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Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Erinnerungsführerin.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 Satz 1 FGO).
Gründe:
2I.
3Streitig ist die Höhe der nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) festzusetzenden Vergütung.
4Mit Schriftsatz vom 28.05.2021 wurde unter dem Aktenzeichen 3 K 1304/21 E,G,U,F Klage erhoben, und zwar sowohl gegen Einkommen-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide als auch gegen Bescheide betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (im Folgenden Feststellungsbescheide genannt). Die Kläger wurden wie folgt bezeichnet:
5Klage
6der Eheleute G. und I. S., …(Anschrift),
7und der G. und I. S. GbR, …(Anschrift),
8- Kläger und Klägerin –
9Genauere Angaben dazu, wer welchen Bescheid anfechtet, fehlten. Beantragt wurde, sämtliche angefochtenen Bescheide aufzuheben.
10Bei den angefochtenen Feststellungsbescheiden handelt sich um Bescheide, die nach Durchführung einer Außenprüfung ergangen sind und mit denen die von den Ehegatten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erstmals gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Formell-rechtlich war streitig, ob bei Erlass der Bescheide bereits Feststellungsverjährung eingetreten war, und materiell-rechtlich, ob der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft der Höhe nach zutreffend festgestellt wurde. Dass die Ehegatten in Form einer Gütergemeinschaft gemeinschaftliche Einkünfte erzielten und ihnen die Einkünfte jeweils zu 50 % zuzurechnen waren, war nicht streitig. Feststellungen zu Sonderbetriebseinnahmen oder - ausgaben enthielten die Bescheide nicht und deren Nichterfassung war im Klageverfahren auch nicht streitig.
11Der Senat legte die Klageschrift dahingehend aus, dass die Klage betreffend Einkommensteuer von den Ehegatten eingelegt worden sei, die Klage betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag allein von Herrn S. und die Klage gegen die Feststellungsbescheide allein von der GbR. Mit Beschluss vom 17.07.2023, in dessen Rubrum die Streitgegenstände den einzelnen Klägern ausdrücklich zugeordnet wurden, wurde das die Feststellungsbescheide betreffende Verfahren abgetrennt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 3 K 1364/23 F fortgesetzt und wies seit der Abtrennung allein die GbR als Klägerin aus. Einwände gegen die alleinige Bezeichnung der GbR als Klägerin wurden seitens des Prozessbevollmächtigen nicht erhoben. Das Verfahren 3 K 1364/23 F wurde in der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2023 von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kosten des Verfahrens wurden mit Beschluss vom 18.08.2023 dem Beklagten auferlegt und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde mit Beschluss vom 04.03.2024 für notwendig erklärt.
12Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 28.02.2024 berechnete der Prozessbevollmächtigte zu erstattende Kosten i.H.v. 15.109,07 €. Dabei brachte er sowohl bei den Kosten des Gerichtsverfahrens als auch bei den Kosten des Vorverfahrens eine 0,3fache Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 3 RVG zum Ansatz. Begründet wurde dies damit, dass Ehegatten vertreten worden seien.
13Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 18.04.2024 die vom Beklagten zu erstattenden Kosten auf 10.306,25 € fest. Dabei ließ sie – neben weiteren nicht angefochtenen Änderungen der Kostenberechnung – die Mehrvertretungsgebühren außer Ansatz.
14Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte mit seiner am 02.05.2024 erhobenen Erinnerung. Er hält daran fest, dass Mehrvertretungsgebühren entstanden seien, weil es im Klageverfahren um die Einkünfte mehrerer Personen gegangen sei. Auch seien die Feststellungsbescheide nicht ausschließlich von der GbR, sondern zugleich durch die Ehegatten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter angefochten worden. Die Gesellschafter seien nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 und 5 FGO selbst klagebefugt gewesen, weil es darum gegangen sei, ob die Prüfungsanordnung wirksam bekannt gegeben worden sei und weil es in besonderem Maße darum gegangen sei, inwiefern gegenüber Frau S. Verjährung eingetreten sei. Insoweit sei zu beachten, dass das Gericht anscheinend selbst davon ausgegangen sei, dass auch die Gesellschafter „Kläger“ seien, da im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2023 mehrfach von „Klägern“ (Plural) die Rede sei.
