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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, einschließlich des Verfahrens 10 K 1333/22 F, trägt der Kläger.
Tatbestand
2Streitig ist, ob die Zinsen aus einem vom Kläger bei der I. (nachfolgend I.) unterhaltenen Lebensversicherungsvertrag steuerpflichtig sind.
3Mit Notarvertrag vom 0.00.2019 erwarb der Kläger für einen Kaufpreis von 2.980.000 € einen Hof in X., der teilweise vermietet war und dessen Vermietung der Kläger weiterhin beabsichtigte. Nach § 8 Nr. 4 des Notarvertrages übernahm er das für die Wohnung 2 im Obergeschoss rechts des Haupthauses bestehende Mietverhältnis. Nach § 1 des Kaufvertrags entfiel vom Kaufpreis ein Teilbetrag i.H.v. 103.450 € auf die in der Anlage zum Kaufvertrag näher bezeichneten und mitverkauften Gegenstände. Vom Kaufpreisanteil für die mitverkauften Gegenstände entfiel laut Anlage zum Notarvertrag, auf den im Übrigen verwiesen wird, ein Betrag i.H.v. 5.500 € auf Brennholz.
4Am 2.1.2020 unterzeichnete der Kläger den bereits am 17.12.2019 von der Bank AG unterzeichneten Darlehensvertrag über ein Darlehen i.H.v. 3.200.000 €.
5Mit Anzeige vom 7.1.2020 teilte die Bank dem Beklagten mit, dass die Ansprüche aus dem bei der I. bestehenden Versicherungsvertrag des Klägers mit Versicherungsbeginn am 1.12.2002 (Versicherungsnummer N01) und einem Auszahlungsbetrag i.H.v. 2.980.000 € in voller Höhe zur Darlehenstilgung dienen.
6Das Darlehen hatte einen Nettodarlehensbetrag i.H.v. 3.200.000 € und wurde in drei Tranchen ausgezahlt. Am 2.1.2020 zahlte die Bank den Kaufpreis i.H.v. 2.980.000 € unmittelbar vom Darlehenskonto an den Verkäufer des Grundstücks.
7Am 16.1.2020 zahlte die Bank in einer zweiten Tranche einen Betrag i.H.v. 28.000 € vom Darlehenskonto auf das Girokonto des Klägers mit der Kontonummer N02 (nachfolgend nur „Immobiliengirokonto“) aus. Vom Immobiliengirokonto beglich der Kläger am 17.1.2020 die Gerichtskosten i.H.v. 1.425 € sowie i.H.v. 3.985 €, jeweils für die Eintragung eines Grundpfandrechts. Weiterhin beglich er ebenfalls am 17.1.2020 die Kostenrechnung des Notars L. für die Beurkundung der Eintragung der Grundpfandrechte i.H.v. insgesamt 7.010,59 € und die Kostenrechnung des Notars L. für die Beurkundung des Grundstückkaufvertrags i.H.v. 15.078,55 €. Am 17.1.2020 verblieb auf dem Immobiliengirokonto ein Kontostand vom 500,86 €.
8Am 21.01.2020 beglich der Kläger von diesem Konto eine Heizölrechnung i.H.v. 1.643,88 € und die Gebäudeversicherung i.H.v. 3.399,73 €. Ebenfalls am 21.1.2020 zahlte er von einem anderen Konto einen Betrag i.H.v. 6.000 € auf das Immobiliengirokonto ein. Am 21.1.2020 betrug der Kontostand mithin 1.457,25 €. Dieser Betrag erhöhte sich am 28.1.2020 um eine Erstattung für Energie und Wasser i.H.v. 122 €, so dass sich der Kontostand am 28.1.2020 auf 1.579,25 € belief.
9Am 29.1.2020 zahlte die Bank die dritte Tranche i.H.v. 192.000 € auf das Immobiliengirokonto aus. Am gleichen Tag beglich der Kläger die Grunderwerbsteuer i.H.v. 186.975 €. Am 29.1.2020 betrug der Kontostand mithin 6.604,25 €.
