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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater.
3Der im Jahr 0000 geborene Kläger wurde am 00.00.1993 zum Steuerberater bestellt. Er ist alleiniger Geschäftsführer der N. GmbH ... .
4Im März 2019 bat die Abteilung für Psychiatrie des I./S. Krankenhauses W. (im Folgenden I. Krankenhaus) das Amtsgericht W. (im Folgenden Betreuungsgericht) um Genehmigung einer Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Einrichtung und regte eine Betreuung des Klägers an. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) in der vorgenannten Abteilung stationär untergebracht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger unter einer bipolaren Störung leide. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anregung einer Betreuung vom 00.03.2019 (Bl. 1 f. der Akte des Amtsgerichts W., Az. N01; im Folgenden Betreuungsakte) Bezug genommen.
5Beim Betreuungsgericht wurde daraufhin ein Betreuungsverfahren für den Kläger eingeleitet (Az. N01). Mit Genehmigung des Betreuungsgerichts war der Kläger bis zum 00.04.2019 in der geschlossenen Abteilung des I. Krankenhauses untergebracht.
6Das Betreuungsgericht holte zu der Frage der Notwendigkeit einer Betreuung des Klägers ein psychiatrisches Gutachten ein. In dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie J. V. vom 00.07.2019, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 44 ff. der Betreuungsakte), führte der Gutachter aus, dass beim Kläger eine psychische Erkrankung mit chronischen seelischen Beeinträchtigungen vorliege. Es handele sich um eine bipolare affektive Störung. Da aktuell keine Anzeichen für eine Geschäftsunfähigkeit bestünden, empfahl er die Beendigung einer betreuungsrechtlichen Maßnahme. Daraufhin stellte das Betreuungsgericht das Betreuungsverfahren im August 2019 ein.
7Im Jahr 2020 erhob der Kläger beim Landgericht B. gegen die Y. GmbH eine Klage. Gegenstand des Klageverfahrens, das unter dem Az. N02 noch anhängig ist, ist die Frage, ob dem Kläger durch die restlichen Gesellschafter Gesellschaftsanteile zu Recht entzogen worden sind. Eine Abfindungszahlung ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
8Vom 00.05.2020 bis zum 00.07.2020 war der Kläger erneut in der geschlossenen Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses untergebracht. In den ärztlichen Zeugnissen, mit denen eine Betreuung angeregt wurde, wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger unter einer bipolaren Störung leide und unangemessen mit Geld umgehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die ärztlichen Zeugnisse vom 00.05.2020, vom 00.06.2020 und vom 00.06.2020 (Bl. 78 f., 97 f., 111 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
9Das Betreuungsgericht holte zu der Frage der Notwendigkeit einer Betreuung für den Kläger ein psychiatrisches Gutachten ein. In dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie J. V. vom 00.11.2020, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 170 ff. der Betreuungsakte), wurde ausgeführt, dass der Kläger u.a. in Vermögensangelegenheiten nicht mehr selbst und in genügendem Maße für sich Sorge tragen könne. Es wurde die Einrichtung einer Betreuung für mindestens zwei Jahre empfohlen. Zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person und das Vermögen des Betroffenen hielt der Gutachter die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für erforderlich.
10Am 00.12.2020 bestellte das Betreuungsgericht für den Kläger einen Betreuer.
11Vom 00.08.2020 bis zum 00.01.2021 befand sich der Kläger im I. Krankenhaus in stationärer Behandlung.
12Am 00.02.2021 gründete der Kläger gemeinsam mit Rechtsanwalt X. P., der zu dieser Zeit sein Betreuer war, eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH ... (im Folgenden GmbH). Beide Gesellschafter waren zu je ½ an der GmbH beteiligt und wurden beide Geschäftsführer. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 00.02.2021 (Bl. 133 ff. GA) und den Handelsregisterauszug vom 08.02.2024 (Bl. 17 f. GA) Bezug genommen.
13Vom 00.05.2021 bis zum 00.06.2021 war der Kläger in der geschlossenen Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses untergebracht. Wegen der Einzelheiten wird auf die ärztlichen Zeugnisse vom 00.05.2021 und vom 00.05.2021 (Bl. 223 f., 226 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
14Nachdem der Kläger am 00.06.2021 eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hatte, hob das Betreuungsgericht am 00.06.2021 die Betreuung des Klägers auf.
15Im ... 2021 wurde X. P. als Geschäftsführer der GmbH abberufen. Seitdem ist der Kläger der einzige Geschäftsführer der GmbH.
16Vom 00.08.2021 bis zum 00.09.2021 war der Kläger auf Anregung der Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht. Wegen der Einzelheiten wird auf das ärztliche Zeugnis vom 00.08.2021 (Bl. 264 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
17Im Oktober 2021 wurde G. L., der weder Steuerberater noch Rechtsanwalt ist, für die GmbH eine Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem Prokuristen erteilt. Ein weiterer Prokurist ist nicht bestellt.
18Am 00.10.2021 regte die Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses beim Betreuungsgericht eine Betreuung des Klägers an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger in der vorgenannten Abteilung in stationärer Behandlung, wobei die Unterbringung auf dem PsychKG beruhte. Die Vorsorgevollmacht war zu diesem Zeitpunkt widerrufen worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seines Größenerlebens finanziell expansiv handele, ohne die mittel- und langfristigen Folgen zu bedenken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anregung einer Betreuung vom 00.10.2021 (Bl. 305 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
19Am 00.10.2021 wurde der Kläger in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung – ZPO –) eingetragen (Az. N03).
20Vom 00.11.2021 bis zum 00.05.2022 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des I. Krankenhauses. Während seines stationären Aufenthalts regte das Krankenhaus nochmals eine Betreuung des Klägers an; wegen der Einzelheiten wird auf die Anregung einer Betreuung vom 00.12.2021 (Bl. 318 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
21Am 00.12.2021 wurde der Kläger ein weiteres Mal im Schuldnerverzeichnis eingetragen (Az. N04).
22Zur Prüfung, ob und in welchen Angelegenheiten für den Kläger die Bestellung eines rechtlichen Betreuers erforderlich ist, holte das Betreuungsgericht ein Gutachten ein. In dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 00.03.2022, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 339 ff. der Betreuungsakte), führte der Gutachter aus, dass beim Kläger formale Denkstörungen und eine bipolare Erkrankung bestünden. Der Kläger sei nicht in der Lage, seine Angelegenheiten in Gänze selbst zu versorgen, da er die Folgen seines Handelns nicht überblicken könne und ihm die Fähigkeit zu planen und organisieren fehle. Er könne seine Angelegenheiten u.a. im Bereich der Vermögensangelegenheiten und Behördenangelegenheiten nicht selbstinteressengerecht besorgen. Der Gutachter empfahl eine gesetzliche Betreuung für die maximal vom Gesetz erlaubte Dauer von sieben Jahren. Im Bereich der Vermögensangelegenheiten sei die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts notwendig, weil der Kläger immer wieder dazu tendiere, sein Vermögen durch seine Entscheidungen und Tätigkeiten erheblich zu gefährden. Die Krankheit und das daraus folgende Unvermögen zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten würden als dauerhaft angesehen. Eine Geschäftsunfähigkeit bestehe aktuell nicht.
