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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin stellt Tabakwaren her. Sie entwickelte Tabakstränge, die in ein batteriebetriebenes Heizgerät eingeführt und erhitzt werden. ...
3Derartige zu erhitzende Tabakstränge wurden bis zum 31. Dezember 2021 nur nach dem Steuersatz für Pfeifentabak versteuert. Ab dem 1. Januar 2022 wird für erhitzten Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I, 1870) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I, 3411) (TabStG) neben dem Steuersatz für Pfeifentabak eine Zusatzsteuer erhoben, die 80 Prozent des Steuersatzes für Zigaretten abzüglich des Steuerbetrags für Pfeifentabak beträgt.
4Die Klägerin gab am ... bei dem beklagten Hauptzollamt eine Steueranmeldung für ab dem ... zu verwendende Steuerzeichen für zu erhitzende Tabakstränge ab. Hierin ermittelte sie die von ihr zu entrichtende Tabaksteuer mit ... Euro. Hiervon entfiel ein Betrag von ... Euro auf die nach dem Steuersatz für Rauchtabak berechnete Steuer sowie ein Betrag von ... Euro auf die Zusatzsteuer.
5Die Klägerin hat am ... Sprungklage gegen die Steueranmeldung erhoben, die dem beklagten Hauptzollamt am ... zugestellt worden ist. Das beklagte Hauptzollamt hat der Sprungklage am ... zugestimmt.
6Die Klägerin hat mit ihrer Klage vorgetragen: Die Erhebung der Zusatzsteuer auf erhitzten Tabak verstoße gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. EU 2009, L 9, 12) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2019/475 des Rates vom 18. Februar 2019 (ABl. EU 2019, L 83, 42) (Richtlinie 2008/118). Bei der Zusatzsteuer handele es sich nicht um eine zulässige andere indirekte Steuer. Vielmehr stelle die Zusatzsteuer eine weitere Tabaksteuer und damit eine Verbrauchsteuer dar. Die Zusatzsteuer werde auch nicht für besondere Zwecke erhoben, weil die Einnahmen aus der Steuer nicht zur Deckung gesundheitsbezogener Ausgaben verwendet würden.
7Darüber hinaus verstoße die Erhebung der Zusatzsteuer gegen Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. EU 2011, L 176, 24) (Richtlinie 2011/64), weil Tabakwaren innerhalb der Gruppe des anderen Rauchtabaks nicht unterschiedlich behandelt werden dürften. Ferner verstoße die Erhebung der Zusatzsteuer gegen Art. 14 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/64. Danach sei die Berechnung der spezifischen Verbrauchsteuer für anderen Rauchtabak nach der Stückzahl unzulässig.
8Der Senat hat mit Beschluss vom 29. April 2022 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:
91. Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2019/475 des Rates vom 18. Februar 2019 (ABl. EU 2019, L 83, 42) dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Tabaksteuer entgegensteht, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass neben einem Steuersatz für Pfeifentabak eine Zusatzsteuer erhoben wird, die 80 Prozent des Steuerbetrags für Zigaretten abzüglich des Steuerbetrags für Pfeifentabak beträgt?
2. Falls es sich bei der Zusatzsteuer auf zu erhitzenden Tabak nicht um eine andere indirekte Steuer zu besonderen Zwecken auf verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 handeln sollte: Ist Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Tabaksteuer entgegensteht, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass neben einem Steuersatz für Pfeifentabak eine Zusatzsteuer erhoben wird, die 80 Prozent des Steuerbetrags für Zigaretten abzüglich des Steuerbetrags für Pfeifentabak beträgt?
3. Falls es sich bei der Zusatzsteuer auf zu erhitzenden Tabak nicht um eine andere indirekte Steuer zu besonderen Zwecken auf verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 handeln sollte: Ist 14 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Tabaksteuer entgegensteht, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass diese nach einem Ad-Valorem-Steuersatz sowie einem spezifischen Steuersatz, der sich nach dem Gewicht und der Stückzahl der Tabakstränge richtet, zu ermitteln ist?
Der EuGH hat mit Urteil vom 14. März 2024, C-336/22 (ECLI:EU:C:2024:226) entschieden, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass die Wendung „für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren (erhobene) andere indirekte Steuer" eine auf erhitzten Tabak anwendbare Zusatzsteuer in Höhe von 80 Prozent des Betrags der Verbrauchsteuer auf Zigaretten abzüglich des Betrags der auf den erhitzten Tabak anwendbaren Verbrauchsteuer erfasst.
