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Der Beklagtenwechsel ist zulässig.
Das Finanzgericht Düsseldorf erklärt sich für örtlich unzuständig.
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Schleswig-Holsteinische Finanzgericht verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
2I.
3Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie wohnten zunächst im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts (FA) B.. Dieses veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 11.12.2023 zur Einkommensteuer 2022, die dagegen fristgerecht Einspruch einlegten, über den bislang nicht entschieden ist.
4Das FA B. unterbreitete den Klägern unter dem Datum des 02.07.2024 einen Einigungsvorschlag. U.a. fragte es an, ob die Kläger mit einem Ruhen des Einspruchsverfahrens wegen eines Klageverfahrens betreffend die Energiepreispauschale einverstanden seien. Die Kläger antworteten darauf trotz Erinnerung nicht, sondern erhoben am 15.10.2024 vielmehr eine „Untätigkeitsbeschwerde“. Mit Schreiben vom 21.10.2024 teilte das FA B. den Klägern mit, dass nach deren zwischenzeitlich erfolgtem Umzug das FA D. für sie örtlich zuständig sei und sie sich wegen des weiteren Verfahrens an dieses wenden sollten.
5Die Kläger haben am 22.10.2024 die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Untätigkeitsklage gegen das FA B. erhoben und vorgetragen, dieses habe ohne Mitteilung eines sachlichen Grundes über den Einspruch nicht entschieden. Das FA B. hat hierauf erwidert, dass es nicht passivlegitimiert sei. Richtiger Beklagter sei gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das nunmehr örtlich zuständige FA D.. Die Untätigkeitsklage gegen das FA B. sei unzulässig.
6Mit Schriftsatz vom 07.11.2024 haben die Kläger erklärt, dass sie die Klage dahin änderten, dass Beklagter das FA D. sei; zugleich haben sie beantragt, die Klage an das örtlich zuständige Finanzgericht (Schleswig-Holstein) zu verweisen.
7Der Berichterstatter hat daraufhin beim FA B. angefragt, ob es in die Klageänderung einwillige, und gleichzeitig mitgeteilt, dass er die Klageänderung für sachdienlich halte. Außerdem hat er das FA D. zur Klageänderung und zur beantragten Verweisung angehört.
8Das FA B. hat in die Klageänderung eingewilligt. Das FA D. hat dagegen der Klageänderung widersprochen und führt aus, diese sei nicht sachdienlich. Die Kläger hätten die Klage von vornherein gegen das FA D. richten müssen, da sie bereits vor Klageerhebung von dem Zuständigkeitswechsel gewusst hätten. Es hält außerdem die Untätigkeitsklage für unzulässig.
9Ein gegen den Berichterstatter gerichtetes Ablehnungsgesuch der Kläger hat der Senat (ohne Beteiligung des Berichterstatters) für unbegründet erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Ablehnungsgesuchs wird auf den Beschluss vom 22.01.2025 (Bl. 72 ff. d.A.) Bezug genommen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakte Bezug genommen.
11II.
12Das Finanzgericht Düsseldorf ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit ist daher an das örtlich zuständige Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zu verweisen.
131. Ist das angerufene Finanzgericht örtlich unzuständig, spricht es dies nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das örtlich zuständige Gericht (§ 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes –GVG–). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
142. Örtlich zuständig für den Rechtsstreit ist – mittlerweile – das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht und zwar aufgrund des im Verfahren erfolgten gewillkürten Beklagtenwechsels (in Form einer zulässigen Klageänderung).
15a) Die Prüfung einer zulässigen Klageänderung ist vorliegend notwendig, weil die Klage nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie sich eigentlich von Beginn an gegen das FA D. und nicht gegen das FA B. richten sollte. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt bei einer Klageschrift, in der ein Beklagter ausdrücklich und unmissverständlich benannt worden ist – wie vorliegend – eine berichtigende Auslegung nicht in Betracht, weil es an der Auslegungsbedürftigkeit einer Erklärung fehlt, wenn sie nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (BFH-Beschluss vom 13.05.2014 – XI B 129-132/13, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFH/NV– 2014, 1385, Rn. 13 m.w.N.). Dagegen, dass die Kläger von Anfang an gegen das FA D. klagen wollten, spricht zudem ihr Schriftsatz vom 07.11.2024 im vorliegenden Verfahren, in dem sie zum Ausdruck bringen, dass sie eigentlich eine weitere Bearbeitung des Einspruchs durch das FA B. im Wege des § 26 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) für einfacher und zweckmäßiger hielten.
