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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) beendet wurde.
3Die Klägerin, die ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.4. bis zum 31.3. des Folgejahres hat, ist Teil der Y. Gruppe. Diese ist ein europaweit operierendes Handelsunternehmen ... Anteilseignerin der Klägerin zu 100% war in dem hier relevanten Zeitraum die noch als Y. firmierende Beigeladene (nunmehr firmierend als A.). Die Klägerin selbst hielt wiederum Beteiligungen an – über Ergebnisabführungsverträge verbundenen – weiteren Gesellschaften, die Spezialprodukte aus den Bereichen Reinigung ... vertrieben; innerhalb des Konzerns waren die Klägerin und die von ihr gehaltenen Gesellschaften für den Bereich Spezialchemie zuständig.
4Mit Datum vom 00.00.2017 schloss die Klägerin als Organgesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag mit der Beigeladenen als Organträgerin (Eintragung im Handelsregister am 00.00.2017) und begründete hierdurch eine ertragsteuerliche Organschaft, die erstmals ab dem Wirtschaftsjahr 1.4.2016 bis 31.3.2017 Wirksamkeit erlangte. Der Gewinnabführungsvertrag sieht in § 4 Abs. 1 ein ordentliches Kündigungsrecht nach Ablauf der Mindestlaufzeit von fünf Jahren und in § 4 Abs. 2 ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vor; auf den weiteren Inhalt des Vertrags (Vertragsakte) wird Bezug genommen. Dieser Gewinnabführungsvertrag wurde einvernehmlich mit Datum und Wirkung zum 31.3.2020 und damit zum Ende des Geschäftsjahres 2019/2020 aufgehoben (vgl. Aufhebungsvereinbarung, Bl. 15 der Beiakte, und Beschluss der Gesellschafterversammlung, Vertragsakte).
5Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2020 den bisherigen Bescheid für 2017 vom 7.1.2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung auf, da die Voraussetzungen für ein Organschaftsverhältnis im Wirtschaftsjahr 1.4.2016 bis 31.3.2017 nicht vorlägen.
6Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass die Aufhebung des Vertrags vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und des am 16.3.2020 beschlossenen erstmaligen bundesweiten „Lockdowns“ aus wichtigem Grund erfolgt sei. Dadurch hätten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert, da es zu erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und Wirtschaftslebens gekommen sei. Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags seien der weitere Verlauf der Pandemie und der Einschränkungen nicht absehbar gewesen. Experten seien von einer deutlichen Schrumpfung der Wirtschaft und einer Rezession ausgegangen. Auch konkret für die Klägerin seien die Prognosen in den letzten Märztagen 2020 immer negativer geworden, so dass wahrscheinlich gewesen sei, dass die Beigeladene aufgrund drohender Verluste erheblich in Anspruch genommen werden würde. Zwar habe die wirtschaftliche Lage der Klägerin nicht als existenzgefährdet und höchstens in Insolvenznähe bezeichnet werden können, aufgrund der drohenden erheblichen Verluste sei jedoch eine weitere Verlustübernahme durch die Beigeladene als unbillig und im Zweifel existenzbedrohend für den Konzern zu erachten gewesen (vgl. Schreiben vom 27.1.2021), zumal der Geschäftsbereich der Klägerin sich bereits vor Eintritt der Pandemie in wirtschaftlich schwieriger Situation befunden habe. Die Kapitalrücklage der Klägerin von ... EUR habe dabei gem. § 302 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) nicht zum Verlustausgleich zur Verfügung gestanden, da diese vor Bestehen der Organschaft gebildet worden sei. Auf Grundlage der bei Vertragsaufhebung verfügbaren Tatsachen sei es daher eine vernünftige kaufmännische Entscheidung gewesen, den Gewinnabführungsvertrag aufzuheben, um den Fortbestand des Gesamtkonzerns sicherzustellen. Der Vorstand der Beigeladenen habe dabei die Pflicht gehabt, nicht zuletzt zur Vermeidung einer persönlichen Inanspruchnahme durch die Gesellschaft oder deren Gesellschafter, einen Schaden von der Y. Gruppe fernzuhalten. Dabei habe ein hoher zeitlicher Druck bestanden, da eine Aufhebung des Vertrags statt einer Kündigung bevorzugt worden sei und diese nur zum 31.3.2020 möglich gewesen wäre. So seien weitere Verlustausgleichsansprüche nach dem 31.3.2020 und ein Reputationsschaden vermieden worden, da eine außerordentliche Kündigung in das Handelsregister eingetragen und dadurch die fehlende Einigkeit zwischen den Parteien öffentlich geworden wäre. Zivilrechtlich sei die Aufhebung des Vertrages zulässig gewesen, wie das Gutachten der Kanzlei Q. vom 31.3.2020, auf dessen Inhalt verwiesen wird, zeige. Auch der Gesetzgeber habe auf die Pandemie mit gravierenden Eingriffen in bestehende Schuldverhältnisse z. B. durch den Ausschluss von Kündigungsrechten und die gesetzliche Stundung von Mietzahlungen reagiert.