23Das Betreuungsgericht bestellte Rechtsanwalt Q., den Prozessbevollmächtigten des Klägers, zum Betreuer des Klägers. Die Betreuung umfasst u.a. Vermögensangelegenheiten und die Vertretung gegenüber Behörden. Für Vermögensangelegenheiten wurde ein Einwilligungsvorbehalt des Betreuers angeordnet. Der Betreuer ist in seinem Aufgabenbereich zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung berechtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bestellung vom 00.04.2022 (Bl. 4 GA) Bezug genommen.
24Am 00.04.2022 gab der Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Az. N05 gegenüber der Obergerichtsvollzieherin T. die Vermögensauskunft ab. Er gab an, dass er derzeit erkrankt sei und keine laufenden Einkünfte beziehe. Es werde ein Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt werden. Weiterhin gab er an, dass beim Landgericht B. derzeit ein Verfahren gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Y. GmbH M., anhängig sei (Az. N02). Kontoguthaben seien nicht vorhanden. Am 01.12.2022 werde eine Lebensversicherung mit einer Leistung von 88.507,33 EUR ausgezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 187 ff. des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
25Am 00.04.2022 erfolgten drei Einträge des Klägers im Schuldnerverzeichnis (Az. N05, N06 und N07). In der Folgezeit erfolgten weitere Einträge am 00.05.2022 (Az. N08), am 00.06.2022 (N09) sowie am 00.08.2022 (N10).
26In seinem Erstbericht an das Betreuungsgericht vom 00.06.2022, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 381 ff. der Betreuungsakte), trug der Betreuer vor, dass der Kläger in manischen Phasen diverse Rechtsgeschäfte zu seinem Nachteil abgeschlossen habe, aus denen diverse Verbindlichkeiten resultieren würden. Er reichte eine Auflistung der bestehenden Verbindlichkeiten zum 00.06.2022 mit einer Gesamtsumme von 53.594,36 EUR sowie ein Vermögensverzeichnis zum Stichtag 00.12.2021 ein.
27Er gab an, dass der Kläger die GmbH gegründet habe, nachdem er zwangsweise aus der Y.-Gruppe ausgeschieden sei. Die GmbH führe keine Geschäfte, sie verfüge nicht über Mandate. Nach Aussage der Ärzte dürfte ein Fortführen der steuerberatenden Tätigkeit durch den Kläger krankheitsbedingt nicht mehr möglich sein.
28Mit einem Schreiben vom 00.09.2022 teilte die Stadt C. der Beklagten mit, dass eine Zwangsvollstreckung wegen des Kammerbeitrags 2022, um die die Beklagte die Stadt C. ersucht hatte, erfolglos gewesen sei. Der Kläger habe am 00.04.2022 die Vermögensauskunft abgegeben. Gegenüber dem Vollziehungsbeamten habe der Kläger angegeben, unter Betreuung zu stehen.
29Mit Schreiben vom 00.10.2022 und vom 00.10.2022, von denen der Betreuer jeweils Abschriften erhielt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Ermittlungen zu einem möglichen Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater eingeleitet habe. Der Kläger wurde um Prüfung, Klärung und Stellungnahme zu der Frage eines möglichen Vermögensverfalls, der eigenverantwortlichen und unabhängigen Berufsausübung als Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft unter Berücksichtigung der bestehenden Betreuung gebeten.
30Aufgrund einer Anfrage der Beklagten teilte die Obergerichtsvollzieherin T. mit Schreiben vom 00.10.2022 mit, dass ihr Zwangsvollstreckungsaufträge gegen den Kläger erteilt worden seien, bei denen aktuell die folgenden Forderungen offen seien:
31Az. |
Eingang |
Gläubiger und Titel |
Aktuelle Gesamtforderung |
N03 |
24.09.2021 |
Notar H. Kostenrechnung vom 26.03.2020 |
3.006,84 EUR |
N04 |
15.11.2021 |
R. Beschluss AG B. vom 19.05.2016 |
2.438,86 EUR |
N05 |
27.12.2021 |
A. Vollstreckungsbescheid vom 25.11.2021 |
410,02 EUR |
N06 |
20.01.2022 |
Notar H. Kostenrechnung vom 26.03.2020 |
3.083,24 EUR |
N07 |
18.03.2022 |
R. Beschluss AG B. vom 19.05.2016 |
3.721,31 EUR |
N08 |
00.00.2022 |
K. Vollstreckungsbescheid vom 13.04.2022 |
625,07 EUR |
N09 |
08.06.2022 |
A. Vollstreckungsbescheid vom 17.03.2022 |
568,83 EUR |
N10 |
11.08.2022 |
D. U. GmbH Vollstreckungsbescheid vom 28.06.2022 |
1.758,09 EUR |
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Oberfinanzdirektion NRW mit Schreiben vom 00.11.2022 mit, dass keine Steuerrückstände des Klägers bestünden.
33Der Kläger selbst nahm gegenüber der Beklagten Stellung und trug vor, dass kein Vermögensverfall vorliege. Er stehe unter gesetzlicher Betreuung, weil er schwer erkrankt gewesen sei. Während eines Krankenhausaufenthalts, der etwa ein halbes Jahr gedauert habe, seien seine finanziellen Verpflichtungen leider nicht erfüllt worden. Dadurch sei es zu den Einträgen im Schuldnerverzeichnis gekommen. Im Dezember würden zwei Lebensversicherungen ausgezahlt. Dann stünden ihm ca. 150.000 EUR zur Verfügung, so dass er alle Verbindlichkeiten werde begleichen können. Er sei zuversichtlich, dass Ende 2022 die Einträge im Schuldnerverzeichnis gelöscht sein würden.
34Gesundheitlich befinde er sich auf dem Weg der Besserung. Er könne sich wieder selbst versorgen. Er sei körperlich und geistig in der Lage, seine Aufgaben zu erkennen und zu meistern. Er werde seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH künftig von seinem Wohnort in C. aus ausüben und bat die Beklagte um eine Änderung seines Kanzleisitzes. Derzeit habe die GmbH keine eigenen Mandanten.
35Weiterhin führte er aus, dass der Betreuer auf die GmbH keinen Einfluss habe. Die Betreuung beziehe sich nur auf seine privaten Vermögensverhältnisse und beeinträchtige nicht seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH.
36Mit Schreiben vom 20.12.2022 informierte der Betreuer die Beklagte, dass dem Kläger von dem Z. a.G. ein Betrag von 81.518,49 EUR ausgezahlt worden war. Er teilte mit, dass die Verbindlichkeiten des Klägers nunmehr getilgt werden könnten. Er bat darum, von einem Widerruf der Bestellung abzusehen.
37Mit Schreiben vom 00.07.2023 richtete die Beklagte ein Einziehungsersuchen an die Stadt C. wegen des rückständigen Kammerbeitrags 2023. Der Vollstreckungsversuch blieb fruchtlos.
