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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Klage wird abgewiesen.
2Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3Tatbestand
4Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides für Kapitalertragsteuer wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung aus dem Jahre 2005.
5Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu 100% von der A ...Holding Ltd. (Ltd.) mit Sitz auf den B Islands gehalten werden. Die Ltd. hält zugleich 100% der Anteile an der C GmbH (GmbH).
6Mit Wirkung zum 1. Februar 2005 schloss die Klägerin mit der GmbH einen Pachtvertrag über die Überlassung eines Hotelgebäudes. Hierfür sollte eine Miete in Höhe von 25.000 € monatlich sowie eine Kaution in einer Höhe von 50.000 € gezahlt werden.
7Der Beklagte führte bei der Klägerin für die Jahre 2003 bis 2005 eine Betriebsprüfung durch. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 6. April 2009 wird Bezug genommen. Unter der Textziffer 2.3 stellte der Prüfer fest, dass weder die Kaution noch die Monatsmieten tatsächlich an die Klägerin gezahlt worden seien. Eine bilanzielle Erfassung von Mietforderungen erfolgte ebenfalls nicht. Da die Gesellschaften als nahe stehende Personen anzusehen seien, sei von einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Ltd. durch eine verhinderte Vermögensmehrung in einer Gesamthöhe von 275.000 € auszugehen. Ein wirksamer Mietverzicht sei nicht erklärt worden. Insoweit ermangele es an einer Fremdüblichkeit. Die vGA sei der Ltd. als beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Holdinggesellschaft als inländischer Ertrag zuzurechnen. Er löse damit Kapitalertragsteuer als Abgeltungsteuer aus. Da die Holding im Inland keine Betriebsstätte unterhalte, sei § 50 Abs. 5 S. 2 EStG aF nicht anzuwenden. Die Kapitalertragsteuer sei daher im Wege eines Haftungsbescheides gegen die Klägerin festzusetzen.
8Am 13. Juli 2009 erließ der Beklagte einen entsprechenden Haftungsbescheid gegenüber der Klägerin.
9Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 24. Juli 2009. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, dass die Ltd. in Deutschland sehr wohl eine Betriebsstätte unterhielte, da sie zwei Beteiligungen in Deutschland halte. Im Übrigen verstoße die Besteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit, da Dividenden für Einkünfte im Inland nach § 8b KStG von der Besteuerung freigestellt würden. Eine Rechtfertigung für eine abweichende Behandlung der Klägerin sei nicht zu erkennen.
10Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung wies er daraufhin, dass hinsichtlich der Ltd. nicht von einer Betriebsstätte im Inland auszugehen sei. Unerheblich sei, ob diese Gesellschaft ausschließlich Beteiligungen im Inland hielte. Einkünfte aus verdeckter Gewinnausschüttung unterlägen gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG dem Kapitalertragsteuerabzug. Hierfür hafte die Klägerin. Ein europarechtlicher Verstoß sei nicht erkennbar. Auf die Muttergesellschaft würden die Regelungen zur Niederlassungsfreiheit keine Anwendung finden.
11Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 8. September 2010.
12Zur Begründung weist sie darauf hin, dass bereits nicht davon auszugehen sei, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. So habe die Schwestergesellschaft keine ausreichenden Erlöse erzielt, um die Pachtforderungen bedienen zu können. Weiterhin fehle es hier an einem schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin, welches gemäß § 44 Abs. 5 EStG Voraussetzung für den Erlass eines Haftungsbescheides sei. Da eine verdeckte Gewinnausschüttung lediglich eine Fiktion darstelle, welche zu einer Zuwendung an die Muttergesellschaft führe, sei fraglich, ob hieraus überhaupt ein Haftungstatbestand folgen könne. Darüberhinaus sei fraglich, ob der Geschäftsführer nicht auf die Anwendbarkeit des internationalen Schachtelprivilegs habe vertrauen dürfen. Im Übrigen verstoße die Inanspruchnahme gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
13Die Klägerin beantragt,
14den Haftungsbescheid vom 13. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist unbegründet.
20Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 FGO.
21Die fehlende bilanzielle Berücksichtigung der Mietforderungen gegen die Schwestergesellschaft stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, für welche die Klägerin Kapitalertragsteuer hätte einbehalten müssen.
221. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 3. Mai 2006 I R 124/04, BFHE 214, 80). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (BFH vom 7. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BFHE 223, 131, BStBl II 2011, 62).
23Soweit eine Kapitalgesellschaft auf die Durchsetzung von Forderungen gegen eine Schwestergesellschaft verzichtet, um bei dieser eine bilanzielle Überschuldung zu verhindern, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass die Ursache des Verzichts im Wesentlichen im Interesse des gemeinsamen Gesellschafters am Fortbestand der Schwestergesellschaft liegt (BFH vom 20. August 2008 I R 19/07, BFHE 222, 494, BStBl II 2011, 60).
24So liegt es im vorliegenden Fall. Nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten verzichtete die Klägerin auf die Durchsetzung ihrer Mietansprüche aus Rücksicht gegenüber der finanziellen Situation der Schwestergesellschaft. Nach Auffassung des Senats handelt es sich insoweit um eine verhinderte Vermögensmehrung, welche ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Damit liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung an die ausländische Muttergesellschaft vor. Abgesehen davon wurde im Verfahren lediglich behauptet, dass die Schwestergesellschaft durch die Geltendmachung von Mietforderungen finanziell überfordert worden wäre. Ein Nachweis diesbezüglich wurde nicht erbracht.
