Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Inhaber des Geschäfts S in A-Stadt, das am 3.7.2023 von Beschäftigten des Hauptzollamts (HZA) A-Stadt im Rahmen der Steueraufsicht kontrolliert wurde. In einem Hinterzimmer hinter der Ladentheke wurden Basen für E-Zigaretten der Marken Army Juice (4 x 1.000 ml), Meyer’s (200 ml) und Die Dampfbar (8 x 100 ml) aufgefunden, die jeweils kein deutsches Steuerzeichen aufwiesen. Ferner wurden 50 g Wasserpfeifentabak der Marke Al Fakher und drei Haribo-Dosen mit insgesamt 2.678 g Wasserpfeifentabak festgestellt, die jeweils kein deutsches Steuerzeichen aufwiesen.
3Mit Bescheid vom 15.12.2023 setzte der Beklagte für die Basen Tabaksteuer i.H.v. 800 Euro und für den Wasserpfeifentabak Tabaksteuer i.H.v. 123,29 Euro, insgesamt 923,29 Euro gegen den Kläger fest. Wegen der Berechnung wird auf den Bescheid verwiesen.
4Hiergegen legte der Kläger am 22.12.2023 Einspruch ein und machte geltend, es liege offensichtlich ein privater Gebrauch vor und der Tabak habe sich nicht in dem Bereich der Waren befunden, die zum Verkauf bestimmt gewesen seien.
5Mit Entscheidung vom 25.1.2024 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte u.a. an: Das Inbesitzhalten von Substituten für Tabakwaren ohne Versteuerungsnachweis führe seit dem 13.2.2023 zur Steuerschuldnerschaft gemäß § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 des Tabaksteuergesetzes (TabStG). Es sei unerheblich, wo in den Geschäftsräumen sich die Waren befunden hätten. Da die Waren in einem Shisha-Shop aufgefunden worden seien, sei das Vorbringen, sie seien für den privaten Gebrauch bestimmt gewesen, als Schutzbehauptung zu werten. Zudem sei es auch rechtlich unerheblich, ob ein privater Gebrauch anzunehmen sei.
6Hiergegen hat der Kläger am 30.1.2024 Klage erhoben, mit der er geltend macht, die Ware sei nicht für den Verkauf bestimmt und schon geöffnet gewesen. Er habe den „Tabak“ im Dampfshop an der I-Straße gekauft. Nur diese Packung sei geöffnet gewesen und weitere Packungen hätten sich nicht im Shop befunden. Wegen der diversen Gesetzesänderungen müsse überprüft werden, wann die Ware produziert worden sei und ob die Liquids überhaupt unter das Tabaksteuergesetz fielen.
7Der Kläger beantragt,
8den Bescheid vom 15.12.2023 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.1.2024 aufzuheben.
9Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
10Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren hat das Amtsgericht A-Stadt mit Beschluss vom 14.8.2024 nach § 153 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt. Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 25.7.2024 (Kläger) bzw. vom 13.8.2024 (Beklagter) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
11Entscheidungsgründe:
12Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
13Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
14I. Die Festsetzung einer Tabaksteuer i.H.v. 800 Euro auf Substitute für Tabakwaren ist nicht zu beanstanden.
151. Bei den streitgegenständlichen Basen handelt es sich um Substitute für Tabakwaren und damit um einen tauglichen Steuergegenstand i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2c Satz 1 TabStG. Gegen die Feststellung des HZA A-Stadt, die Basen seien zur Verwendung in E-Zigaretten vorgesehen (Hefter 2, Bl. 2 der Verwaltungsakten), hat der Kläger nichts eingewandt. Daher handelt es sich i.S.d. § 1 Abs. 2c Satz 1 TabStG um Erzeugnisse, die zum Konsum eines mittels eines Geräts erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind (vgl. auch Glockner, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2023, 285, 286; Mayr, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2022, 2, 4). Die Regelung ist zum 1.7.2022 in Kraft getreten und daher in zeitlicher Hinsicht anwendbar (Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Tabaksteuerrechts – TabStMoG – v. 10.8.2021, Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2021, 3411).
162. Die Tabaksteuer ist nach § 1b Satz 1 TabStG i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG entstanden. Nach dieser Vorschrift entsteht die Tabaksteuer in allen anderen Fällen mit dem Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde.
17a) Die Vorschrift ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar, da sie nach Art. 12 Abs. 1 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen v. 30.3.2021 (BGBl. I 2021, 607) am 13.2.2023 in Kraft getreten ist und die streitgegenständlichen Feststellungen am 3.7.2023 getroffen wurden.