7Das Einspruchsverfahren blieb ohne Änderung (Einspruchsentscheidung vom 11.11.2022).
8Ihre dagegen erhobene Klage vom 29.11.2022 begründet die Klägerin ergänzend wie folgt: Zu Beginn des Geschäftsjahres 2019/2020 – also ein Jahr vor Beginn des pandemiebedingten „Lockdowns“ – habe die Klägerin ein EBT (Earnings before taxes) von 1,9 Mio. EUR erwartet. Am 19.3.2020 sei dem Aufsichtsrat der Beigeladenen für die Klägerin unter Berücksichtigung der bis dahin bekannten Corona-Maßnahmen ein negatives EBT für das folgende Geschäftsjahr 2020/2021 von 2,7 Mio. EUR prognostiziert worden. Für das nächste Geschäftsjahr sollte sich ein EBT von –0,3 Mio. EUR und für das übernächste von 0,7 Mio. EUR ergeben. Ende März 2020 sei für das folgende Geschäftsjahr für die gesamte Y.-Gruppe ein Umsatzeinbruch von 43% im Vergleich zum Vorjahr allein für das erste Quartal und ein EBT-Einbruch von 302,6% prognostiziert worden. In einem Worst-Case-Szenario sei für das erste Quartal sogar ein negatives EBT von 20 Mio. EUR erwartet und für das gesamte Geschäftsjahr 2020/2021 mit einem negativen EBT von bis zu 17 Mio. EUR gerechnet worden.
9Ein steuerlich anzuerkennender Kündigungsgrund liege insbesondere bei einer Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor. Dabei wende die Rechtsprechung die für alle Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsätze des § 313 Abs. 1 und Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß auf Ergebnisabführungsverträge an. Hier habe sich aufgrund der Pandemie und der daraus resultierenden prognostizierten Umsatzeinbrüche und völlig unklaren gesamtwirtschaftlichen Lage die sog. große Geschäftsgrundlage gravierend geändert. Maßgebend sei dabei die ex-ante-Sicht im Zeitpunkt der Vertragsaufhebung, so dass die später aufgrund der Pandemie erzielten Ergebnisse für die Beurteilung unbeachtlich seien. Das aus der Pandemie resultierende Risiko könne keinem der Vertragsparteien zugewiesen werden; vielmehr handele es sich um ein allgemeines Lebensrisiko. In einem solchen Fall sei das Kriterium der „Unzumutbarkeit“ für die Beurteilung nicht maßgeblich. Ein Festhalten am Vertrag sei für die Vertragsparteien aber auch nicht zumutbar, da diese bei Kenntnis der Pandemie den Vertrag seinerzeit nicht geschlossen hätten. Entgegen der Ansicht des Beklagten könnten dabei finanzielle Vorteile aufgrund von staatlichen Corona-Hilfen nicht berücksichtigt werden, da insbesondere die Überbrückungshilfen I – IV noch unbekannt gewesen seien. Dazu sei nur in einer Pressemitteilung vom 29.3.2020 die Gewährung der Corona-Bundes-Soforthilfe bekannt gegeben worden. Auf die NRW-Soforthilfe habe die Klägerin aufgrund der Zahl ihrer Beschäftigten keinen Anspruch gehabt. Die Frage der Existenzbedrohung sei für die Beurteilung der Unzumutbarkeit irrelevant, da dies weder etwas an der Risikoallokation noch an der Vorhersehbarkeit oder Zurechenbarkeit der Störung ändere. Vielmehr sei die Pandemie ein selbstständiger Kündigungsgrund, der neben denjenigen der „Existenzbedrohung“ trete. Auch bei der als wichtiger Grund anerkannten gravierenden Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen sei eine Existenzbedrohung keine weitere Voraussetzung für die Annahme eines steuerlich wichtigen Grundes. Die Klägerin habe in dieser beispiellosen Situation und aufgrund der gravierenden Änderungen auch nicht abwarten müssen, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter veränderten. Schließlich sei die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch so gravierend gewesen, dass diese und nicht etwa eine willkürliche Verkürzung der steuerlichen Mindestvertragslaufzeit des Gewinnabführungsvertrags das vorherrschende Motiv für dessen Aufhebung gewesen sei.