10Hiervon beglich der Kläger am 30.1.2020 Darlehenszinsen für das Darlehen i.H.v. 2.980,70 € und am 31.1.2020 i.H.v. 6,83 €. Danach verblieb auf dem Immobiliengirokonto am 31.1.2020 ein Kontostand von 3.616,72 €.
11Unter Bezugnahme auf die Anzeige nach § 29 Abs. 1 EStDV vom 7.1.2020 bat der Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2020 um weitergehende Angaben zur Überprüfung der Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen.
12Da dieses Schreiben unbeantwortet blieb, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9.2.2021, zugestellt am 12.2.2021, fest, dass die Zinsen aus dem Versicherungsvertrag des Klägers bei der I. mit der Versicherungsnummer N01 insgesamt einkommensteuerpflichtig sind.
13Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 8.3.2021.
14Er teilte mit, dass die gesamten Anschaffungskosten für das erworbene Grundstück 3.173.700 € betragen hätten. Aus dem erworbenen Grundstück erziele er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
15Mit Schreiben vom 2.6.2021 vertrat er die Ansicht, dass die Investitionskosten für den Kaufpreis und die Nebenkosten bei 3.201.921,64 € gelegen hätten. Diesen Betrag ermittelte er wie folgt:
16Bezeichnung |
Betrag |
Kaufpreis |
2.980.000 € |
Grunderwerbsteuer |
186.975 € |
Amtsgericht F. (Eintragung Grundpfandrecht) |
3.985 € |
Amtsgericht F. |
4.970 € |
Amtsgericht F. |
2.477,50 € |
Amtsgericht C. (Eintragung Grundpfandrecht) |
1.425 € |
Notar L. (Eintragungen Grundpfandrecht, Urkunde N03, Urkunde N04) |
7.010,59 € |
Notar L. |
15.078,55 € |
Summe |
3.201.921,64 € |
Im Einspruchsverfahren vertrat der Beklagte mit Schreiben vom 10.6.2021 die Ansicht, dass die Anschaffungskosten der erworbenen Immobilie lediglich 3.189.501,05 € betragen hätten. Der Auszahlungsbetrag i.H.v. 3.200.000 € übersteige die Anschaffungskosten folglich um 10.489,95 €. Die vom Kläger getragenen Aufwendungen für den Notar für die Eintragung der Grundpfandrechte i.H.v. 7.010,59 € sowie für die Gerichtsgebühren für die Eintragung der Grundpfandrechte i.H.v. insgesamt 5.410 € (= 3.985 € + 1.425 €), insgesamt 12.490,59 €, gehörten nicht zu den Anschaffungskosten.
18Die Finanzierung derartiger Aufwendungen sei schädlich, da sie zwar einmalig, aber nicht banküblich seien (BMF-Schreiben vom 15.06.2000, IV C 4-S 2221-86/00, BStBl. I 2000, 1118). Da die nicht begünstigten Aufwendungen den Betrag von 2.556 € überstiegen, sei die Finanzierung dieser Aufwendungen schädlich. Das Darlehen diene nicht ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungskosten. Da die Voraussetzung der Ausschließlichkeit nicht gegeben sei, greife die Ausnahmereglung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. nicht.
19Mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2021 wies der Beklagte den Einspruch unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 10.6.2021 als unbegründet zurück. Diese Einspruchsentscheidung gab der Beklagte mit einfachem Brief zur Post.
20Am 23.2.2022 wandte sich der Kläger an den Beklagten und teilte mit, dass er eine Nachricht von seiner Versicherung erhalten habe. Ihm sei kein entsprechender Bescheid bekannt.
21Mit Schreiben vom 24.2.2022 teilte der Beklagte mit, dass das Einspruchsverfahren durch Einspruchsentscheidung vom 29.11.2021 abgeschlossen worden sei.
