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Unter Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 vom 23. bzw. 27.12.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen jeweils vom 15.11.2006 werden die Einkommensteuern 1999 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe dieses Urteils neu festgesetzt und die Berechnungen dem Beklagten auferlegt.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kosten der Verfahren tragen die Klägerinnen zu 20 % und der Beklagte zu 80 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerinnen abwenden, soweit nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist die Erfassung eines Veräußerungsgewinns gemäß §17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – streitig.
3Die 1985 geborene Klägerin zu 1 erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 18.12.1998 über einen Treuhänder einen Anteil von 7,55 % der B GmbH von Herrn Z2 (bisheriger Treugeber). Der Kaufpreis entsprach dem Nennwert der Anteil an der B GmbH von 7.550 DM (s. notarieller Kaufvertrag des Notars …, Ur-Nr. …., Bl. 49ff. d. FG-Akten).
4Ebenso erwarb die 1988 geborene Klägerin zu 2 am 18.12.1998 einen entsprechenden Anteil an der B GmbH von Herrn Z2 zu einem Kaufpreis von 7.550 DM (s. notarieller Kaufvertrag des Notars …, Ur-Nr. ..., Bl. 49ff. d. FG-Akten).
5Da die Klägerinnen zu diesem Zeitpunkt der Vertragsschlüsse noch minderjährig waren, genehmigte der durch das Amtsgericht E bestellten Ergänzungspfleger die beiden Kaufverträge (Az. ..., Bl. 63, 102ff. d. FG-Akte). Mit Schreiben vom 14.12.1998 teilte dieser dem Amtsgericht E mit, dass ihm Herr Rechtsanwalt G auf seinen Wunsch hin "bereitwillig die Ergebnisvorschau für die B GmbH per 04.12.1998 zur Verfügung gestellt" habe. Aus dieser ergäbe sich, "dass per 04.12.1998 bei einem Stammkapital von DM 100.000 der voraussichtliche Jahresgewinn bei DM 1.100.000 liegen" werde. Dies bedeute, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Verkaufs das Stammkapital wieder voll valutierend aufgefüllt worden sei und ein Jahresergebnis in Höhe von voraussichtlich dem Zehnfachen des Stammkapitals erwirtschaftet werde, so dass aus vormundschaftlicher Sicht keine Bedenken gegen die Übertragung der Anteile bestünden (s. beigezogene Akte des Vormundschaftsgerichts E zu ...).
6Zugleich bevollmächtigten die Klägerinnen mit Genehmigung des Ergänzungspflegers ihren Vater (Z3), alle Rechte aus dem Treuhandvertrag und den Geschäftsanteilen sowie dem Gesellschaftsvertrag geltend zumachen, auszuüben und zu verfügen.
7Die B GmbH hatte ein Stammkapital von 100.000 DM und firmierte bis Mai 1997 als X-GmbH, deren Gesellschafter zunächst Herr H (65 %) und Herr I (35 %) waren. Am 06.05.1997 übertrugen Herr H seine Anteile von 65 % und Herr I einen Anteil von 10 % auf den Zeugen Z1 (Kaufpreis insgesamt 97.500 DM), der damit 75 % der Anteile hielt (notarieller Vertrag des Notars D Ur-Nr. ..., blauer Hefter zur FG-Akte).
8Jeweils 25 % der Anteile (anteilige Kaufpreise je 32.500 DM) hielt der Zeuge Z1 treuhänderisch für den Vater der Klägerinnen, Herrn Z3, und Herrn Z2 (s. notarieller Treuhandvertrag vom 06.05.1997 des Notars … Ur-Nr. ..., blauer Hefter zur FG-Akte). Ebenfalls am 06.05.1997 veräußerte Herr I seinen verbliebenen 25% - Anteil an Herrn H zu einem Kaufpreis von 32.500 DM, der diesen treuhänderisch wiederum für den Veräußerer hielt (Ur-Nr. ... des Notars …). Geschäftsführer der B GmbH wurde zunächst der Zeuge Z1. Der Vater der Klägerinnen und Herr Z2 waren keine Geschäftsführer. Gemäß § 5 Nr. 6 des Gesellschaftsvertrags bedurfte die Geschäftsführung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung, wenn Änderungen des Geschäftsbetriebs oder die Aufnahme eines neuen Geschäftszweiges angestrebt wurden (lit. c.).
9Nach der Umfirmierung erweiterte die B GmbH ihren Unternehmensgegenstand um den Buchhandel und richtete ihr Geschäftsfeld neu aus, was sich auch aus den Unternehmensdaten erkennen lässt. Im ersten Wirtschaftsjahr (1.02.-31.12.1995) erzielte sie Umsätze aus Provisionen in Höhe von 316.356,11 DM und einen Jahresfehlbetrag von 213.234,91 DM. 1996 betrugen die Umsatzerlöse aus Provisionen 452.385,74 DM und der Jahresüberschuss 7.935,32 DM. 1997 erzielte die Gesellschaft insgesamt Umsatzerlöse von 1.756.746,01 DM, wovon 262.038,21 DM aus Provisionen stammten und erstmals ca. 1.490.000 DM aus dem Buchhandel. Der Jahresüberschuss betrug 114.241,65 DM (+ 106 %). 1998 wurde der Gesamtumsatz auf rund 5.434.000 DM (Anteil Buchhandel ~ 5.228.000 DM) und der Jahresüberschuss auf 473.824,31 DM (+ 360 %) gesteigert. 1999 stieg der Umsatz weiter auf 7.028.205 DM jedoch bei rückgängigem Jahresüberschuss von 233.464 DM. Der Warenbestand betrug 1997 595.463 DM, stieg 1998 auf 1.630.221 DM und 1999 auf 4.179.436 DM. Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten entwickelten sich wie folgt: 1997 880.790 DM, 1998 1.339.461 DM und 1999 2.184.127 DM; die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen: 1997 411.168 DM, 1998 677.399 DM und 1999 2.844.844 DM.
10Ende 1997 beschäftigte die B GmbH eine Vollzeit- und drei Teilzeitkräfte und Ende 1998 zwei Vollzeit- und drei Teilzeitkräfte (s. jeweils die Berichte über die Prüfung des Jahresabschlüsse – Bilanzakte der B GmbH beim Klageverfahren ….). Seit 1997 prüfte die M GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (kurz: M) die Jahresabschlüsse der B GmbH ebenso wie die Jahresabschlüsse der N AG. Die Körperschaftsteuererklärung für 1997 wurde am 04.06.1998 mit einem von Herrn Rechtsanwalt G - im Beistand für die Klägerinnen zur mündlichen Verhandlung erschienen - unterschriebenen Anschreiben beim Finanzamt O eingereicht.
11Nach dem eingangs erwähnten Anteilserwerb durch die Klägerinnen hielt der Veräußerer Herr Z2 noch 9,9 % der Anteile an der B GmbH. Auch der Vater der Klägerinnen veräußerte 15,1 % seiner Anteile an der B GmbH ebenfalls mit notariellen Kaufverträgen vom 18.12.1998 zu Kaufpreisen zum Nennwert der Anteile an die Ehefrau seines Mitgesellschafters und dessen minderjährigen Sohn (geb. …), so dass ihm ebenfalls 9,9 % der Anteile verblieben. Auf das anhängige und diesen Verfahren beigezogene Klageverfahren wird hingewiesen (…).
12Etwa ein Jahr nach dem Erwerb der Anteile veräußerten die Klägerinnen jeweils ihre Anteile an der B GmbH mit notariellem Kaufvertrag vom 27.12.1999 an die N AG. Mitgesellschafter der N AG waren zu jeweils 10,55 % Herr Z2 und der Vater der Klägerinnen, die ursprünglich die N AG in den …er Jahren gegründet, in den Jahren … jedoch rund 75 % der Anteile an Dritte veräußert hatten. Sowohl der Vater der Klägerinnen als auch Herr Z2 waren laut Handelsregister weiterhin im Vorstand der N AG. Ebenfalls im Vorstand der N AG war im streitgegenständlichen Zeitraum Herr Rechtsanwalt G. Der Kaufpreis der Anteile betrug jeweils 1.057.000 DM zuzüglich in 2000 gezahlter Nettodividende für 1999 von 29.125 DM (insgesamt 1.086.125 DM für 7,55 %; 14.000.000 DM für 100 %).