10In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage ausgeführt, dass für die Beigeladene im Streitjahr ein weiterer Ergebnisabführungsvertrag bestanden habe, der – wie auch die Ergebnisabführungsverträge zwischen der Klägerin als Organträgerin und den mit dieser verbundenen Organgesellschaften – nicht beendet worden sei. Seit dem Wirtschaftsjahr 2023/2024 bestehe wieder ein Ergebnisabführungsvertrag der Klägerin mit der Y. Group.
11Die Klägerin beantragt,
12die Einspruchsentscheidung vom 11.11.2022 und den Bescheid über die Aufhebung der gesonderten und einheitlichen Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für das Jahr 2017 vom 29.12.2020 aufzuheben.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er ist der Ansicht, dass die erwarteten wirtschaftlichen Folgen aufgrund der Corona-Pandemie keinen wichtigen Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 begründeten. Der Hinweis auf die konjunkturelle Entwicklung genüge nicht, um eine Existenzgefährdung des Organträgers aufzuzeigen, da – auch ausweislich des Gutachtens der Kanzlei Q. – zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Bedrohung der Lebensfähigkeit des Gesamtkonzerns bestanden habe. Vielmehr habe die Klägerin sich bereits zuvor in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befunden. Auch sei der 31.3.2020 als Zeitpunkt der Vertragsaufhebung für eine vernünftige kaufmännische Entscheidung verfrüht gewesen, da auch positive Aspekte zu berücksichtigen seien: Die Spezialchemie habe nicht zu den von der Pandemie schwerer betroffenen Bereichen gehört, zumal sich die Kundenbedürfnisse hinsichtlich ... deutlich erhöht hätten. Es sei unwahrscheinlich, dass die Klägerin diese Chance überhaupt nicht gesehen habe, in einer Pressemitteilung ... vom 00.00.2021 heiße es dazu, ... dadurch sei der Umsatz im vergangenen Jahr … gewachsen.
16Auch habe der Gesetzgeber eine Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen wie etwa die ab 27.3.2020 beantragbare NRW-Soforthilfe 2020 auf den Weg gebracht. Die Zivilgerichte hätten nur unter bestimmten Voraussetzungen die Corona-Pandemie als schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage qualifiziert, z. B. bei der Kündigung eines Gewerbemietvertrags bei einer behördlich angeordneten Betriebsschließung; dies gelte aber nicht bei bloßen Umsatzrückgängen, bei der eine etwaige Verlustentstehung gerade in den vertraglich vereinbarten Risikobereich der Organträgerin falle.
17Die Beigeladene, die zur mündlichen Verhandlung keinen Vertreter entsendet hat, hat keinen Antrag gestellt.
18Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Der Senat konnte im Termin vom 20.11.2024 auch ohne Anwesenheit eines Vertreters der Beigeladenen entscheiden. In der Ladungsverfügung wurde auf § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen und mitgeteilt, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann.
21Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
22I. Die Klage ist zulässig.