15Bezüglich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 02.05.2024 und vom 23.06.2024 Bezug genommen.
16Die Erinnerungsführerin beantragt,
17unter Abänderung des Beschlusses vom 18.04.2024 sowohl für das Gerichtsverfahren als auch für das Vorverfahren eine 0,3-fache Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zum Ansatz zu bringen.
18Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
19II.
20I. Die Erinnerung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
21Es besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Mehrvertretungsgebühren nach Nr. 1008 VV RVG.
221) Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2 des Teil 3 VV RVG bzw. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 des Teil 2 VV RVG steht dem Rechtsanwalt für das Betreiben des Geschäfts im gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr und im Vorverfahren eine Geschäftsgebühr zu. Sind Auftraggeber in der derselben Angelegenheit mehrere Personen, erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG für jede weitere Person um 0,3.
23Entscheidend für die Entstehung der Mehrvertretungsgebühr ist, ob der Rechtsanwalt mehrere Mandanten vertritt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt eine Gesellschaft vertritt, der eigene Rechtssubjektivität zukommt. Eine (Außen)Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 29.1.2001 - II ZR 331/00, NJW 2001, 1056; vom 18.2.2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 und vom 18.2.2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207) schon seit dem Jahr 2001 als rechtsfähig und auch als parteifähig. Tritt (nur) die GbR selbst als Klägerin auf, vertritt der Rechtsanwalt allein diese, nicht aber die einzelnen Gesellschafter. Der bloße Umstand, dass eine Gesellschaft zwangsläufig aus mehreren Personen besteht, löst ebenso wenig eine Mehrvertretungsgebühr aus wie der Umstand, dass mit den angefochtenen Bescheiden die Einkünfte mehrerer Personen festgestellt wurden.
242) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist im Streitfall keine Mehrvertretungsgebühr entstanden. Denn soweit es die hier allein maßgeblichen Gewinnfeststellungsbescheide angeht, hatte der Prozessbevollmächtigte nur eine einzige Mandantin, nämlich die GbR.
25Zwar ist dem Prozessbevollmächtigten zuzugestehen, dass die allgemein formulierte Klageschrift auch eine Auslegung dahingehend zulassen würde, dass die Feststellungsbescheide nicht nur von der GbR, sondern auch von den Ehegatten persönlich angefochten wurden. Würde man diese Lesart anwenden – d.h. davon ausgehen, dass jeder Bescheid von sämtlichen in der Klageschrift benannten Personen angefochten wurde -, hätte dies allerdings zur Folge, dass die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide auch von der GbR und Frau S. angefochten worden wäre, obwohl sich diese Bescheide ausschließlich gegen Herrn S. richteten, und die GbR auch Klägerin bezüglich der Einkommensteuerbescheide wäre. Da dieses Verständnis der Klageschrift zu offensichtlich unzulässigen Klagen führen würde, hat der Senat die Klageschrift rechtschutzgewährend dahingehend ausgelegt, dass jeder Bescheid nur von demjenigen angefochten wurde, der auch zur Klageerhebung befugt war. Bezüglich der Feststellungsbescheide war dies nur die GbR (hierzu unter a), nicht aber die Gesellschafter (hierzu unter b).
26a) Wer im Streitfall befugt war, gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Klage zu erheben, wird durch § 48 FGO in der bis zum 31.12.2023 gültigen Fassung bestimmt. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 10.09.2020 – IV R 14/18, BStBl II 2021, 367 m.w.N.) dahin zu verstehen, dass gegen einen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (gesondert und einheitlich) ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid im Grundsatz nur die Personengesellschaft im eigenen Namen Klage erheben kann, obwohl sich dieser Bescheid inhaltlich an die einzelnen Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet. Es handelt sich um einen Fall gesetzlicher Prozessstandschaft. Die Personengesellschaft erhebt --ihrerseits vertreten durch ihre Geschäftsführung-- als Prozessstandschafterin Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid. Sie macht mit der Klage nicht eigene Rechte geltend, sondern die ihrer Gesellschafter, gegen die sich der Gewinnfeststellungsbescheid richtet. Für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft wird damit ein Teil der aus § 40 Abs. 2 FGO folgenden Klagebefugnis der Gesellschafter auf die Gesellschaft verlagert.