22Am 11.3.2022 hat der Kläger Klage erhoben.
23Er macht geltend, dass ihm die Einspruchsentscheidung vom 29.11.2021 nicht bekannt gegeben worden sei.
24Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11.5.2022, zugestellt am 14.5.2022, den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
25Gegen die Einspruchsentscheidung vom 11.5.2022 hat der Kläger am 14.6.2022 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 10 K 1333/22 F geführt wurde. Mit Beschluss vom 19.7.2022 hat der Senat die Klage unter dem Aktenzeichen 10 K 1333/22 F mit dem hiesigen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem hiesigen Aktenzeichen fortgeführt.
26Der Kläger macht geltend, dass die Anschaffungskosten der Immobilie 3.189.501,05 € betragen hätten. In der erworbenen Immobilie habe sich jedoch auch eine noch im Rohbau befindliche Wohnung befunden. Die Aufwendungen für die Herstellung der Wohneinheit, um diese in einen vermietungsbereiten Zustand zu versetzen, beliefen sich auf ein geschätztes Volumen von ca. 150.000 € bis 200.000 €. Die Aufwendungen stellten Anschaffungskosten der Immobilie dar und seien somit zu den bisherigen Anschaffungskosten hinzuzurechnen. Mit den Baumaßnahmen sei erst im Sommer/Herbst 2022 begonnen worden. Insoweit legte der Kläger eine Architektenrechnung über 11.602,50 € für den Ausbau der Wohnung vor, welche er am 2.12.2022 beglich. Demzufolge lägen die Anschaffungskosten über der Finanzierungssumme von 3.200.000 €.
27Der Kläger beantragt,
28den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 9.2.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.5.2022 aufzuheben.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Er ist der Ansicht, dass die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (Vertrag N01, I.) zu Recht festgestellt worden sei.
32Eine Steuerfreiheit komme grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der ausgezahlte Darlehensbetrag die Anschaffungskosten der Immobilie nicht bzw. nur geringfügig übersteige. Die Geringfügigkeitsgrenze betrage 2.556 € (BMF-Schreiben vom 15.06.2000, IV C 4-S 2221-86/00, BStBl I 2000, 1118). Die Anschaffungskosten hätten 3.189.501,05 € betragen. Der Auszahlungsbetrag des Darlehens habe 3.200.000 € betragen und habe die Anschaffungskosten damit um 10.489,95 € überschritten. Die Notargebühren und Gerichtsgebühren zur Eintragung der Grundschuld in Höhe von insgesamt 12.490,59 € gehörten nicht zu den Anschaffungsnebenkosten. Nach der Rz. 15 des BMF-Schreibens vom 15.6.2000 (IV C 4-S 2221-86/00, BStBl. I 2000, 1118) sei die Finanzierung dieser Aufwendungen schädlich. Das Darlehen sei damit nicht ausschließlich zur Finanzierung von Anschaffungskosten verwendet worden, sondern habe auch der Finanzierung nicht begünstigter Aufwendungen von mehr als 2.556 € gedient. Die Ausnahmeregelegung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. sei daher insgesamt nicht erfüllt. Die Voraussetzung der „Ausschließlichkeit“ sei hier nicht gegeben. Etwaige nachträgliche Anschaffungskosten seien nicht maßgeblich. Vielmehr sei das Darlehen bereits auch für die Finanzierung der o.g. Nebenkosten verwendet worden, was zu einer Steuerschädlichkeit geführt habe.
33Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35Die zulässige Klage ist unbegründet.
36I. Das nach § 44 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Vorverfahren ist erfolglos geblieben.