231. Die Klägerin hat zutreffend gegen den Feststellungsbescheid nach § 14 Abs. 5 KStG Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Variante 1 FGO) erhoben. Denn die Klägerin begehrt nicht den erstmaligen Erlass eines positiven Feststellungsbescheids nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG, sondern die Aufhebung eines negativen Feststellungsbescheids, mit dem der Beklagte den ursprünglich positiven Feststellungsbescheid aufgehoben hatte. Unter diesen Umständen ist eine Anfechtungsklage zulässig (Bundesfinanzhof –BFH–, Urteil vom 9.8.2023 I R 50/20, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2024, 131 m. w. N.). Der Senat folgt dabei der Auffassung, dass in der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG neben der Einkommenszurechnung auch über das Bestehen einer Organschaft als solches, als Grund der Einkommenszurechnung, entschieden wird (vgl. dazu Finanzgericht –FG– Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2020 6 K 3291/19 F, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2021, 228 m. w. N.). Dies muss aus Sicht des Senats erst recht gelten, wenn – wie vorliegend – zunächst ein positiver Bescheid gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG vorlag, der durch einen folgenden Bescheid aufgehoben wird, weil aus Sicht des Finanzamtes die Voraussetzungen einer Organschaft nach §§ 14 ff. KStG nicht gegeben sind (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2020 6 K 3291/19 F, EFG 2021, 228).
242. Die Klägerin ist nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt. Sowohl Organträgerin als auch Organgesellschaft sind Feststellungsbeteiligte des Verfahrens nach § 14 Abs. 5 KStG, die von der Bindungswirkung der gesonderten und einheitlichen Feststellung betroffen sind; als solche sind sie klagebefugt. Die Rechtsprechung hat dies (auch) für die Organgesellschaft ausdrücklich erkannt (BFH-Urteil vom 18.8.2021 XI R 43/20, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2022, 418), insbesondere auch für den hier vorliegenden Fall, dass sich die Klage gegen einen negativen Feststellungsbescheid richtet, der zur Folge hat, dass die Organgesellschaft ihr Einkommen selbst versteuern muss. Unter diesen Umständen liegt in jedem Fall eine Beschwer der Organgesellschaft vor (BFH-Urteil vom 9.8.2023 I R 50/20, BStBl II 2024, 131). Die nicht klagende Organträgerin war zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 60 FGO Rn. 74).
25II. Die Klage ist unbegründet.
26Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den ursprünglich positiven Feststellungsbescheid zu Recht aufgehoben, da die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft im Streitjahr nicht vorlagen.
271. Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Sofern sich – wie im Streitfall – eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens (und damit auch eine inländische GmbH wie die Klägerin) wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen, so gelten nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend. Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 9.8.2023 I R 50/20, BStBl II 2024, 131).
282. Allein streitig zwischen den Beteiligten ist vorliegend die Frage, ob der Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG aufgehoben wurde und die Durchführung des Gewinnabführungsvertrags für weniger als fünf Jahre damit unschädlich ist.
29a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG muss der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG). Die Kündigung oder Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft wirkt gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs zurück.
30Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin und die Beigeladene den Vertrag – anstatt ihn zu kündigen – einvernehmlich aufgehoben haben. Denn zwar spricht § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ausdrücklich nur von „Kündigung“, nach Auffassung des Senats ist davon aber auch der Fall einer Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags erfasst (vgl. etwa FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2011 12 K 12078/08, EFG 2012, 443; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2 Aufl. 2023, § 14 Rn. 336; Rode in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 14 KStG Rn. 161; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG Rn. 212; R 14.5 Abs. 6 Satz 1 KStR). Der Senat schließt sich dieser Ansicht insbesondere aufgrund der ausdrücklichen Erwähnung der Aufhebung eines Gewinnaufhebungsvertrags in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG an. Unerheblich ist nach Auffassung des Senats auch, dass im Aufhebungsvertrag keine Begründung für die Aufhebung enthalten ist, also aus diesem selbst nicht ersichtlich ist, ob die am Aufhebungsvertrag Beteiligten einen wichtigen Grund als Anlass für die Aufhebungsvereinbarung angenommen haben. Denn dies ergibt sich aus den Umständen, insbesondere aus dem ebenfalls auf den 31.3.2020 datierten Gutachten der Kanzlei Q..