38Mit einem Schreiben vom 11.09.2023 hörte die Beklagte den Kläger erneut wegen eines möglichen Widerrufs seiner Bestellung an. Der Betreuer des Klägers erhielt eine Abschrift des Schreibens.
39Mit einer E-Mail vom 16.11.2023 (Anlage Sch11, Bl. 43 GA) beanstandete der Betreuer die Kontaktaufnahme der Beklagten zum Kläger, ohne ihn als Betreuer über die Wiederaufnahme des Widerrufsverfahrens informiert zu haben. Er teilte mit, dass die Löschungen aus dem Schuldnerverzeichnis noch nicht vorgenommen seien; die Forderungen seien indes beglichen. Der Kammerbeitrag 2023 sei bereits am 13.04.2023 gezahlt worden. Der Kläger verfüge über ausreichend finanzielle Mittel. Hierzu nahm er Bezug auf die Kontoauszüge des Klägers der vergangenen 11 Monate (Bl. 353 ff. des Verwaltungsvorgangs). Zum 16.11.2023 bestand demnach ein Kontoguthaben von 25.879,93 EUR.
40Mit einem Schreiben vom 21.11.2023, von dem der Betreuer eine Abschrift erhielt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der zuständige Vorstandsausschuss zwischenzeitlich für den Widerruf seiner Bestellung votiert habe. Über die abschließende Entscheidung erhalte der Kläger einen förmlichen Bescheid. Ihm werde abschließend Gelegenheit zur Klärung der finanziellen Verhältnisse gegeben. Der Kläger wurde gebeten, belastbare Belege, insbesondere über die Regelung und Löschung der Einträge im Schuldnerverzeichnis einzureichen. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
41Mit Bescheid vom 09.01.2024 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Der Bescheid wurde an den Kläger persönlich adressiert und ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 417 des Verwaltungsvorgangs) am 11.01.2024 in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Mit einem weiteren Schreiben vom 09.01.2024 übersandte die Beklagte dem Betreuer mit einfachem Brief eine Kopie des Widerrufsbescheids zur Kenntnisnahme.
42Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Widerruf nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes – StBerG – wegen eines Vermögensverfalls des Klägers erfolge. Es bestünden acht Einträge im Schuldnerverzeichnis, weshalb ein Vermögensverfall zu vermuten sei. Diese gesetzliche Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt. Die Ursachen für den Vermögensverfall seien unerheblich. Entscheidend sei die substantiierte Darlegung, dass die Vermögensverhältnisse trotz Eintragung im Schuldnerverzeichnis geordnet sind. Der Kläger habe die Löschung der Einträge im Schuldnerverzeichnis weder dargetan noch nachgewiesen. Er habe keinen Vermögensstatus vorgelegt und auch nicht dargetan, dass die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährdet seien.
43Es wurde darauf hingewiesen, dass die Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG auch zu widerrufen sei, wenn der Steuerberater aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Dabei wies die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass dieser Hinweis zusätzlich und vorsorglich erteilt werde. Weitere Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers enthält der Widerrufsbescheid nicht.
44Am 16.01.2024 wurde auf dem Konto des Klägers ein Betrag von 82.658,96 EUR gutgeschrieben, woraus sich ein Gesamtguthaben von 103.308,32 EUR ergab. Bei der Gutschrift handelte es sich um einen Kapitalabfindungsbetrag der O. Versicherung. Der Auszahlungsanspruch des Klägers i.H.v. 88.507,33 EUR war am 01.12.2022 fällig gewesen. Seitens der Versicherung war die Auszahlung von einer schriftlichen Annahmeerklärung des Vormundschaftsgerichts abhängig gemacht worden, welche vom Betreuungsgericht am 00.01.2024 erteilt worden war. Aufgrund von zwei Pfändungen wurden von dem Auszahlungsanspruch des Klägers ein Betrag i.H.v. 5.078,45 EUR (Forderung der R.) sowie i.H.v. 769,92 EUR (Forderung des K.) abgezogen.
45Vom 18.01.2024 bis zum 00.03.2024 befand sich der Kläger im I. Krankenhaus in stationärer Behandlung. Die Aufnahme erfolgte zunächst aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses nach dem PsychKG. In einem in diesem Zusammenhang erstellten ärztlichen Zeugnis vom 00.01.2024 (Bl. 596 der Betreuungsakte) wurde ausgeführt, dass der Kläger unter einer bipolaren affektiven Störung mit einer gegenwärtig manischen Episode mit psychotischen Symptomen leide. .... Mit Beschluss vom 00.01.2024 genehmigte das Betreuungsgericht die Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 00.03.2024.
46Am 08.02.2024 hat der Betreuer des Klägers als Prozessbevollmächtigter des Klägers Klage erhoben. Der Bevollmächtigte trägt vor, dass der Kläger ihn mit der Erhebung der Klage beauftragt habe. Der Kläger habe sich zu dieser Zeit im Krankenhaus befunden. Eine schriftliche Bevollmächtigung sei entbehrlich gewesen.
47Am 00.02.2024 wurde der Kläger von der geschlossenen Abteilung auf die offene, allgemeinpsychiatrische Station des I. Krankenhauses verlegt. Am 00.03.2024 wurde der Kläger auf eigenen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Entlassbericht vom 00.03.2024 (Bl. 637 ff. der Betreuungsakte) Bezug genommen.
48Nach seiner Entlassung suchte der Kläger mehrfach Notaufnahmen auf und löste diverse Polizeieinsätze aus. Am 00.03.2024 wurde er zunächst auf freiwilliger Basis erneut im I. Krankenhaus aufgenommen. Am 00.03.2024 regte die Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses eine Unterbringung des Klägers an, weil eine akute Eigengefährdung bestehe (Bl. 673 f. der Betreuungsakte). Am 00.03.2024 genehmigte das Betreuungsgericht die geschlossene Unterbringung des Klägers längstens bis zum 00.05.2024 (Bl. 683 ff. der Betreuungsakte).
49Am 00.04.2024 wurde das Betreuungsgericht vom I. Krankenhaus darüber informiert, dass der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen worden sei. Hierzu wurde angegeben, dass am 00.04.2024 ein Unterbringungsbeschluss nach dem PsychKG ergangen sei (Az. N11), weshalb der Unterbringungsbeschluss vom 00.03.2024 aufzuheben sei. Da die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem PsychKG nicht mehr vorlägen, sei der Kläger entlassen worden. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 00.04.2024 die Genehmigung der Unterbringung vom 00.03.2024 aufgehoben.
50Am 00.04.2024 wurde der Kläger abermals in der Psychiatrie des I. Krankenhauses aufgenommen. Vorausgegangen waren an dem Tag mehrere Polizeieinsätze. Der Kläger wurde nach PsychKG in das Krankenhaus eingeliefert, nachdem er leicht bekleidet auf der Straße von der Polizei aufgegriffen worden war. Die Unterbringung des Klägers wurde längstens bis zum 00.05.2024 genehmigt.