27b) Den Gesellschaftern persönlich steht ein eigenes Klagerecht gegen die Feststellungsbescheide nur zu, soweit die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 FGO erfüllt sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 23.01.2020 - IV R 48/16, BFH/NV 2020, 695, m.w.N.). Diese Vorschriften greifen im Streitfall jedoch nicht.
28aa) Ein Anfechtungsrecht der Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO besteht nur, wenn es keine Personen gibt, die für die Gesellschaft handeln. Die S. GbR wird jedoch nach außen durch Herr S. vertreten, weshalb die GbR nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorrangig klagebefugt ist.
29bb) Da es sich bei den Ehegatten S. nicht um ausgeschiedene Gesellschafter handelt, ist § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht anwendbar.
30cc) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO eröffnet ein Anfechtungsrecht nur, soweit streitig ist, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt. Im Streitfall besteht jedoch kein Streit darüber, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (nur) den Ehegatten S. zuzurechnen sind und zwar zu jeweils 50 %.
31dd) Auch § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist bei Fragen, die einen Beteiligten persönlich angeht, jeder anfechtungsberechtigt, der durch die Feststellungen über die Frage berührt wird. Ein „persönliches Angehen“ im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn die Streitfrage -- wie beispielsweise die Frage über das Vorliegen oder die Höhe von Sonderbetriebseinnahmen oder Sonderbetriebsausgaben -- der eigenen Sphäre des Gesellschafters zugeordnet ist (z.B. BFH, Urteil vom 18.08.2015 – I R 42/14, BFH/NV 2016, 164). Streitigkeiten, die den Bereich der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung (wie z.B. die Höhe des Gesamtgewinns) oder die formell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids (wie z.B. Fragen der wirksamen Bekanntgabe) betreffen, eröffnen keine Klagebefugnis einzelner Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Im Streitfall wurden ausschließlich allgemeine Einwendungen vorgebracht, nämlich zum einen, dass die Feststellungsbescheide aus verjährungsrechtlichen Gründen überhaupt nicht mehr hätten ergehen dürfen, und zum anderen, dass der festgestellte Gesamtgewinn zu hoch sei.
32c) Da die Gesellschafter selbst nicht klagebefugt waren, war es nicht geboten, die Klageschrift dahingehend auszulegen, dass die Feststellungsbescheide auch von den Gesellschaftern persönlich angefochten wurden. Offensichtlich wurde diese Ansicht - jedenfalls während des noch laufenden Klageverfahrens - auch von dem Prozessbevollmächtigten geteilt. Denn obwohl sowohl aus dem Trennungsbeschluss als auch aus der Ladung zur mündlichen Verhandlung unmissverständlich hervorging, dass der Senat allein die GbR als Klägerin ansah, hat der Prozessbevollmächtigte vor Schluss der mündlichen Verhandlung in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass die Feststellungsbescheide seines Erachtens auch von den Ehegatten persönlich angefochten worden seien. Der erst im Kostenverfahren vorgebrachte Verweis darauf, dass in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung an mehreren Stellen von den „Klägern“ (Plural) die Rede sei, führt zu keinem anderen Ergebnis, und zwar schon deshalb nicht, weil es sich bei dieser Bezeichnung angesichts des Umstands, dass im Rubrum des Protokolls ausschließlich die GbR als Klägerin bezeichnet ist, um offenbare Unrichtigkeiten handelt. Hätte der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass die Feststellungsbescheide auch von den Ehegatten S. angefochten worden seien, wäre dies im Protokoll vermerkt worden und es hätte zwangsläufig – da die Klage dann teilweise unzulässig gewesen wäre – eine andere Kostenentscheidung getroffen werden müssen.
33d) Die von dem Prozessbevollmächtigten angeführten zivilrechtlichen Entscheidungen und Kommentarstellen, aus denen sich ergeben soll, dass bei Vertretung von Ehegatten stets Mehrvertretungsgebühren entstehen würden, betreffen gänzlich andere Fallgestaltungen und sind für das hiesige Verfahren unbeachtlich.
34II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, da das Gerichtskostengesetz hierfür keinen Gebührentatbestand vorsieht. Soweit sonstige Kosten angefallen sind, sind diese gem. § 135 Abs. 1 FGO von der Erinnerungsführerin zu tragen.