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Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. Juni 2023 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2024 verpflichtet, auf die Steueranmeldung der Klägerin vom 3. Mai 2023 die Steuerzeichenschuld festzusetzen und die bestellten Steuerzeichen für die Kräuterzigaretten der Marke C. der Sorten ... zu übersenden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin beabsichtigt, nikotinfreie Kräuterzigaretten aus Nutzhanf aus der Republik Österreich sowie der Tschechischen Republik einzuführen und auf dem deutschen Markt als Tabakwaren zum Verkauf anzubieten. Hierzu reichte sie unter dem 28. März 2023 beim Hauptzollamt B. ein Sortenverzeichnis für die Marke C. ... ein. Nach den von der Y. GmbH (Y. GmbH) erstellten Prüfberichten vom 21. und 28. Oktober, 11. und 21. November, 21. Dezember 2022 und 11. Januar, 20. Februar sowie 14. März 2023 (Bl. 66 ff. GA) enthalten die Erzeugnisse einen Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Tetrahydrocannabinolsäure (THCA) von jeweils 0,05 Prozent (unterhalb der Bestimmungsgrenze). Das Hauptzollamt B. erteilte der Klägerin mit Bescheid vom 27. April 2023 die Erlaubnis, als registrierte Empfängerin Tabakwaren unter Steueraussetzung in ihrem Betrieb im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken empfangen zu dürfen. Die Klägerin gab am 3. Mai 2023 beim beklagten Hauptzollamt eine Steueranmeldung ab, mit der sie für die vorgenannten Sorten Kräuterzigaretten mit einem Kleinverkaufspreis von 9,95 Euro je Packung Steuerzeichen bestellte.
3Das beklagte Hauptzollamt lehnte mit Bescheid vom 26. Juni 2023 die Übersendung der bestellten Steuerzeichen ab. Zur Begründung führte es aus: Voraussetzung für eine Besteuerung der Kräuterzigaretten als Tabakwaren sei die betäubungsmittelrechtliche Verkehrsfähigkeit der Erzeugnisse. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei Cannabis als pflanzliches Raucherzeugnis nicht verkehrsfähig. Bei Tabakersatzerzeugnissen, die aus getrockneten und zerkleinerten Nutzhanfpflanzen bestünden, könne ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen werden.
4Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Die Kräuterzigaretten seien keine Betäubungsmittel und deshalb verkehrsfähig. Sie seien aus Nutzhanf hergestellt worden, dessen Gehalt an THC weniger als 0,1 Prozent betrage. Nach der Rechtsprechung des BGH könne ein Missbrauch zu Rauschzwecken lediglich bei einem Gehalt an THC von mindestens 0,1 Prozent nicht ausgeschlossen werden. Dies entspreche auch der Praxis der Staatsanwaltschaften in Deutschland. Zudem habe der Sachverständige H. vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in einem Behördengutachten vom 23. Juni 2020 die Auffassung sämtlicher 18 Kriminaltechnischen Institute in Deutschland wiedergegeben, nach der zur Erzielung eines Rausches mit Nutzhanferzeugnissen ein Gehalt an THC von mindestens 0,1 Prozent erforderlich sei.
5Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 14. Februar 2024 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Die Kräuterzigaretten seien als pflanzliche Raucherzeugnisse aus Cannabis nicht verkehrsfähig und unterlägen deshalb nicht der Tabaksteuer. In den Erzeugnissen habe THC nachgewiesen werden können. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass aus Cannabis mit einem Gehalt an THC von weniger als 0,2 Prozent THC gewonnen oder angereichert werden könne.
6Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die zum Verkauf vorgesehenen Erzeugnisse bestünden aus Hanfblüten, die durch Eintauchen in Ethanol entharzt worden seien. Dadurch sei der in Hanfblüten enthaltene geringe Gehalt an THC eliminiert worden. Sie könnten deshalb nicht zu Rauschzwecken missbraucht werden. Die bisherige Rechtsprechung des BGH zu Nutzhanf, die auf ein abstraktes Gefährdungspotenzial abstelle, könne nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. März 2024 zum Umgang mit Konsumcannabis (BGBl. I, Nr. 109, S. 2) – KCanG – nicht mehr fortgeführt werden. Die Bundesregierung habe in ihrem Gesetzentwurf vom 9. Oktober 2023 (BundestagsDrucksache 20/8704, S. 91) ausgeführt, dass Nutzhanf mit einem Gehalt an THC von höchstens 0,3 Prozent keine psychoaktive Wirkung habe und deshalb nicht unter den Begriff Cannabis falle. Daher beabsichtige die Bundesregierung nach einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 2. Juli 2024, das Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs zu Rauschzwecken zu streichen. In Übereinstimmung damit habe bereits der Conseil d’État der Republik Frankreich in seiner Entscheidung vom 29. Dezember 2022 festgestellt, dass Nutzhanfblüten mit einem Gehalt an THC von bis zu 0,3 Prozent keine psychotrope Wirkung hätten und deshalb ein Verbot ihrer Vermarktung nicht gerechtfertigt sei. Unbeschadet dessen seien die in Rede stehenden Erzeugnisse auch nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH bei einer zweckgerechten Verwendung durch Rauchen nicht rauschfähig. Eine zweckfremde Verwendung der Erzeugnisse sei nach dem Inkrafttreten des KCanG völlig lebensfremd.
7Nähme man gleichwohl an, dass die fraglichen Erzeugnisse nicht verkehrsfähig seien und damit nicht der Tabaksteuer unterlägen, würde dies einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland) darstellen. Eine Behandlung der in Rede stehenden Erzeugnisse als nicht verkehrsfähiges Cannabis würde zudem gegen Art. 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Die Erzeugnisse seien in der Tschechischen Republik und in der Republik Österreich verkehrsfähig. Das Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz der Republik Österreich habe unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2020 in einer Stellungnahme zu pflanzlichen Raucherzeugnissen ausgeführt, dass Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Nutzhanf bestünden, nach dem Tabakrecht zu beurteilen seien, sofern der Gehalt an THC bezogen auf die Trockenmasse 0,3 Prozent nicht übersteige. Darüber hinaus habe der Cour de Cassation der Republik Frankreich mit Urteil vom 23. Juni 2021 entschieden, dass eine betäubungsmittelrechtliche Verurteilung wegen des Handels mit THC-haltigen CBD-Blüten gegen die Art. 34, 36 AEUV verstoße, wenn die sichergestellten Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt worden seien.
8Die Klägerin beantragt,
9das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. Juni 2023 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2024 zu verpflichten, ihr auf ihre Steueranmeldung vom 3. Mai 2023 die bestellten Steuerzeichen zu übersenden.
10Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
111. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt es vor: Da die Klägerin ihre Steueranmeldung bereits am 3. Mai 2023 abgegeben habe, sei das KCanG im Streitfall noch nicht anwendbar. Unbeschadet dessen handele es sich bei den fraglichen Kräuterzigaretten um nicht verkehrsfähiges Cannabis im Sinne des § 1 Nr. 8 KCanG und nicht um verkehrsfähigen Nutzhanf im Sinne des § 1 Nr. 9 KCanG. Nach der Wertung des deutschen Gesetzgebers werde durch die Möglichkeit eines Missbrauchs von CBD-Blüten mit einem erzielbaren THC-Gehalt zu Rauschzwecken die öffentliche Gesundheit gefährdet. Ein Verkehrsverbot stelle deshalb eine verhältnismäßige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit dar.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 26. Juni 2023 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2024 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
17Das beklagte Hauptzollamt hat es zu Unrecht nach § 17 Abs. 2 Satz 7 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) i.V.m § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung abgelehnt, auf die Steueranmeldung der Klägerin vom 3. Mai 2023 die Steuerzeichenschuld festzusetzen und die bestellten Steuerzeichen für die Kräuterzigaretten der Marke C. ... zu übersenden. Die Klägerin hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 4 und 6 TabStG einen Anspruch auf die Festsetzung der Steuerzeichenschuld und die Übersendung der von ihr bestellten Steuerzeichen.
18Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, kommt es für die vorliegende Verpflichtungsklage gemäß § 101 Satz 1 FGO auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache an. Eine Verpflichtung zum Erlass eines begehrten Verwaltungsaktes kann nur ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung in der Tatsacheninstanz ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung der Behörde besteht (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteile vom 6. August 2013 VII R 15/12, BFHE 243, 88 Randnr. 10; vom 20. März 2019 X R 4/18, BFH/NV 2019, 808 Randnr. 23). Abweichendes gilt nur dann, wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten vor der Entscheidung des Gerichts liegenden Zeitpunkt oder Zeitraum abstellt (BFH, Urteil vom 6. August 2013 VII R 15/12, BFHE 243, 88 Randnr. 10). Hierfür ist im Streitfall nichts ersichtlich.
19Die fraglichen Kräuterzigaretten unterliegen im Steuergebiet nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 8 Satz 1 TabStG als Tabakwaren der Tabaksteuer. Die Kräuterzigaretten sind auch verkehrsfähig.
20Auf Grund einer unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in einen Mitgliedstaat, die Anlass zu Strafverfolgungsmaßnahmen geben kann, kann zwar keine Umsatzsteuerschuld und damit auch keine Verbrauchsteuerschuld entstehen, soweit die Erzeugnisse nicht Gegenstand des von den zuständigen Behörden streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke sind (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteile vom 28. Februar 1984 Rs. 294/82, Slg. 1984, 1177 Randnr. 22; vom 5. Juli 1988 Rs. 289/86, Slg. 1988, 3669 Randnr. 23, 31).
21Die Einfuhr, Abgabe und Überlassung der in Rede stehenden Kräuterzigaretten ist jedoch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, 5, 7 und 8 KCanG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juni 2024 (BGBl. I Nr. 207) verboten. Danach ist es unter anderem verboten, mit Cannabis Handel zu treiben, Cannabis einzuführen, abzugeben und zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Nach § 1 Nr. 8 Buchst. d KCanG ist Nutzhanf kein Cannabis. Gemäß § 1 Nr. 9 Buchst. a KCanG sind Nutzhanf unter anderem Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, wenn der Verkehr mit ihnen – ausgenommen der Anbau – ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen, und ihr Gehalt an THC 0,3 Prozent nicht übersteigt.
22Der Gehalt an THC in den fraglichen Kräuterzigaretten übersteigt unstreitig nicht 0,3 Prozent. Der Verkehr mit ihnen dient auch ausschließlich gewerblichen Zwecken. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ein Endabnehmer der Erzeugnisse gewerbliche Zwecke verfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2021 – 6 StR 240/20, BGHSt 66, 76 Randnr. 22).
23Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) schließen die Zwecke, die mit der Einfuhr und dem Verkauf der Kräuterzigaretten verfolgt werden, einen Missbrauch zu Rauschzwecken aus. Insoweit kommt es auf die Missbrauchsmöglichkeit beim Endabnehmer an (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – 5 StR 490/21, NStZ-RR 2022, 376 Randnr. 5). Ein Missbrauch zu Rauschzwecken kann bei einer völlig unbedeutenden Menge des psychoaktiven Wirkstoffs ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – 5 StR 490/21, NStZ-RR 2022, 376 Randnr 13).
24Die in Rede stehenden Kräuterzigaretten aus Nutzhanf enthalten eine völlig unbedeutende Menge des psychoaktiven Wirkstoffs THC. Ausweislich der von der Y. GmbH erstellten Prüfberichte weisen alle fraglichen Sorten einen Gehalt an THC von höchstens 0,05 Prozent (unterhalb der Bestimmungsgrenze) auf. Damit liegt der Gehalt an THC in den Kräuterzigaretten deutlich unterhalb der Werte, welche nach der Rechtsprechung des BGH als ausreichend angesehen wurden, um einen Missbrauch zu Rauschzwecken nicht auszuschließen.