13Zum Zwecke der Anteilsveräußerung und im Auftrag der B GmbH erstellte die M mit Datum vom 20.09.1999 ein Gutachten über den Unternehmenswert der B GmbH auf den 31.12.1998 (s. Rb-Akten des Beklagten). Dieses ermittelte auf der Grundlage der Jahresergebnisse 1997 und 1998 sowie der Unternehmenswerte bis August 1999 einen Unternehmenswert von 19.800.000 DM. Die bereinigten Jahresergebnisse – d.h. nach Gewerbesteuer – legte es 1997 mit TDM 108, 1998 mit TDM 675 und 1999 mit hochgerechneten TDM 912 der Berechnung zu Grunde. Auf die Vergangenheitswerte vor 1998 könne nur im eingeschränkten Umfang zugegriffen werden, so die Gutachter, da das Umsatzvolumen im Zuge der in 1998 begonnenen Neuausrichtung der Gesellschaft deutlich gestiegen sei (S. 8 des Gutachtens). Entsprechendes gelte für die gegenüber dem Vorjahr 1997 z.T. deutlich veränderte Kostenstruktur. Für die Folgejahre 1999 bis 2002 prognostizierte das Gutachten deutlich gesteigerte Ergebnisse (s. S. 10 des Gutachtens). Den Kapitalisierungszinsfuß ermittelte es mit 12 % (S. 11 des Gutachtens).
14Die Umsätze der B GmbH stellen sich nach den Zahlen der Umsatzsteuervoranmeldungen für 1999 wie folgt dar (Bl. 307 d. FG-Akte 15 K 4664/06):
15Umsätze zu 7 % I. Quartal 1999: 1.396.216 DM
16Umsätze zu 7 % 04-12/1999: 5.021.922 DM
17Gesamtumsatz zu 7%: 6.418.138 DM
18In ihren Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr erklärten die Klägerinnen jeweils Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Beklagte entsprechend antragsgemäß mit Bescheiden jeweils vom 22.12.2000 veranlagte. Dabei hatte der zuständige Sachbearbeiter für die Einkommensteuern aufgrund fehlender Mitteilung keine Kenntnis von den zuvor geschilderten Veräußerungsvorgängen, die lediglich dem Sachbearbeiter der Körperschaftsteuerstelle der B GmbH seit dem 03.07.2000 vorlagen (s. Schriftsatz des Beklagten vom 06.05.2009, Bl. 226 d. FG-Akte). Erst nach einer verwaltungsinternen Kontrollmitteilung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung vom 07.05.2004 erließ der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – geänderte Einkommensteuerbescheide, für die Klägerin zu 1 am 23.12.2004 und die Klägerin zu 2 am 27.12.2004. Darin setzte der Beklagte jeweils einen Veräußerungsgewinn aus § 17 EStG in Höhe von 1.076.378 DM an, da es sich seiner Auffassung nach bei dem Anteilserwerb am 18.12.1998 um ein teilentgeltliches Veräußerungsgeschäft gehandelt habe. Der Unternehmenswert habe zu diesem Zeitpunkt deutlich über dem Nennwert der Anteile gelegen, da das Gutachten der M auf den 31.12.1998 einen Unternehmenswert in Höhe von 19.800.000 DM ausgewiesen hätte. Soweit ein unentgeltlicher Erwerb vorliege, sei eine wesentliche Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG der im Streitjahr geltenden Fassung anzunehmen, da der Rechtsvorgänger, Herr Z2, innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich, nämlich mit 25 %,an der B GmbH beteiligt gewesen sei. Hinsichtlich der Berechnung des Veräußerungsgewinns wird auf die Darstellung in den Einspruchsentscheidungen (dort S. 3) Bezug genommen.
19Im Rahmen der gegen die Änderungsbescheide geführten Einspruchsverfahren vertraten die Klägerinnen die Ansicht, dass das Unternehmensergebnis 1998 nicht in die Bestimmung des gemeinen Wertes hätte einbezogen werden dürfen, da insbesondere der Jahresabschluss für 1998 erst im Juli 1999 testiert worden sei. Ende 1998 sei der Verlag R übernommen worden, dessen Lagerbestände u.a. Ende des Jahres abverkauft worden seien. Daraus resultiere ein außergewöhnliches Geschäftsergebnis in 1998 bis zu 560.000 DM. Zudem hätten Vertragsverhandlungen mit der N AG erst im September bis Dezember 1999 stattgefunden und seien Ende 1998 noch nicht absehbar gewesen. Insoweit werde auf das Schreiben vom 07.12.2004 Bezug genommen (blauer Hefter zur FG-Akte). Gegenüber dem Ergänzungspfleger hätte vielmehr nachgewiesen werden müssen, dass die Geschäftsanteile an der B GmbH tatsächlich in Höhe des Kaufpreises werthaltig gewesen seien. Auch sei der Veräußerer nicht mit den Klägerinnen verwandt oder verschwägert. Ein höherer Kaufpreis als der Nennwert der Anteile sei auf der Grundlage der Verluste in der Vergangenheit nicht möglich gewesen, da nicht absehbar gewesen sei, dass das Geschäft "quasi explodieren" würde. Steuerlich dürfe auf zukünftige Ertragswerte nicht abgestellt werden. Nach dem Stuttgarter Verfahren seien daher die Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre maßgebend. Betrachte man den Jahresabschluss auf den 31.12.1997, sei festzustellen, dass das Eigenkapitel fast nahezu aufgezehrt gewesen sei. Der Verkauf der Anteile Ende 1998 sei ausschließlich durch die bevorstehenden Gesetzesänderungen zu § 17 EStG – Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 10 % - motiviert gewesen. Schließlich fehle es an einem entsprechenden Schenkungswillen des Veräußerers.
20Daraufhin beauftragte der Beklagte den Fachprüfer für Unternehmensbewertung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E mit der Ermittlung eines Unternehmenswertes der B GmbH. Auf der Grundlage der Jahresergebnisse der B GmbH, die das Gutachten der M vom 20.09.1999 bei seiner Bewertung angesetzt hatte, ermittelte der Fachprüfer davon abweichend einen Unternehmenswert von 5.624.000 DM. Dabei setzte er das bereinigte Jahresergebnis von TDM 675 des Jahres 1998 – ebenso auch M Gutachten Seite 8 - bei seiner Berechnung insgesamt an, ohne allerdings gesteigerte Ertragserwartungen für die Folgejahre 1999 bis 2002 anzunehmen (s. Telefonvermerk Bl. 344 d. FG-Akte). Den Kapitalisierungszinsfuß legte er ebenfalls mit 12 % zu Grunde. Die Entgeltlichkeitsquote betrage demnach 1,78 % (100.000/5.624.000); die Unentgeltlichkeitsquote 98,22 %.
21Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 15.11.2006 als teilweise unbegründet zurück. Dem Grunde nach hielt er an seiner Rechtsauffassung fest, legte der Besteuerung allerdings einen verminderten Veräußerungsgewinn von 1.041.496 DM zu Grunde, der sich wie folgte berechnete:
22Veräußerungserlös v. 27.12.1999 1.057.000 DM
23unentgeltlicher Teil 98,22 % 1.038.185,40 DM
24Anschaffungskosten zzgl. NK 18.12.1998
257.550 DM/15.100 x 19.630 = 9.815 DM
26unentgeltlicher Anteil 9.640,29 DM
27= steuerpflichtiger Gewinn § 17 EStG 1.028.545,10 DM
28zzgl. Nettodividende
2950 % von 171.546,25 DM x 7.550/15.100 12.951,74 DM
30zu versteuern 1.041.496,84 DM
31Hiergegen haben die Klägerinnen am 05.12.2006 die vorliegenden Klagen erhoben. Zunächst haben die Klägerinnen ihre Argumentation aus dem Einspruchsverfahren aufrechterhalten und dahingehend vertieft, dass der Ergebnisbeitrag aus dem R-Geschäft bei rund 353.000 DM in 1998 gelegen habe (s. Bl. 196 ff. d. FG-Akten). Sie betonen nochmals, dass jedenfalls subjektiv kein Wert oberhalb des Nennwertes als zutreffender Unternehmenswert übertragen werden sollte. Außerdem lägen die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 173 AO nicht vor.
32Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 07.07.2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BGBl I 2010, 1296) die Vorschrift des § 17 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 für teilweise nichtig, da wegen unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig erklärt hatte, argumentieren die Klägerinnen nunmehr wie folgt: Hilfsweise machen sie sich nunmehr die Argumentation des Beklagten zu Eigen, dass bereits am 18.12.1998 der objektive Unternehmenswert über dem Nennwert der Anteile gelegen habe. Hinsichtlich der Höhe des Wertes werde auf das Gutachten der M Bezug genommen, der von einem Unternehmenswert von 19.800.000 DM zum 31.12.1998 ausgehe. Allein dieses Gutachten spiegele die damals zukünftig erwartete Ertragsentwicklung der B GmbH zum Bewertungsstichpunkt wieder. Hierfür werde zulässigerweise wertaufhellend der bis zum Bewertungstag verwirklichte Informationsstand einbezogen, dessen Wurzeln jedoch bereits in der Zeit vor dem Bewertungsstichtag gelegt worden seien. Die Finanzverwaltung habe in ihrem Gutachten jedoch auf der Grundlage von Vergangenheitswerten fälschlicherweise die subjektive Position der Verfahrensbeteiligten auf den Bewertungsstichtag abbilden wollen, die im Verhältnis zum tatsächlichen Unternehmenswert eine große Diskrepanz aufweise. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 28.01.2011 verwiesen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterlägen Wertsteigerungen vor dem 31.03.1999 jedoch nicht der Besteuerung nach § 17 EStG i.F.d. StEntlG 1999/2000/2002. Daher sei im Streitfall der Veräußerungsgewinn nicht zu erfassen. Gleiches hätte gegolten, wenn der Veräußerer Herr Z2 die Anteile selbst behalten hätte.
33Die Klägerinnen beantragen,
34die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 vom 23. bzw. 27.12.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung jeweils vom 15.11.2006 aufzuheben,
35hilfsweise die Revision zuzulassen.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klagen abzuweisen unter der Maßgabe, dass der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn für jede Klägerin mit 490.850 DM anzusetzen ist.
38Der Beklagte hält weiterhin daran fest, dass bei der Unternehmensbewertung auch die zukünftigen Ertragswerte einbezogen werden dürften. Dies zeige sich bereits daran, dass auch bei der späteren Anteilsveräußerung Ende 1999 dementsprechend der Unternehmenswert ermittelt worden sei. Selbst wenn man den Zukunftsertrag durch das R-Geschäft bereinigen würde, würde sich die Unentgeltlichkeitsquote von 98,22 % nur auf 97 % senken. Zur Berechnung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 24.07.2008 verwiesen (Bl. 189 d. FG-Akte). Eine Bewertung nach den Stuttgarter Verfahren scheide hingegen wegen der positiven Zukunftsprognose, die sich im späteren Veräußerungspreis realisiert habe, aus. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 schlägt der Beklagte, ausgehend vom Unternehmenswert des Fachprüfers zum 18.12.1998 und dem späteren Veräußerungspreis am 27.12.1999, eine Zwölftelung der Wertsteigerung vor, um den Wert zum 31.03.1999 zu schätzen.
39Am 25.11.2010 hat die Berichterstatterin mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerseite weitere verfassungsrechtliche Probleme zu bedenken gegeben hat. Weder die Klägerinnen noch ihr Rechtsvorgänger hätten zu irgendeiner Zeit über der jeweils geltenden Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG von ursprünglich 25 % und später 10 % gelegen. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
40Am 14.02.2011 hat der Senat beschlossen, dass Beweis erhoben werden soll zu den Umständen des Erwerbs von 7,55 % der Anteile der B GmbH durch die Klägerinnen von Herrn Z2 am 18. Dezember 1998 durch Vernehmung der Zeugen Herrn Z1, Herrn Z2 und Herrn Z3.
41Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten, die beigezogenen Finanzgerichts- und Steuerakten des Klageverfahrens …, die beigezogene Akten des Vormundschaftsgerichts E (...), das Protokoll des Erörterungstermins und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe
43Die zulässigen Klagen sind nur teilweise begründet.
44In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Klageverfahren 15 K 4663/06 und 15 K 4664/06 durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 15 K 4663/06 nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO - verbunden.
45Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15.11.2006 sind nur teilweise rechtswidrig und verletzen insoweit die die Klägerinnen in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte ist dem Grunde nach zu Recht von einem teilweise unentgeltlichen Erwerb der Anteile an der B GmbH durch die Klägerinnen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG ausgegangen. Jedoch ergibt sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BGBl I 2010, 1296) der Höhe nach ein erheblich geringerer steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn.
46I. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide durfte der Beklagte gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Die Tatsache der Anteilsveräußerung ist dem zuständigen Einkommensteuerbezirk der Klägerinnen erst nachträglich, also nach der abschließenden Zeichnung der Verfügung für den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid, durch die Kontrollmitteilung der Groß- und Konzernbetriebsprüfung E im Mai 2004 bekannt geworden. Für die Frage, ob etwas nachträglich bekannt geworden ist, kommt es jedoch auf den Kenntnisstand der Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten. Bekannt ist der zuständigen Dienststelle, also der jeweiligen Organisationseinheit in der zuständigen Behörde, der Inhalt der dort geführten Akten inklusive der gehefteten und losen Schriftstücke (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 20.06.1985 I V R 114/82, BStBl II 1985, 492 unter 1.; vom 19.06.1990 VIII R 69/87, BFH/NV 1991, 353). Danach ist die Kenntnis des Sachbearbeiters des Körperschaftsteuerveranlagungsbezirks der B GmbH nicht dem Sachbearbeiter des Einkommensteuerveranlagungsbezirks zuzurechnen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BStBl II 1999, 223 unter 2.a.). Eine etwaige Mitteilung des Körperschaftsteuerveranlagungsbezirks an den Einkommensteuerveranlagungsbezirk ist den vorliegenden Steuerakten nicht zu entnehmen.
47I. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I, 2601, - EStG -) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Dies gilt gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war und der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat.
48§ 17 Abs. 1 Satz 5 EStG verlangt mit dem unentgeltlichen Erwerb einen Rechtsträgerwechsel ohne Gegenleistung und enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf Satz 1 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.07.1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727 II.1.b.aa.). Steuerverhaftet werden durch § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG ausschließlich die unentgeltlich übertragenen Anteile.
49II. Diese Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 EStG sind im Streitfall erfüllt.
501. Die Klägerinnen haben die veräußerten Anteile an der B GmbH innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung, nämlich am 18.12.1998, teilweise unentgeltlich erworben, so dass die unentgeltlich erworbenen Anteile gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 EStG steuerverhaftet sind.
51Nach der Überzeugung des Senats (§ 96 FGO) standen dem Erwerb der Anteile am 18.12.1998 keine gleichwertigen Gegenleistungen gegenüber. Ob eine Veräußerung oder Schenkung vorliegt, richtet sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem erkennbaren Willen der beiden Beteiligten am Übertragungsvorgang (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 04.08.2008 IX B 85/08, n.v.; Urteil vom 05.03.1991 VIII R 163/86, BStBl II 1991, 630).
