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Der Bescheid auf den 01.01.2022 über die Feststellung des Grundsteuerwerts vom 31.10.2022 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung von der Vollziehung ausgesetzt, soweit der Antragsgegner einen Bodenrichtwert zugrunde gelegt hat, der 10,50 € pro Quadratmeter überschreitet, im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung).
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten für Aussetzungszwecke um die Feststellung eines Grundsteuerwerts.
4Der Antragsteller ist anteiliger Eigentümer des mit einer Doppelhaushälfte bebauten Flurstücks Nr. N01 auf Flur N02 unter der Adresse N.-straße in der Gemarkung Z. des Grundbuchs der Stadt X.. Hinter diesem Flurstück liegt das im Alleineigentum des Antragstellers befindliche Flurstück Nr. N03 mit einer Größe von 522 m², das zu einem Landschaftsschutzgebiet „N.-straße“ gehört. Beide Flurstücke befinden sich in einer Bodenrichtwertzone, die auf den Stichtag 01.01.2022 einen Bodenrichtwert von 630 € pro Quadratmeter für baureifes Land ausweist.
5Der Antragsgegner erließ am 31.10.2022 einen Bescheid auf den 01.01.2022 über die Feststellung des Grundsteuerwerts für die wirtschaftliche Einheit „N.-straße“. In diesem Bescheid stellte der Antragsgegner einen Grundsteuerwert i.H.v. 328.800 € auf der Grundlage von 522 m² Grundstücksfläche und einem Bodenrichtwert i.H.v. 630 € pro Quadratmeter fest.
6Der Antragsteller legte durch Schreiben vom 23.11.2022 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Die ebenfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner durch Schreiben vom 15.10.2024 ab.
7Der Antragsteller hat durch Schreiben vom 09.11.2024 bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragt.
8Zur Begründung trägt er vor, dass es sich um ein unbebautes Grundstück handele, das laut dem Katasteramt als Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche/Garten ausgewiesen sei. Dies entspreche auch der aktuellen Grundbucheintragung. Die Eigentumsfläche werde als Gartenfläche genutzt. Eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung liege nicht vor. Aus diesem Grund sei das Grundstück als unbebautes Grundstück im Grundvermögen zu bewerten.
9Das zu bewertende Grundstück könne wegen der Vorschrift des § 2 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG – auch nicht mit dem Flurstück Nr. N01 zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, da die Eigentümer nicht identisch seien.
10Nach dem Wortlaut von § 247 Abs. 1 des BewG ergebe sich der Grundsteuerwert regelmäßig durch Multiplikation der Fläche eines Grundstücks mit dem jeweiligen Bodenrichtwert. Der Bodenrichtwert für baureifes Land sei nicht einschlägig, da es sich um unbebaubares Hinterland handele. Die von den Gutachterausschüssen zu bildenden Bodenrichtwertzonen im Sinne von § 196 Abs. 1 S. 3 des Baugesetzbuchs – BauGB – seien so abzugrenzen, dass lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrzahl der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück nicht mehr als 30 % betrügen. Zudem sei auf die örtlichen Fachinformationen zur Ableitung und Verwendung der Bodenrichtwerte zu verweisen. Danach sei bei den Bodenrichtwerten zu berücksichtigen, ob es sich um Bauerwartungsland oder Rohbauland handele. Hier seien beide Voraussetzungen nicht einschlägig, da es sich um ein unbebaubares Landschaftsschutzgebiet handele. Die Wirtschaftsart „Grünfläche“ sei durch Landwirtschaftsfläche ersetzt worden. Dies entspreche auch den zur Verfügung stehenden Grundsteuer-Geodaten. Mit dem türkisfarbenen Ausweis dieser Fläche werde sie entsprechend gekennzeichnet.
11Damit gehöre sie entsprechend den örtlichen Fachinformationen zum „Nichtbauland“ und dort wiederum zu den „als sonstige Flächen genutzten Grundstücken (türkise Richtwerte)“.
12Nach einer Mitteilung des Gutachterausschusses der Stadt X. (E-Mail vom 21.03.2023) seien Grundstücke, die in einer Richtwertzone lägen, nicht zwingend mit dem dort angegebenen Bodenrichtwert zu bewerten. Dies gelte beispielsweise bei einer abweichenden Qualität, wie z.B. bei Grünflächen, Waldflächen, Verkehrsflächen oder Erholungsflächen. Für derartige Flächen seien ebenfalls Bodenrichtwerte ermittelt worden. Eine entsprechende Zone schließe sich beispielsweise südlich der Wohnbebauung in Z. (Bodenrichtwert-Nummer N04) an. Danach betrage der Bodenrichtwert für landwirtschaftliche Flächen mit der Nutzungsart Grünland 3,50 € pro Quadratmeter.
13Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
14den Bescheid auf den 01.01.2022 über die Feststellung des Grundsteuerwerts für die wirtschaftliche Einheit „N.-straße“ vom 31.10.2022 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung von der Vollziehung auszusetzen, soweit ein Bodenrichtwert in Höhe von mehr als 3,50 € pro Quadratmeter berücksichtigt wurde.
15Der Antragsgegner beantragt,
16den Antrag abzulehnen, soweit der Ansatz eines Bodenrichtwerts von weniger als 78,25 € pro Quadratmeter begehrt wird.
17Der Antragsgegner hat mit seiner Antragserwiderung die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung i.H.v. 287.700 € (dies entspricht einem Ansatz von 78,25 € pro Quadratmeter) mitgeteilt. Dem weitergehenden Begehren des Antragstellers könne er aber nicht entsprechen.
18Nach einer Prüfung des zuständigen amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen handele es sich nicht um eine Fläche der Land- und Forstwirtschaft, sodass von einem unbebauten Grundstück im Grundvermögen auszugehen sei. Es handele sich um ein Grundstück, für das die Bebauung aufgrund der Lage im Landschaftsschutzgebiet ausgeschlossen sei. Die zu bewertende Einheit könne keinem der vier Entwicklungszustände baureifes Land, Rohbauland, Bauerwartungsland oder Fläche der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet werden.
19Werde danach vom Gutachterausschuss kein Bodenrichtwert bzw. lediglich ein Bodenrichtwert für baureifes Land ermittelt, sei der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 247 Abs. 3 BewG abzuleiten. Hierfür habe man die nachfolgende Formel angewandt:
200,125 x Bodenrichtwert für den Entwicklungszustand baureifes Land = abzuleitender Bodenwert in Euro je Quadratmeter = 78,75 € pro Quadratmeter.
21Dementsprechend sei für Aussetzungszwecke von einem Grundsteuerwert i.H.v. 41.100 € auszugehen.
22Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug.
23II.
24A) Der Antrag ist weit überwiegend begründet.
25Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie der Misserfolg (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 89 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
26Nach diesen Maßstäben ist eine weitergehende Aussetzung der Vollziehung vorzunehmen. Der Senat hat nach summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, die auch durch die bereits gewährte Teilaussetzung nicht entfallen sind.
27Der Senat stimmt mit den Beteiligten darin überein, dass die zu bewertende Fläche keinem der Entwicklungszustände von baureifen Land, Rohbauland, Bauerwartungsland oder Flächen der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet werden kann (I.). Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob der Antragsgegner berechtigt war, den Wert für die Fläche der wirtschaftlichen Einheit selbst abzuleiten (II.). Der vom ihm selbst abgeleitete Bodenwert ist jedenfalls in der Sache nicht nachvollziehbar (III.).
28I. Gemäß § 247 Abs. 1 S. 1 BewG ermittelt sich der Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke sich regelmäßig durch Multiplikation ihrer Fläche mit dem jeweiligen Bodenrichtwert (§ 196 BauGB). Soweit in den §§ 243-262 BewG sowie in den Anl. 36 -43 zum BewG nichts anderes bestimmt ist, werden nach S. 2 der Vorschrift Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks und des zu bewertenden Grundstücks mit Ausnahme unterschiedlicher Entwicklungszustände (Nr. 1) und Arten der Nutzung bei überlagernden Bodenrichtwertzonen (Nr. 2) nicht berücksichtigt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist „regelmäßig“ der Bodenrichtwert heranzuziehen, es sei denn, dass das BewG die Berücksichtigung anderer in § 247 Abs. 1 S. 2 BewG aufgezählter Zustände zulässt.
29Nach diesen Grundsätzen ist der vom Gutachterausschuss in der Richtwertzone angesetzte Bodenrichtwert von 630 € pro Quadratmeter nicht einschlägig. Dieser gilt für baureifes Land, während es sich bei dem Flurstück N03 um eine Fläche handelt, die einen abweichenden Entwicklungszustand i.S.v. § 247 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BewG aufweist.