31aa) Für die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kommt es nach der BFH-Rechtsprechung wegen der steuerrechtlichen Besonderheit der Mindestdauer von fünf Jahren nicht darauf an, ob gesellschaftsrechtlich oder nach den vertraglichen Vereinbarungen ein wichtiger Grund vorliegt. Vielmehr muss objektiv ein wichtiger Grund für die Abkürzung der Mindestlaufzeit bestehen. Anders als im Zivilrecht kann der wichtige Grund, der eine Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags rechtfertigen soll, nicht im Belieben der Parteien stehen. Vielmehr muss der wichtige Grund für die Vertragsbeendigung nach eigenen steuerrechtlichen Maßstäben objektiv vorliegen. Das schließt es zwar nicht aus, entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zur außerordentlichen Kündigung bzw. zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund eine Verkürzung der Mindestlaufzeit ausreichen zu lassen, insbesondere bei wesentlichen Störungen der Vertragsbeziehungen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren. Geht es einer Partei oder den Parteien jedoch darum, die Rechtsfolgen der Organschaft mittels Vertragsaufhebung zeitlich zu begrenzen, um die fünfjährige Mindestlaufzeit zu unterlaufen, so liegt kein wichtiger Grund im Steuerrechtssinne vor (BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12 BStBl II 2014, 486; vgl. auch Hessisches FG, Urteil vom 28.5.2015 4 K 677/14, EFG 2015, 2100). Mit dem Erfordernis der fünfjährigen Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrags verfolgt der Gesetzgeber dabei das Ziel, Manipulationen zu verhindern: Die Organschaft soll nicht zum Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können (BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12 BStBl II 2014, 486 m. w. N.).
32bb) In der Literatur wird dazu vertreten, dass jeder wirtschaftliche oder rechtliche Sachverhalt, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar gewesen sei und der gemessen an wirtschaftlichen Vorgaben eine vorzeitige Vertragsbeendigung erfordere, als steuerlich anzuerkennender wichtiger Grund qualifizieren sollte (vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 14 Rn. 353). Dies sei insbesondere bei Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber der Situation bei Abschluss des Gewinnabführungsvertrags der Fall, wenn in diesem Zusammenhang nach kaufmännischer Beurteilung eine vorzeitige Beendigung der Organschaft erforderlich sei und aufgrund dieser betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit die Vertragsbeendigung nicht willkürlich herbeigeführt werde (vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 14 Rn. 355). Auch die voraussichtliche (dauerhafte) Leistungsunfähigkeit einer Vertragspartei sei im zivilrechtlichen Schrifttum als wichtiger Grund (i. S. des § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG) anerkannt, was z. B. bei drohender Insolvenz des Organträgers oder auch bei drohender Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Organgesellschaft, die unmittelbar die Existenz des Organträgers bedrohe, gegeben sein könne, nicht aber bei vorübergehender Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage der beteiligten Gesellschaften. Ein steuerlich wichtiger Grund sei daraus jedenfalls dann abzuleiten, wenn aufgrund der (voraussichtlichen) Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage einer Vertragspartei die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht werde (vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 14 Rn. 359).
33Nach Ansicht von Beinert/Nees soll durch die Mindestlaufzeit von fünf Jahren sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige nicht beliebig mithilfe der Organschaft die Besteuerung „steuere“. Dies sei bereits dann nicht gegeben – sondern es liege ein wichtiger Grund vor –, wenn die Umstände des Einzelfalls eine Vertragsbeendigung „wirtschaftlich nachvollziehbar“ erscheinen ließen (Beinert/Nees in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Rn. 11.39).
34Für eine teleologisch extendierte Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ist Walter für alle Fälle der Beendigung des Gewinnabführungsvertrags, in denen die wirtschaftliche Grundlage für die Zurechnung des Organeinkommens beim Organträger weggefallen ist oder sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geändert haben. Die voraussichtliche Leistungsunfähigkeit des Organträgers, die Verluste der Organgesellschaft auszugleichen, seien auch steuerlich ein wichtiger Grund, wobei nicht gewartet werden müsse, bis die mangelnde Fähigkeit des Organträgers zum Verlustausgleich sich in einer konkreten Bestandsgefährdung manifestiere, vorausgesetzt, das Versagen des Organträgers, den Verlust der Organgesellschaft auszugleichen, sei bei Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags nicht bereits erkennbar gewesen (vgl. Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rn. 783).
