefahr, dass durch die Einführung der Steueridentifikationsnummer Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten, durch verschiedene Maßnahmen entgegengewirkt. So sei die Identifikationsnummer als sog. „nicht sprechende Nummer“ konzipiert, die keine Rückschlüsse auf die zu dem Betroffenen gespeicherten Daten zulasse. Ferner dürften die Daten nur von den Finanzbehörden für die gesetzlich zugelassenen Zwecke verwandt werden. Schließlich habe der Gesetzgeber die zweckwidrige Verwendung der Nummer durch nicht öffentliche Stellen nach § 383a AO mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € bedroht.
48Entscheidungsgründe
49Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
50A. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich aus § 41 Abs. 1 FGO.
51I. Hiernach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinne handelt es sich auch, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem Betroffenen festgestellt werden soll (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
52II. Diese Voraussetzungen nach § 41 Abs. 1 FGO sind im Streitfall erfüllt. Durch die Zuteilung der Identifikationsnummer an die Klägerin und die Speicherung von Daten unter dieser Nummer ist ein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten entstanden. Sowohl die Zuteilung der Nummer als auch die Datenspeicherung stellen keinen Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Es fehlt nämlich an der Regelung eines Einzelfalls und an einer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen.
53III. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass sie sich in ihren Grundrechten verletzt sieht.
54IV. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht zwar grundsätzlich ihre Subsidiarität nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO u.a. gegenüber der Leistungsklage entgegen.
55§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch das von dem Kläger ausdrücklich begehrte Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, ihn auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
56Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Auch dann, wenn man annehmen würde, dass das Begehren, die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten zu löschen, nur mit der Verpflichtungsklage verfolgt werden könnte, würden die für eine Verpflichtungsklage geltenden Vorschriften über das Vorverfahren (§§ 44 bis 46 FGO) nicht umgangen. Denn der Beklagte hätte aufgrund seiner Bindung an die Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG) einem Löschungsantrag und einem gegen die Ablehnung der Löschung gerichteten Einspruch (§ 347 AO) nicht stattgeben dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
57Darüber hinaus würde das von der Klägerin verfolgte Ziel der Löschung der ihr zugeteilten Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten durch ein Urteil, das die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung feststellt, in vollem Umfang erreicht. Eine solche Entscheidung könnte nämlich nur ergehen, nachdem das BVerfG auf eine entsprechende Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die zugrunde liegenden Vorschriften für verfassungswidrig und nichtig erklärt hätte. Eine solche Entscheidung des BVerfG hätte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft und würde gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG u.a. die Behörden binden. Der Beklagte wäre in diesem Fall zur Löschung der Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten verpflichtet, ohne dass diese Verpflichtung durch ein Gericht gesondert ausgesprochen werden müsste (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
58B. Die Klage ist indes unbegründet.
59Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung beruhen auf § 139a Abs. 1 und 2 sowie § 139b Abs. 3 AO. Diese Vorschriften sind verfassungsgemäß.
60I. Dabei besteht insbesondere keine Verletzung des durch Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
611. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere der des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, tangiert. In diesen Schutzbereich wird auch eingegriffen.
622. Jedoch ist dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
63a. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist grundsätzlich einschränkbar. Dies ergibt sich zwar nicht aufgrund eines Gesetzesvorbehaltes in Art. 2 Abs. 1 GG. Bei Fehlen eines Gesetzesvorbehalts ist der Grundrechtsschutz jedoch durch Verfassungsgüter und Grundrechte Dritter als so genannte verfassungsimmanente Schranken eingeschränkt (BVerfG-Urteil vom 15. Dezember 1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, Rn. 150).
64b. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und aus dem Bestimmtheitsgebot als sog. „Schranken-Schranken“ materiell-rechtlich gerechtfertigt. Zwar hatte das Finanzgericht Köln im Jahre 2010 noch erhebliche Zweifel daran, dass der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Diese Zweifel bestehen jedoch zwischenzeitlich für das erkennende Gericht insbesondere im Hinblick auf das Urteil des BFH vom 18. Januar 2012 (II R 49/10, BFHE 235/151, BStBl II 2012, 168), das es sich zu eigen macht, nicht mehr.