51Am 00.04.2024 lehnte das Betreuungsgericht einen Antrag des Klägers vom 00.03.2024 auf Aufhebung der Betreuung ab. Zuvor hatte das Betreuungsgericht zur Prüfung, ob der Kläger weiterhin Unterstützung durch einen rechtlichen Betreuer benötigt, ein Sachverständigengutachten eingeholt. In dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 00.04.2024, auf das wegen der Einzelheiten Bezug wird (Bl. 778 ff. der Betreuungsakte), führte der Gutachter aus, dass beim Kläger Orientierungsstörungen, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, formale Denkstörungen sowie ein Wahn vorlägen. Der Kläger habe einen schwergradigen Mangel an Krankheitsgefühl und Krankheitseinsicht und lehne eine Behandlung ab. Es bestehe wenig Therapiebereitschaft. Außerhalb einer psychiatrischen Klinik nehme er keine Medikamente ein. Beim Kläger liege eine bipolare Erkrankung mit einer gegenwärtigen depressiven Episode mit psychotischer Symptomatik vor. Der Kläger befinde sich seit längerer Zeit in psychiatrischer Behandlung, immer wieder ohne ausreichenden Erfolg.
52Aktuell leide der Kläger an deutlichen Wahnvorstellungen und Wahnideen. Er sei der festen Überzeugung, dass er ein riesiges Vermögen habe und dass er einer der mäch-tigsten Menschen in Deutschland und anderen Ländern sei. Er sei auch überzeugt davon, in einer Beziehung zu einer sehr bekannten amerikanischen Schauspielerin, namentlich xx, zu sein.
53Krankheitsbedingt liege bei dem Kläger aufgrund der psychischen Erkrankung eine Minderung der Kritik- und Urteilsfähigkeit vor. Er sei nicht in der Lage, seine Angelegenheiten in Gänze selbst zu versorgen, da er die Folgen seines Handelns nicht überblicken könne und ihm die Fähigkeit zu planen und organisieren fehle. Auch schädige er durch seine Tätigkeiten deutlich seinem Vermögen.
54Aus psychiatrischer Sicht sei das Weiterverbleiben der gesetzlichen Betreuung medizinisch indiziert und unabdingbar. Auch die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehaltes sei dringend notwendig. Aufgrund der psychischen Erkrankung könne der Kläger seine Angelegenheiten u.a. im Bereich von Vermögensangelegenheiten und Behördenangelegenheiten nicht selbstinteressengerecht besorgen, weshalb für diese Teilbereiche eine gesetzliche Betreuung für die maximal vom Gesetz erlaubte Dauer von sieben Jahren empfohlen werde. Im Bereich der Vermögensangelegenheiten sei die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehaltes für die Dauer von sieben Jahren notwendig, da der Betroffene durch seine Tätigkeiten sein Vermögen erheblich schädige.
55Der Kläger befinde sich in einem Zustand krankhafter Störung seiner Geistestätigkeit. Er könne in allen Aufgabenkreisen in denen ein Betreuer zu bestellen ist, keine Entscheidungen nach vernünftigen Erwägungen treffen. Aktuell bestehe eine Geschäftsunfähigkeit für alle genannten Aufgabenkreise.
56Die Krankheit und das daraus folgende Unvermögen zur Versorgung seiner eigenen Angelegenheiten würden als dauerhaft angesehen.
57Am 00.05.2024 regte die Abteilung für Psychiatrie des I. Krankenhauses eine Unterbringung des Klägers nach den Vorschriften des Bürgerlichen – BGB – an. Wegen der Einzelheiten wird auf das ärztliche Zeugnis vom 00.05.2024 (Bl. 893 ff. der Betreuungsakte) sowie auf den Vermerk des Betreuungsgerichts vom 00.05.2024 (Bl. 909 f. der Betreuungsakte) Bezug genommen. Mit Beschluss vom 00.05.2024 genehmigte das Betreuungsgericht die geschlossene Unterbringung des Klägers längstens bis zum 00.06.2024 (Bl. 901 ff. der Betreuungsakte).
58Aktuell befindet sich der Kläger in freiwilliger stationärer Behandlung auf einer offenen Station des I.-Krankenhauses.
59Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, dass der Widerrufsbescheid seinem Betreuer hätte zugestellt werden müssen. Zu den Aufgaben seines Betreuers gehöre auch die Vertretung des Klägers gegenüber der Beklagten, weil der Betreuer zur Vertretung gegenüber Behörden befugt sei. Außerdem sei hier die von der Betreuung umfasste Vermögenssorge betroffen. Zur Vermögenssorge gehöre alles, was der Erhaltung der finanziellen Integrität eines Betreuten und dem Schutz seines Vermögensbestandes diene. Die Entziehung der Zulassung als Steuerberater entziehe dem Kläger seine Einkunftsmöglichkeit und betreffe seine Berufsfreiheit. Er habe seinen Lebensunterhalt bisher mit seiner Tätigkeit als Steuerberater bestritten. Tangiert sei die zum Aufgabengebiet der Vermögensangelegenheiten zu zählenden Berufsausübungen. Zur Vermögenssorge gehöre alles, was der Erhaltung der finanziellen Integrität eines Betreuten gehöre.
60Der Widerruf seiner Bestellung sei zu Unrecht erfolgt. Es liege kein Vermögensverfall vor. Die Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis seien wegen seiner Erkrankung entstanden und nicht, weil er nicht über ausreichende Liquidität verfügt hätte, wenn er denn ohne Erkrankung seiner beruflichen Tätigkeit weiter hätte nachkommen können. Eine Erkrankung und die damit einhergehende Nichtzahlung von Verbindlichkeiten, insbesondere was auch Kosten der Gesundheitsmaßnahmen bedingen, seien nicht dazu geeignet, von einem „klassischen“ Vermögensverfall auszugehen.
61Er lebe in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis seien, soweit die angeschriebenen Gläubiger aktuelle Forderungskonten übersandt haben, getilgt. Er verweist hierzu auf von ihm eingereichte Unterlagen. Es sei ausreichendes Vermögen vorhanden. Sollte noch eine Forderung eines Gläubigers, die im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, offen sein, sei er ohne weiteres in der Lage, auch diese Verbindlichkeit zu erfüllen. Am 12.03.2024 sei ein Kontoguthaben von 95.947,02 EUR vorhanden gewesen.
62Er widerspreche der Behauptung der Beklagten, wonach die Kammerbeiträge für das Jahr 2023 trotz erfolgloser Vollstreckungsversuche nicht bezahlt worden seien. Die Kammerbeitragsrechnung vom 29.03.2023 sei am 19.04.2023 bezahlt worden.
63Die Forderungen, die den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu den Az. N09 und N12 zugrunde gelegen haben, seien am 13.12.2022 durch Pfändungen erloschen. Die Forderung, die dem Eintrag Az. N08 zugrunde liege, sei durch eine Überweisung vom 00.00.2023 erfüllt worden. Durch eine Überweisung vom 19.04.2023 sei die dem Eintrag zum Az. N06 zugrundeliegende Forderung erledigt worden. Zwei Pfändungen vom 20.04.2022 sowie eine weitere Pfändung vom 13.06.2022 seien durch Drittschuldnerzahlungen erledigt worden.
