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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung einer Forderungsabschreibung nach Anfechtung eines Kaufvertrags über den Erwerb von GmbH-Anteilen.
3Die Klägerin ist eine ... GmbH. Am 25.6.2008 schloss sie als Erwerberin mit W. als Verkäufer einen Kauf- und Abtretungsvertrag (Urkunden-Nr. N01 des Notars Dr. L. N.) über den Erwerb von 75% der Anteile an der S. W. GmbH (nachfolgend: S-GmbH) zu einem Kaufpreis von 200.000 EUR. Bisheriger Alleingesellschafter und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiter Geschäftsführer der S-GmbH war W.. Dieser verpflichtete sich ausweislich des Kaufvertrags, den Kaufpreis ausschließlich zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der S-GmbH zu verwenden, weshalb dieser bei Fälligkeit auf ein Konto der S-GmbH zu überweisen war. W. sollte mindestens drei weitere Jahre Geschäftsführer der S-GmbH bleiben, allerdings ohne Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Auf den weiteren Inhalt des Kaufvertrags (Rechtsbehelfsvorgang) wird Bezug genommen. Die Änderung des Gesellschafterbestands wurde dem Handelsregister gemeldet und die Änderung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers dort eingetragen.
4Durch Beschluss des Amtsgerichts U. (N02) wurde am 0.0.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-GmbH eröffnet. Die Klägerin schrieb daraufhin in ihrer Bilanz die Beteiligung um 199.999 EUR auf 1 EUR ab und rechnete den sich dadurch ergebenden Aufwand gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) außerbilanziell dem Einkommen wieder hinzu. Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss vom 00.0.2015 wieder aufgehoben. W. ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Geschäftsführer, sondern als Liquidator der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen.
5Am 15.10.2009 schlossen W. und die Klägerin eine notarielle Vereinbarung über ein Anerkenntnis mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung (Urkunden-Nr. N03 des Notars Dr. L. N.). Darin erklärte W., dass er vor Abschluss des Anteilsübertragungsvertrags falsche Angaben gemacht und unrichtige Bilanzen vorgelegt habe, die den Wert der S-GmbH maßgeblich beeinflusst hätten. Die deshalb erfolgte Anfechtung des Vertrags durch die Klägerin, die sich auch auf das dingliche Abtretungsgeschäft beziehen sollte, erkenne er an. Die Beteiligten seien sich einig, dass der Anteilsübertragungsvertrag damit insgesamt mit Rückwirkung zum Tag des Vertragsabschlusses unwirksam sei. Rein vorsorglich werde der Anteil an der S-GmbH mit sofortiger Wirkung an W. zurückabgetreten. Der durch die Klägerin geleistete Kaufpreis sei auf ein Konto der Klägerin zurückzuzahlen; dieser Rückforderungsanspruch sei sofort fällig und W. unterwerfe sich diesbezüglich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Zudem werde der Notar angewiesen, dem Handelsregister eine aktuelle Liste der Gesellschafter einzureichen. Auf den weiteren Inhalt der Vereinbarung vom 15.10.2009 (Bl. 10 Beiakte) wird Bezug genommen. Konsequenzen aus der Vereinbarung zog die Klägerin in der Bilanz und der Steuererklärung für das Jahr 2009 nicht. Geänderte Eintragungen oder eine geänderte Gesellschafterliste sind dem Handelsregister nicht zu entnehmen.
6Am 00.0.2011 wurde über das Vermögen des W. das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts H., N04). Bilanzielle Konsequenzen zog die Klägerin daraus zunächst nicht.
7Eine für die Jahre 2008 bis 2010 durchgeführte Betriebsprüfung (BP) kam ausweislich des BP-Berichts vom 11.6.2014 zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus der Abschreibung der Beteiligung an der S-GmbH zutreffend im Jahr 2009 dem Einkommen nach § 8b KStG hinzugerechnet worden sei (Tz. 1.3.2). Die Klägerin habe bislang keine Buchungen aufgrund der Vereinbarung vom 15.10.2009 vorgenommen (Tz. 4.3). Da diese keine Rückwirkung auf das Jahr 2008 habe, sei im Jahr 2009 eine Forderung gegenüber W. i.H.v. 200.000 EUR gegen die Beteiligung (1 EUR) und gegen Ertrag (199.999 EUR) einzubuchen und der Ertrag nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 KStG zu 95% von der Körperschaftsteuer befreit.