35b) Im Streitfall liegt kein wichtiger Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vor; die vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags ist nicht unschädlich.
36Der Senat geht dabei zwar mit der Ansicht der Klägerin konform, dass aufgrund der im Jahr 2020 auftretenden Corona-Pandemie in der Gesamtheit geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen aufgetreten sind. Diese lagen unstreitig bei Vertragsabschluss des Gewinnabführungsvertrags im Jahr 2017 noch nicht vor und waren auch nicht absehbar. Allerdings genügt dies nach Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls nicht, um einen wichtigen Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG für eine Vertragsaufhebung im konkreten Fall jedenfalls zum 31.3.2020 zu begründen. Die von der Klägerin angeführten Kündigungsgründe rechtfertigen bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht die Annahme eines „wichtigen“ Grunds für die Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags.
37aa) Eine drohende dauerhafte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Klägerin als Organgesellschaft, die die Existenz des Organträgers bedrohte, ist für den Senat zum 31.3.2020 nicht feststellbar.
38Zwar sollte die wirtschaftliche Lage der Klägerin sich nach deren Schilderung verschlechtern, nämlich für das Geschäftsjahr 2020/2021 von einem ursprünglich prognostizierten EBT von 1,9 Mio. EUR auf –2,7 Mio. EUR laut Prognose vom 19.3.2020. Eine konkrete Bedrohung der Existenz des Organträgers bzw. der Lebensfähigkeit des Konzerns hat die Klägerin dadurch aber nicht dargelegt. Das folgt zum einen daraus, dass laut der Prognose vom 19.3.2020 das EBT für das Geschäftsjahr 2021/2022 nur noch einen leichten Verlust (0,3 Mio. EUR) und für das dann folgende Geschäftsjahr 2022/2023 bereits wieder einen Gewinn (0,7 Mio. EUR) ausweisen und damit nicht dauerhaft negativ bleiben sollte. Dies ergibt sich zum anderen aber auch aus den eigenen Ausführungen der Klägerin z. B. im Einspruchsverfahren, wonach die Lage der Klägerin „nicht als existenzgefährdet bezeichnet werden“ könne, da diese sich „höchstens in Insolvenznähe“ befinde. Auch die Kanzlei Q. kommt in ihrem Gutachten vom 31.3.2020 zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene keine akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsprobleme habe (S. 6) und eine Insolvenz der Klägerin zwar möglich, aber nicht unausweichlich sei (S. 15).
39Soweit die Klägerin auf Prognosen von Ende März 2020 verweist, wonach Umsatzeinbrüche von 43% im Vergleich zum Vorjahr allein für das erste Quartal und ein EBT-Einbruch von 302,6% bzw. für das gesamte Geschäftsjahr sogar ein negatives EBT von 17 Mio. EUR möglich seien, beziehen diese Zahlen sich nicht konkret auf die Klägerin, sondern auf die gesamte Y.-Gruppe. Dass aber neben dieser allgemeinen Verlustprognose für die gesamte Gruppe konkret durch ein Festhalten am Gewinnabführungsvertrag die Existenz des Organträgers bzw. die Lebensfähigkeit des Konzerns bedroht würde, hat die Klägerin nicht dargetan. Zudem ist eine nur potentielle Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht ausreichend (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2011 12 K 12078/08, EFG 2012, 443).
40bb) Auch aus dem Auftreten der Pandemie selber kann jedenfalls zum 31.3.2020 kein wichtiger Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG abgeleitet werden.
41(1) Denn das Auftreten einer Pandemie als solches führt nicht aus sich heraus zum Vorliegen eines wichtigen Grunds. Denn eine Pandemie kann sich auf unterschiedliche Wirtschaftsbereiche unterschiedlich auswirken, wie sich bei der Corona-Pandemie in negativer Hinsicht z. B. für den Gastronomie- und Veranstaltungsbereich, in positiver Hinsicht aber etwa für die Unterhaltungsbranche, Impfstoffhersteller und Produzenten von Desinfektionsmitteln gezeigt hat.