16b) Der Senat darf auch im Rahmen des vorliegenden Verweisungsbeschlusses über die Zulässigkeit der Klageänderung entscheiden. Denn um überhaupt darüber entscheiden zu können, ob die Klage gegen das FA B. mangels Passivlegitimation nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen oder – wie vorliegend der Fall – der Beklagtenwechsel im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO zuzulassen und sodann der Rechtsstreit gemäß § 70 FGO an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zu verweisen ist, ist es zuerst erforderlich, den durch die beantragte Klageänderung zunächst hervorgerufenen Schwebezustand zu beenden (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1988 – VIII R 205/84, Bundessteuerblatt Teil II –BStBl II– 1989, 460, Rn. 20). Der Senat kann über die Zulässigkeit zudem auch in der vorliegenden Form eines Beschlusses entscheiden, weil sich an dem Charakter der Entscheidung durch die gegenüber dem – grds. ebenfalls denkbaren Zwischenurteil – mindere Form nichts ändert (BFH, a.a.O., Rn. 25).
17c) Die Erklärung der Kläger im Schriftsatz vom 07.11.2024, dass neuer Beklagter das FA D. sein solle, stellt eine zulässige Klageänderung dar, die zum Austritt des bisherigen Beklagten (FA B.) aus dem und Eintritt des neuen Beklagten (FA D.) in das Verfahren führt (sog. Beklagtenwechsel).
18aa) Der Begriff der Klageänderung ist in § 67 FGO nicht definiert; nach h.M. wird unter einer (objektiven) Klageänderung die Änderung des Streitgegenstands während der Rechtshängigkeit des Verfahrens durch Erklärung des Klägers verstanden (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 271. Lieferung, 11/2022, § 67 FGO Rn. 9 m.w.N.). Aber auch bei Wechsel eines Beteiligten, z.B. dem Wechsel des Beklagten (wie hier), liegt eine (subjektive) Klageänderung vor (s. BFH-Beschluss vom 13.05.2014 – XI B 129-132/13, BFH/NV 2014, 1385, Rn. 13 m.w.N.; Schallmoser, a.a.O. Rn. 28).
19Nach § 67 Abs. 1 FGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Nach dem Wortlaut der Norm ist die Zulassung der Klageänderung somit vermeintlich nur an die Einwilligung der übrigen Beteiligten oder an die Auffassung des Gerichts über die Sachdienlichkeit geknüpft. Diese Regelung ist jedoch insofern unvollständig, als sie die Frage der Zulässigkeit der Klage unberührt lässt. Deren Beantwortung aber ist der Disposition der Beteiligten wie auch derjenigen des Gerichts entzogen, kann also nicht nach § 67 Abs. 1 FGO entschieden werden. Hieraus folgt, dass eine Klageänderung, unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO, nur zulässig („statthaft“) ist, wenn sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren die einschlägigen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt (hierzu Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 67 Rn. 18 m.w.N. insbesondere zur insoweit st. Rspr. des BFH).
20Für den gewillkürten Beklagtenwechsel entspricht es ständiger BFH-Rechtsprechung, dass bei fristgebundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen eine subjektive Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 13.05.2014 – XI B 129-132/13, BFH/NV 2014, 1385, Rn. 13 m.w.N.).
21bb) Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine subjektive Klageänderung vor.
22(1) Im Rahmen der Prüfung der subjektiven Klageänderung konnte der Senat dabei offenlassen, ob als Teil der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO auch die Einwilligung des neuen Beklagten erforderlich ist, an der es vorliegend fehlt (das FA D. hat der Klageänderung widersprochen). Denn der Senat hält die Klageänderung jedenfalls für sachdienlich. Durch die Zulassung der Klageänderung kann vorliegend verhindert werden, dass die Kläger aus rein verfahrensrechtlichen Gründen die ursprüngliche Klage zurücknehmen oder ein klageabweisendes Prozessurteil hinnehmen und sodann erneut – nunmehr gegen den richtigen Beklagten und vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht – Klage erheben müssen, obwohl bei Vornahme der Klageänderung die Erledigung im gleichen Verfahren in Betracht kommt (vgl. hierzu Herbert in Gräber, FGO, § 67 Rn. 4). Durch die Zulassung der Klageänderung kommt es vorliegend auch nicht zu einer nennenswerten Verzögerung des Rechtsstreits, der Prozessstoff bleibt zudem unverändert (s. Herbert a.a.O. Rn. 25).
23(2) Die Klageänderung scheitert auch nicht daran, dass für die ursprüngliche oder die geänderte Klage die Sachurteilsvoraussetzungen nicht gegeben wären.