(1) Mit der Zuteilung der Steueridentifikationsnummer wird das Ziel verfolgt, auf effektive Weise sowohl hinsichtlich der Festsetzung als auch der Erhebung von Steuern für Belastungsgleichheit zu sorgen (vgl. Bericht des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/1945, Seite 15 f.). Hierbei handelt es sich um ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung, das durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) grundrechtlich gewährleistet wird. Der Gesetzgeber muss daher das materielle Steuergesetz in ein verfahrensrechtliches Umfeld einbetten, das grundsätzlich geeignet ist, die tatsächliche Leistungsgleichheit der Steuerpflichtigen zu gewährleisten (vgl. das Zinsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Bei der Erleichterung des Steuerverfahrens, der vollständigen Erfassung der Steuerquellen und der Sicherstellung der gesetzmäßigen, d.h. insbesondere gleichmäßigen Besteuerung handelt es sich um öffentliche Interessen, die im Rechtsstaatsprinzip und Gleichbehandlungsgebot verankert sind und deshalb einen Rang haben, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgeht (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239). Diesen Zielen dient die Identifikationsnummer unter Beachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf vielfältige Art und Weise (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Abschnitt 3c der Entscheidungsgründe, mit näheren Einzelheiten hierzu).
66(2) Die Steueridentifikationsnummer ist dazu geeignet und erforderlich, den Vollzug der Steuergesetze besser zu gewährleisten und damit zu einer gleichmäßige(re)n Besteuerung zu führen.
67Verfassungsrechtlich unbedenklich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung nach § 139b Abs. 3 AO bereits dann erfolgen, wenn eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung. Strikt verboten ist lediglich die Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010 1 BvR 256/08 u.a., BVerfGE 125, 260, 317). Ein solcher Fall ist bei §§ 139a und 139b AO nicht gegeben (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Diese Vorschriften bestimmen nämlich den Zweck der Datenspeicherung klar und deutlich und schränken die Verwendung und Weitergabe der gespeicherten Daten entsprechend ein.
68Dabei ist auch von Bedeutung, dass eine zeitnahe Auswertung steuererheblicher Informationen wie etwa von Rentenbezugsmitteilungen (§ 22a EStG) nur dann möglich ist, wenn diese ohne größeren Ermittlungsaufwand auch noch nicht oder seit längerer Zeit nicht mehr steuerlich erfassten Personen sicher zugeordnet werden können (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Es mit einem nicht hinnehmbaren Verwaltungsaufwand verbunden, wenn die Identifikationsnummer erst zugeteilt werden könnte, wenn der Steuerpflichtige eine Steuer schulden würde. Dies müsste nämlich für jeden Steuerpflichtigen erst konkret ermittelt werden.
69Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der ohne konkreten Anlass erfolgenden Datenspeicherung spricht auch, dass die gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten anders als über einen längeren Zeitraum gespeicherte Telekommunikationsverkehrsdaten keine Einblicke in das soziale Umfeld, gesellschaftliche oder politische Zugehörigkeiten, individuelle Aktivitäten sowie persönliche Vorlieben, Neigungen und Schwächen zulassen und auch nicht die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile ermöglichen (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168) Die Schwere der Grundrechtseingriffe steht danach bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe.
70(3) Schließlich sind die streitigen Regelungen der Steueridentifikationsnummer auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
71(a) Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt unter entsprechender Abwägung voraus, dass das Allgemeinwohlinteresse an einer gleichmäßigen Besteuerung bzw. die Verpflichtung des Staates zum gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze im Interesse des Allgemeinwohls das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Dieses Erfordernis ist erfüllt.
72(b) Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch §§ 139a und 139b AO sind gegenüber den Interessen des Gemeinwohls, denen die gesetzlich vorgesehene Anwendung der Identifikationsnummer dient, nicht von ausschlaggebendem Gewicht. Ihre Bedeutung und Tragweite sind sowohl in ihrem materiellen Gehalt als auch aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen klaren Regelungen über die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer und der gespeicherten Daten relativ gering (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
73(aa) Die Identifikationsnummer stellt als solche lediglich ein behördliches Ordnungsmerkmal dar, das gemäß § 139a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO aus einer Ziffernfolge besteht, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf und daher keinen Rückschluss auf dessen Person zulässt.