64Neben der vom ihm betriebenen Steuerberatungskanzlei habe er noch Ansprüche gegen die Firma Y. GmbH in. Es bestehe Streit wegen der Einziehung seiner Gesellschaftsanteile. Der Wert dieser Gesellschaftsanteile betrage ca. 1 Mio. EUR. Aufgrund des schwebenden Verfahrens vor dem Landgericht B. habe eine Bewertung der Gesellschaftsanteile durch einen Sachverständigen noch nicht stattgefunden.
65Interessen der Auftraggeber seinen nicht gefährdet. Er schulde weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern in eigenen Angelegenheiten.
66Die Beklagte könne sich im Klageverfahren nicht mit Erfolg auf den Gesundheitszustand des Klägers berufen. Ein Nachschieben vom Gründen sei unzulässig.
67Der Kläger beantragt,
68den Bescheid vom 09.01.2024 aufzuheben.
69Die Beklagte beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Widerrufsbescheid wirksam bekannt gegeben worden sei. Der Bescheid sei dem Kläger bekanntzugeben gewesen. Der Kläger sei weder entmündigt noch geschäftsunfähig. Durch die Bestellung des Betreuers sei er nur in Teilbereichen finanzieller Angelegenheiten in seinen privaten Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Der berufliche Bereich des Klägers sei von der Betreuung nicht betroffen. Die Betreuung enthalte nur einen Einwilligungsvorbehalt für persönliche Vermögensangelegenheiten, nicht aber für die Berufsausübung und anderweitige Aktivitäten des Klägers. Nur im Rahmen dieses ausdrücklich begrenzten Aufgabenbereichs vertrete der Betreuer den Kläger gerichtlich und außergerichtlich. Zudem betreffe die Betreuung nicht die Belange der GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist. Darüber hinaus sei der Bescheid – was unstreitig sei – sowohl dem Kläger als auch dessen Betreuer zugegangen.
72Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG seien erfüllt. Die Einträge im Schuldnerverzeichnis seien noch vorhanden. Eine Löschung sei weder dargetan noch belegt. Außerdem habe der Kläger den am 01.02.2024 fälligen Kammerbeitrag von 374 EUR bislang nicht bezahlt.
73Der Kläger habe seine Vermögensverhältnisse nicht dargetan. Die von ihm vorgelegte Umsatzübersicht vom 12.03.2024 sei ein zusammenhangloses Stückwerk. Auch wenn einzelne Zwangsvollstreckungsvorgänge geklärt worden sein sollten, ändere sich nichts daran, dass es laufend zu Zwangsvollstreckungsaufträgen gekommen sei.
74Außerdem sei der weitere Widerrufsgrund gesundheitlicher Berufsunfähigkeit (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG) zu beachten. Auf diesen Widerrufsgrund sei im Widerrufsbescheid ausdrücklich hingewiesen worden.
75Am Tag der mündlichen Verhandlung waren die acht Einträge im Schuldnerverzeichnis weiterhin vorhanden.
76Die Akte des AG W., Az. N01 ist beigezogen worden.
77Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und den Inhalt der hinzugezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
78Entscheidungsgründe
79Die zulässige Klage ist unbegründet.
80I.
81Die Klage ist zulässig. Die Erklärungen des Klägers sind nicht wegen einer Prozessunfähigkeit unwirksam. Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger geschäftsfähig und damit prozessfähig ist, weil er im Fall einer Prozessunfähigkeit im Klageverfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten jedenfalls wirksam vertreten ist.
82Gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind die nach dem bürgerlichen Recht Geschäftsfähigen zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig. Für geschäftsunfähige Personen handeln die nach dem BGB dazu befugten Personen (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 FGO).
83Es handelt sich bei der Prozessfähigkeit um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein muss (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 58 FGO Rn. 7). Zudem hängt die Wirksamkeit jeder einzelnen Prozesshandlung, die von oder gegenüber dem Prozessbeteiligten vorgenommen wird, vom Vorliegen der Prozessfähigkeit ab (Leipold in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 280. Lieferung, 6/2024, § 58 FGO Nr. 13). Die Prozessfähigkeit der Beteiligten ist durch die Gerichte von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 58 FGO Rn. 10).
84Eine Prozessunfähigkeit des Klägers ergibt sich nicht bereits aus der für ihn angeordneten Betreuung. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 53 Abs. 1 ZPO richtet sich die Prozessfähigkeit auch im Fall einer Betreuung nach den allgemeinen Vorschriften. Mit der seit dem Jahr 2023 geltenden Neufassung des § 53 Abs. 1 ZPO stellt der Gesetzgeber deklaratorisch fest, dass der Betreute im Falle der Anordnung einer Betreuung nach § 51 ZPO grundsätzlich prozessfähig bleibt. Die Betreuung steht dem Fortbestand der uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit des Betreuten nicht entgegen, solange nicht die Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB vorliegen (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 58 FGO Rn. 26a).
85Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Kläger geschäftsunfähig ist. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.
86Nach dem vom Betreuungsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. E. vom 00.04.2024 (Bl. 778 ff. der Betreuungsakte, dort insbesondere Seite 77 des Gutachtens) liegt beim Kläger eine krankhafte Störung seiner Geistestätigkeit vor. Er könne in allen Aufgabenkreisen, in denen ein Betreuer zu bestellen ist, wozu u.a. Vermögens- und Behördenangelegenheiten gehören, keine Entscheidungen nach vernünftigen Erwägungen treffen und es bestehe in allen genannten Aufgabenkreisen eine Geschäftsunfähigkeit.
87Der Senat kann dahinstehen lassen, ob er diesen Ausführungen des Gutachters folgt und ob der vom Gutachter beschriebene Gesundheitszustand des Klägers bereits bei Klageerhebung bestand und ob sich der beschriebene Gesundheitszustand des Klägers seit der Erstellung des Gutachtens im April 2024 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dahingehend gebessert hat, dass eine Geschäftsfähigkeit des Klägers (wieder) besteht. Denn eine etwaige Geschäftsunfähigkeit des Klägers ist für die Führung des hiesigen Verfahrens unbeachtlich, weil der Kläger wirksam von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird.
88Der Betreuer des Klägers ist Rechtsanwalt; er handelt im hiesigen Klageverfahren als Prozessbevollmächtigter des Klägers. Dabei kann offen bleiben, ob der Prozessbevollmächtigte wirksam von dem Kläger mit der Klageerhebung und Prozessführung beauftragt worden ist. Denn ein Betreuer, der wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers Rechtsanwalt ist, kann auch ohne gesonderte Prozessvollmacht innerhalb des ihm übertragenen Wirkungskreises aufgrund seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter des Betreuten als Prozessbevollmächtigter des Betreuten ein Klageverfahren führen (vgl. OLG Karlsruhe vom 14.10.1998 – 6 U 120/97, juris; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 53 ZPO Rn. 5). Die Klage gegen den Bescheid über den Widerruf der Bestellung als Steuerberater gehört zum Aufgabenbereich des Betreuers des Klägers. Es handelt sich bei der Prozessführung um eine gerichtliche Vertretung des Klägers in einer Behördenangelegenheit, die von der Betreuung umfasst ist.