24(a) Da es sich bei der hier zu beurteilenden Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO um eine fristungebundene Klage handelt, kann der Beklagtenwechsel bzw. die Klageänderung nicht am Ablauf einer Klagefrist scheitern (vgl. zu einem lt. BFH offenbar grds. unbefristet möglichen Beklagtenwechsel in einem Fall, in dem die Klagefrist mangels Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Gang gesetzt worden war BFH-Urteil vom 31.01.2005 – VII R 33/04, BFH/NV 2005, 819, Rn. 28 f.).
25(b) Auch kann die Klageänderung nicht deshalb abgelehnt werden, weil es der ursprünglichen Klage insoweit an einer Sachentscheidungsvoraussetzung fehlte, als der ursprüngliche Beklagte (FA B.) nicht nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO passivlegitimiert war (zur Passivlegitimation als Sachentscheidungsvoraussetzung z.B. Krumm in Tipke/ Kruse, AO/FGO, 165. Lieferung, 4/2021, Vorbemerkungen zu §§ 40–50 FGO Rn. 15). Denn sähe man dies als Hindernis für eine Klageänderung, könnte es nie einen zulässigen gewillkürten Beklagtenwechsel geben. Davon geht aber auch der BFH ganz offensichtlich nicht aus.
26(c) Schließlich scheitert die Klageänderung auch nicht daran, dass der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen kann, ob die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO bezüglich der Untätigkeitsklage vorliegen. Bedenken daran könnte sich insoweit ergeben, als die Untätigkeitsklage zwar erst nach Ablauf von 6 Monaten (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO) erhoben wurde, jedoch in Gestalt des vom FA B. unterbreiteten Einigungsvorschlags, der auch die Anfrage enthielt, ob die Kläger mit einem Ruhen des Einspruchsverfahrens einverstanden seien, auf den diese aber nicht reagierten, möglicherweise ein zureichender Grund für den (bisherigen) Nichterlass der Einspruchsentscheidung zu sehen sein könnte.
27Allerdings kann die Klage – sofern sie derzeit aus dem vorgenannten Grund noch unzulässig sein sollte – entweder durch den Erlass der Einspruchsentscheidung seitens des FA D., welchen dieses bereits in Aussicht gestellt hat, oder aber durch den Wegfall des (etwaig gegebenen) zureichenden Grundes i.S.d. § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO in die Zulässigkeit hineinwachsen (vgl. Teller in Gräber, FGO, § 46 Rn. 28; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, 276. Lieferung, 10/2023, § 46 FGO Rn. 165 jeweils m.w.N.).
28Die danach womöglich gegebene schwebende Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage hindert die Zulässigkeit der Klageänderung indes nicht. Denn ersichtlich will der BFH, wenn er für die Zulässigkeit einer Klageänderung neben der Einwilligung der Beteiligten bzw. dem Vorliegen der Sachdienlichkeit verlangt, dass sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren die einschlägigen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllen, damit nur verhindern, dass über die Klageänderung eine Klage der sachlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich gemacht wird, die sonst wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung, in aller Regel der Einhaltung der Klagefrist, als unzulässig abgewiesen werden müsste (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26.02.1980 – VII R 60/78, BStBl II 1980, 331, Rn. 12). Eine solche Umgehung zwingender Verfahrensvorschriften droht jedoch vorliegend bereits deshalb nicht, weil die Kläger – würde man die Klageänderung im hiesigen Verfahren für unzulässig erachten und die Klage durch Prozessurteil abweisen – jederzeit, d.h. ohne Bindung an eine Frist, erneut in zulässiger Weise (vorbehaltlich der besonderen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO) Untätigkeitsklage gegen das FA D. beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erheben könnten. Das spricht gerade für die Zulässigkeit der Klageänderung im Streitfall.
29cc) Durch die zulässige Klageänderung ersetzt der neue Beklagte den alten Beklagten. Da die Klage gegen den alten Beklagten vorliegend nicht aufrechterhalten wurde, wird das Verfahren nur mit dem neuen Beklagten fortgesetzt (vgl. die hier sinngemäß geltenden Ausführungen zur objektiven Klageänderung bei Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler AO/FGO, 271. Lieferung, 11/2022, § 67 FGO Rn. 55).
30d) Örtlich zuständig ist das Finanzgericht, in dessen Bezirk die Behörde, gegen welche die Klage gerichtet ist, ihren Sitz hat (§ 38 Abs. 1 FGO).
31Das durch den Beklagtenwechsel nunmehr (ausschließlich) beklagte FA D. liegt im Gerichtsbezirk des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts.
323. Eine Anhörung der Beteiligten vor der durch diesen Beschluss erfolgenden Verweisung ist erfolgt.
334. Die Kostenentscheidung bleibt nach § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht vorbehalten.
345. Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klageänderung beruht auf § 67 Abs. 3 FGO. Die Unanfechtbarkeit der Verweisung beruht § 70 Satz 2 FGO.