37Zwar gilt § 122 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auch für das Wirksamwerden einer Einspruchsentscheidung im Sinne von § 366 AO (§ 365 Abs. 1 AO). Deshalb treten die Rechtsfolgen der Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung nicht ein, wenn dieselbe nicht ordnungsgemäß in den Machtbereich ihres Adressaten gelangt. Es ist jedoch zwischen der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage und den Folgen von Bekanntgabemängeln einer Einspruchsentscheidung zu unterscheiden. Dem Kläger darf nicht das Risiko eines rechtsunwirksam abgeschlossenen Vorverfahrens aufgebürdet werden. § 44 Abs. 1 FGO verlangt nur, dass das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Sinn der Vorschrift ist es, der Verwaltung Gelegenheit zu geben, im Interesse der Steuerpflichtigen und im eigenen Interesse (Selbstkontrolle) die Sach- und Rechtslage erneut zu überprüfen. Die Finanzgerichte sollen nicht mit unzureichend vorbereiteten Verfahren belastet werden. Tatsächlich ist das Vorverfahren jedoch abgeschlossen, wenn das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung anfertigt, dieselbe unterschreibt und zwecks Bekanntgabe an den Adressaten zur Post gibt. § 44 Abs.1 FGO verlangt nur den Abschluss eines Prozesses, der sich innerhalb der Verwaltung vollzieht, jedoch keine mängelfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Zwar können Mängel in der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung es verhindern, dass die Frist für die Klageerhebung in Lauf gesetzt wird. Nach dem Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 FGO ist jedoch eine trotz mangelhafter Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erhobene Klage zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 111/94, BFH/NV 1996, 554). Vorliegend hat der Beklagte das Vorverfahren durch die Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post abgeschlossen.
38Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden.
39Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung). Hier ist dem Kläger die Einspruchsentscheidung jedenfalls nicht nachweisbar vor Klageerhebung bekannt gegeben worden. Der Kläger hat am 11.3.2022, mithin innerhalb eines Monats, seitdem er vom angeblichen Erlass einer Einspruchsentscheidung mit Schreiben des Beklagten vom 24.2.2022 erfahren hatte, Klage erhoben.
40II. Die Klage ist unbegründet.
41Der Bescheid vom 9.2.2021 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.5.2022 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
42Zutreffend hat der Beklagte festgestellt, dass die Zinsen aus dem Versicherungsvertrag (N01) insgesamt steuerpflichtig sind.
431. a) Gemäß § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 AO i.V.m. der im Streitzeitpunkt maßgeblichen Fassung des § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18.7.2016 (BGBl. I S. 1722), stellt das für die Besteuerung des Einkommens des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder den Todesfall enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) gesondert fest, wenn
44(1.) die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind und
45(2.) nicht die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder Buchst. b EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsbeiträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen die Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung nicht abgezogen werden können.
46b) Nach § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG ist für Leistungen aus Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, soweit die Kapitalauszahlung gewählt wird, sowie aus Kapitalversicherungen mit Sparanteil, wenn die Leistungen auf einem vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Versicherungsvertrag beruhen, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung, auch in allen offenen Fällen, mit der Maßgabe weiterhin anzuwenden, dass in Satz 3 die Wörter „§ 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Satz 5“ durch die Wörter „§ 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Satz 6“ ersetzt werden.
47c) Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsschluss ausgezahlt werden. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 allerdings nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder Buchst. b EStG 2004 erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG 2004 abgezogen werden können (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 2018 VIII R 3/15, BStBl. II 2019, 235).
48d) Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 können Beiträge zu Versicherungen im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb, cc und dd nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus Versicherungsverträgen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, es sei denn, das Darlehen dient unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen übersteigen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten; dabei ist es unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 2.556 Euro nicht erfüllt sind.
49e) Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen; zu den Anschaffungskosten gehören nach Satz 2 der Vorschrift auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04, BFH/NV 2006, 288).
502. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der streitigen Versicherung liegen im Streitfall nicht vor. Der Lebensversicherungsvertrag des Klägers diente der Sicherung eines Darlehens, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind. Eine Rückausnahme von der Steuerpflicht liegt nicht vor, da das Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts diente, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist. Die Bagatellgrenze von 2.556 € nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 ist überschritten.