18b) Die Regelung ist zudem ungeachtet dessen anwendbar, dass sie systematisch zu Abschnitt 4 des Tabaksteuergesetzes gehört, der nach seiner Überschrift die Beförderung von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs aus anderen, in andere oder über andere Mitgliedstaaten betrifft. Zwar ist nicht feststellbar, dass die streitgegenständlichen Substitute einen derartigen Bezug zu anderen Mitgliedstaaten aufweisen. Jedoch verlangt der Wortlaut einen solchen Bezug auch nicht. Vielmehr soll die Regelung für „alle anderen“ Fälle gelten, womit alle anderen Fälle als die in § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG genannten gemeint sind. Für eine solche Auslegung als Auffangtatbestand (so auch Schröer-Schallenberg, in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 4. Aufl. 2023, Rn. E 85) spricht, dass die Regelung ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (Bundestagsdrucksache 19/25697, S. 89) der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 lit. b) der Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates v. 19.12.2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (Richtlinie (EU) 2020/262) dient. Diese Richtlinienregelung ist ihrerseits ebenfalls nicht auf die Beförderung von Tabakwaren aus anderen, in andere oder über andere Mitgliedstaaten beschränkt. Da § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG der Richtlinienumsetzung dient, ist es für die Auslegung unerheblich, dass es sich bei den streitgegenständlichen Substituten für Tabakwaren um einen nichtharmonisierten Steuergegenstand handelt. Vor diesem Hintergrund kann der systematisch ungenauen Platzierung der Regelung in Abschnitt 4 des Tabaksteuergesetzes keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
19c) Die Tabestandsvoraussetzungen von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG sind erfüllt.
20Der Kläger hatte unstreitig Besitz an den Tabakwaren, die er nach seinem Vortrag für den privaten Gebrauch erworben und nach den Feststellungen des HZA A-Stadt im Hinterzimmer des von ihm betriebenen Ladenlokals aufbewahrt hat. Die Tabakwaren befanden sich auch im steuerrechtlich freien Verkehr, da keine der Ausnahmen des § 4 Nr. 3 TabStG einschlägig ist. Schließlich ist die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben worden, da die Tabakwaren unstreitig keine Steuerzeichen aufwiesen.
21Unerheblich ist, zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Waren in den freien Verkehr gelangt sind. Der Wortlaut des § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG erfasst allgemein das Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde, und sieht insbesondere keine Einschränkung für Altwaren vor, die vor dem 1.7.2022 in den freien Verkehr gelangt sind.
22Der Begriff „erhoben“ nimmt nicht auf die im deutschen Recht gebräuchliche Differenzierung zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren (Vierter bzw. Fünfter Teil der Abgabenordnung) Bezug, sondern ist der entsprechenden Formulierung in Art. 6 Abs. 3 lit. b) der Richtlinie (EU) 2020/262 geschuldet. Das Unionsrecht sieht begrifflich keine Differenzierung zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren vor. Aus diesem Grund lässt sich der Tatbestandsvoraussetzung, nach der die Steuer „noch nicht erhoben“ wurde, nicht zugleich entnehmen, dass eine Steuererhebung tatsächlich und rechtlich möglich gewesen sein muss. Es genügt vielmehr, dass eine solche nicht stattgefunden hat und es somit nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt.
23Eine einschränkende Auslegung, die die vorherige Auslösung eines Steuerentstehungstatbestands verlangt, würde sich demgegenüber ohne hinreichenden Grund vom Wortlaut lösen. Ein solcher Grund lässt sich weder den Gesetzesmaterialien (hierzu bereits Senat, Beschluss v. 29.9.2023 – 4 V 1068/23 A (VTa), juris, Rn. 26) noch dem Richtlinienrecht entnehmen. Zwar darf nach Art. 6 Abs. 3 lit. b) der Richtlinie (EU) 2020/262 „keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben“ worden sein. Die Formulierung weicht in ihrem Sinngehalt aber nicht von der nationalen Regelung ab, denn eine (rechtmäßige) Steuererhebung ist ohnehin nur nach geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des einzelstaatlichen Rechts denkbar. Auch der Richtlinienformulierung lässt sich nicht entnehmen, dass eine vorherige Steuererhebung in rechtlicher Hinsicht möglich gewesen sein muss. Vielmehr verlangt die Richtlinie ebenfalls nur, dass eine Steuererhebung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Der Richtliniengeber dürfte auch keinen Anlass gehabt haben, die Behandlung von Altwaren ausdrücklich zu regeln, da es sich bei den streitgegenständlichen Substituten um einen nicht harmonisierten Besteuerungsgegenstand handelt.
243. Die demnach durch das Inbesitzhalten am 3.7.2023 entstandene Steuer schuldet der Kläger als Besitzer nach § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 TabStG. Gegen die nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 lit. a) TabStG vorgenommene Berechnung der Steuer hat der Kläger nichts eingewandt.
25II. Die Festsetzung einer Tabaksteuer i.H.v. 123,29 Euro auf Wasserpfeifentabak ist ebenfalls nicht zu beanstanden
26Der am 3.7.2023 ebenfalls festgestellte Wasserpfeifentabak stellt bereits seit dem 1.1.2022 einen Steuergegenstand gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2b TabStG dar (Art. 5 Abs. 1 TabStMoG). Auch insoweit ist die Steuer nach § 1a TabStG i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 TabStG durch das Inbesitzhalten am 3.7.2023 entstanden. Aus den o.g. Gründen ist die Vorschrift anwendbar und sind ihre Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt. Der Kläger schuldet die Steuer als Besitzer nach § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 TabStG. Gegen die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a), Nr. 6 lit. b) TabStG vorgenommene Berechnung der Steuer hat der Kläger nichts eingewandt. Der Anwendung der Zusatzsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 TabStG begegnen keinen unionsrechtlichen Bedenken (Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 14.3.2024 – C-336/22, f6 Cigarettenfabrik).
27III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.