8Im Nachgang zu dieser BP reichte die Klägerin geänderte Bilanzen und Steuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 ein. Darin enthalten war nunmehr eine Forderung gegenüber W. i.H.v. 200.000 EUR; diese schrieb die Klägerin im Jahr 2011 (Streitjahr) aufgrund der Insolvenz des W. erfolgswirksam ab. Der Beklagte berücksichtigte dies erklärungsgemäß im Änderungsbescheid über Körperschaftssteuer für 2011 vom 15.4.2015 (Änderung nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO–).
9Eine weitere BP für die Folgejahre 2011 bis 2014 kam hinsichtlich des Streitjahrs (2011) zu dem Ergebnis, dass das Einkommen der Klägerin um 200.000 EUR zu erhöhen sei, da die Anteile an der S-GmbH der Klägerin zuzurechnen gewesen seien und es deshalb im Jahr 2009 zu einer Rückveräußerung der Anteile i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG durch die Klägerin an W. gekommen sei (BP-Bericht vom 29.8.2018, Tz. 2.2). Der Ausfall der daraus resultierenden Kaufpreisforderung im Jahr 2011 aufgrund der Insolvenz des W. stelle ein rückwirkendes Ereignis auf die stichtagsbezogene Gewinnermittlung nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG im Jahr der Veräußerung – also 2009 – dar. Das bedeute, dass im Jahr der Kaufpreisminderung (2011) der bilanzielle Aufwand aufgrund der Forderungsabschreibung außerbilanziell wieder ausgeglichen werden müsse (Verweis auf Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 24.7.2015, Bundessteuerblatt –BStBl– I 2015, 612). Auf den weiteren Inhalt des BP-Berichts wird verwiesen.
10Der Beklagte folgte in seinem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer 2011 den Feststellungen der BP und erhöhte das Einkommen der Klägerin außerbilanziell um 200.000 EUR („Änderungen des Veräußerungsgewinns/-verlustes einer in einem anderen Wirtschaftsjahr erfolgten Veräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG“). Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 1.2.2023).
11Am 6.3.2023 hat die Klägerin Klage erhoben.
12Sie ist der Ansicht, dass die im Streitjahr abgeschriebene Forderung nicht im Zusammenhang mit einer Anteilsveräußerung stehe, sondern die Forderung aus einer ungerechtfertigten Bereicherung des W. resultiere, so dass § 8b KStG nicht zur Anwendung komme. Denn die im Jahr 2009 erfolgte Anfechtung habe zu einer rückwirkenden Beseitigung des Anteilserwerbs geführt, mit der Folge, dass die Klägerin die Anteile nie erworben und sie deshalb auch nicht an W. zurückübertragen habe. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Anerkenntnisvertrag, wonach die Parteien von einer anfänglichen Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ausgegangen seien und die Anfechtung sich ausdrücklich auch auf das dingliche Rechtsgeschäft erstrecken sollte; die dort ebenfalls geregelte Rückübertragung der Anteile sei nur aus notarieller Vorsicht aufgenommen worden. Dem stehe auch § 41 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entgegen, weil die Parteien die Rechtsfolgen aus dem ursprünglichen Rechtsgeschäft nicht hätten eintreten und bestehen lassen, da W. verpflichtet gewesen sei, den erhaltenen Kaufpreis an die Klägerin zurückzuzahlen. Auch ein wirtschaftlicher Vollzug des Vertrags sei in dem kurzen Zeitraum von rund einem Jahr und drei Monaten nicht erfolgt, insbesondere seien keine Gewinne an die Klägerin ausgeschüttet worden und diese habe keine Gesellschafterrechte wahrgenommen. Die vereinbarten Vermögensverschiebungen aus dem ursprünglichen Vertrag hätten die Parteien nicht als dauerhaft akzeptiert.
13Die Behandlung durch die Vor-BP sei nicht korrekt gewesen, da diese fälschlicherweise im Jahr 2009 eine Forderung gegenüber W. gegen Ertrag eingebucht habe. Denn tatsächlich habe es im Jahr 2009 keine Rückveräußerung an W., aus der ein Kaufpreisanspruch entstanden sei, gegeben. Der Beklagte deute die Vereinbarung aus 2009 unzulässigerweise in einen Anteilsrückübertragungsvertrag um. Richtigerweise hätte im Jahr 2008 bereits eine Forderung gegenüber W. aus ungerechtfertigter Bereicherung bilanziert werden müssen. Da die Nichtigkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung allerdings erst im Jahr 2009 bekannt geworden sei, hätte eine erfolgsneutrale Umbuchung – nämlich Forderung 200.000 EUR gegen Beteiligungen 200.000 EUR – erfolgen müssen. Daher sei auch das von dem Beklagten angeführte BMF-Schreiben vom 24.7.2015 nicht einschlägig, weil ein bereicherungsrechtlicher Zahlungsanspruch bilanziert worden sei. Eine Anfechtung der unzutreffenden Rechtsausführungen der Vor-BP sei mangels Beschwer nicht möglich gewesen.
14Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit müsse der Forderungsausfall gegen W. aufwandserhöhend anzuerkennen sein, da die Klägerin ohne Rechtsgrund 200.000 EUR an W. gezahlt und durch dessen Insolvenz letztlich einen Verlust in dieser Höhe erlitten habe.
15Die Klägerin beantragt,
16den Bescheid vom 3.1.2019 über Körperschaftsteuer für 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung von 1.2.2023 dahin zu ändern, dass keine Einkommenserhöhung aus dem Forderungsausfall in Höhe von 200.000 EUR erfolgt;
17hilfsweise, die Revision zuzulassen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er trägt vor, dass die Anteile an der S-GmbH der Klägerin aufgrund des Erwerbs 2008 zuzurechnen gewesen seien. Davon sei auch die Klägerin ausgegangen, wie sich an der Aktivierung und späteren Abschreibung zeige. Die erfolgte Anfechtung im Jahr 2009 habe steuerrechtlich nicht zu einer rückwirkenden Beseitigung des Erwerbs geführt; dem stehe § 41 Abs. 1 Satz 1 AO entgegen, weil das bereits vollzogene Rechtsgeschäft nicht vollständig rückabgewickelt worden sei. Die Parteien hätten das Rechtsgeschäft eintreten und bestehen lassen. Insbesondere enthalte die Vereinbarung aus 2009 keine Regelungen, wie zwischenzeitlich durch die Klägerin eventuell getätigte Geschäfte hätten rückabgewickelt werden sollen. In dem Vertrag über die Rückabwicklung sei daher eine weitere Vereinbarung über die Übertragung der GmbH-Anteile zu sehen. Diese stehe mit den vormals erworbenen GmbH-Anteilen im Zusammenhang, so dass für den streitigen Forderungsausfall § 8b KStG zur Anwendung komme (Verweis auf Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22.12.2010 I R 58/10 und vom 12.3.2014 I R 45/13). Da es sich bei der Körperschaftsteuer um eine laufend veranlagte Steuer handele, ständen einer Änderung der Bilanz 2008 die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung entgegen, da einzelne Geschäftsvorfälle abgelaufener Wirtschaftsjahre nicht rückgängig gemacht werden könnten. Insgesamt sei durch die Vorgehensweise des Beklagten der gesamte Vorgang hinsichtlich der Abschreibung der Beteiligung (2009), deren Rückforderung (2009) und des Forderungsausfalls (2011) steuerneutral i.S.d. § 8b KStG behandelt worden.
21Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24I. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zutreffend hat der Beklagte den Aufwand aus der Abschreibung der Forderung i.H.v. 200.000 EUR dem Einkommen der Klägerin hinzugerechnet.
25Der Ausfall der Forderung gegenüber W. im Jahr 2011 stellt ein auf das Jahr 2009 als dem Jahr der (Rück-)Übertragung der Anteile an der S-GmbH zurückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) dar, mit der Folge, dass der aus der Forderungsabschreibung resultierende Aufwand nicht im Jahr der Abschreibung (2011) abzugsfähig, sondern außerbilanziell auszugleichen ist (dazu unter 2.). Denn durch die im Jahr 2009 erfolgte Anfechtung ist es steuerlich gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO nicht zu einer rückwirkenden Beseitigung des Erwerbs der Anteile der S-GmbH durch die Klägerin gekommen, da die Vertragsparteien die wirtschaftlichen Folgen des Veräußerungsgeschäfts nicht tatsächlich und vollständig beseitigt haben. Dies hat die Folge, dass die Klägerin die Anteile im Jahr 2008 erworben und im Jahr 2009 an W. im Rahmen eines neuen Veräußerungsgeschäfts (zurück-)übertragen hat (dazu unter 1.).
