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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Inhaber des Einzelhandelsgeschäfts „U.“ in E., das von Zollbeamten ... (P.) des Beklagten am 13. Februar 2023 kontrolliert wurde. Dabei wurden in den Geschäftsräumen E-Zigaretten sowie Liquids, Aromen und Basen für E-Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen aufgefunden. Im Sicherstellungsprotokoll vermerkten die Zollbeamten eine sichergestellte Gesamtmenge von 203.000 ml (1.927 Einweg-E-Zigaretten mit einer Füllmenge von 3.854 ml sowie 11.108 Einheiten Liquids, Aromen und Basen mit einer Füllmenge von 199.146 ml) und stellten eine entsprechende Quittung aus (vgl. Bl. 57 ff., 74 f. der Verwaltungsakte – VA –).
3Mit Bescheid vom 2. Mai 2023 setzte der Beklagte Tabaksteuer von 0,16 Euro je ml, insgesamt 32.480 Euro gegen den Kläger fest. Durch das Inbesitzhalten unversteuerter Substitute für Tabakwaren sei die Tabaksteuer nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 der am 13. Februar 2023 in Kraft getretenen Fassung des Tabaksteuergesetzes (TabStG) in der Person des Klägers entstanden.
4Hiergegen legte der Kläger am 5. Mai 2023 Einspruch ein.
5Am 5. März 2024 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.
6Der Beklagte hat nach Anhörung des Klägers mit Änderungsbescheid vom 11. März 2024 die Tabaksteuer abweichend auf 40.446,93 Euro festgesetzt. Zur Begründung führte er aus, bei einer Überprüfung der sichergestellten Waren und einer erneuten Zählung durch die Beamten der P. sei festgestellt worden, dass tatsächlich 252.793,30 ml Substitute für Tabakwaren (1.922 E-Zigaretten mit 5.717,30 ml; 11.546 Einheiten Aromen, Basen und Liquids für E-Zigaretten mit insgesamt 247.076 ml) aufgefunden worden seien.
7Den Einspruch des Klägers hat der Beklagte mit Entscheidung vom 10. April 2024 als unbegründet zurückgewiesen.
8Der Kläger macht mit seiner Klage geltend: Es fehle schon eine tatsächliche Grundlage für die Besteuerung. Die Füllmenge der bei ihm sichergestellten Waren sei nicht festgestellt worden. Der Beklagte habe im Änderungsbescheid offenbar andere Waren besteuert, die ihm nicht zugeordnet werden könnten. Lediglich wegen Zweifeln an der in den einzelnen Einheiten enthaltenen Flüssigkeitsmenge sei die P. mit der erneuten Ermittlung beauftragt worden. Die nunmehr besteuerte Stückzahl weiche jedoch von der bei ihm sichergestellten und quittierten Stückzahl ab.
9Im Übrigen lägen die Voraussetzungen von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG nicht vor.
10Durch die systematische Stellung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG einen Unterfall der in Nr. 4 geregelten Fälle darstelle. Der Gesetzgeber habe Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 29. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (RL 2020/262) durch die gesamte in Nr. 4 enthaltene Regelung umsetzen wollen (Verweis auf BR-Drucks. 681/20, S. 100). Daher erfasse § 23f Abs. 1 Nr. 4 TabStG zwei Fälle des Besitzes, nämlich den erstmaligen Besitz im Steuergebiet und in allen anderen Fällen das Inbesitzhalten. Als Auffangtatbestand erfasse Nr. 4 Alt. 2 nur die (anderen) Fälle, in denen zwar die Voraussetzungen von Nr. 4 Alt. 1 erfüllt seien, aber ein erstmaliger Besitz der Tabakwaren im Steuergebiet nicht festgestellt werden könne. Hier seien die fraglichen Waren jedoch von im Steuergebiet ansässigen Herstellern hergestellt worden und daher von diesen erstmalig im Steuergebiet in Besitz gehalten worden, sodass kein anderer Fall im Sinne des § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG vorliege.