42(2) Vielmehr ist das Auftreten einer Pandemie anhand der konkreten Umstände der jeweils betroffenen Vertragsparteien bzw. Unternehmen zu würdigen und zu untersuchen, ob sich aufgrund der Pandemie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einer derartigen Weise geändert haben, dass daraus das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Beendigung des Gewinnabführungsvertrags resultiert.
43(a) Der Senat folgt dabei nicht der oben dargestellten, in der Literatur vertretenen Ansicht, dass bereits jede Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Annahme einer Kündigung aus wichtigem Grund ausreiche; dies würde dem Ziel des Gesetzgebers, Manipulationen zu verhindern, nicht gerecht, da Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Art stetigen Änderungen unterworfen sind, ohne dass dies zwingend erheblichen Einfluss auf die Vertragsbeziehung haben muss. Ob die Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so erheblich sein müssen, so dass ein Festhalten am Vertrag „unzumutbar“ ist (in diese Richtung Gosch, BFH/PR 2014, 200), kann letztlich dahinstehen. Denn sie müssen jedenfalls ein gewisses Gewicht haben und sich in konkreten Umständen bezüglich der vertraglichen Umstände manifestieren, was vorliegend nicht der Fall ist. Auch der BFH ist im Übrigen bei einer Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen davon ausgegangen, dass (nur) bei einer „gravierenden“ Änderung der Rahmenbedingungen (hier der Organschaft selbst, wie sie durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz mit der Neuregelung des § 14 Abs. 3 KStG 2002 geschaffen worden ist) als wichtiger Grund i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG anzusehen sei (vgl. BFH, Vorlagebeschluss vom 27.11.2013 I R 36/13, BStBl II 2014, 651).
44(b) Dabei verkennt der Senat nicht, dass durch das Auftreten der Corona-Pandemie wirtschaftliche Unsicherheiten gesamtwirtschaftlicher Natur entstanden sind. So wird die Pandemie und deren Auswirkungen in der Literatur auch als wichtiger Grund für die Kündigung eines Gewinnabführungsvertrags diskutiert (vgl. etwa Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rn. 782; Prinz/Ludwig, Der Betrieb 2020, 1137). Allerdings werden die Pandemieauswirkungen nicht allgemein (ohne weitere Voraussetzungen) als wichtiger Grund genannt. Vielmehr soll eine Bewertung „im Einzelfall“ erforderlich sein.
45Konkrete Umstände, die für die Klägerin bzw. die Beigeladene im Rahmen einer solchen Einzelfallbewertung zu einer für das Vorliegen eines wichtigen Grunds ausreichenden Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgrund des Auftretens der Pandemie geführt haben, lassen sich anhand des Vortrags der Klägerin und der weiteren Umstände indessen nicht feststellen.
46Insbesondere hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, welche Umstände sich durch die Pandemie gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geändert haben und deshalb eine Aufhebung des Vertrags zum 31.3.2020 rechtfertigen würden. Sie hat dazu außer dem prognostizierten (aber nicht dauerhaften) Absinken des EBT keine weiteren Tatsachen vorgetragen, die sich für sie und/oder die Beigeladene aufgrund der Pandemie geändert hätten. Aus der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Lage lassen sich solche Umstände konkret für die Klägerin nicht feststellen. Dabei ist der Klägerin zwar zuzustimmen, dass allgemein eine große Unsicherheit hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen u. a. auf das Wirtschaftsleben bestand. Allerdings war aufgrund der bis zum Zeitpunkt der Aufhebung des Vertrags getroffenen Maßnahmen (erster „Lockdown“ zum 22.3.2020 mit Schließung u. a. von Freizeit- und Kultureinrichtungen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsgeschäften sowie der Anordnung von Quarantänen und Grenzschließungen) auch klar, dass die Klägerin selbst wie auch die Organträgerin nicht unmittelbar von dem angeordneten „Lockdown“ betroffen sein würde, denn als produzierendes Gewerbe fiel sie nicht unter die von einer Schließung betroffenen Einrichtungen bzw. Gewerbe. Auch die angeordneten Grenzschließungen sollten nicht den Warenverkehr betreffen. Welche Auswirkungen die Klägerin dabei genau für sich oder die Beigeladene befürchtete, ist nicht erkennbar geworden.