30Die Gesetzesbegründung zu § 247 Abs. 1 S. 2 BewG verweist für die Berücksichtigung abweichender Entwicklungszustände auf § 5 der Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV – (BT.-Drucksache 19/23551 S. 80). Diese Vorschrift ist jedoch mit Wirkung zum 01.01.2022 in der neuen ImmoWertV 2022 neu gefasst worden. Die entsprechende Regelung findet sich jetzt in § 3 ImmoWertV 2022.
31Gemäß § 3 Abs. 1 ImmoWertV 2022 sind Flächen der Land- oder Forstwirtschaft solche, die ohne Bauerwartungsland, Rohbauland oder baureifes Land zu sein, land- und forstwirtschaftlich nutzbar sind.
32Gemäß § 3 Abs. 2 ImmoWertV 2022 sind Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen eine bauliche Nutzung aufgrund konkreter Tatsachen, insbesondere nach dem Stand der Bauleitplanung und nach der sonstigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen, Bauerwartungsland.
33Gemäß § 3 Abs. 3 ImmoWertV 2022 sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 des BauGB für eine bauliche Nutzung bestimmt sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist und nach Lage, Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind, Rohbauland.
34Baureifes Land sind gemäß § 3 Abs. 4 ImmoWertV 2022 Flächen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften und nach den tatsächlichen Gegebenheiten baulich nutzbar sind.
35Sonstige Flächen sind gemäß § 3 Abs. 5 ImmoWertV 2022 Flächen, die sich keinem der Entwicklungszustände nach den Abs. 1-4 zuordnen lassen.
36Der Senat ordnet die zu bewertende wirtschaftliche Einheit (das Flurstück N03) als sonstige Fläche nach § 3 Abs. 5 ImmoWertV 2022 ein. Als sonstige Flächen werden in der Literatur insbesondere auch Naturschutzgebiete, Nationalparks, Biosphärenreservate, Naturparks oder Landschaftsschutzgebiete erfasst (Kleiber Marktwertermittlung nach Immowert VO § 3 Immowert VO Rn. 268, 290).
37II. Der Senat kann offenlassen, ob der Antragsgegner nach § 247 Abs. 3 BewG berechtigt ist, den Wert des unbebauten Grundstücks aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten.
38Gemäß § 247 Abs. 2 BewG sind die Bodenrichtwerte von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. BauGB auf den Hauptfeststellungszeitpunkt zu ermitteln, zu veröffentlichen und nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung an die zuständigen Finanzbehörden zu übermitteln. Gemäß § 196 Abs. 1 S. 1 BauGB sind aufgrund der Kaufpreissammlung flächendeckend durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands zu ermitteln (Bodenrichtwert). Für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes sind Bodenrichtwerte gemäߧ 196 Abs. 1 S. 6 BauGB nach ergänzenden Vorgaben der Finanzverwaltung zum jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt oder sonstigen Feststellungszeitpunkt zu ermitteln. Sind Bodenrichtwerte nicht flächendeckend ausgewiesen, haben die Gutachterausschüsse, gegebenenfalls auf Anfrage der Finanzverwaltung, eine ergänzende Bodenrichtwertermittlung durchzuführen.
39Der Gutachterausschuss hat die Vorgabe, Bodenrichtwerte auch für den Entwicklungszustand der sonstigen Flächen für das Landschaftsschutzgebiet „N.-straße“ zu ermitteln, bisher offenbar nicht erfüllt. Auch in seiner E-Mail vom 21.03.2023 verweist er lediglich allgemein darauf, dass für andere – vergleichbare – Flächen Bodenrichtwerte ermittelt worden seien.