11Der Beklagte wende die Vorschrift über den Wortlaut hinaus nicht auf andere Fälle an, sondern weite diese zu einem Generaltatbestand der Steuerentstehung aus, indem er die Steuer durch das Inbesitzhalten unversteuerter Tabakwaren erneut und zusätzlich zu den übrigen Tatbeständen entstehen lasse. Waren könnten aber nur einmal in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden (Verweis auf Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –, Urteil vom 24. Februar 2021, C-95/19, ECLI:EU:C:2021:128, Rn. 65). Nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. b RL 2020/262 stelle das Inbesitzhalten verbrauchsteuerpflichtiger Waren eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr dar. Die Überführung von Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs und damit eine Steuerentstehung durch das Inbesitzhalten von Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs sei paradox und ein Verstoß gegen die RL 2020/262. Auch deswegen könne sich § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG nur auf Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs eines anderen Mitgliedstaates beziehen. Diese Auslegung erkläre ebenfalls die Ergänzung, dass die Steuer „im Steuergebiet“ noch nicht erhoben sein dürfe.
12Zudem seien die fraglichen Waren zutreffend nicht mit Steuerzeichen versehen gewesen. Es handele sich um sog. „Altwaren“, die bereits vor dem 1. Juli 2022 und damit legal ohne Steuerzeichen in den Handel gelangt seien. Bei einem erheblichen Teil der Waren sei das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits ein bis zwei Jahre überschritten gewesen. Eine Nachversteuerung von „Altwaren“ sei gesetzlich nicht vorgesehen. Das Informationsschreiben der Generalzolldirektion vom 28. Dezember 2022 zur Besteuerung der „Altwaren“ ersetze keine rechtliche Grundlage. Die Zollverwaltung kriminalisiere Konsumenten und Händler, die solche „Altwaren“ zum Teil vor mehreren Jahren legal erworben hätten.
13Der Kläger beantragt,
14den Tabaksteuerbescheid vom 2. Mai 2023, geändert durch Bescheid vom 11. März 2024, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2024 aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er macht zur Begründung geltend: Die sichergestellten Waren seien unter einem bestimmten Registrierkennzeichen eingelagert worden. Bei der Überprüfung seien diese Waren erneut von den Beamten der P. vollständig gezählt und inventarisiert worden. Hierzu habe Anlass bestanden, da bei der Übertragung der handschriftlichen Notizen der Beamten der P. Unstimmigkeiten bzgl. der Mengen festgestellt worden seien.
18Der Kläger habe schon nicht nachgewiesen, dass die fraglichen Waren bereits vor dem 1. Juli 2022 durch deutsche Hersteller in den Handel gebracht worden seien. Ein Hersteller im Steuergebiet könne im Übrigen nicht erstmaliger Besitzer i.S.d. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG sein. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG stelle unbeschadet der missglückten systematischen Stellung nach seinem Sinn und Zweck einen allgemeinen Auffangtatbestand dar. Die Besteuerung der Altwaren liege auch im Sinne des Gesetzgebers, da sich so ab dem 13. Februar 2023 nur noch versteuerte Waren mit Steuerzeichen im Handel befinden dürften.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21I. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die Tabaksteuer i.H.v. 40.446,93 Euro zu Recht gegen den Kläger festgesetzt.
221. Bei den streitgegenständlichen Waren handelt es sich um Substitute für Tabakwaren und damit nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2c TabStG um einen tauglichen Steuergegenstand. Die Vorschrift ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar, da diese nach Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Tabaksteuerrechts vom 10. August 2021 (Tabaksteuermodernisierungsgesetz – TabStMoG –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2021, S. 3411) am 1. Juli 2022 in Kraft getreten ist. Die Flüssigkeiten in den Einweg-E-Zigaretten sowie die Liquids, Aromen und Basen für E-Zigaretten sind Substitute für Tabakwaren. Diese sind – was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – zum Konsum eines mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet. Soweit der Kläger geltend macht, bei einem Teil der Waren sei das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere ist weder geltend gemacht noch sonst erkennbar, dass hierdurch die grundsätzlich bestehende Eignung zum Konsum entfallen wäre. Vielmehr ist eine Nutzung nach dem angegebenen Datum schon begrifflich („Mindesthaltbarkeitsdatum“) nicht ausgeschlossen.
232. Die Tabaksteuer ist nach § 1b Satz 1 i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG entstanden. Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer in allen anderen Fällen mit dem Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde.
24a) Die Vorschrift ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar, da sie nach Art. 12 Abs. 1 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 30. März 2021 (BGBl. I 2021, 607) am 13. Februar 2023 in Kraft getreten ist und die streitgegenständlichen Feststellungen an diesem Tag getroffen wurden.