16Die Klägerin trägt vor: Der EuGH habe in seinem Urteil vom 14. März 2024 C-336/22 die erste Vorlagefrage des Senats in seinem Beschluss vom 29. April 2022 nicht vollständig beantwortet, weil er nicht dazu Stellung genommen habe, ob die fragliche Zusatzsteuer eine andere indirekte Steuer im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 sei. Das habe der EuGH auch nicht inzident bejaht. Der Senat könne daher noch darüber entscheiden, ob es sich nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH bei der Zusatzsteuer um eine andere indirekte Steuer handele. Der EuGH habe zudem unzulässigerweise das Vorliegen eines besonderen Zwecks im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 festgestellt, obwohl es allein Sache des vorlegenden Gerichts sei, den Sachverhalt festzustellen und das einzelstaatliche Recht auszulegen. Der EuGH sei überdies von der Auslegung des einzelstaatlichen Rechts durch den Senat in seinem Vorlagebeschluss abgewichen. Der Senat sei daher nicht an die Auslegung des einzelstaatlichen Rechts durch den EuGH gebunden, sondern habe das Vorliegen eines besonderen Zwecks selbst festzustellen. Die in Rede stehende Zusatzsteuer sei nicht wirklich darauf gerichtet, dem Gesundheitsschutz durch Verringerung des Nikotinkonsums zu dienen. Sie diene vielmehr einer Erhöhung der Steuereinnahmen. Darüber hinaus verstoße die Annahme des EuGH, dass der Gesundheitsschutz als allgemeines Ziel der Richtlinie 2011/64 auch ein besonderer Zweck im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 sein könne, gegen die Denkgesetze. Die Einführung anderer indirekter Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren sei nur ausnahmsweise unter strengen Voraussetzungen zulässig.
17Die höhere Besteuerung von erhitztem Tabak im Vergleich zu Pfeifentabak verstoße zudem gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Der Gesetzgeber habe das verfassungsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot missachtet. Der Gesetzgeber habe eine systematische Belastungsentscheidung getroffen, Tabakwaren nach enumerativ aufgezählten unterschiedlichen Kategorien zu besteuern und innerhalb dieser Kategorien eine gleichmäßige Besteuerung durchzuführen. Gleichwohl habe der Gesetzgeber eine Zusatzsteuer auf erhitzten Tabak eingeführt, obwohl dieser nach wie vor unter die Kategorie Pfeifentabak falle. Damit habe der Gesetzgeber ein Sonderrecht für erhitzten Tabak geschaffen und sei von seiner grundlegenden Belastungsentscheidung sowie seiner Steuersystematik abgewichen. Der Konsum von Nikotin sowie das Abhängigkeitspotential einer Tabakware seien keine Kriterien für die Besteuerung von Tabakwaren und entsprächen deshalb nicht der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers. Die Zusatzsteuer stelle eine isolierte höhere Besteuerung eines Erzeugnisses auf der Grundlage einer lediglich behaupteten gleichen Gesundheitsgefahr dar. Bei dieser singulären Abweichung von dem Besteuerungssystem handele es sich nicht um einen grundlegenden Systemwechsel, mit dem das Besteuerungsrecht widerspruchsfrei und kohärent ausgestaltet worden sei. Zudem widerspreche die Schlechterstellung von erhitztem Tabak der angeblichen gesundheitsschützenden Lenkungswirkung der Zusatzsteuer. Erhitzter Tabak sei potentiell weniger gesundheitsschädlich als Zigaretten. Daher führe die höhere Besteuerung von erhitztem Tabak zu einer Besteuerung nach Risikoprofilen, die unschlüssig und nicht folgerichtig sei. Die höhere Besteuerung führe gerade nicht dazu, Zigarettenraucher zu einem Umstieg auf potentiell weniger gesundheitsschädliche Erzeugnisse zu motivieren, weil erhitzter Tabak fast gleich hoch wie Zigaretten besteuert werde.