89II.
90Die Klage ist unbegründet.
91Der Bescheid der Beklagten über den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater vom 09.01.2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Bescheid über den Widerruf der Bestellung als Steuerberater ist wirksam bekanntgegeben worden (vgl. Ziffer 1). Im Zeitpunkt der Behördenentscheidung war die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vorliegens eines Widerrufsgrundes zu widerrufen (vgl. Ziffer 2). Es bestand im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung des Klägers (vgl. Ziffer 3).
921.
93Der Bescheid über den Widerruf der Bestellung vom 09.01.2024 ist wirksam bekanntgegeben worden.
94Die Bekanntgabe des Bescheids über den Widerruf der Bestellung als Steuerberater richtet sich gemäß § 164a Abs. 1 Satz 1 StBerG nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO). Gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe ist ein willentlicher behördlicher Akt, durch den der Erklärende den Erklärungsempfänger vom Inhalt des Verwaltungsakts in Kenntnis setzt, sei es durch einfache Übersendung oder Übergabe eines Schriftstücks, sei es durch mündliche Mitteilung, Zustellung oder öffentliche Bekanntmachung (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 122 AO Rn. 1). Der angefochtene Bescheid wurde durch Zustellung gemäß § 122 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AO i.V.m. den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes – VwZG – bekanntgegeben.
95a)
96Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid dem Kläger im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 180 ZPO) zugestellt. Mit dem Einlegen in den Briefkasten ist dem Kläger der Bescheid zugegangen. Da der Kläger am Tag der Zustellung nicht einer geschlossenen Einrichtung untergebracht war (sondern erst wieder ab 18.01.2024), ist der Bescheid am 11.01.2024 in seinen Machtbereich gelangt und es konnte mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen gerechnet werden.
97b)
98Eine Unwirksamkeit der Zustellung ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte den Bescheid an den Kläger selbst und nicht an seinen Betreuer zugestellt hat.
99aa) Eine Zustellung des Bescheids an den Betreuer war nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG geboten.
100Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG ist bei Geschäftsunfähigen an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Gleiches gilt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG bei Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht. Die Bestellung des Klägers als Steuerberater gehört nicht zu den Aufgabenbereichen seines Betreuers.
101Der berufsrechtliche Status des Klägers ist keine Vermögensangelegenheit, die von der Betreuung erfasst ist. Die Berufsausübung betrifft zwar durch die Erzielung von Einkünften den Vermögensbereich. Der Vermögensbereich ist durch die Berufsausübung aber nur mittelbar betroffen, was nicht ausreichend ist. Denn der Aufgabenbereich Vermögensangelegenheiten und insbesondere die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten dient insbesondere dem Schutz der betreuten Person vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen über Vermögensgegenstände und der Eingehung von Verpflichtungen (vgl. hierzu BeckOGK/Schmidt-Recla, 1.3.2024, BGB § 1825 Rn. 29 ff.).
102Die Bestellung des Klägers als Steuerberater betrifft auch nicht den Aufgabenbereich „Vertretung gegenüber Behörden“. Dieser Aufgabenbereich berechtigt den Betreuer zur aktiven und passiven Vertretung des Betreuten gegenüber Behörden. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass sich Behörden, wenn eine Betreuung in Behördenangelegenheiten angeordnet ist, ausschließlich an den Betreuer wenden dürften. Anderenfalls wäre die in § 53 Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgesehene Ausschließlichkeitserklärung, die über § 79 Abs. 3 AO für das Verwaltungsverfahren und über § 155 Satz 1 FGO auch für den Finanzgerichtsprozess gilt, überflüssig. Nach dieser Regelung kann ein Betreuer in jeder Lage des Verfahrens gegenüber einer Behörde bzw. einem Gericht erklären, dass das Verfahren fortan ausschließlich durch ihn geführt wird. Die Entscheidung darüber, ob ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eines Betreuten ausschließlich durch seinen Betreuer geführt wird, obliegt somit nicht der Behörde, sondern dem Betreuer.
103Der Annahme, dass die Bestellung des Klägers als Steuerberater nicht zum Aufgabenbereich „Vertretung gegenüber Behörden“ gehört, steht nicht im Widerspruch zu den obigen Ausführungen des Senats, wonach die die gerichtliche Anfechtung des Widerrufsbescheids zum Aufgabenbereich des Betreuers gehört (s. oben bei Zulässigkeit der Klage (I.)). Denn bei dieser Einordnung ist zwischen der Berufsausübung (sowohl das „Ob“ (Bestellung/Widerruf) als auch das „Wie“ der Berufsausübung) auf der einen Seite und der Vertretung des Klägers gegenüber Behörden im Zusammenhang mit der Berufsausübung auf der anderen Seite zu differenzieren.
104Gegen die Annahme, dass die Bestellung des Klägers als Steuerberater in den Aufgabenbereich des Betreuers fällt, spricht außerdem, dass die Bestellung als Steuerberater höchstpersönlicher Natur ist und nicht übertragen werden kann (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 05.02.2003 VII B 143/02, juris zum Umfang der Insolvenzmasse). Demzufolge kann die Ausübung des Berufs als Steuerberater nicht von einem Betreuer wahrgenommen werden. Wenn schon nicht die Berufsausübung als solche zu dem Aufgabenkreis des Betreuers gehören kann, kann erst recht nicht die für eine Berufsausübung erforderliche berufsrechtliche Zulassung zu dem Aufgabenkreis eines Betreuers gehören.
105bb) Der Bescheid war dem Betreuer auch nicht aufgrund einer so genannten Ausschließlichkeitserklärung zuzustellen.
106Gemäß § 79 Abs. 3 AO i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Betreuer in einem Verwaltungsverfahren in jeder Lage des Verfahrens gegenüber der Behörde erklären, dass das Verfahren fortan ausschließlich durch ihn geführt wird. Mit Eingang der Ausschließlichkeitserklärung des Betreuers bei der Behörde sind Bescheide zwingend dem Betreuer bekanntzugeben (Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 280. Lieferung, 6/2024, § 34 AO Rn. 18d).
107Der Betreuer des Klägers hat im Verwaltungsverfahren keine solche Erklärung gegenüber der Beklagten abgegeben. Insbesondere handelt es sich bei seiner E-Mail vom 16.11.2023 (Anlage Sch11, Bl. 43 GA) nicht um eine Ausschließlichkeitserklärung. Denn mit dieser Nachricht hat der Betreuer lediglich die Kontaktaufnahme der Beklagten zum Kläger ohne Vorabinformation an ihn beanstandet. Dieser Nachricht kann nicht der Wille des Betreuers entnommen werden, von nun an das Verfahren ausschließlich führen zu wollen.
108cc) § 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG steht der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheids ebenfalls nicht entgegen.