25b) Die Regelung ist zudem ungeachtet dessen anwendbar, dass sie systematisch zu Abschnitt 4 des Tabaksteuergesetzes gehört, der nach seiner Überschrift die Beförderung von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs aus anderen, in andere oder über andere Mitgliedstaaten betrifft (Senat, Urteil vom 30. Oktober 2024 – 4 K 167/24 VTa, juris, Rn. 15). Zwar ist nicht feststellbar, dass die streitgegenständlichen Substitute für Tabakwaren einen derartigen Bezug zu anderen Mitgliedstaaten aufweisen. Jedoch verlangt der Wortlaut einen solchen Bezug auch nicht. Vielmehr soll die Regelung für „alle anderen“ Fälle gelten. Durch die mit einem Semikolon getrennte Stellung von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG, der wiederum andere als in § 22 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 TabStG genannte Fälle erfasst, wird deutlich, dass damit alle anderen als die in § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG genannten Fälle gemeint sind. Für eine Auslegung als Auffangtatbestand (so auch Schröer-Schallenberg, in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 4. Aufl. 2023, Rn. E 85) spricht insbesondere, dass die Regelung der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b) RL 2020/262 (BT-Drucks. 19/25697, S. 89) dient. Diese Richtlinienregelung ist ihrerseits ebenfalls nicht auf die Beförderung von Tabakwaren aus anderen, in andere oder über andere Mitgliedstaaten beschränkt. Hingegen wurde mit § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG die zuvor bereits in § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG a.F. (Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 15. Juli 2009, BGBl. I 2009, S. 1879) normierte Regelung übernommen. Weder dem Wortlaut noch der systematischen Stellung oder der gesetzgeberischen Intention lässt sich demgemäß die vom Kläger vertretene Ansicht entnehmen, dass § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG lediglich eine Alternative zu den in § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG erfassten Fällen darstelle und zusätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG erfüllt sein müssten.
26Da § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG der Richtlinienumsetzung dient, ist es für die Auslegung unerheblich, dass es sich bei den streitgegenständlichen Substituten für Tabakwaren um einen nichtharmonisierten Steuergegenstand handelt. Vor diesem Hintergrund kann der systematisch ungenauen Platzierung der Regelung in Abschnitt 4 des Tabaksteuergesetzes keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
27c) Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG sind erfüllt.
28aa) Der Kläger hat die fraglichen Tabakwaren in Besitz gehalten. Diese befanden sich in den Geschäftsräumen des von ihm betriebenen Einzelhandelsgeschäfts.
29bb) Die Tabakwaren befanden sich auch im steuerrechtlich freien Verkehr. Maßgeblich ist, dass die Waren – wie vorliegend – von keinem der in § 4 Nr. 3 TabStG genannten Verfahren erfasst waren.
30cc) Schließlich ist die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben worden, da die Tabakwaren unstreitig nicht mit Steuerzeichen versehen waren. Es ist unerheblich und bedarf daher keiner Feststellung, zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Waren in den Handel bzw. in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangt und vom Kläger erworben worden sind. Der Wortlaut des § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG erfasst allgemein das Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde, und sieht insbesondere keine Einschränkung für Altwaren vor, die vor dem 1. Juli 2022 in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangt sind (Senat, Urteil vom 30. Oktober 2024 – 4 K 167/24 VTa, juris, Rn. 18 ff.).
31Der Begriff „erhoben“ nimmt nicht auf die im deutschen Recht gebräuchliche Differenzierung zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren (Vierter bzw. Fünfter Teil der Abgabenordnung – AO –) Bezug, sondern ist der entsprechenden Formulierung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. b) RL 2020/262 geschuldet. Das Unionsrecht sieht begrifflich keine Differenzierung zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren vor. Aus diesem Grund lässt sich der Tatbestandsvoraussetzung, nach der die Steuer „noch nicht erhoben“ wurde, nicht zugleich entnehmen, dass eine Steuererhebung tatsächlich und rechtlich möglich gewesen sein muss. Es genügt vielmehr, dass eine solche nicht stattgefunden hat und es somit nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt.