18Die Klägerin beantragt,
191. die Steueranmeldung vom ... aufzuheben, soweit damit die für erhitzten Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG zu erhebende Zusatzsteuer die für Pfeifentabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 TabStG zu erhebende Steuer übersteigt;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
231. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt es vor: Die Erhebung der Zusatzsteuer auf den erhitzten Tabak verstoße nicht gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, weil es sich bei dieser Steuer um eine nationale, nicht harmonisierte Verbrauchsteuer handele. Die Erhebung der Zusatzsteuer diene dem besonderen Zweck der Verringerung des Konsums von gesundheitsschädlichem Nikotin. Damit werde das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit verfolgt. Dieser Lenkungszweck der Zusatzsteuer reiche als besonderer Zweck im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 aus. Die Einnahmen aus der Zusatzsteuer müssten nicht zu einem besonderen Zweck verwendet werden.
27Die Richtlinie 2011/64 erfasse erhitzten Tabak noch nicht als eigenständige Tabakwarenkategorie. Mit der Einführung einer Zusatzsteuer auf erhitzten Tabak werde den dringenden Empfehlungen der WHO Rechnung getragen. Da es sich bei der Zusatzsteuer nicht um eine harmonisierte Steuer handele, müsse sie gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 auch nicht den Vorgaben des Art. 14 der Richtlinie 2011/64 genügen. Es reiche vielmehr aus, dass die Zusatzsteuer dem unionsrechtlichen Verbrauchsteuersystem grundsätzlich entspreche.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Steueranmeldung der Klägerin vom ..., die nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, ist – im angefochtenen Umfang – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
31Für die zu erhitzenden Tabakstränge wurde zu Recht die Zusatzsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG festgesetzt. Die Ermittlung der festgesetzten Zusatzsteuer in der von der Klägerin abgegebenen Steueranmeldung entspricht der gesetzlichen Regelung.
32Die Erhebung der Zusatzsteuer auf den zu erhitzenden Tabak verstößt nicht gegen Unionsrecht.
33Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 können die Mitgliedstaaten für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung mit den gemeinschaftlichen Vorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer vereinbar sind, wobei die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen ausgenommen sind.
34Bei der in Rede stehenden Zusatzsteuer handelt es sich um eine andere indirekte Steuer im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, die unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch der in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 aufgezählten Erzeugnisse erhoben wird (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 34, 48).
35Die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG vorgesehene Zusatzsteuer wird auf den Verbrauch von Tabakwaren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/118 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und Art. 21 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/64 erhoben. Die zu erhitzenden Tabakstränge sind anderer Rauchtabak, weil sie sich zum Rauchen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/64 eignen. Der Begriff des Rauchtabaks darf nicht eng ausgelegt werden (EuGH, Urteil vom 6. April 2017 Rs. C-638/15, ECLI:EU:C:2017:277 Randnr. 24). Insbesondere kann ein Erzeugnis, das lediglich erhitzt und geraucht wird, als Rauchtabak anzusehen sein (EuGH, Urteil vom 16. September 2020 Rs. C-674/19, ECLI:EU:C:2020:710 Randnr. 45). Demgemäß hat der EuGH entschieden, dass der in Rede stehende zu erhitzende Tabak als Tabakware eine verbrauchsteuerpflichtige Ware im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/118 ist, weil er unter den Begriff „Rauchtabak“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/64 fällt (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226, Randnr. 34).
36Die Zusatzsteuer auf erhitzten Tabak gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG wird auch für „besondere Zwecke“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 erhoben.
37Unter einem „besonderen Zweck“ in diesem Sinne ist ein anderer als ein reiner Haushaltszweck zu verstehen. Bei einer zusätzlichen Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren, deren Aufkommen – wie im Streitfall – nicht im Voraus zweckgebunden ist, kann nur dann davon ausgegangen werden, dass sie einen besonderen Zweck im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 verfolgt, wenn diese Steuer hinsichtlich ihrer Struktur derart gestaltet ist, dass sie das Verhalten der Steuerpflichtigen in einer die Erreichung des beanspruchten besonderen Zwecks ermöglichenden Weise beeinflusst, beispielsweise dadurch, dass die betroffenen Waren hoch besteuert werden, um ihren Konsum unattraktiv zu machen (EuGH, Urteile vom 27. Februar 2014, C-82/12, ECLI:EU:C:2014:108 Randnr. 32; vom 22. Juni 2023, C-833/21, ECLI:EU:C:2023:516 Randnr. 42; vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 37 f.).