109Nach dieser Vorschrift ist bei Geschäftsunfähigen an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung unmittelbar an einen Geschäftsunfähigen ist grundsätzlich unwirksam (Schwarz in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 280. Lieferung, 6/2024, § 6 VwZG Rn. 6, Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 6 VwZG Rn. 1). Dabei ist es unbeachtlich, ob die Behörde Kenntnis von einer etwaigen Geschäftsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Zustellung hatte. Der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit ist nicht geschützt (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 181. Lieferung, 5/2024, § 6 VwZG Rn. 1).
110Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Kläger am Tag der Zustellung, also am 11.01.2024, geschäftsunfähig war und ob deshalb grundsätzlich eine Zustellung an seinen Betreuer als gesetzlichen Vertreter gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG hätte erfolgen müssen. Denn selbst wenn eine Geschäftsunfähigkeit des Klägers zu diesem Zeitpunkt zu bejahen wäre und damit ein Zustellungsmangel gegeben wäre, wäre dieser etwaige Mangel der Zustellung nach § 8 VwZG geheilt worden.
111Nach § 8 VwZG gilt ein Dokument, wenn sich seine formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Eine Zustellung an eine geschäftsunfähige Person wird geheilt, wenn das zuzustellende Dokument seinem Betreuer tatsächlich zugeht (vgl. zur Parallelvorschrift des § 189 ZPO: Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 12.03.2015 III ZR 207/14, Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen – BGHZ – 204, 268). Ausreichend für eine Heilung eines Zustellungsmangels ist der Zugang einer Kopie des Originalbescheids (BGH, Beschluss vom 07.10.2020 XII ZB 167/20, juris).
112Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Betreuer des Klägers hat – wie sich aus der von ihm als Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren vorlegten Bescheidabschrift (vgl. Bl. 30 GA) ergibt – am 11.01.2024 eine Abschrift des Widerrufsbescheids erhalten.
1132.
114Die Beklagte war berechtigt, die Bestellung des Klägers gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu widerrufen.
115Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.
116a)
117Im Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestand ein Vermögensverfall des Klägers.
118Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn sich der Steuerberater in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2014, 159). Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz StBerG wird ein Vermögensverfall u.a. vermutet, wenn der Steuerberater in das von dem Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO) eingetragen ist. Diese gesetzliche Vermutung greift hier ein, weil bei Erlass des Widerrufsbescheids vom 09.01.2024 acht Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis bestanden.
119Der Umstand, dass die Ursache für die Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis möglicherweise die Erkrankung des Klägers ist, spricht nicht gegen die Annahme eines Vermögensverfalls. Für die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz StBerG kommt es allein darauf an, dass Eintragungen in das Verzeichnis vorliegen. Die gesetzliche Vermutung greift ein, sobald eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gegeben ist (BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 159). Die Ursache der den Eintragungen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten ist somit unerheblich.
120Der Kläger hat die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls bis zum Erlass des Widerrufsbescheides nicht widerlegt.
121Eine Widerlegung der an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anknüpfenden gesetzlichen Vermutung kann nur gelingen, wenn der Berufsträger, den insoweit die Darlegungslast trifft, durch die genaue Angabe von Tatsachen substantiiert darlegt und beweist, dass im Einzelfall trotz der Eintragung im Schuldnerverzeichnis kein Vermögensverfall gegeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 159; Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 8. Aufl. 2022, § 46 Rn. 11). Die Vermutung des Vermögensverfalls kann widerlegt werden, sofern der Steuerberater mit den Gläubigern Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird und dass die Schulden in geordneter Weise und in absehbarer Zeit beglichen werden können (BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 159).
122Bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids hat der Kläger weder Tatsachen vorgetragen noch Unterlagen vorgelegt, die den Schluss zuließen, dass er im Widerrufszeitpunkt ungeachtet der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis tatsächlich in geordneten Vermögensverhältnissen lebte. Sowohl der Kläger als auch sein Betreuer haben im Verwaltungsverfahren zwar Stellung genommen. Es wurde aber weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen, dass sämtliche Forderungen, die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegen, getilgt worden sind. Es wurde auch nicht dargetan ist, in welcher Höhe im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten gegenüber dem Kläger Verbindlichkeiten bestanden haben.
123Der Vermutung des Vermögensverfalls steht auch nicht entgegen, dass der Kläger vorgetragen hat, über Vermögenswerte zu verfügen.
124Etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Y. GmbH sind schon nicht hinreichend substantiiert dargetan worden. Es ist für den Senat auch nicht anderweitig ersichtlich, was für Zahlungsansprüche dem Kläger zustehen könnten. Das beim Landgericht B. anhängige Klageverfahren betrifft keine Abfindungsansprüche, sondern eine Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen.
125Das Kontoguthaben des Klägers, das im Wesentlichen auf einer Auszahlung einer Versicherungsleistung i.H.v. 81.518,49 EUR am 29.11.2022 beruht, und dessen konkrete Höhe im Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht bekannt ist, lässt die Vermutung des Vermögensverfalls ebenfalls nicht entfallen. Ein Vermögensverfall liegt auch dann vor, wenn der Verkehrswert der Vermögensgegenstände des Schuldners zwar wertmäßig den Verbindlichkeiten entspricht oder diese sogar übersteigt, der Schuldner jedoch den laufenden Verpflichtungen nicht nachkommt und die Vermögenswerte nicht realisierbar sind oder nicht zur Behebung der wirtschaftlichen Probleme eingesetzt werden (Finanzgericht – FG – Münster, Urteil vom 27.02.2002 7 K 3466/01 StB, juris). Das bloße Innehaben von Vermögensgegenständen genügt nicht, um geordnete wirtschaftliche Verhältnisse zu belegen.
126b)
127Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind, und gestattet nur in Ausnahmefällen („es sei denn“) ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung. Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 04.12.2007 VII R 64/06, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2008, 401). Dabei ist zu beachten, dass eine potentielle Gefährdung der Auftraggeberinteressen bereits in der Tatsache des Vermögensverfalls liegt, so dass ein Nachweis, dass eine solche Gefährdung im konkreten Fall nicht gegeben ist, nur in Ausnahmefällen denkbar ist (BFH-Urteil vom 06.06.2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2000, 741). Dieser sogenannte Entlastungsbeweis erfordert einen substantiierten und glaubhaften Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt dem vom Widerruf seiner Bestellung betroffenen Steuerberater. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das Finanzgericht eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen nicht darzulegen braucht (BFH-Beschluss vom 05.06.2015 VII B 181/14, BFH/NV 2015, 1440).
128Von diesen Grundsätzen ausgehend ist zu vermuten, dass die Interessen der Auftraggeber des Klägers gefährdet sind.
129Der Kläger ist Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ist, an der er zumindest 50 % der Anteile hält. In einer solchen Konstellation wird die Arbeitsweise der Steuerberatungsgesellschaft und damit auch die Arbeitsweise des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft maßgeblich vom Kläger bestimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 00.00.2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992 zu einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer). Auf die formale Rechtslage, nach der es sich beim Kläger und der GmbH um unterschiedliche Rechtssubjekte handelt, kommt es hinsichtlich der Frage der Gefährdung von Mandanteninteressen nicht an; entscheidend ist die tatsächliche Lage, die von dem Zugriffs- und Gestaltungsrecht des Klägers auf die Gesellschaft bestimmt wird, für die er als Angestellter tätig wird.