74(bb) Die Zwecke, zu denen die Finanzbehörden sowie andere öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen die Identifikationsnummer erheben und verwenden dürfen, sind in § 139b Abs. 2 AO klar und deutlich sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend restriktiv geregelt (s. hierzu im Einzelnen BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). § 139b Abs. 2 Satz 1 AO schränkt dabei die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer durch die Finanzbehörden in mehrfacher Hinsicht ein (s. hierzu im Einzelnen BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, aber aus dessen Sinn und Zweck (insbesondere Sicherstellung der steuerlichen Lastengleichheit und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens sowie aus der in § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG geregelten Zweckbindung ersichtlich ist u.a. auch, dass die gesetzlichen Aufgaben steuerlicher Art sein müssen. Für andere Zwecke darf die Identifikationsnummer demnach grundsätzlich nicht verwendet werden (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
75Die Finanzbehörden dürfen zudem die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben „erforderlich“ ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist ein elementarer Bestandteil des Datenschutzrechts, der verhindert, dass Daten willkürlich zusammengetragen werden. Die Frage der Erforderlichkeit beurteilt sich danach, ob und inwieweit die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer notwendig ist, um die Aufgabe rechtmäßig, vollständig und in angemessener Zeit erfüllen zu können. Sind die Voraussetzungen des § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO nicht erfüllt, dürfen die Finanzbehörden die Identifikationsnummer nach § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AO erheben und verwenden, soweit eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Diese Regelung folgt dem allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatz, dass Ausnahmen vom Zweckbindungsprinzip aufgrund einer Rechtsvorschrift zulässig sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Unter den Begriff „Rechtsvorschrift“ fallen Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, nicht aber Verwaltungsvorschriften, Richtlinien oder Erlasse. Die Verwendung der Identifikationsnummer muss in der Rechtsvorschrift ausdrücklich, also eindeutig und unmissverständlich erlaubt oder angeordnet werden. Die Rechtsvorschrift muss zudem ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
76Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen nach § 139b Abs. 2 Satz 2 AO die Identifikationsnummer nur unter bestimmten Voraussetzungen erheben oder verwenden. Der Begriff der öffentlichen Stellen ist in § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG definiert, der der nicht öffentlichen Stellen in § 2 Abs. 4 BDSG. Die in § 139b Abs. 2 Satz 2 AO bestimmten Voraussetzungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer einschließlich des Grundsatzes der Erforderlichkeit sind strikt zu beachten und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Rechtsvorschriften i.S. des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO, die die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer erlauben oder anordnen, müssen dies ausdrücklich tun und ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
77(cc) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch die in § 139b Abs. 3 AO vorgeschriebene Speicherung von Daten zu natürlichen Personen durch den Beklagten.
78Der Beklagte speichert zu natürlichen Personen die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten, nämlich Identifikationsnummer, Wirtschafts-Identifikationsnummern, Familienname, frühere Namen, Vornamen, Doktorgrad, Tag und Ort der Geburt, Geschlecht, gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift, zuständige Finanzbehörden, Übermittlungssperren nach dem Melderechtsrahmengesetz (MRRG) und den Meldegesetzen der Länder, Sterbetag. Diese Daten dienen abgesehen von der Angabe der zuständigen Finanzbehörden (§ 139b Abs. 3 Nr. 11 AO) und der Übermittlungssperren nach dem MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) der eindeutigen Identifizierung der aufgrund der Steuerpflicht erfassten natürlichen Personen und weisen für sich genommen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz auf. Sie stellen kein Persönlichkeitsprofil des Steuerpflichtigen dar, bilden seine Persönlichkeit auch nicht teilweise ab und lassen keine Einblicke in oder Rückschlüsse auf Art und Intensität von Beziehungen, Kommunikationsverhalten und Kommunikationsinhalt, soziales Umfeld, persönliche Angelegenheiten, Interessen, Neigungen und Gewohnheiten sowie Einkommens und Vermögensverhältnisse zu. Die Speicherung der Daten beeinträchtigt nicht die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, und ist auch nicht geeignet, ihn einzuschüchtern oder an der Ausübung von Grundrechten zu hindern (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168). Die Speicherung von Übermittlungssperren nach § 18 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 5 und 7 MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) dient dem Interesse der betroffenen Steuerpflichtigen.