261. Durch die Anfechtung des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 25.6.2008 im Jahr 2009 ist es steuerlich wegen der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO nicht zu einer rückwirkenden Beseitigung des Erwerbs der Anteile durch die Klägerin gekommen.
27a) Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts führt zivilrechtlich dazu, dass es als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Soweit und solange die Vertragsparteien das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen, ist die Anfechtung, obwohl sie dazu führt, dass das Rechtsgeschäft unwirksam wird (§ 41 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AO), gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO für die Besteuerung unerheblich.
28Deshalb genügt es nicht, dass ein Vertrag nach § 123 Abs.1 BGB angefochten wird und deshalb gem. § 142 Abs.1 BGB zivilrechtlich als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Vielmehr ist erforderlich, dass der Vertrag tatsächlich rückgängig gemacht wird. § 41 Abs. 1 AO ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bestätigt den im Steuerrecht selbstverständlichen Grundsatz, dass die tatsächlichen Gegebenheiten maßgebend sind (BFH, Urteil vom 27.1.1982 II R 119/80, BStBl II 1982, 425). Dementsprechend kommt es nicht lediglich darauf an, ob ein Partner eines Vertrags diesen anficht und damit dessen wirtschaftliches Ergebnis nicht mehr bestehen lassen will. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob er diesen Willen durchsetzen kann, d.h. ob der angefochtene Vertrag tatsächlich (freiwillig oder zwangsweise) rückgängig gemacht wird (BFH, Urteil vom 27.1.1982 II R 119/80, BStBl II 1982, 425; vom 23.11.2006 II R 38/05, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2007, 498). Geschieht dies nicht, so ist dementsprechend unerheblich, welche Gründe die Rückabwicklung des Vertrages hindern (BFH, Urteile vom 27.1.1982 II R 119/80, BStBl II 1982, 425 und vom 12.3.2019 IX R 2/18, BFH/NV 2019, 1073).
29Eine Vereinbarung ist dabei gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO solange als gültig anzusehen, bis die Parteien aus der Unwirksamkeit endgültig die zivilrechtlichen Folgerungen gezogen haben und die erbrachten Leistungen insgesamt rückgängig gemacht worden sind (BFH, Urteil vom 17.2.2004 VIII R 28/02, BStBl II 2005, 46). Zur Rückgängigmachung ist erforderlich, dass die Vertragsparteien, um das wirtschaftliche Ergebnis des (zivilrechtlich) nichtigen Verpflichtungsgeschäfts im vorbeschriebenen Sinne wieder zu beseitigen, sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, wie wenn dieser nicht zustande gekommen wäre (BFH, Beschluss vom 10.7.1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61). Bei einem Anteilskaufvertrag ist neben der vollständigen Rückzahlung des Kaufpreises erforderlich, dass dem Erwerber das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht entzogen werden (BFH, Urteil vom 17.2.2004 VIII R 28/02, BStBl II 2005, 46).
30b) Nach diesen Grundsätzen ist die erfolgte Anfechtung für die Besteuerung gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO unbeachtlich. Es lag kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung vor. Denn die Vertragsparteien haben den vollzogenen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 25.6.2008 nicht tatsächlich und vollständig rückgängig gemacht; sie stehen nicht so, wie sie ständen, wenn dieser nicht zustande gekommen wäre.
31aa) Es fehlt an der vollständigen Rückabwicklungen der gegenseitigen Leistungen. W. hat den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis nicht an diese zurückgezahlt. Auch ist das Handelsregister nicht wieder auf den Stand vor der Übertragung aus der Jahr 2008 korrigiert worden: Weder wurde eine berichtigte Gesellschafterliste eingereicht, aus der sich ergibt, dass – wie vor der Übertragung –W. Alleingesellschafter der S-GmbH ist, noch ist dieser – wie er es vor der Übertragung war – als Geschäftsführer wieder von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden. Vielmehr enthält das Handelsregister in der Gesellschafterliste nach wie vor den Stand nach der Übertragung der Anteile an die Klägerin, nämlich eine Eintragung zur Klägerin mit 75% der Anteile und W. war weiterhin als Geschäftsführer ohne eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eingetragen. Daran hat sich auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens – bis auf die Tatsache, dass W. nun als Liquidator geführt wird – nichts geändert. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, kommt es dabei nicht auf die Gründe an, aus denen der Vertrag nicht rückgängig gemacht wird.