52Grundsätzlich spricht bei Verträgen zwischen fremden Dritten eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen eines vollentgeltlichen Geschäftes. Anders verhält es sich jedoch bei einer Übertragung zwischen nahen Angehörigen. Dort spricht eine widerlegbare Vermutung für die Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 07.03.1995 VIII R 29/93 BStBl II 1995, 693 unter II.2.b. m.w.N.). Im Streitfall kann der Senat es offen lassen, ob ein Geschäft unter fremden Dritten vorliegt, da die Klägerinnen mit dem Veräußerer nicht verwandt oder verschwägert im Sinne des § 15 AO sind, oder ob es sich wegen der vergleichbaren Interessenlagen durch die "Überkreuz-Veräußerungen" analog um Übertragungen zwischen nahen Angehörigen handelt. Denn beide von der Rechtsprechung entwickelten Vermutungsregelungen sind durch die Beteiligten widerlegt worden.
53Die Vermutung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung unter fremden Dritten ist widerlegt, wenn der Übernehmer auf Grund persönlicher, z.B. familienähnlicher oder vergleichbarer nahestehender Beziehungen zum Übergeber ein besonderes Interesse an der Gestaltung des Kaufpreises des Übergebers hat. Gleiches gilt, wenn der Wert des übergebenen Vermögens nicht dem Kaufpreis entspricht, wobei die Vermutung desto leichter zu widerlegen ist, je größer die Diskrepanz zwischen Kaufpreis und Vermögenswert ausfällt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.06.2007 X R 2/06 BStBl II 2008, 99 unter II.2.a.bb. m.w.N. zur Betriebsübertragung gegen Rentenverpflichtung). Im Streitfall haben am 18.12.1998 jeweils der Vater der Klägerinnen und der Zeuge Z2 15,1 % ihrer Anteile an der B GmbH "überkreuz" an die Kinder bzw. die Ehefrau des anderen Geschäftspartners veräußert, um der drohenden Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG von 25 % auf 10 % rechtzeitig zu begegnen. Damit waren die Interessenlagen auf den Seiten der beiden Veräußerer und der vier Erwerber bei sämtlichen Übertragungsvorgängen gleichgerichtet, was gerade nicht dem Verhältnis unter fremden Dritten entspricht. Die Klägerinnen hatten keinerlei Interesse, den Zeugen Z2 durch offensive Verkaufsverhandlungen ggf. zu schaden, da ihr Vater seinerseits seine Anteile an den Sohn und die Ehefrau des Zeugen Z2 veräußern wollte. Auch wirtschaftlich behielt der Vater der Klägerinnen weiterhin unveränderten Einfluss auf die Geschäfte der B GmbH, da er von den Klägerinnen bevollmächtigt wurde, alle Rechte aus dem Treuhandvertrag und den insgesamt 15,1 %igen Geschäftsanteilen sowie dem Gesellschaftsvertrag geltend zumachen, auszuüben und zu verfügen.
54Ebenso wäre die Vermutung der Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung widerlegt, nähme man Übertragungen wie unter nahen Angehörigen an. Denn die Klägerinnen haben hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie, vertreten durch den Ergänzungspfleger, bei Abschluss der Verträge nach ihren Vorstellungen, subjektiv von der objektiven Gleichwertigkeit der Leistungen ausgegangen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 03.06.1992 X R 14/89, BStBl II 1993, 23; vom 29.01.1992 X R 193/87, BStBl II 1992, 465 unter 3.b. zur Abgrenzung von betrieblicher Veräußerungs- und privater Versorgungsrente). Dies folgt bereits daraus, dass der Jahresabschluss für 1998 am 18.12.1998 noch nicht vorlag.
552. Der erkennende Senat ist jedoch davon überzeugt, dass eine Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung und damit eine Teilentgeltlichkeit anzunehmen ist. Insbesondere ist er davon überzeugt, dass die Beteiligten, jedenfalls der Veräußerer, am Übertragungsstichtag auch subjektiv von der Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ausging. Diese subjektive Ungleichwertigkeit kann, wie alle in der Vorstellung von Menschen sich abspielenden Vorgänge, nur anhand äußerlich erkennbarer Merkmale beurteilt werden. Sie ist daher aus in der Außenwelt erkennbaren –objektiven- Umständen (Indizien und Beweisanzeichen) zu erschließen. Solche sind im Streitfall wie folgt erkennbar:
56a. Zunächst ist festzustellen, dass bereits objektiv eine krasse Diskrepanz zwischen dem Wert der GmbH-Anteile und den Kaufpreisen zum Nennwert der Anteile bestand, denn der Wert ist auf den 18.12.1998 auf 10.500.000 DM zu schätzen.
57Diesen Wert konnte der Senat in eigener Sachkunde ermitteln. § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG – sieht ausdrücklich vor, dass der Wert von nicht börsennotierten Anteilen, der sich nicht aus Verkäufen ableiten lässt, zu schätzen sei. Eine Ableitung des Wertes aus Verkäufen, die weniger als ein Jahr vor dem Übertragungszeitpunkt stattgefunden haben, ist im Streitfall nicht möglich. Verkäufe nach dem Bewertungsstichtag können nur ausnahmsweise in die Betrachtung einbezogen werden, wenn sie in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Stichtag erfolgt sind und die Einigung über den Kaufpreis zum Bewertungsstichtag schon herbeigeführt war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.06.2010 II R 40/08, BStBl II 2010, 843 unter II.2.a.bb.). Jedenfalls an letzterer Voraussetzung fehlt es im Streitfall, da nach eigenem Vortrag der Klägerinnen in die Verkaufsverhandlungen mit der N AG erst im August 1999, also deutlich nach dem Bewertungsstichtag 18.12.1998, eingetreten wurde. Damit kann der erzielte Veräußerungspreis von 14 Mio. DM nicht für eine Bewertung auf den 18.12.1998 herangezogen werden. Für die Schätzung des Wertes der Anteile ist es nicht erforderlich, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da sich die Schätzungsmethode an standardisierten und grundsätzlich auch in der Betriebswirtschaftslehre anerkannten Verfahren zur Wertermittlung von GmbH-Anteilen orientiert (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 26.06.2007 X B 69/06, BFH/NV 2007, 1707 unter 3.). Insbesondere wendet der Senat dem Grunde nach die Schätzungsmethode an, die bereits von der Klägerseite dem Gutachten des M vom 20.09.1999 und auf Beklagtenseite dem Gutachten des Fachprüfers der Groß- und Konzernbetriebsprüfung zu Grunde liegt. Hierbei handelt es sich im Ergebnis um das vereinfachte Ertragswertverfahren, welches ab 2009 in den §§ 200 ff. BewG auch gesetzlich normiert wurde. Den Streit zwischen den Beteiligten über den Ansatz der unterschiedlichen Jahresüberschüsse vermag der Senat in eigener Kompetenz zu entscheiden.
58Nicht anzuwenden ist hingegen das sog. Stuttgarter Verfahren, da dieses im Streitfall offensichtlich zu unrichtigen Ergebnissen führen würde (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.05.2005 VIII B 89/01, BFH/NV 2005, 1777). Da die B GmbH mit dem Eintritt der Gesellschafter Z3, Z2 und Z1 zum 06.05.1997 eine völlige Neuausrichtung hin zum Buchhandel erfahren hat, beinhalten die Vergangenheitswerte für 1995 und 1996 keinerlei Aussagekraft für den Wert eines faktisch "anderen" Unternehmens auf den 18.12.1998. Die neuen Gesellschafter haben die bestehende B-GmbH als rechtlichen Mantel für ein neues Geschäftskonzept genutzt und sich dabei lediglich der Kontakte und des Fachwissens u.a. des Herrn H bedient. Dies haben die Zeugen Z3 und Z1 in ihren Aussagen entsprechend glaubhaft bekundet.
59Nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage der Bewertung. Ausgehend von den Erträgen der Vergangenheit sind – entgegen des Gutachtens des Fachprüfers der Finanzverwaltung - auch Zukunftsentwicklungen bzw. –prognosen mit einzubeziehen, wenn ihre Grundlage bereits am Bewertungsstichtag gelegt worden ist. Die einer jeden Prognose immanente Unsicherheit über Zukunftswerte ist dabei zu berücksichtigen, so dass vorsichtig zu schätzen ist. Allein auf Hoffnungen und Wünsche basierende werttreibende Umstände in der Zukunft, denen am Bewertungsstichtag noch keine konkreten Anhaltspunkte zu Grunde lagen (sog. "Wertblasen"), sind dabei weitestgehend außer Acht zu lassen. Auf dieser Grundlage sind bei der Schätzung als Vergangenheitswerte die Werte der Jahre 1997 und 1998 anzusetzen und wegen der grundlegenden Neustrukturierung der B GmbH, nämlich dem bereits erfolgreich angelaufenen Geschäft mit dem Buchhandel im Bereich des modernen Antiquariats und dem begonnenen Geschäftsmodell zum Erwerb von Verlagsrechten seit dem letzten Quartal 1998, in die Zukunft eine Prognose gemäß den Werten des Jahres 1999 und 2000 des M-Gutachtens vorzunehmen. Letzterer Wert wird konstant für die folgenden Jahre fortgeschrieben, um einer vorsichtigen Zukunftsprognose gerecht zu werden. Denn darüberhinaus gehende Wertprognosen – wie sie im M-Gutachten angenommen wurden – basieren auf keiner konkreten, bereits am 18.12.1998 angelegten Grundlage in der Unternehmensausrichtung. Gerade der konkrete Erfolg durch den Erwerb von Verlagsrechten, der sich nach der Aussage des Zeugen Z1 erst im Laufe des Jahres 1999 durch erste Umsätze konkretisierte, kann nicht in einem derart starken Maß einbezogen werden, wie ihn die Gutachter der M bei ihrer Prognose für die Jahre ab 2001 angesetzt haben. Der Kapitalisierungszins wird – den beiden Gutachten der Beteiligten aus den dort aufgeführten zutreffenden Gründen folgend – mit 12 % angenommen. Daraus folgt:
Jahr | Nachhaltig erzielbarer Ertrag | Barwertfaktor 12 % | Ertragswert TDM |
1997 | 108,0 | 0,8929 | 97 |
1998 | 674,9 | 0,7972 | 538 |
1999 | 911,8 | 0,7118 | 649 |
2000 | 1.557,0 | 0,6355 | 989 |
Normjahr 2001 | 1.557,0 | 5,2958* | 8.246 |
10.519 | |||
gerundet | 10.500 |
* Der Faktor errechnet sich gemäß M-Gutachten aus 100 x 0,6355
6212
63Dieser Wert hält auch einer Schlüssigkeitsprüfung mit dem Ende 1999 erzielten Veräußerungspreis von 14 Mio. DM stand, da dieser nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen entscheidend von dem Streben der Anteilseigner der N AG mitgeprägt war, die B GmbH als Konkurrenten in ihr Unternehmen einzugliedern, um ihrerseits einen späteren Gang an die Börse vorzubereiten.
64b. Auch aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergeben sich weitere objektive Anhaltspunkte, die auf die subjektive Vorstellung jedenfalls des Veräußerers hinsichtlich der Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung am Übertragungsstichtag schließen lassen.
65aa. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass nach der zuvor dargelegten Unternehmensbewertung ein krasses Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Unternehmenswert vorlag. Danach betrug der Kaufpreis lediglich 0,952 % des zuvor ermittelten Unternehmenswertes. Bei einem derart krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung reicht es für den Nachweis der subjektiven Ungleichwertigkeit aus, wenn sich jedenfalls einem der Vertragsbeteiligten anhand konkreter Anzeichen die Vorstellung aufdrängen musste, dass der Wert der von ihm übertragenen Vermögenswerte deutlich über dem als Gegenleistung erhaltenen Kaufpreis liegt. Anders wäre hingegen der Fall zu beurteilen, wenn kein augenfälliges Missverhältnis zwischen dem objektiven Vermögenswert und der Gegenleistung vorliegen würde, die Abweichung aufgrund der Verhandlungen zwischen den Beteiligten etwa im Rahmen der üblichen Bandbreite für die Kaufpreisfindung liegt. In einem solchen Fall dürften die Anforderungen an das subjektive Element nicht überspannt werden.
66bb. Im Streitfall musste es sich dem Veräußerer, dem Zeugen Z2, jedoch aufgedrängt haben, dass der tatsächliche Wert der B-Anteile deutlich über dem Kaufpreis, der dem Nennwert der Anteile entsprach, lag. Ihm musste der Veräußerungspreis zum Nennwert, der mithin unter seinen eigenen Anschaffungskosten aus dem Mai 1997 lag (25 % - Anteil, Nennwert 25.000 DM, zu einem Kaufpreis von 32.500 DM), auffällig niedrig vorgekommen sein.
67aaa. Zwar lagen im Zeitpunkt des Veräußerungsvorgangs am 18.12.1998 weder das endgültige Jahresergebnis für 1998 noch die Umsatzzahlen des Folgejahres vor, jedoch ist mit der Beteiligung der Zeugen Z3, Z2 und Z1 im Mai 1997 mit einer vollständigen Neuausrichtung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs - Vermittlung von Buchbeständen gegen Provision - hin zum Buchhandel im Bereich des modernen Antiquariats begonnen worden, die von allen Beteiligten gewollt und damit bekannt war. Diese seit Mai 1997 erfolgreich begonnene Neuausrichtung, die bereits im ersten Jahr zu einem Gewinn von ca. 114.000 DM geführt hatte, hat sich 1998 weiter verfestigt. Durch das neue Geschäftsfeld konnte im zweiten Geschäftsjahr 1998 sodann ein Gewinn von etwa 474.000 DM – also das Vierfache des Gewinns von 1997 - erwirtschaftet werden bei einem Jahresumsatz von ca. 5,4 Mio DM. Dieses wirtschaftliche Ergebnis war auch schon im Oktober 1998, dem Zeitraum der Frankfurter Buchmesse, abzulesen, da zu diesem Zeitpunkt Buchbestellungen aufgenommen werden konnten, welche noch in 1998 im Wesentlichen zu fakturieren waren. Darüber hinaus wurden jedenfalls monatliche Ergebnisvorschauen erstellt, die die aktuellen Umsatzzahlen, die zu erwartenden Verkäufe und die wesentlichen Kostenpositionen, etwa den Wareneinkauf, auswiesen. Daraus ergab sich jeweils ein grob zu erwartender Jahresgewinn.
68Darüber hinaus war bereits im IV. Quartal 1998 erkennbar, dass mittelfristig nicht nur Buchexemplare, sondern auch die damit verbunden Verlagsrechte erworben werden sollten, um eigene Nachdrucke zu ermöglichen. Nach der Aussage des Zeugen Z1 wurde bereits im letzten Quartal 1998 mit einer dahingehenden Akquise begonnen, die sich Mitte des Jahres 1999 in ersten Umsätzen niederschlug. Der Zeuge Z1 konnte seinem Kalender entnehmen, dass die B GmbH bereits im ersten Halbjahr 1999 mit eigenen Verlagstiteln auf den Markt gekommen war. Eine genauere zeitliche Eingrenzung konnte der Zeuge Z1 allerdings nicht vornehmen. Dieses – wirtschaftlich erfolgversprechende – Ziel, den Erwerb von Verlagstiteln, verfolgten – auch nach eigenen Bekundungen - insbesondere die Zeugen Z2 und Z3 von Beginn ihres Engagements an. Denn beide Zeugen waren seit den …er Jahren gemeinsam in der Verlags- und Buchhandelsbranche erfolgreich tätig und hatten ein gut geschultes Gespür für etwaige Zukunftsmärkte in der Buchbranche.