51a) Die im Streitfall abgeschlossene Lebensversicherung des Klägers ist zwar unstreitig eine Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Das auf sie aufgenommene Policendarlehen steht dem Abzug der Versicherungsprämien als Sonderausgaben aber entgegen, weil die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Sicherung eines Darlehens dienten, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind und nicht – wie von § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG vorausgesetzt – der Sicherung eines Darlehens dient, das selbst "unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines dauernd zur Einkünfteerzielung bestimmten Wirtschaftsgutes dienen" (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 VIII R 49/09, BStBl. II 2014, 156 m.w.N.).
52b) Die Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag wurden steuerschädlich zur Sicherung eines Darlehens verwendet, dessen Finanzierungskosten zu Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören.
53aa) Der Kläger hat von dem Darlehensbetrag u.a. den Hof erworben und – wie von ihm beabsichtigt – diesen vermietet und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Soweit das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Hof verwendet worden ist, gehören die auf diesen Darlehensteil entfallenden Zinsaufwendungen als Finanzierungskosten zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
54bb) Ferner hat er das Darlehen zur Finanzierung von Geldbeschaffungskosten (Gerichtskosten für Grundschuldeintragungen i.H.v. 3.985 € und i.H.v. 1.425 € und Notarkosten für die Beurkundung der Grundpfandrechte i.H.v. 7.010,59 €) verwendet. Soweit diese Geldbeschaffungskosten in Zusammenhang mit der Darlehensverwendung für die Anschaffung der vermieteten Immobilie stehen, sind diese als Werbungskosten sofort abzugsfähig. Soweit das Darlehen für Geldbeschaffungskosten verwendet worden ist, gehören die beim Darlehen anfallenden Zinsaufwendungen als Finanzierungsaufwendungen insoweit zu den Werbungskosten, als das Darlehen für die Anschaffung eines zur Einkunftserzielung genutzten Wirtschaftsguts verwendet wurde.
55cc) Soweit das Darlehen für die Anschaffung der im Notarvertrag „mitverkauften Gegenstände“ verwendet wurde, ist nicht erkennbar, dass diese Gegenstände im Rahmen der Einkunftserzielung verwendet worden sein könnten. Die insoweit beim Darlehen anfallenden Zinsaufwendungen sind keine als Werbungskosten abzugsfähigen Finanzierungsaufwendungen. Hinsichtlich dieser „miterworbenen Gegenstände“ sind diese nicht in Zusammenhang mit einer Einkunftsart verwendet worden. Insoweit liegt keine schädliche Verwendung der Darlehensmittel vor.
56c) Eine Rückausnahme zur steuerschädlichen Darlehensverwendung liegt nicht vor, da das vom Kläger aufgenommene Darlehen nicht ausschließlich zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist, verwendet wurde (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) EStG 2004).
57Damit greift die Rückausnahme nicht, da das schädlich verwendete Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes diente, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist.
58aa) Das Darlehen wurde steuerschädlich zur Finanzierung von Geldbeschaffungskosten in Gestalt von Gerichtskosten für die Eintragung der Grundpfandrechte i.H.v. 1.425 € und i.H.v. 3.985 € und Honoraren für den Notar zur Beurkundung der Eintragung der Grundpfandreichte i.H.v. 7.010,59 € verwendet. Geldbeschaffungskosten gehören nicht zu den Anschaffungskosten des Grundstücks (vgl. BFH-Urteil vom 12. April 2021 VIII R 6/18, BStBl. II 2021, 764 (Bereitstellungszinsen sind Nebenkosten der Darlehensaufnahme); vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04, BFH/NV 2006, 288 (einmalige Finanzierungskosten)). Diese Aufwendungen macht der Steuerpflichtige, um sich die Mittel zur Bezahlung des angeschafften Wirtschaftsguts zu beschaffen; ihr unmittelbarer Zweck ist die Bereitstellung von Kapital. Sie stellen Anschaffungsaufwand für das Darlehen dar, nicht aber für das mit dem Darlehen erworbene Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 1968 VI R 6/67, BStBl. II 1968, 574).