79Die vom Beklagten zu speichernden Daten werden zudem nicht heimlich erhoben. Der Beklagte hat vielmehr den Steuerpflichtigen nach § 139a Abs. 1 Satz 4 AO und § 6 Abs. 1 StIdV unverzüglich über die ihm zugeteilte Identifikationsnummer und die übrigen beim BZSt zu seiner Person gespeicherten Daten zu unterrichten. Der Steuerpflichtige wird somit in die Lage versetzt, etwaige fehlerhaft erfasste Daten berichtigen zu lassen. Das BZSt hat dem Steuerpflichtigen darüber hinaus gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BDSG auf Antrag Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, und die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
80Der Beklagte darf über die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten hinaus weitere Daten zu der Identifikationsnummer nur speichern, soweit dies Bundesrecht zulässt oder anordnet, wie etwa § 39e Abs. 2 EStG hinsichtlich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Eine entsprechende Rechtsvorschrift muss ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.
81Soweit die Klägerin eine Gefahr darin sieht, dass in Zukunft die Barrieren gegen die Zweckentfremdung der Steueridentifikationsnummer beiseite geräumt und die Steueridentifikationsnummer als Erschließungsinstrument für eine Vielzahl anderer Datensammlungen eingesetzt werde, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich hierbei um Erwägungen handelt, die erst im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung der jeweiligen Regelungen zum Tragen kommen könnten, die den Umfang der unter der Steueridentifikationsnummer zu speichernden Daten erweitern.
82bb. Soweit die Klägerin die Verfassungswidrigkeit des § 139b AO auf dessen vermeintliche Unbestimmtheit stützt, vermag dies das Gericht nicht zu überzeugen.
(2) Diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber entsprochen, indem er die gespeicherten Daten in § 139b Abs. 4 AO einer klaren Zweckbestimmung zugewiesen hat. Im Ergebnis dient die Datenspeicherung danach der eindeutigen Identifikation des Steuerpflichtigen in Besteuerungsverfahren.
84(3) Soweit in § 139b AO unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, ist dies unschädlich. Denn dadurch wird nicht das Gebot der Normklarheit verletzt. Dieser Grundsatz fordert zwar, dass die von einer gesetzlichen Regelung Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten vermögen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1977, 1 BvR 799/76, BVerfGE 45, 400 Rn. 81). Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift nimmt ihr jedoch noch nicht die Bestimmtheit, die das Rechtsstaatsprinzip von einem Gesetz fordert (BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1977, 1 BvR 799/76, a.a.O., Rn. 81). Im Streitfall ist eine hinreichend deutliche Umschreibung dieser Begriffe im Wege der Auslegung möglich. Z.T. handelt es sich auch um Begriffe, die wie die „anderen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen“ in Abs. 2 Satz 2 dem Bundesdatenschutzgesetz entnommen wurden (s. § 2 BDSG).
85II. Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Würde des Menschen.
861. Die Würde des Menschen ist der oberste Wert im grundrechtlichen Wertsystem und gehört zu den tragenden Konstitutionsprinzipien. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Alle staatliche Gewalt hat sie zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG). Dem Menschen kommt in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Auch insoweit ist indes die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums zu beachten, wobei allerdings die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleiben muss (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168; BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1979 – 1 BvR 241/77, BVerfGE 50, 166, 175 m.w.N.).
872. Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt nach diesen Grundsätzen nicht die Würde der Steuerpflichtigen. Sie beruht auf der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Steuerpflichtigen, die nicht zum bloßen Objekt des Staates gemacht werden. Die Subjektqualität der Steuerpflichtigen wird nicht in Frage gestellt, die Eigenständigkeit ihrer Person bleibt gewahrt. Die Verwendung des Namens der Steuerpflichtigen sowohl im steuerlichen Bereich als auch auf allen anderen Gebieten bleibt unberührt. Insbesondere werden Steuerbescheide nach wie vor unter dem Namen der Steuerpflichtigen bekannt gegeben (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
88III. Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt auch im Übrigen keine verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten, insbesondere nicht die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung, die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168; zum Schutzbereich dieser Grundrechte vgl. BVerfG-Entscheidung vom 12. Mai 2009 – 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148, 177).
89Sie berührt weder die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, noch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten und sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen und zu organisieren (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
91V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.