40Dies berechtigt den Antragsgegner nach teilweise vertretener Auffassung nicht ohne weiteres dazu, eine eigene Ableitung nach § 247 Abs. 3 BewG vorzunehmen. So wird für die – wortgleiche – Vorschrift des § 179 S. 4 BewG vertreten, dass die Befugnis zur Ableitung eines eigenen Bodenwertes den Finanzbehörden nur nachrangig zusteht, wenn der Gutachterausschuss – gegebenenfalls auf Nachfrage – mitteilt, dass die Ermittlung eines Bodenrichtwerts für eine bestimmte Fläche, etwa mangels verfügbarer Kaufpreise, nicht möglich ist (Halaczinsky in Rössler/Troll Bewertungsgesetz § 179 BewG Rn. 9, 12). Die Vorschrift diene nur dazu, sicherzustellen, dass eine flächendeckende Bewertung auch dann möglich ist, wenn der Gutachterausschuss ausnahmsweise nicht in der Lage ist, einen Bodenrichtwert zu ermitteln. Die Gesetzesbegründung zu § 247 Abs. 3 BewG verweist ausdrücklich auf § 179 S. 4 BewG (BT-Drucksache 19/11085 S. 110). Danach läge es nahe, nach dieser Auffassung auch für die Vorschrift des § 247 Abs. 3 BewG zunächst eine ergänzende Anfrage an den Gutachterausschuss zu verlangen. Nur wenn der Gutachterausschuss mitteilt, dass ein Bodenrichtwert nicht ermittelbar ist, dürfte die Finanzverwaltung im Wege der Schätzung eine eigene Ableitung des Bodenwerts i.S.v § 247 Abs. 3 BewG vornehmen. Dies ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Der Gutachterausschuss hat auf Anfrage des Antragstellers in seiner E-Mail vom 21.03.2023 vielmehr auf eine mögliche Heranziehung der Bodenrichtwerte für Grünlandflächen im Außenbereich – wie sie sich offenkundig im Süden der Wohnbebauung befinden – verwiesen.
41Nach anderer Auffassung ist der Bodenwert gemäß § 247 Abs. 3 BewG immer dann aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten, wenn – aus welchen Gründen auch immer – kein Bodenrichtwert ermittelt worden ist; auch auf eine mögliche Pflichtverletzung des Gutachterausschusses komme es nicht an (Schnitter in eKommentar Grundsteuergesetz § 247 BewG Rn. 20; Knittel in Stenger/Loose Bewertungsrecht § 247 BewG Rn. 163). Die Reservezuständigkeit der Finanzbehörde nach § 247 Abs. 3 BewG setze voraus, dass der Gutachterausschuss keinen Bodenrichtwert ermittelt habe. Die Vorschrift sei hingegen nicht einschlägig, wenn ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechender Bodenrichtwert für das zu bewertende Grundstück existiert, er von der Finanzbehörde allerdings für untauglich erachtet werde. Dies sei als Typisierungsfolge in Kauf zu nehmen. Anders verhalte es sich, wenn der vom Gutachterausschuss ermittelte Bodenrichtwert nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge. In diesem Fall liege ein bodenrichtwertloser Zustand vor, welcher die Finanzbehörde zur Schätzung berechtige. Ein Anwendungsfall des § 247 Abs. 3 BewG sei auch das Fehlen eines Bodenrichtwerts für einen bestimmten Entwicklungszustand, etwa auch dann, wenn ein Grundstück oder ein Grundstücksteil sich einer Bodenrichtwertzone befinde, auf den der Bodenrichtwert aufgrund eines abweichenden Entwicklungszustands gemäß § 15 Abs. 2 ImmowertV 2022 nicht anwendbar sei (Krumm/Paeßens Grundsteuergesetz § 247 BewG Rn. 31, 32).
42Nach dieser Auffassung wäre der Antragsgegner dem Grunde nach berechtigt, im Wege der Schätzung einen eigenen Bodenwert gemäß § 247 Abs. 3 BewG abzuleiten. Bei den hierfür anzustellenden Ermittlungen (dazu siehe unten) wäre jedoch nach Auffassung des Senats ebenfalls eine Anfrage zum Bodenwert an den Gutachterausschuss empfehlenswert.
43III. Die vom Antragsgegner vorgenommene eigene Ableitung eines Bodenrichtwerts ist nämlich in der Sache bisher nicht nachvollziehbar. Eine Grundlage oder eine Herleitung für die hierfür angewandte Formel hat der Antragsgegner nicht dargelegt.
44Gemäß § 247 Abs. 3 BewG ist der Wert des unbebauten Grundstücks aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten, wenn von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs kein Bodenrichtwert ermittelt wird.
45Im Anwendungsbereich § 247 Abs. 3 BewG muss sich die Finanzverwaltung mit den individuellen Aspekten des zu bewertenden Grundstücks auseinandersetzen. Ein vergleichbarer Ausschluss von bestehenden Abweichungen wie in § 247 Abs. 1 S. 2 BewG lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (Knittel in Stenger/Loose Bewertungsrecht § 247 BewG Rn. 165). Die Finanzverwaltung muss danach unter Berücksichtigung aller individuellen Besonderheiten des Grundstücks Ermittlungen anstellen, um anhand des Maßstabs des gemeinen Werts i.S.v. § 9 BewG einen angemessen Bodenwert zu schätzen. Möglich ist beispielsweise die Orientierung an vergleichbaren Bodenrichtwerten aus der Umgebung des Bewertungsgrundstücks (Knittel in Stenger/Loose Bewertungsrecht § 247 BewG Rn. 167), auch wenn sich die vergleichbaren Grundstücke in einer benachbarten Richtwertzone befinden sollten.