38Zwar gehört der Gesundheitsschutz auch zu den mit der Richtlinie 2011/64 verfolgten Zielen, wie sich dies aus dem zweiten Erwägungsgrund zu dieser Richtlinie ergibt. Der bloße Umstand, dass eine Steuer neben dem mit ihr verfolgten Haushaltszweck der Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus dienen soll, kann jedoch das Vorliegen eines „besonderen Zwecks“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 nicht von vornherein ausschließen. Vielmehr kann es trotz dieser Identität der Ziele einen „besonderen Zweck“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 darstellen, wenn die auf eine verbrauchsteuerpflichtige Ware erhobene zusätzliche Steuer auf eine höhere Besteuerung der betreffenden Ware abzielt, damit sich ihre endgültige Besteuerung derjenigen vergleichbarer anderer verbrauchsteuerpflichtiger Waren mit dem Ziel annähert, von ihrem Konsum abzuschrecken. (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 39 f.).
39Die in Rede stehende Zusatzsteuer zielt darauf ab, die Besteuerung von erhitztem Tabak der Besteuerung von Zigaretten anzunähern. Die Erhebung der Zusatzsteuer soll nicht nur der bloßen Verringerung des Konsums von gesundheitsschädlichem Nikotin dienen. Vielmehr soll die Zusatzsteuer im Ergebnis dazu führen, dass erhitzter Tabak wie Zigaretten besteuert wird, weil er Zigaretten nach Auffassung des Gesetzgebers substituiert (Bundestags-Drucks. 19/28655, 2 und 19). Daher besteht der besondere Zweck der fraglichen Zusatzsteuer darin, durch eine Anpassung des Steuersatzes für erhitzten Tabak Verbraucher mit einer Nikotinabhängigkeit davon abzuhalten, Zigaretten durch den erhitzten Tabak zu ersetzen, weil dieser vom Gesetzgeber ebenfalls als gesundheitsschädlich angesehen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 40 f.).
40Anders als die Klägerin meint, ist der EuGH in seinem vorgenannten Urteil nicht von der Auslegung des einzelstaatlichen Rechts durch den Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 29. April 2022 abgewichen. Der Senat hat vielmehr unter Randnr. 14 seines Vorlagebeschlusses ausgeführt, dass die Zusatzsteuer im Ergebnis zu einer Besteuerung des erhitzten Tabaks ähnlich wie die Besteuerung von Zigaretten führen solle. Der EuGH hat diesen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck lediglich anders gewichtet als der Senat in seinem Vorlagebeschluss.
41Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat der EuGH in seinem Urteil vom 14. März 2024 C-336/22 die erste Vorlagefrage des Senats in seinem Beschluss vom 29. April 2022 vollständig beantwortet. Der EuGH hat diese Vorlagefrage in seinem Urteil unter Randnr. 28 (umformuliert) zutreffend wiedergegeben. Im Tenor seines Urteils vom 14. März 2024 hat er die erste Vorlagefrage des Senats in seinem Beschluss vom 29. April 2022 vollständig beantwortet. Danach steht Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 der Erhebung der Zusatzsteuer im Streitfall nicht entgegen. Der EuGH ist in seinem Urteil vom 14. März 2024 zwar nicht mehr auf seine bisherige Rechtsprechung, die der Senat unter Randnr. 11 seines Vorlagebeschlusses zitiert hatte, eingegangen. Es kann dahinstehen, ob darin eine Abweichung des EuGH von seiner bisherigen Rechtsprechung gesehen werden könnte. Jedenfalls ist das Urteil des EuGH vom 14. März 2024 C-336/22 für den Senat bindend (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, C-446/98, ECLI:EU:C:2000, 691 Randnr. 49).
42Die Zusatzsteuer ist auch mit den Unionsvorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sowie die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung vereinbar. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 verlangt von den Mitgliedstaaten nicht die Beachtung sämtlicher vorgenannter Vorschriften. Es reicht vielmehr aus, wenn die für besondere Zwecke erhobenen anderen indirekten Steuern unter diesen Gesichtspunkten den Unionsvorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer strukturell entsprechen (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 42).
43Die fragliche Zusatzsteuer entspricht strukturell Art. 14 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/64. Selbst wenn sich aus diesen Bestimmungen ergeben sollte, dass bei einer gemischten Verbrauchsteuer ein Ad-Valorem-Anteil nur mit einem spezifischen Anteil kombiniert werden darf, ist die in Rede stehende Zusatzsteuer nicht das Ergebnis der Kombination eines Ad-Valorem-Anteils mit zwei spezifischen Anteilen. Vielmehr ergibt sich der Steuersatz für die Zusatzsteuer aus dem Abzug eines nach Einheiten berechneten Betrags von einem nach Gewicht berechneten Betrag (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 44).