252. Gemäß § 44 Abs. 5 EStG haften die Schuldner der Kapitalerträge für Kapitalertragsteuer, es sei denn, sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grobfahrlässig verletzt haben. Schuldner der Kapitalertragsteuer im Hinblick auf Gewinnanteile ist gemäß § 44 Abs. 1 EStG der Gläubiger der Kapitalerträge. Die Pflicht zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer erstreckt sich auch auf verdeckte Gewinnausschüttungen (Erle/Sauter, § 44 EStG, Rz. 38 m. w. N.). Im Hinblick auf die Pflicht, Kapitalertragsteuer einzubehalten, ist § 8b KStG nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 1 S. 3 EStG.
26Nach Auffassung des Senates war der Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet, Kapitalertragsteuer einzubehalten. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er im Interesse der Klägerin die Mietforderungen hätte geltend machen müssen. Dass er dies unterlassen hat, hat – wie dargestellt – ausschließlich gesellschaftsrechtliche Gründe, da dies wegen der finanziellen Situation der Schwestergesellschaft geschehen sein soll. Es ist jetzt nicht vornehmliche Aufgabe eines Geschäftsführers, die finanziellen Belange einer Schwestergesellschaft zu berücksichtigen. Vielmehr ist er verpflichtet, die vermögensrechtlichen Ansprüche der von ihm vertretenen Gesellschaft durchzusetzen. Dies erlangt in diesem Fall eine besondere Bedeutung, da die gemeinsame Muttergesellschaft offenbar durchaus in der Lage gewesen wäre, den behaupteten finanziellen Engpass der Schwestergesellschaft zu beheben.
27Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin die Kapitalertragssteuer für die verdeckte Gewinnausschüttung einbehalten müssen. Die Klägerin konnte insoweit nicht nachweisen, dass der Geschäftsführer seine Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Vielmehr handelte er gerade bewusst im Interesse der Schwestergesellschaft.
283. Der Beklagte ging auch zu Recht davon aus, dass die Muttergesellschaft eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft ohne Betrieb im Inland war.
29Gemäß § 50 Abs. 5 S. 1 EStG a.F. gilt die Besteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen mit dem Steuerabzug vom Kapitalertrag als abgegolten. Eine Ausnahme gilt jedoch nach § 50 Abs. 5 S. 2 EStG a.F., wenn Einkünfte eines inländischen Betriebes gegeben sind. Von einem inländischen Betrieb in diesem Sinne ist auszugehen, wenn eine inländische Betriebsstätte vorliegt (Frotscher in Frotscher, § 50 EStG, Rz. 111). Gemäß § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Hieraus und aus der im Gesetz folgenden beispielhaften Aufzählung von Betriebsstätten schließt der Senat, dass insoweit im Inland sachliche Mittel existieren müssen, die unternehmerisch nutzbar sein müssen.
30Die Muttergesellschaft der Klägerin unterhielt danach keinen inländischen Betrieb. Dieser kann auch nicht vor dem Hintergrund angenommen werden, dass sie zwei Beteiligungen in Deutschland hielt, da es hier bereits an einer im Inland belegenen Einrichtung fehlt.
31Der im Haftungsbescheid angesetzte Steuersatz sowie die Bemessungsgrundlage begegnen insoweit keinen Bedenken. Diese Werte sind auch nicht angegriffen worden.
324. Ein Verstoß gegen Unionsrecht kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, da gemäß § 43b Abs. 1 EStG ein Antrag gestellt werden konnte, dass Kapitalertragssteuer nicht erhoben wird.
33Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, jedoch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.
34Die Niederlassungsfreiheit wird Gesellschaften durch Art. 49 AEUV gewährt. Der Gerichtshof hat aus dem Inhalt dieser Bestimmungen zusammenfassend abgeleitet, dass Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft das Recht zusteht, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (Vgl. u. a. Urteile vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich (270/83, Slg. 1986, 273, Randnr. 18), vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN (C‑307/97, Slg. 1999, I‑6161, Randnr. 35), vom 25. Februar 2010, X Holding (C‑337/08, Slg. 2010, I‑1215, Randnr. 17).
35Auf die Muttergesellschaft der Klägerin findet der vierte Teil des AEUV Anwendung. Anders als vom Beklagten behauptet, ergibt sich dies aus Art 355 Abs. 2 AEUV iVm mit der Anlage II zum AEUV (früher Art. 299 Abs. 3 EUV).
36Grundsätzlich wäre eine Gewinnausschüttung von einer Kapitalgesellschaft an eine andere Kapitalgesellschaft im Inland gemäß § 8b Abs.1 KStG steuerfrei. Der Umstand, dass in Bezug auf die ausländische Muttergesellschaft Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, führt nicht zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Denn der Gesetzgeber hat in § 43 Abs. 1 S. 1 EStG die Möglichkeit vorgesehen, dass bezüglich Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat auf Antrag die Kapitalertragsteuer ebenfalls nicht erhoben wird (vgl. auch Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, § 8b KStG, Rz. 52). Gemäß § 50d Abs. 1 S. 7 EStG beträgt die Frist für den Antrag vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge bezogen worden sind.
37Ein solcher Antrag hätte – da eine vGA aus dem 2005 in Rede stand – bis zum Ablauf des Jahre 2009 gestellt werden können. Da der Haftungsbescheid vom 13.07.2009 datiert und fristgerecht mit einem Einspruch angegriffen wurde, hätte für die Klägerin bzw. ihre Muttergesellschaft jedenfalls die Möglichkeit bestanden, einer Belastung mit Kapitalertragsteuer zu entgehen. Dass ein solcher Antrag nicht gestellt wurde kann aus Sicht des Senats aus heutiger Sicht nicht dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder ggf. die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, da die vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten schlicht nicht genutzt wurden.
385. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.