46Diesen Anforderungen wird die vom Antragsgegner für Aussetzungszwecke angestellte Schätzung nicht gerecht. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, woraus der Antragsgegner den Ansatz von 12,5% des Bodenrichtwerts für baureifes Land ableiten möchte. Eine entsprechende Grundlage hat er nicht angegeben. Sie lässt sich auch nicht aus den Anwendungserlassen zur Anwendung des Siebenen Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zur Bewertung des Grundbesitzes (allgemeiner Teil und Grundvermögen) für die Grundsteuer ab dem 01.01.2022 vom 09.11.2021 (Bundesteuerblatt – BStBl. – I 2021, 2334) ableiten.
47Der Senat macht deshalb von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung – auch für Aussetzungszwecke – zustehenden, eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch und setzt für die zu bewertende Einheit einen Grundsteuerwert i.H.v. 5.400 € an. Dies beruht auf einer Schätzung des Bodenwerts i.H.v. 10,50 € pro Quadratmeter (dies ergibt für 522 m² insgesamt 5.481 €) und der Abrundung auf volle 100 € gemäß § 230 BewG.
48Bei dieser Schätzung hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
49Es handelt sich bei der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit um eine sonstige Fläche i.S.v. § 3 Abs. 5 ImmowertV 2022. Der Ausweis einer solchen Fläche in einem Landschaftsschutzgebiet ist mit erheblichen Nutzungsbeschränkungen verbunden und steht einer Bauerwartung grundsätzlich entgegen. Bei Belegenheit einer solchen Fläche im Außenbereich soll aber die Einstufung als besondere land- oder forstwirtschaftliche Fläche möglich sein (Kleiber Marktwertermittlung nach ImmowertV § 3 ImmowertV 2022 Rn. 291). Für den Ansatz solcher Flächen verweist die Literatur darauf, dass die Gutachterausschüsse erfahrungsgemäß etwa den zwei- bis dreifachen, mitunter auch den vierfachen Betrag des Werts der reinen land- oder forstwirtschaftlichen Flächen heranziehen (Kleiber Marktwertermittlung nach ImmowertV § 3 ImmowertV 2022 Rn. 132). Handelt es sich um eine „sonstige Fläche“ in einer Bodenrichtwertzone für baureifes Land wird ebenfalls vorgeschlagen, im Wege der Pauschalierung das Dreifache des Bodenrichtwerts für Land- und Forstwirtschaft (Ackerland) anzusetzen (Eisele in Rössler/Troll § 247 BewG Rn. 23).
50Nach diesen Grundsätzen hält der Senat den Ansatz eines Bodenwertes von 10,50 € pro Quadratmeter für Aussetzungszwecke für angemessen. Grundlage für diese Schätzung ist der vom Gutachterausschuss in Bezug genommene Bodenwert von 3,50 € pro Quadratmeter für landwirtschaftliche Flächen mit der Nutzungsart Grünland, welche sich in einer umliegenden Bodenrichtwertzone südlich der wirtschaftlichen Einheit befinden sollen (siehe die E-Mail des Gutachterausschusses vom 21.03.2023 im Verwaltungsvorgang). Der Senat macht sich ferner die dargestellten Ansätze in der Literatur zur Verdreifachung dieses Werts für Aussetzungszwecke zu Eigen.
51Der Senat weist für das weitere Verwaltungsverfahren vorsorglich darauf hin, dass der Antragsgegner nicht berechtigt sein dürfte, vom Antragsteller ein Gutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts zu verlangen, sofern der Antragsteller den Bodenwert nach Maßgabe von § 247 Abs. 3 BewG geschätzt hat.
52B) Eine noch weitergehende Aussetzung der Vollziehung ist nicht deshalb zu gewähren, weil die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
53Eine derartige unbillige Härte liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO § 69 FGO Rn. 101 ff. mit Nachweisen der Rechtsprechung). Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass dem Antragsteller derartige Nachteile drohen.
54C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.