25So hat der BGH in seinem Beschluss vom 23. Juni 2022 (5 StR 490/21, NStZ-RR 2022, 376 Randnr. 3, 13) die Feststellungen des Landgerichts gebilligt, nach denen die Möglichkeit eines Missbrauchs zu Rauschzwecken bei Cannabis-Blüten mit einem Gehalt an THC von 0,2 Prozent angenommen wurde. In seinem Urteil vom 24. März 2021 (6 StR 240/20, BGHSt 66, 76 Randnr. 2 f., 24 f.) hat der BGH die Feststellungen des Landgerichts gebilligt, nach denen die Möglichkeit eines Missbrauchs zu Rauschzwecken bei einem Hanfblütentee mit einem Gehalt an THC von 0,08 bis 0,33 Prozent des Pflanzenmaterials und einem Gehalt an THC von 0,14 bis 0,18 Prozent des Tees angenommen wurde. In seinem Urteil vom 16. Januar 2023 (5 StR 269/22, juris Randnr. 5, 20) hat der BGH die Feststellungen der Vorinstanz gebilligt, nach denen die Möglichkeit eines Missbrauchs zu Rauschzwecken bei Cannabidiol-Produkten mit einem Gehalt an THC von weniger als 0,2 Prozent angenommen wurde.
26Das von der Klägerin im Einspruchsverfahren übersandte Behördengutachten des Sachverständigen H. vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2020 bestätigt die Auffassung der Klägerin, dass zur Erzielung eines Rausches mit Nutzhanferzeugnissen ein Gehalt an THC von mindestens 0,1 Prozent erforderlich ist. Dort hat der Sachverständige auf Seite 12 unter Fußnote 23 ausgeführt, dass nach übereinstimmender Auffassung der kriminaltechnischen Behörden für Rauchwaren ein Gehalt an THC von mindestens 0,2 Prozent und für Backwaren ein Gehalt an THC von mindestens 0,1 Prozent erforderlich ist, um einen Rausch herbeizuführen (Bl. 262 des Verwaltungsvorgangs). Das beklagte Hauptzollamt hat die Ausführungen des Sachverständigen H. nicht in Zweifel gezogen.
27Die Bundesregierung ist in ihrem Gesetzentwurf vom 9. Oktober 2023 (Bundestags-Drucksache 20/8704, S. 91) zudem davon ausgegangen, dass Nutzhanf mit einem Gehalt an THC von höchstens 0,3 Prozent keine psychoaktive berauschende Wirkung habe und deshalb nicht unter den Begriff Cannabis falle. Entgegen der von dem Vertreter des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes - Nutzhanfliberalisierung vom 11. Oktober 2024 (Bundestags-Drucksache 490/24, S. 10) nicht davon ausgegangen, dass der Verkehr mit Nutzhanf mit einem Gehalt an THC von bis zu 0,3 Prozent in jedem Fall strafbar sein kann. Vielmehr hat die Bunderegierung dort unter B. Buchst. a ausgeführt, dass der Verkehr mit Nutzhanferzeugnissen wie beispielsweise Nutzhanftee oder CBD-Blüten strafbar sein könne, „obwohl der Grenzwert von 0,3 Prozent THC eingehalten wird“. Diese Ausführungen der Bundesregierung beziehen sich ersichtlich nicht auf Kräuterzigaretten aus Nutzhanf mit einem Gehalt an THC von höchstens 0,05 Prozent (unterhalb der Bestimmungsgrenze). Wie Nutzhanferzeugnisse mit einem Gehalt an THC von 0,3 Prozent zu beurteilen sind, hat der Senat nicht zu entscheiden.
28Überdies hat der Conseil d’État der Republik Frankreich in seiner Entscheidung vom 29. Dezember 2022 unter Randnr. 19 f. (Bl. 92 ff. GA) festgestellt, dass Cannabisblüten und -blätter mit einem Gehalt an THC von weniger als 0,3 Prozent kein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellten, das ein generelles und absolutes Verbot der Vermarktung oder der Einfuhr entsprechender Hanfpflanzen rechtfertigen könnte.