32bb) Zudem spricht auch die Erfassung der Vorgänge in den Steuererklärungen und den Bilanzen der Klägerin dagegen, dass die Vertragsparteien und insbesondere die Klägerin das wirtschaftliches Ergebnis des abgeschlossenen Vertrags nicht bestehen lassen wollten. Denn die Klägerin hat aus der Anfechtung bzw. der Vereinbarung über das Anerkenntnis im Jahr 2009 keine Konsequenzen gezogen. Vielmehr blieb es bei der Bilanzierung der Beteiligung an der S-GmbH, die die Klägerin im Zuge von deren Insolvenz auf 1 EUR abgeschrieben hatte. Bei konsequenter Umsetzung der Anfechtung hätte aber die Beteiligung im Jahr 2009 vollständig ausgebucht und eine Forderung gegenüber W. i.H. des gezahlten Kaufpreises eingebucht werden müssen.
332. Da die im Jahr 2009 erfolgte Anfechtung des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 25.6.2008 gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO steuerlich keine Rückwirkung entfaltete, stellte die im Jahr 2009 dennoch erfolgte Übertragung der Anteile an der S-GmbH von der Klägerin an W. ein (erneutes) Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG dar. Konsequenz war, dass – wie es der Beklagte getan hat – eine Forderung auf Zahlung von 200.000 EUR gegenüber W. gegen Ausbuchung des Restbuchwerts der Forderung (1 EUR) und Erfassung eines bilanziellen Ertrags von 199.999 EUR zu erfassen war. Diesen Ertrag hat der Beklagte sodann nach § 8b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KStG zu 95% steuerfrei gestellt.
34Der Ausfall dieser Forderung im Jahr 2011 war aufgrund der Insolvenz des W. wiederum im Jahr 2011 bilanziell als Aufwand zu erfassen, dieser Aufwand war aber aufgrund der stichtagsbezogenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. –verlusts außerbilanziell zu korrigieren. Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH zu Veräußerungsgeschäften im Allgemeinen bzw. zu Anteilsveräußerungen gem. § 8b Abs. 2 KStG, der der Senat sich anschließt:
35a) Denn nach der Rechtsprechung des BFH wirkt der nachträgliche Ausfall einer Forderung aus einem Veräußerungsgeschäft – etwa nach den §§ 16 oder 17 EStG – als rückwirkendes Ereignis auf den Veranlagungszeitraum der Veräußerung zurück und führt dort zur Änderung des Veräußerungspreises und einer geänderten Gewinnermittlung (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897; Urteil vom 16.6.2015 IX R 28/14, BFH/NV 2015, 1679). Dies gilt auch bei einer Anteilsveräußerung nach § 8b Abs. 2 KStG (BFH, Urteil vom 22.12.2010 I R 58/10, BStBl II 2015, 668; vom 12.3.2014 I R 55/13, BStBl II 2015, 658). Dies führt dazu, dass der Ausfall der Kaufpreisforderung sich rückwirkend gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Veranlagungszeitraum der Veräußerung durch eine Korrektur der dortigen Gewinnermittlung (§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG) und nicht im Veranlagungszeitraum des Forderungsausfalls auswirkt (so auch BMF-Schreiben vom 24.7.2015, BStBl I 2015, 612).
36Konsequenz dieser Betrachtungsweise, dass bei einem späteren Ausfall der Kaufpreisforderung die dadurch ausgelöste Wertminderung der Forderung auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns und damit auf den Umfang der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG durchschlägt, ist zudem, dass zugleich in dem betreffenden Veranlagungszeitraum, in dem der Forderungsausfall feststeht, korrespondierend kein abzugsfähiger Aufwand erfasst wird (BFH, Urteil vom 22.12.2010 I R 58/10, BStBl II 2015, 668). Ein solcher (innerbilanzieller) Aufwand ist vielmehr außerbilanziell auszugleichen (BFH, Urteil vom 12.3.2014 I R 55/13, BStBl II 2015, 658; so auch BMF-Schreiben vom 24.7.2015, BStBl I 2015, 612; Rengers in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8b KStG Rn. 243a; Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8b Rn. 195d).
37b) Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der durch die Abschreibung der Forderung i.H.v. 200.000 EUR entstandene Aufwand aufgrund der Rückwirkung des Forderungsausfalls auf das Jahr der Veräußerung (2009) im Jahr des Ausfalls (2011) außerbilanziell – wie es der Beklagte getan hat – wieder auszugleichen war und damit im Ergebnis das Einkommen des Jahres 2011 zu Recht nicht gemindert hat.
38II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
39III. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.