44Die Zusatzsteuer ist auch mit Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/64 zu vereinbaren. Die in dieser Bestimmung aufgestellten Regeln sollen lediglich sicherstellen, dass es keine diskriminierende steuerliche Behandlung von Waren gibt, die bezogen auf ihre wesentlichen Merkmale und die Art ihres Konsums identisch oder zumindest vergleichbar sind. (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 46).
45Bei der Kategorie der als „anderer Rauchtabak“ bezeichneten Tabake handelt es sich um eine Auffangkategorie, die nicht eng ausgelegt werden darf (EuGH, Urteil vom 6. April 2017, C-638/15, ECLI:EU:C:2017:277 Randnr. 24). Diese Kategorie umfasst daher zwangsläufig heterogene Waren, die in Bezug auf ihre Herstellungsmerkmale und die Art ihres Konsums variieren und vielfältiger sind als die der beiden anderen Kategorien („Zigaretten“ sowie „Zigarren und Zigarillos“). Daher könnte eine gleiche steuerliche Behandlung aller zu dieser Auffangkategorie gehörenden Waren entgegen der im neunten Erwägungsgrund aufgeführten Ziele der Richtlinie 2011/64 selbst zu Diskriminierungen führen und den Wettbewerb zwischen Tabakwaren derselben Kategorie verfälschen (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 47).
46Die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG vorgesehene Zusatzsteuer verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere entspricht die Zusatzsteuer dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Folgerichtigkeit. Danach muss bei der Ausgestaltung eines steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen kommen vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse in Betracht, nicht jedoch ein rein fiskalischer Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 Randnr. 36 f.).
47Durch die fragliche Zusatzsteuer wird die getroffene Belastungsentscheidung des Gesetzgebers folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt. Die Erhebung der Zusatzsteuer soll nicht lediglich der bloßen Verringerung des Konsums von gesundheitsschädlichem Nikotin dienen. Vielmehr soll die Zusatzsteuer nach der Intention des Gesetzgebers dazu führen, dass erhitzter Tabak wie Zigaretten besteuert wird, weil er Zigaretten nach Auffassung des Gesetzgebers substituiert (Bundestags-Drucks. 19/28655, 2 und 19). Wie der EuGH ausgeführt hat, könnte eine gleiche steuerliche Behandlung aller zu der Auffangkategorie „anderer Rauchtabak“ gehörenden Waren, wie sie die Klägerin begehrt, im Gegenteil zu Diskriminierungen führen und den Wettbewerb zwischen Tabakwaren derselben Kategorie verfälschen (EuGH, Urteil vom 14. März 2024, C-336/22, ECLI:EU:C:2024:226 Randnr. 47).
48Aus § 1a TabStG ergibt sich zudem nicht, dass der Gesetzgeber erhitzten Tabak in jeder Hinsicht mit Rauchtabak gleichstellen wollte. Die Vorschriften des TabStG für Rauchtabak sowie die dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen gelten für erhitzten Tabak vielmehr nur, „soweit nicht anders bestimmt“. Eine anderweitige Bestimmung hat der Gesetzgeber indes durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG hinsichtlich des Steuertarifs getroffen, indem er für erhitzten Tabak aus den dargelegten Gründen die Erhebung einer Zusatzsteuer vorgesehen hat.
49Bei der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers besteht kein Widerspruch zu dem von ihm verfolgten Lenkungsziel. Vielmehr geht es ihm bei der Besteuerung allgemein auch um die Verringerung des Konsums von gesundheitsschädlichem Nikotin (Bundestags-Drucks. 19/28655, 19 und 28). Dabei hat der Gesetzgeber allerdings entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung keine Differenzierung nach Gefährdungspotentialen vorgenommen. Die Einführung der in Rede stehenden Zusatzsteuer stellt daher keinen nach Art. 3 Abs. 1 GG möglicherweise unzulässigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 Randnr. 80) Systemwechsel dar. Vielmehr handelt es sich letztlich lediglich um eine Annäherung des für erhitzten Tabak erhobenen Steuersatzes an den für Zigaretten erhobenen Steuersatz. Wie die Klägerin überdies selbst einräumt, wird erhitzter Tabak durch die Zusatzsteuer nicht gleich wie Zigaretten besteuert, weil sich die Zusatzsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG lediglich aus 80 Prozent des Steuerbetrags nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 TabStG abzüglich des Steuerbetrags nach § 2 Nr. 4 TabStG bemisst.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.