59bb) Das Darlehen wurde außerdem teilweise zur Anschaffung eines Wirtschaftsguts verwendet, das nicht dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist. Vom notariell beurkundeten Kaufpreis i.H.v. von 2.980.000 €, den der Kläger am 2.1.2020 vom Darlehenskonto unmittelbar an den Verkäufer des Grundstücks überweisen ließ, entfiel ein Betrag i.H.v. 103.450 € auf die in der Anlage zum Notarvertrag aufgeführten mitverkauften Gegenstände. Danach entfiel nach der Anlage zum Notarvertrag auf das Brennholz als „mitverkauften Gegenstand“ ein Betrag i.H.v. 5.500 €. Das Brennholz ist jedoch strukturell kein Wirtschaftsgut, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist. Insoweit mag aus dessen eventuellem Verkauf einmalig ein Erlös erzielt werden: Dies genügt jedoch nicht dem Erfordernis einer dauerhaften, mithin auf Wiederholung angelegten, Einkunftserzielung. Insoweit ist unbeachtlich, dass das angeschaffte Brennholz nicht steuerschädlich verwendet wurde. Die Rückausnahme ist nur dann erfüllt, wenn das Darlehen unmittelbar und ausschließlich für die Anschaffung eines Wirtschaftsgutes verwendet wurde, das dauernd der Erzielung von Einkünften bestimmt ist.
60cc) Der Kläger hat für die Geldbeschaffungskosten insgesamt 12.420,59 € aufgewendet und damit die Bagatellgrenze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 von 2.556 € überschritten.
61dd) Soweit der Kläger dargelegt und nachgewiesen hat, dass ihm für den Ausbau der noch im Rohbau befindlichen Wohnung Aufwendungen für einen Architekten entstanden sind, ist dies unerheblich. Der Kläger hat den Ausgleich dieser Forderungen jedenfalls nicht mit Darlehensmitteln finanziert. Diese waren bereits nach Auszahlung der Darlehensbeträge auf dem Immobiliengirokonto durch andere Aufwendungen, die nicht zu Anschaffungskosten eines begünstigten Wirtschaftsguts führen, verbraucht. Insoweit diente das Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungskosten.
62ee) Es ist unbeachtlich, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nur im Umfang von 2.980.000 € und damit nur teilweise zur Sicherung des Darlehens i.H.v. 3.200.000 € abgetreten wurden und in diesem Umfang ohne jede Einschränkung der Finanzierung der Anschaffungskosten dienten. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG setzt die uneingeschränkte unmittelbare und ausschließliche Verwendung des (Gesamt-) Darlehens zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten voraus (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 VIII R 49/09, BStBl. II 2014, 156).
633. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich eine Aufteilung in einen steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil des Darlehens ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 VIII R 49/09, BStBl. II 2014, 156 m.w.N.). Auch für eine zeitliche Aufteilung dergestalt, dass Zinsen insoweit nicht einkommensteuerpflichtig sind, als sie auf Zeiträume entfallen, in denen die Versicherung nicht steuerschädlich verwendet wurde, bietet das Gesetz keinen Anhalt (vgl. Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 20 Rz. 157: „Die Besteuerung erfasst grundsätzlich auch bei nur anteiligem oder zeitweisem Einsatz für schädliche Zwecke die für die gesamte Vertragsdauer gutgeschriebenen Zinserträge“). Insoweit sieht das Gesetz lediglich eine partielle Steuerpflicht von Zinsen im – hier nicht vorliegenden – Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c EStG a.F. vor (vgl. Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 20 Rz. 157; Kulosa: in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rz. 198 [Nov. 2013]).
644. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.