69bbb. Diese bereits im Oktober 1998 erkennbare, erfreuliche Unternehmensentwicklung für das laufende Geschäftsjahr hat der Zeuge Z1 in seiner Aussage bekundet, der zum damaligen Zeitpunkt einer der beiden, für den Einkauf zuständigen Geschäftsführer der B GmbH war und über den der Kontakt zu den Zeugen Z2 und Z3 zustande kam. Der Zeuge Z1 ist glaubwürdig, da er am Ausgang des Klageverfahrens kein eigenwirtschaftliches Interesse hat. Zudem kannte er den rechtlichen Hintergrund, der zu dem streitgegenständlichen Übertragungsgeschäft am 18.12.1998 geführt hatte nicht, so dass ihm nicht bekannt war, welchem Zweck seine Angaben zur wirtschaftlichen Situation der B GmbH und dem Verhältnis zu den Zeugen Z2 und Z3 dienen sollten. Zur Auffrischung seiner Erinnerung hat der Zeuge zum Termin der Beweisaufnahme seinen persönlichen Kalender mitgebracht und nach eigenem Bekunden in damalige Jahresabschlüsse Einsicht genommen. Aus dem Umstand, dass sich das Verhältnis des Zeugen Z1 zu den Zeugen Z2 und Z3 im Laufe der geschäftlichen Zusammenarbeit zunehmend verschlechtert hatte, vermag die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht zu erschüttern. Vielmehr ist dem Zeugen positiv anzurechnen, dass er – trotz möglicher persönlicher Differenzen zu den beiden anderen Zeugen – weder abwertend noch boshaft über diese berichtet hat. Bei der Vernehmung machte der Zeuge einen unbefangenen Eindruck und beantwortete die an ihn gestellten Fragen individuell ohne Verwendung von sich wiederholenden Worthülsen.
70Die Aussage des Zeugen Z1 ist auch glaubhaft. Dass bereits im Laufe des Jahres 1998 die Umsatzentwicklung bei der B GmbH für den Veräußerer Z2 auch aufgrund der regelmäßigen Ergebnisvorschauen erkennbar war, deckt sich mit den Ausführungen des Ergänzungspflegers der Klägerinnen in seinem Schreiben an das Amtsgericht E vom 14.12.1998, in der er auf eine auf den 04.12.1998 datierende Ergebnisvorschau der B-GmbH, die ein voraussichtliches Jahresergebnis von 1,1 Mio. DM auswies, Bezug nahm. Dem entspricht, dass die Buchhaltung seit dem Beitritt der Zeugen Z1, Z2 und Z3 im Mai 1997 von der N AG erledigt wurde. Diese stellte somit auch unterjährig die Zahlen für die Geschäftsführer der B GmbH zusammen, welche sodann in die Ergebnisvorschauen einflossen. Die Tatsache, dass der im Beistand für die Klägerinnen zur mündlichen Verhandlung erschienene Herr Rechtsanwalt G – wie aus dem Anschreiben an das Finanzamt O für das Körperschaftsteuerveranlagungsjahr 1997 ersichtlich – mit den steuerlichen Angelegenheiten der B GmbH bereits im Laufe des Jahres 1998 betraut gewesen war, untermauert die Ausführungen des Ergänzungspflegers, dass ihm die Ergebnisvorschau auf den 04.12.1998 von Herrn Rechtsanwalt G übermittelt wurde. Zudem arbeitete Herr Rechtsanwalt G zeitweise zugleich mit den Zeugen Z2 und Z3 im Vorstand der N AG zusammen. Aus diesen Gesamtumständen ist für den Senat schlüssig erklärlich, dass vor dem Übertragungsstichtag das laufende Betriebsergebnis der B GmbH den Beteiligten, damit auch dem Veräußerer Z2, bekannt war.
71Ebenso erscheint die Schilderung des Zeugen Z1 überzeugend, dass bereits zur Frankfurter Buchmesse, im Oktober 1998, als dem wichtigsten Ereignis in der Verlags- und Buchhandelsbranche im Kalenderjahr, das bis dahin erwirtschaftete Ergebnis bekannt war, um nach einer Kalkulation entsprechende Geschäfte auf der Messe abschließen zu können.
72ccc. Im Gegensatz zum Zeugen Z1 bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Z2. Diese begründen sich daraus, dass er in seiner Aussage behauptet hat, keinerlei Kenntnisse von den Umsatz- und Ertragszahlen der B GmbH des laufenden Jahres 1998 gehabt zu haben. Zudem hat er häufige Treffen mit den Geschäftsführern der B GmbH, insbesondere im Zusammenhang mit dem R-Geschäft, ausdrücklich bestritten, ebenso wie die rechtzeitige Information seiner Person über das R-Geschäft selbst. Vielmehr soll der Zeuge Z1 das Geschäft eigenmächtig abgeschlossen haben. Diese Aussagen stehen zum einen im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen Z1, der dargelegt hat, dass die Zeugen Z2 und Z3 von den betriebswirtschaftlichen Zwischenständen der B GmbH spätestens parallel zu der Erstellung der Ergebnisvorschauen informiert gewesen seien, so dass es keinerlei gesonderter Information durch die Geschäftsführer bedurfte. Hierzu hätte es bei den zahlreichen Treffen im Gesellschafterkreis in den Räumen der N AG hinreichend Gelegenheit gegeben. Zum anderen widersprechen die Aussagen des Zeugen Z2 auch in weiten Teilen der Aussage seines langjährigen Geschäftspartners, des Zeugen Z3. Dieser erklärte, dass es zu zahlreichen monatlichen Treffen im Gesellschafterkreis in den Räumlichkeiten der N AG gekommen sei. Bei diesen Treffen seien das Tagesgeschäft, wesentliche Geschäftsvorgänge und auch die damit im Zusammenhang stehenden Umsatzzahlen besprochen worden. Er betonte, dass sowohl er, aber verstärkt noch der Zeuge Z2 sehr auf Kostendisziplin bei der B GmbH geachtet hätten, so dass der Zeuge Z2 sogar einmal mit einer Kündigung des Zeugen Z1 gedroht habe. Der Zeuge Z2 habe auch die wesentlichen Kostenpositionen abgefragt, um sich auf diese Weise ein Bild von der aktuellen Ertragslage des Unternehmens zu verschaffen.
73Diese Schilderung des Zeugen Z3 hält der Senat für glaubhaft. Es liegt auf der Hand, dass bei regelmäßigen Treffen im Gesellschafterkreis nicht bloß ganz allgemein über das Geschäft gesprochen worden ist, sondern die Geschäftsvorgänge – insbesondere solche größerer Tragweite – auch anhand von Kosten und Umsatzzahlen besprochen wurden. Diese gilt umso mehr, als dass der Zeuge Z2 für seinen besonderen Fokus auf betriebswirtschaftliche Daten bekannt war. Er selbst hat seine über Jahre gewachsene Aufgabe im Bereich des Controllings, Buchführungswesens und Vertriebs gesehen, was auch durch den Zeugen Z3 bestätigt wurde. Daher erscheint es abwegig, wenn der Zeuge Z2 vorgibt, lediglich auf die Kostenseite, insbesondere die Kreditlinie im Zusammenhang mit den Wareneinkäufen, geschaut zu haben, ohne Interesse an den Umsatzzahlen gehabt zu haben. Sicherlich war im laufenden Jahre 1998 ein beachtenswerter Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und Lieferanten von rund 725.000 DM und eine Erhöhung des Warenbestandes von gut 1.000.000 DM zu verzeichnen gewesen, dem stand jedoch auch eine erfreuliche Umsatzsteigerung von gut 3.677.000 DM gegenüber. Vielmehr hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge Z2 bewusst versucht hat, sich als unwissender, einfacher Gesellschafter der B GmbH im Sinne eines schlichten Kapitalgebers darzustellen, der weder besonderes Interesse an der Geschäftsentwicklung noch an den Umsätzen gezeigt habe. Jedoch kann ein Gespräch über Kostenpositionen, wie etwa die Entwicklung der Kreditlinie, sinnvollerweise nur dann geführt werden, wenn auch die Ertragssituation des Unternehmens beleuchtet wird. Alles andere widerspräche einfachsten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, die bei der beruflichen Qualifikation und langjährigen kaufmännischen Erfahrung des Zeugen Z2 auszuschließen sind. Außerdem hat er stärker als der Zeuge Z3 den Versuch, im Bereich des modernen Antiquariats Fuß zu fassen, nach eigenen Bekundungen betrieben.