130Einer Gefährdung der Auftraggeberinteressen steht nicht entgegen, dass die GmbH nach dem Vortrag des Klägers ihr Geschäft aktuell nicht ausübt. Unabhängig davon, ob diese nur pauschale Behauptung wahr ist, kommt es allein auf die abstrakte Gefahr von Mandanten an. Hierzu reicht es, dass die GmbH jederzeit neue Mandate annehmen könnte. Da für die GmbH ein Gesamtprokurist bestellt ist, ist eine Person vorhanden, die für die GmbH Rechtshandlungen vornehmen kann. Dass der Gesamtprokurist nur gemeinsam mit dem Kläger rechtlich wirksam neue Mandatsvereinbarungen für die GmbH abschließen könnte, steht einer Gefährdung von Mandanteninteressen nicht entgegen, weil dieser rechtliche Umstand für Mandanten nicht ohne weiteres erkennbar ist.
131Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern in eigenen Angelegenheiten unbezahlt geblieben sind. Derartige Rückstände sind für die Annahme einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht erforderlich.
1323.
133Der Widerrufsbescheid ist nicht wegen einer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden.
134Eine zunächst rechtmäßig erlassene Widerrufsverfügung kann nicht aufrechterhalten werden, wenn sich die Verhältnisse im Laufe des Verfahrens soweit geändert haben, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf sofortige Wiederbestellung besteht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909).
135Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lagen keine (neuen) Gesichtspunkte vor, die einen Anspruch des Klägers auf sofortige Wiederbestellung begründen würden. Eine Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater wäre aktuell zu versagen.
136a)
137Eine Wiederbestellung des Klägers wäre aktuell nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG zu versagen. Nach dieser Regelung ist die Bestellung als Steuerberater zu versagen, wenn der Bewerber nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
138Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn der Bewerber über regelmäßige Einkünfte verfügt und die Ausgaben die Einkünfte nicht übersteigen. Dabei sind Schulden unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert ist und sie nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 159).
139Die Darlegungslast hierfür liegt bei dem Kläger. Er hat insoweit seine aktuellen Einkommens- und gesamten Vermögensverhältnisse sowie alle gegen ihn erhobenen Forderungen umfassend, belegmäßig und nachvollziehbar offenzulegen und anzugeben, ob und welche Vereinbarungen mit den Gläubigern getroffen worden sind, die erwarten lassen, dass die Schulden in geordneter Weise und in absehbarer Zeit beglichen werden können. Dabei genügt es nicht, die Werte von Vermögensgegenständen sowie die Höhe von Forderungen und Verbindlichkeiten zu schätzen oder auf Annahmen zu stützen. Im Fall belegmäßig nachgewiesener Vermögenswerte des Steuerberaters, deren Verkehrswert zum Ausgleich der Verbindlichkeiten ausreicht, bedarf es darüber hinaus der Feststellung, ob diese tatsächlich zur Schuldentilgung eingesetzt werden können und sollen. Sollte die Löschung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis geltend gemacht werden, muss die Löschungsbestätigung vorgelegt werden.
140Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass zum jetzigen Zeitpunkt wieder geordnete wirtschaftliche Verhältnisse im Sinne des StBerG vorliegen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren noch acht Einträge des Klägers im Schuldnerverzeichnis vorhanden, so dass die Vermutung des Vermögensverfalls fortbesteht. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nicht substantiiert dargetan und nachgewiesen, dass sich seine Vermögensverhältnisse nachhaltig gebessert haben und seine Vermögensverhältnisse wieder geordnet sind. Er hat lediglich pauschal vorgetragen, dass sämtliche Verbindlichkeiten getilgt worden seien. Es ist aber weder dargetan noch nachgewiesen, dass der Kläger die Forderungen, die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis mit den Az. N03, N05, N07 und N10 zugrunde gelegen haben, beglichen hat. Soweit der Kläger zum Nachweis des Ausgleichs der Forderungen, die den Eintragungen N04, N06, N08, N09 zugrunde liegen, auf die vorgelegten Kontoauszüge beruft, ist für den Senat nicht erkennbar, ob die jeweiligen Forderungen in vollem Umfang beglichen worden sind.
141Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass auf dem Konto des Klägers nach der Behördenentscheidung, und zwar am 16.01.2024 eine (weitere) Lebensversicherungssumme i.H.v. 82.658,96 EUR gutgeschrieben worden ist. Es ist weder dargetan noch nachgewiesen, dass dieses Guthaben noch vorhanden ist. Zudem hat der Kläger nicht vorgetragen, ob und wenn ja welche weiteren Verbindlichkeiten ihm gegenüber bestehen.
142b)
143Eine Wiederbestellung des Klägers wäre außerdem zu versagen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StBerG). Zu gesundheitlichen Gründe gehören u.a. psychische Erkrankungen (Koslowski, StBerG, 8. Aufl. 2022, § 46 Rn. 19).
144Der Senat ist nach dem Inhalt der Betreuungsakte und insbesondere aufgrund der vom Betreuungsgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten des Dr. E. vom 10.03.2022 (Bl. 339 ff. der Betreuungsakte) und vom 00.04.2024 (Bl. 778 ff. der Betreuungsakte) davon überzeugt, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben.
145Nach den Ausführungen des Dr. E. leidet der Kläger unter einer chronischen bipolaren Störung und ist nicht krankheitseinsichtig. Sein Gesundheitszustand hat sich seit dem Jahr 2019 fortlaufend verschlechtert, obwohl er mehrfach – teilweise über Monate – stationär psychiatrisch behandelt worden ist. Beim Kläger liegen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, formale Denkstörungen sowie ein Wahn vor. Er ist nicht in der Lage, seine Angelegenheiten in Gänze selbst zu versorgen, da er die Folgen seines Handelns nicht überblicken kann und ihm die Fähigkeit zu planen und zu organisieren fehlt. Auch schädigt er durch seine Tätigkeiten deutlich seinem Vermögen. Die Krankheit und das daraus folgende Unvermögen zur Versorgung seiner eigenen Angelegenheiten werden von dem Gutachter als dauerhaft angesehen.
146Diese Ausführungen sind für den Senat plausibel und decken sich mit dem Verlauf der Erkrankung des Klägers, wie sie sich aus der Betreuungsakte ergibt. Hinzu kommt, dass der Kläger – wie sich aus der Betreuungsakte ergibt – seit dem Jahr 2019 von diversen verschiedenen Fachärzten für Psychiatrie untersucht worden ist und sich die medizinischen Einschätzungen dieser Ärzte nicht widersprechen.
147Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Kläger dauerhaft seine Angelegenheiten im Bereich von Vermögensangelegenheiten und Behördenangelegenheiten nicht selbstinteressengerecht besorgen kann. Daraus folgt zugleich, dass der Kläger steuerliche Angelegenheiten seiner Mandanten nicht ordnungsgemäß besorgen und damit seinen Beruf als Steuerberater dauerhaft nicht ordnungsgemäß ausüben kann.
148III.
149Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
150Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor (§ 115 FGO).