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Es wird festgestellt, dass der geänderte Gewerbesteuermessbescheid 2012 vom 28.05.2020 vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist in materiell-rechtlicher Hinsicht die sog. erweiterte Grundstückskürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Formell-rechtlich steht die Frage der Festsetzungsverjährung im Streit.
3Die Klägerin ist eine 2010 gegründete Kommanditgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb von Grundstücken ... Alleinige Kommanditistin ist die B. GmbH (B.) mit Sitz in S.. Nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligte Komplementärin war im Streitjahr die W. GmbH mit Sitz in S. (später umfirmiert zu G. GmbH – im Folgenden: G.).
4B. brachte zum 01.01. bzw. 01.10.2011 verschiedene Grundstücke in die Klägerin gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu Buchwerten ein. Die Klägerin hält umfangreichen Grundbesitz in S., I. und C. und vermietet diesen im Wesentlichen an Gesellschaften der J.-Gruppe.
5Bei der J.-Gruppe handelt es sich um eine Gruppe von Gesellschaften, deren Geschäftsanteile unmittelbar oder mittelbar der J. AG, S., gehören. Die J.-Gruppe bietet Speziallösungen ... an. Die bedeutendsten Mieter des Grundbesitzes der Klägerin waren die J. AG selbst und ihre Tochtergesellschaften R. GmbH (R.), X. GmbH und M. GmbH.
6Die Klägerin verwendet das SAP-Buchführungssystem R/3. Sie gab die Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr (2012) in 2013 ab und beantragte die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von ... EUR. Der Gewerbeertrag betrug danach 0 EUR. Der Gewerbesteuermessbescheid erging erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
7Am 29.09.2015 fand ein Jour fixe der Prüfer des für die Konzernbetriebsprüfung zuständigen Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung O. (FA GKBP) und der Bevollmächtigten der Klägerin, der Steuerberatungsgesellschaft N. GmbH (N.), die auch die anderen Konzerngesellschaften vertrat, statt. Gegenstand war auch die bevorstehende (Konzern-) Prüfung für die Jahre 2010-2012. Dem von dem Prüfer Z. gefertigten Aktenvermerk zufolge soll mit den Bevollmächtigten vereinbart worden sein, dass
8„die Fälle – im Interesse einer vorrangigen Abwicklung der Prüfung 2007 bis 2009 – in diesem Jahr nur kurz angeprüft werden, um den Eintritt der Verjährung zu hemmen.“
9Die Vertreter der N. hätten eindeutig zu verstehen gegeben, dass die Finanzbehörden nicht mit verjährungsbezogenen Einwendungen rechnen müssten.
10Die Vertreter der N. vermerkten über dasselbe Gespräch unter dem Datum des 06.11.2015, die Prüfungsanordnungen sollten noch im Oktober versandt werden. Prüfungshandlungen würden noch 2015 erfolgen. Ein Antrag auf Verlegung des Beginns der Außenprüfung sei nicht notwendig.
11Das FA GKBP ordnete mit Verfügung vom 16.10.2015 eine Außenprüfung bei der Klägerin u.a. wegen Gewerbesteuer 2010-2012 an. Parallel fanden Außenprüfungen bei vierzehn weiteren Gesellschaften der J. Gruppe statt. Zu Prüfern wurden Herr Z. und die Zeugin A. bestimmt. Beigefügt als Anlage waren der Anordnung u.a. Hinweise zum Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung. Dort waren die Optionen für einen unmittelbaren Datenzugriff und für den Datenzugriff mittels Datenträgerüberlassung ausgewählt. Prüfungsschwerpunkte sollten sein die Einbringung der Grundstücke, der Sitz der Geschäftsleitung und die erweiterte Grundstückskürzung.
12Die Klägerin richtete den Prüfern einen Zugang zu ihrem SAP-System ein. Der J. Konzern stellte den Prüfern für die Prüfungstätigkeiten einen Raum in einer Immobilie der Klägerin zur Verfügung. Am 02.12.2015 fand dort eine Besprechung der Prüfer mit N. betreffend die Außenprüfung bei allen N01 geprüften Gesellschaften statt. Ausweislich des Vermerks über diese Besprechung überreichten die Vertreter der N. Konzernverzeichnisse für die Prüfungsjahre und (u.a.) auch Daten-CDs mit den Buchführungsdaten der Klägerin.