29Unbeschadet dessen verstößt eine Behandlung der in Rede stehenden Erzeugnisse als nicht verkehrsfähiges Cannabis durch die Versagung der Festsetzung der Steuerzeichenschuld und der Übersendung der von der Klägerin begehrten Steuerzeichen gegen Art. 34 AEUV.
30Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass die Art. 34 und 36 AEUV einer einzelstaatlichen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 C-663/18, ECLIEU:C:2020:938 Randnr. 96). In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Ausgangsverfahren hatte das in Rede stehende CBD mit einem Gehalt an THC von weniger als 0,2 Prozent auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten keine psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Ferner war die Cannabissorte, aus der das CBD gewonnen worden war, in der Tschechischen Republik rechtmäßig angebaut worden (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 C-663/18, ECLIEU:C:2020:938 Randnr. 72). Das vorlegende Gericht hatte nach Ergehen des Urteils zwar noch zu prüfen, ob die einzelstaatliche Regelung geeignet war, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten und nicht über das hinausging, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Gleichwohl hat der EuGH betont, dass die geltend gemachte Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen beruhen dürfe (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 C-663/18, ECLIEU:C:2020:938 Randnr. 90, 95).
31Im Streitfall werden die fraglichen Erzeugnisse in der Tschechischen Republik und in der Republik Österreich hergestellt. Dies geschieht in der Tschechischen Republik rechtmäßig (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 C-663/18, ECLIEU:C:2020:938 Randnr. 72). Die Klägerin hat zudem nachvollziehbar dargelegt, dass die Kräuterzigaretten auch in der Republik Österreich rechtmäßig hergestellt werden. Nach der von der Klägerin übersandten (Bl. 119, 122 GA) Stellungnahme des Bundesministeriums Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz der Republik Österreich sind Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Nutzhanf bestehen, nach dem österreichischen Tabakrecht und nicht nach dem Suchtmittelgesetz zu beurteilen, sofern der Gehalt an THC 0,3 Prozent bezogen auf die Trockenmasse nicht übersteigt.
32Nach Überzeugung des Senats beruht die Annahme des beklagten Hauptzollamts, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken hinsichtlich der in Rede stehenden Erzeugnisse mit einem Gehalt an THC von höchstens 0,05 Prozent (unterhalb der Bestimmungsgrenze) nicht ausgeschlossen werden könne, auf rein hypothetischen Erwägungen. Der Vertreter des beklagten Hauptzollamts hat selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ein Missbrauch zu Rauschzwecken könne hinsichtlich der in Rede stehenden Erzeugnisse „theoretisch“ nicht ausgeschlossen werden.
33Der BGH hat zwar die Auffassung vertreten, dass das CBD-Öl, das Gegenstand des vorgenannten EuGH-Urteils war, nicht mit CBD-Blüten als unbearbeitete Teile der Cannabispflanze, die THC enthielten und deren Gehalt an THC weiter habe erhöht werden können, vergleichbar sei (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – 5 StR 490/21, NStZ-RR 2022, 376 Randnr. 12). Die Klägerin hat indes – vom beklagten Hauptzollamt unbestritten – vorgetragen, dass die zum Verkauf vorgesehenen Erzeugnisse aus Hanfblüten bestünden, die durch Eintauchen in Ethanol entharzt worden seien, dadurch sei der in Hanfblüten enthaltene geringe Gehalt an THC eliminiert worden (Seite 2 der Klagebegründung vom 17. Mai 2024; Bl. 39 GA). Daher sind die in Rede stehenden Kräuterzigaretten mit dem dem Urteil des EuGH vom 19. November 2020 (C-663/18, ECLIEU:C:2020:938 Randnr. 72) zugrunde liegenden CBD-Öl, das aus Cannabis mit einem Gehalt an THC von weniger als 0,2 Prozent so extrahiert worden war, dass es nicht psychoaktiv wirksam war, durchaus zu vergleichen.
34Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFH geklärt sind.