74Die deutlichen Widersprüche in den Aussagen der Zeugen Z1 und Z3 zur Aussage des Zeugen Z2 haben dem Senat letztlich das Bild vermittelt, dass der Zeuge Z2 stark interessengeleitet ausgesagt hat. Denn in dem noch anhängigen Parallelverfahren … stellt sich die gleiche Rechtsfrage im Rahmen der Besteuerung seines damals minderjährigen Sohnes. Auffällig war zudem, dass der Zeuge Z2 bei der Befragung ständig wortreich wiederholend, aber in der Sache nahezu floskelartig immer wieder auf die identischen Aussagen zurückgekommen ist.
75ddd. Der Senat hält dagegen den Zeugen Z3 für glaubwürdig und seine Aussage für glaubhaft, da er trotz eigenem, wirtschaftlichem Interesse am Ausgang der Klageverfahren seiner damals minderjährigen Töchter, der Klägerinnen, ein differenziertes Aussagebild abgegeben hat. Zwar weist auch seine Aussage objektiv für den Senat nicht nachvollziehbare Erinnerungslücken im Bezug auf die konkrete Kenntnis von Umsatzzahlen der B GmbH in seiner eigenen Person auf, jedoch räumt er ein, über das Tagesgeschäft, wesentliche Geschäftsvorfälle und das umfangreiche R-Geschäft kontinuierlich informiert gewesen zu sein. Ebenso beschreibt er regelmäßige – etwa monatliche - Treffen im Gesellschafterkreis, was sich aus dem besonderen Interesse der Zeugen Z3 und Z2 am neuen Geschäftsfeld dem modernen Antiquariat erklärt. Jedenfalls wollten die Zeugen Z2 und Z3 ihre Arbeitszeit nicht dauerhaft in einer neuen Gesellschaft binden, zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich geschäftlich gerade durch die Veräußerung von Anteilen an der N AG etwas in den Ruhestand zurückzogen.
76eee. Aus dem Inhalt der Akten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat somit die Überzeugung gewonnen, dass sich im Mai 1997 für die Zeugen Z2 und Z3 die Chance bot, mit einer wirtschaftlichen maroden GmbH, die hohe Verlustvorträge angesammelt hatte, zu einem günstigen Einkaufspreis ein neues Geschäftsfeld im Bereich des modernen Antiquariats – Buchhandel und eigener Nachdruck von Werken - zu erschließen, an dem besonders der Zeuge Z2 Interesse zeigte. In diesem rechtlichen Rahmen - in einer von der N AG separaten Gesellschaft - konnten sie die Wirtschaftlichkeit des neuen Geschäftsfeldes ausprobieren. Dem entsprechend beschrieben beide Zeugen das wirtschaftliche Risiko für sie als überschaubar. Genauso gut hätte dieses Geschäftsfeld direkt im Unternehmen der N AG aufgebaut werden können. Allerdings wäre dieser Ansatz mit einem wesentlichen höheren wirtschaftlichen Risiko im Falle des Scheiterns verbunden gewesen. Hinzu kam, dass bei der N AG gerade ein Wechsel im Gesellschafterkreis stattgefunden hatte, der die Aufnahme eines neuen, nicht erprobten Geschäftsfeldes wesentlich aufwendiger gemacht hätte. Umso mehr hatten die Zeugen Z2 und Z3 die wirtschaftliche Entwicklung der B GmbH von Beginn an genau im Blick, um im Erfolgsfall später eine Eingliederung des Unternehmens in die N AG vollziehen zu können. Hierfür spricht etwa, dass die Buchführung der B GmbH seit dem Eintritt der neuen Gesellschafter bereits von der N AG abgewickelt wurde. Die hier streitgegenständliche Übertragung der Anteile der B GmbH auf die Klägerinnen war lediglich ein dem Wandel des Steuerrechts bedingter Zwischenschritt auf dem von ihnen für den Erfolgsfall erwogenen Weg. Deshalb wurde auch der – von ihren steuerlichen Beratern nahegelegte - Kaufpreis zum Nennwert ohne viele Nachfragen von den Veräußerern akzeptiert, weil ihnen dadurch wirtschaftlich gesehen kein Schaden entstanden ist. Weiterhin blieben nach den "Überkreuz-Verkäufen" 15,1 % der Anteile im Familienbesitz bei den Kindern bzw. der Ehefrau. Das Streben nach einem maximalen Veräußerungserlös stand bei der Übertragung am 18.12.1998 in keiner Weise im Vordergrund. Denn es ging – zulässigerweise – allein darum, ohne wirtschaftlichen Schaden durch eine drohende Verschärfung der Besteuerung die Anteile an der B GmbH "zu retten", um sie ggf. später – so auch eingetreten – möglichst gewinnträchtig zu veräußern. Daraus folgt jedoch, dass weder Veräußerer noch Erwerberinnen, vertreten durch ihren Ergänzungspfleger, wirtschaftlich daran interessiert waren, eine Angemessenheit zwischen Leistung und Gegenleistung auszuhandeln. Die Rolle des Ergänzungspflegers darf in diesem Zusammenhang nicht überschätzt werden, bestand seine rechtliche Aufgabe doch nur darin, sicherzustellen, dass den Klägerinnen kein wirtschaftlicher Schaden drohte. Dass der Nennwert der GmbH-Anteil als absoluter Minimalwert anzuerkennen war, durfte auch aus damaliger Sicht auf der Hand liegen.
77Zusammenfassend steht für den Senat fest, dass der Veräußerer, der Zeuge Z2, eigene Kenntnis von einem deutlichen höheren Unternehmenswert aufgrund seiner vertieften Einblicke in die B GmbH hatte und sich für ihn die Diskrepanz zwischen Unternehmenswert und Veräußerungspreis jedenfalls hätte aufdrängen müssen.
782. Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen, der Zeuge Z2, war innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung der Anteile durch die Klägerinnen wesentlich im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, d.h. zu mindestens 10 v.H. am Kapital der B GmbH, beteiligt.
79a. Die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG wird im Streitfall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Zeuge Z2 zum Zeitpunkt der teilentgeltlichen Anteilsübertragung am 18.12.1998 noch keine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung hielt, d.h. nicht zu mehr als mindestens ein Viertel an der B GmbH beteiligt war. Denn bei der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG handelt es sich nicht um eine Rechtsgrund-, sondern eine Rechtsfolgenverweisung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.07.1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727 II.1.b.aa.). Demnach bestimmt sich die Frage, ob der Rechtsvorgänger des Veräußerers wesentlich beteiligt war, ausschließlich nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Im Rahmen der Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG gelten nach der Auffassung des Senats dieselben Grundsätze, die für die Qualifizierung einer Beteiligung als wesentlich im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblich sind. Bei welcher Anteilshöhe eine wesentliche Beteiligung im Sinne des Satzes 4 der Vorschrift anzunehmen ist, bestimmt sich wiederum nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzeslage (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 17.11.2004 VIII B 129/04, BFH/NV 2005, 540; Urteile des Bundesfinanzhofs vom 01.03.2005 VIII R 92/03, BStBl II 2005, 398 und vom 09.10.2008 IX R 73/06, BStBl II 2009, 140 unter II.2.).
80Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG. Diese schließt eine Besteuerungslücke des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Weise, dass sich aus der Perspektive des zuletzt entgeltlich erwerbenden Rechtsvorgängers die von ihm selbst erfüllten tatbestandlichen Voraussetzungen des Grundtatbestands bei einem Dritten, der die Anteile (teil)unentgeltlich erwirbt, für die Dauer von fünf Jahren fortsetzen (vgl. Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, Kommentar zum EStG, 103. EGL 10/2000, § 17 Rn. B 170 und 172). Hätte der Kläger selbst im Jahr 1999 die am 18.12.1998 den Klägerinnen teilweise unentgeltlich übertragenen Anteile veräußert, wäre diese Veräußerung in seiner Person steuerbar gewesen, weil er im Zeitpunkt der Veräußerung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1999 geltenden und damit maßgeblichen Fassung wesentlich beteiligt gewesen wäre.
81b. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BGBl I 2010, 1296) verstößt § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG allerdings insoweit gegen das Rückwirkungsverbot, als dass die Neuregelung Wertzuwächse vor der Verkündung der Gesetzesänderung am 31.03.1999 erfasst. Hingegen verstößt die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von 25 % auf 10 % selbst nicht gegen das Grundgesetz. Darüber hinaus vermag der Senat keinen weiteren Verfassungsverstoß darin zu erkennen, dass die Anteile zu einem Zeitpunkt unentgeltlich auf die Klägerinnen übergegangen sind, zu dem der Rechtsvorgänger, der Zeuge Z2, an der B GmbH nicht wesentlich im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der in 1998 geltenden Fassung beteiligt war. Denn Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG ist es, Anteile eines wesentlich Beteiligten nicht aus der Steuerverhaftung allein dadurch zu entlassen, dass sie unentgeltlich übertragen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.07.2007 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727 unter II.1.b.cc.). Wie bereits ausgeführt, findet die Bestimmung, was unter "wesentlich" beteiligt zu verstehen ist, nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Veräußerung statt. Diesem Zweck der Norm entspricht es, wenn die am 18.12.1998 teilentgeltlich auf die Klägerinnen übertragenen Anteile nunmehr teilweise steuerverstrickt sind, da sie auch beim Rechtvorgänger nach der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze steuerverstrickt geworden wären, hätte er sie nicht zuvor übertragen (vgl. auch Urteil des Finanzgericht Münster vom 13.11.2009 14 K 2210/06 E, EFG 2010, 646, Rev. IX R 8/10).
823. Die Veräußerungen der Anteile durch die Klägerinnen sind auch in dem Streitjahr zu erfassen, da die von den Klägerinnen veräußerten Anteile an der B GmbH unstreitig bereits in 1999 auf die N AG übergegangen sind.
834. Auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BGBl I 2010, 1296) ist der Teil des Veräußerungsgewinns nicht steuerbar, der auf den Wertzuwachs der Anteile vor dem 31.03.1999 entfällt. Für die Praxis hat das Bundesministerium der Finanzen am 20. Dezember 2010 einen Erlass zur Anwendung des Beschlusses herausgegeben (Az. IV C 6 – S 2244/10/100001). Danach kann aus Vereinfachungsgründen der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses der veräußerten Anteile entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamthaltedauer zeitanteilig linear (monatsweise) ermittelt werden. Hiervon abweichend kann die Finanzverwaltung einen anderen sachgerechten Aufteilungsmaßstab wählen. Zugunsten des Steuerpflichtigen kann auf Antrag ein tatsächlich höherer Wertzuwachs zwischen dem Erwerb der Anteile und der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 z.B. durch Gutachten nachgewiesen und ermittelt werden (dort unter A.II.a.-c.).
84Hilfsweise machen die Klägerinnen nunmehr geltend, dass der Wert der B GmbH bereits am 31.12.1998, also vor dem Tag der Gesetzesverkündung, 19.000.000 DM betragen habe. Als Nachweis verweisen sie auf das zum Zwecke der Anteilsveräußerung erstellte Wertgutachten der M auf den 31.12.1998. Zudem habe sich dieser Wert annähernd beim späteren Verkauf der Anteile im Dezember 1999 realisiert. Der Beklagte bestreitet unter Bezugnahme auf das Gutachten des Fachprüfers der Groß- und Konzernbetriebsprüfung substantiiert die Richtigkeit der Wertermittlung.
85Wie bereits zuvor unter Punkt II.2.a. dargelegt, hat der erkennende Senat den Wert der Anteile an der B GmbH auf den 18.12.1998 mit 10.500.000 DM ermittelt. Der Senat hält es im Streitfall für sachgerecht – abweichend von den Vorgaben des BMF-Schreibens – den Wertzuwachs bis zum 31.03.1999 nach dem Verhältnis der Umsätze bis zum Verkündungstermin zu den Gesamtumsätzen der Haltedauer zu ermitteln. Damit wird der Besonderheit des Streitfalls und dem Vorbringen der Klägerseite Rechnung getragen, dass das Buchhandelsgeschäft der B GmbH etwa wegen der Abhängigkeit vom Weihnachtsgeschäft stark schwankende Umsatzzahlen in den verschiedenen Jahresabschnitten aufweist, so dass eine zeitanteilige lineare Aufteilung im Sinne des BMF-Schreibens nicht angemessen erscheint. Das klägerische Privatgutachten der M auf den 31.12.1998 bildet – entgegen der Ansicht der Klägerinnen – keine Grundlage für eine Ermittlung der Wertsteigerung bis zum 31.03.1999. Wie bereits bei der Wertermittlung auf den 18.12.1998 dargestellt, folgt der Senat nicht den exorbitanten Ertragsprognosen der M für die Jahre ab 2001. Die Tatsache, dass möglicherweise auch schon im I. Quartal 1999 erste Geschäfte aus dem Nachdruck von Werken mit eigenen Verlagsrechten zu verzeichnen waren, wird hinreichend durch einen geschätzten Wertzuwachs zum Unternehmenswert auf den 18.12.1998 berücksichtigt.
86Auf die Zeit bis zum 31.03.1999 entfallen nach den Umsatzsteuervoranmeldungen Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.396.216 DM bei einem Gesamtumsatz von 6.418.138 DM, also 21 %. Der Wertzuwachs bis zum 31.03.1999 wird folglich mit 735.000 DM gemäß nachfolgender Berechnung geschätzt.
87Somit ermittelt sich der anzusetzende steuerpflichtige Veräußerungsgewinn wie folgt:
88Veräußerungserlös v. 27.12.1999 1.057.000 DM
89unentgeltlicher Teil 99,048 % 1.046.937 DM
90./. Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG
9132.500 DM x 7.550/25.000 = 9.815 DM
92unentgeltlicher Anteil 99,048 % 9.764 DM
93= Summe 1.037.173 DM
94+ Nettodividende
9550 % von 171.546,25 DM x 7.550/50.000 12.951 DM
96= Zwischenergebnis 1.050.124 DM
97Wert am 18.12.1998: 10.500.000 DM
98+ Wertzuwachs bis 31.03.1999
99Differenz 10,5 Mio. zu 14 Mio. = 3.500.000 DM
100nach Umsätzen I. Quartal: 21 % v. 3.500.000 DM ~ 735.000 DM
101= Wert am 31.03.1999 11.235.000 DM
102Steuerfrei 80,25 % (= 11.235.000 DM/14.000.000 DM)
103Steuerpflichtig 19,75 % v. 1.050.124 DM = 207.399 DM
104Diese Aufteilung des Gewinns nach § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 EStG in Höhe von 1.050.124 DM berücksichtigt die Haltezeit des Rechtsvorgängers mit und trägt damit der Besonderheit des Besteuerungstatbestandes des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG Rechnung.
105III. Die Berechnung der neu festzusetzenden Steuerbeträge war dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung aufzuerlegen, da die Ermittlung der festzusetzenden Beträge einen nicht unerheblichen Aufwand für das Gericht bedeuten würde.
106IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
107V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
108VI. Die Revision wird nicht zugelassen, da keine Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO gegeben sind. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 ist die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 als verfassungskonform angesehen worden. Dies gilt somit auch für den Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 5 EStG beim Rechtsnachfolger. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt II.2.b. verwiesen.