32Eine einschränkende Auslegung, die die vorherige Auslösung eines Steuerentstehungstatbestands verlangt, würde sich demgegenüber ohne hinreichenden Grund vom Wortlaut lösen. Ein solcher Grund lässt sich weder den Gesetzesmaterialien (hierzu bereits Senat, Beschluss vom 29. September 2023 – 4 V 1068/23 A (VTa), juris, Rn. 26) noch dem Richtlinienrecht entnehmen. Zwar darf nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. b) RL 2020/262 „keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben“ worden sein. Die Formulierung weicht in ihrem Sinngehalt aber nicht von der nationalen Regelung ab, denn eine (rechtmäßige) Steuererhebung ist ohnehin nur nach geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des einzelstaatlichen Rechts denkbar. Auch der Richtlinienformulierung lässt sich nicht entnehmen, dass eine vorherige Steuererhebung in rechtlicher Hinsicht möglich gewesen sein muss. Vielmehr verlangt die Richtlinie ebenfalls nur, dass eine Steuererhebung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Der Richtliniengeber dürfte auch keinen Anlass gehabt haben, die Behandlung von Altwaren ausdrücklich zu regeln, da es sich bei den streitgegenständlichen Substituten um einen nicht harmonisierten Besteuerungsgegenstand handelt.
33Anders als der Kläger meint, ist in der Steuerentstehung durch das Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs keine richtlinienwidrige weitere Überführung in den steuerrechtlichen freien Verkehr zu erblicken. Im Einklang mit Art. 6 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 3 Nr. 6 RL 2020/262 stellt § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 i.V.m. § 4 Nr. 3 TabStG auf das Inbesitzhalten von Waren ab, die sich nicht in einem Verfahren befinden, in dem die Entstehung der Steuer bis zu einem künftigen Ereignis suspendiert ist (vgl. Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rn. C 57 f.). Der Kläger rügt sinngemäß die Systemwidrigkeit der Steuerentstehung durch bloßes Inbesitzhalten, die der Unionsgesetzgeber gleichwohl in die Richtlinie aufgenommen hat (vgl. hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rn. C 36 sowie EuGH, Urteil vom 5. April 2001, C-325/99 – van de Water, Slg. 2001, I-2729). Im Übrigen ist im Streitfall keine mehrfache Steuerentstehung feststellbar. Die Tabaksteuer ist vielmehr erst und nur durch das Inbesitzhalten der fraglichen Waren entstanden. Sofern, wie der Kläger geltend macht, sämtliche Waren bereits vor dem 1. Juli 2022 durch im Steuergebiet ansässige Hersteller in den Handel gebracht worden sein sollten, könnte ein etwaiger Besitz dieser Hersteller schon allein mangels Inkrafttreten von § 1 Abs. 2c und § 23f TabStG nicht zu einer Steuerentstehung geführt haben.
34Rechtsgrundlage der Besteuerung ist – auch wenn es sich um sog. „Altwaren“ handeln sollte – § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG und nicht etwa ein Informationsschreiben der Generalzolldirektion. Ob die Steuerentstehung im Streitfall zugleich zur Erfüllung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung führt, hat der Senat nicht zu entscheiden.
35d) Der Steuerentstehung steht auch nicht entgegen, dass – wie der Kläger geltend macht – bei einem Teil der Waren das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Die bloße Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums lässt nicht den Schluss zu, dass die Waren deswegen nicht mehr als Tabakwaren hätten genutzt werden können (§ 23f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 TabStG). Dies hat der Kläger auch weder vorgetragen noch hinreichend nachgewiesen (§ 15 Abs. 3 Satz 3 TabStG).
363. Der Kläger ist nach § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 TabStG Steuerschuldner, da er als Inhaber des Geschäfts die fraglichen Tabakwaren in Besitz gehalten hat.
374. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnis steht zur Überzeugung des Senats (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) fest, dass der Beklagte die Tabaksteuer zu Recht für 252.793,30 ml Substitute für Tabakwaren festgesetzt hat.
38Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der erneuten Zählung andere als die beim Kläger sichergestellten Waren gezählt und im Änderungsbescheid vom 11. März 2024 der Besteuerung zugrunde gelegt wurden. So hat der Beklagte bei der Einlieferung der sichergestellten Waren ein Registrierkennzeichen vergeben, das sich auch auf den Verpackungen der erneut gezählten Waren wiederfindet (vgl. das Lichtbild auf Bl. 173 der Gerichtsakte – GA –). Indiziell spricht für die Identität der gezählten mit den sichergestellten Waren auch, dass auf einigen der auf den Lichtbildern abgebildeten Kartons die Anschrift des „U.“ als Lieferadresse zu erkennen ist (vgl. die Lichtbilder auf Bl. 162 f., 171 GA). Zudem haben die Zollbeamten der P. bei der Kontrolle am 13. Februar 2023 ihre handschriftlichen Notizen mit Blattzahlen versehen und hierbei den fortlaufend nummerierten Kartons jeweils konkrete Waren mit der Angabe des Lagerorts zugeordnet (vgl. Bl. 23 ff. VA). Korrespondierende Angaben finden sich auf den Kartons im Lagerbestand des Beklagten (vgl. die Lichtbilder auf Bl. 164 ff. GA).
39Der pauschale Einwand des Klägers, wegen der abweichenden Stückzahl seien nicht die bei ihm sichergestellten Waren besteuert worden, setzt sich mit den konkreten Feststellungen des Beklagten hingegen nicht substantiiert auseinander. So finden sich die bei der Kontrolle handschriftlich nach Art und Sorte aufgelisteten Produkte auch in der Aufstellung wieder, die im Zuge der Überprüfung erstellt wurde. Beispielsweise stimmen die beiden Zählungen bzgl. der Basen in Stückzahl und Füllmenge vollständig überein (Karton 1.5 und 1.8, vgl. Bl. 47 und 209 f. VA). Ähnliches gilt für die in Plastiktüten aufgefundenen Liquids und Aromen, die im Karton „3-Plastik-Tüten“ eingelagert wurden (vgl. Bl. 51 f. und Bl. 218 VA). Die Liquids der Marke „E-Liquid“ wurden bei der Kontrolle mit einer Anzahl von 80 und 64 Stück gezählt, wobei in Summe identisch bei der erneuten Zählung eine Stückzahl von 50 und 94 ermittelt wurde. Die Aromen „Twisted“ bzw. „Twisted-Mixed“ wurden mit 33 Stück und die Liquids „Salt Freaks“ mit 55 Stück übereinstimmend gezählt. Die bei der erneuten Zählung dreimal als „Aroma-Flaschen-Mix“ erfassten Aromen von insgesamt 145 Stück stimmen der Anzahl nach mit den Aromen „German Liquids“ (88 Stück), „Eliquid“ (20 Stück), „My Eliquid“ (30 Stück) und „Twisted“ (sieben Stück) überein. Die Füllmenge der Flaschen ist in all diesen Fällen übereinstimmend mit je zehn ml angegeben (vgl. Bl. 51 f. und Bl. 218 VA). Soweit die Stückzahl der Aromen „My-Eliquid“ mit 273 Stück festgestellt wurde, lag der ursprünglichen Zählung von 217 Stück offenbar ein Additionsfehler zugrunde. So wurde bei der Kontrolle in Strichzählweise eine Warenmenge von 50 Stück mit einem Strich zusammengefasst. Bei fünf Strichen und dem Zusatz „+17“ wurde jedoch nur eine Gesamtstückzahl von „217“ notiert (vgl. Bl. 52 oben VA). Die bei der erneuten Zählung abweichend festgestellte Stückzahl (insgesamt 13.468 Einheiten anstatt zuvor 13.035) ist daher kein Anzeichen dafür, dass es sich um andere Waren handeln könnte, sondern vielmehr das Ergebnis einer korrigierten Zählung.
40Die Abweichung der zu besteuernden Flüssigkeitsmenge bei den Einweg-E-Zigaretten ergibt sich im Übrigen nicht in erster Linie aus der Stückzahl (1.922 Stück statt zuvor 1.927 Stück), sondern aus der Füllmenge. Im Rahmen der Kontrolle am 13. Februar 2023 ist der Beklagte (vermutlich wegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse) von einer Füllmenge von je zwei ml ausgegangen, wohingegen die E-Zigaretten zum Teil tatsächlich höhere Füllmengen aufgewiesen haben.
41Die weitere Berechnung der Tabaksteuer begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Diese hat der Kläger auch nicht in Abrede gestellt.
42II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.