47Zuzustimmen ist schließlich der Ansicht des Beklagten, dass die Corona-Pandemie für Gewerbe, wie die Klägerin sie betreibt, nicht nur Risiken, sondern auch Chancen beinhaltete. Dass auch die Klägerin derartige Chancen erkannt und letztlich auch genutzt hat, kommt in der Pressemitteilung ... vom 00.0.2021 ... zum Ausdruck. ... . Dies gilt aber auch für etwaige Staatshilfen, die zum damaligen Zeitpunkt zwar noch nicht in ihrer gesamten Breite absehbar gewesen sein mögen; dass aber der Staat unterstützend für etwaige benachteiligte Unternehmen einspringen würde, war angesichts der zum damaligen Zeitpunkt schon aufgelegten Staatshilfen (etwa Corona-Soforthilfe, KfW-Sonderprogramm ab 23.3.2020, Bürgschaftsprogramme des Bundes, Wirtschaftsstabilisierungsfonds ab 28.3.2020, siehe dazu Überblickspapier Corona-Hilfen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 27.6.2022) jedenfalls nicht gänzlich unerwartbar.
48Der Klägerin ist insoweit zwar ebenfalls zuzustimmen, dass für die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grunds nicht die ex-post-Betrachtung maßgeblich ist, sondern auf die Kenntnis zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags (ex-ante). Allerdings ist für den Senat weder anhand des Vortrags der Klägerin noch anhand sonstiger Umstände erkennbar geworden, weshalb bereits zum 31.3.2020 ohne weiteres Abwarten und Beobachten der sich entwickelnden Chancen und Risiken ein Festhalten am Gewinnabführungsvertrag für die Klägerin unzumutbar gewesen sein soll. Zwar dürfte die allgemeine wirtschaftliche Lage zu diesem Zeitpunkt als ungewiss bezeichnet werden können. Abzustellen ist allerdings auf die konkrete Situation der an dem Gewinnabführungsvertrag Beteiligten. Die Klägerin selber aber hatte kurzfristig schon mit einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation gerechnet (Prognose eines EBT für das Wirtschaftsjahr 2020/2021 von –2,7 Mio. EUR, für das Wirtschaftsjahr 2021/2022 von –0,3 Mio. EUR und für das Wirtschaftsjahr 2022/2023 von 0,7 Mio. EUR); eine Erwartung, die, wie die Presseerklärung der Beigeladenen vom 00.0.2021 zeigt, sich als zutreffend erwiesen hat. Soweit die Klägerin vorbringt, die Aufhebung des Vertrags sei zum 31.3.2020 erfolgt, um eine Kündigung mit einem etwaigen Reputationsschaden zu vermeiden, betrifft dieses Argument die Beendigungsmodalität, aber nicht den Zeitpunkt und ist daher für die Frage des wichtigen Grundes und der Unzumutbarkeit ohne Relevanz.
49(c) Auch der Verweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Denn in den vom BGH entschiedenen Fällen, die sich nur mit der zivilrechtlichen Aufhebung bzw. Anpassung von Verträgen befassen konnten, lag immer eine konkrete Betroffenheit der Leistungsbeziehungen vor, etwa bei der Miete einer Gewerbeimmobilie zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts, dessen Betrieb hoheitlich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie untersagt wurde (vgl. BGH-Urteil vom 12.1.2022 XII ZR 8/21, NJW 2022, 1370). Hier ist aber eine andere Sachlage gegeben, da die Klägerin nicht durch unmittelbare hoheitliche Corona-Maßnahmen an der Ausübung ihres Gewerbes gehindert war. Wie erläutert genügen nur allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten, wie sie hier bei der Klägerin aufgetreten sein mögen, nicht zur Begründung eines steuerlich wichtigen Grundes (vgl. Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG Rn. 213).
50III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, weil die Beigeladene keine Anträge gestellt und deshalb kein Prozessrisiko getragen hat (vgl. § 135 Abs. 3 FGO).