13Die Prüferin, die Zeugin A., teilte N. per E-Mail am 02.12.2015 mit, die Betriebsprüfung habe stichprobenartig die Daten geprüft. Grundsätzlich seien alle für die Finanz- und Anlagenbuchhaltung erforderlichen Daten vorhanden. Jedoch könne kein Standardjournal erstellt werden. Sie bat, für die B. einen „alternativen Datenextrakt“ zur Probe bereitzustellen. N. wandte sich per E-Mail an die IT-Verantwortlichen mit der Bitte, einen entsprechenden Probedatenträger zu erstellen. Diese vermuteten, dass der Fehler bei IDEA liege.
14Die Prüferin erhielt am 07.12.2015 eine neue Daten-CD. Sie vermerkte am 11.12.2015, dass der Fachprüfer E. die Daten überprüft habe. Die Daten, einschließlich der für die Klägerin, konnten auf das Laufwerk des Prüfers Z. eingelesen werden. Am 15.12.2015 fand ein weiterer Jour fixe mit N. statt. Die Prüfer teilten mit, dass die Daten-CDs keine Daten für das Prüfungsjahr 2011 enthielten. Die Vertreter der N. sagten zu, diese nachzuliefern.
15Am 16.12.2015 erging die Prüferanfrage Nr. 1. Die Prüfer baten, bezogen auf alle N01 geprüften Gesellschaften, die ergänzenden Erläuterungen zur Ermittlung der abweichenden Steuerbilanzwerte sowie des Steuerbilanzgewinnes für das Jahr 2012 einzureichen. Außerdem baten sie um die Vorlage der fehlenden Handelsbilanz 2012 einer anderen geprüften Tochtergesellschaft. N. übersandte die gewünschten Informationen mit Schreiben vom 26.01.2016 einschließlich der Überleitungsrechnung für die Klägerin (§ 60 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung).
16Die Prüfer forderten im Rahmen der Betriebsprüfung der B. mit Prüferanfrage Nr. 2 vom 22.09.2017 u.a. den Vertrag vom 14.12.2010 über die Grundstücksübertragung von der B. auf die Klägerin an. Diese Prüferanfrage wurde nicht in der Betriebsprüfungs-Handakte der Klägerin abgeheftet. In die Handakte gelangten eine Kopie des Vertrages und Aktenvermerke vom 22.02.2019.
17In dem Jour fixe vom 01.12.2017 stellte das FA GKBP den Zeugen Q. als neuen Prüfer vor. Er prüfte im Laufe des Jahres 2018 andere Konzerngesellschaften als die Klägerin.
18Am 16.01.2019 forderte der Zeuge Q. mit der Prüferanfrage Nr. 2 verschiedene Kauf- bzw. Mietverträge von der Klägerin an. Es folgten verschiedene andere Prüferanfragen. Am 07.03.2019 tätigte er die erste Anfrage wegen der erweiterten Kürzung (Anfrage Nr. „GewSt 01“).
19Am 17.01.2019 verfasste der Zeuge Q. einen handschriftlichen Vermerk auf der Überleitungsrechnung der Klägerin. In diesem Zusammenhang brachte er weitere handschriftliche Notizen (Haken, Summenbildung) auf der in der Handakte befindlichen Überleitungsrechnung an. Am 18.01.2019 und 19.02.2019 ergingen weitere Prüferanfragen im Zusammenhang mit der Überleitungsrechnung.
20Am 31.01.2019 lieferte die Klägerin die Daten-CD mit den Buchhaltungsdaten der Klägerin für 2011 nach. Mit Verfügung vom 05.06.2019 ordnete das FA GKBP an, dass der Zeuge Q. zusätzlich zu den beiden bis dahin bestellten Prüfern die Prüfung bei der Klägerin durchführen solle.
21Die Prüferanfrage Nr. „GewSt 01a“ vom 08.07.2019 des Zeugen Q. betraf die Frage, ob ein Löschwasserrückhaltebecken und eine Sprinkleranlage begünstigungsschädliche Betriebsvorrichtungen darstellten. Die spätere Prozessbevollmächtigte erwiderte ausführlich mit Schreiben vom 20.09.2019.
22Die Schlussbesprechung fand am 26.11.2019 statt. Streitig blieb die erweiterte Grundstückskürzung. Die Prüfer kamen zu dem Ergebnis, dass deren Voraussetzungen nicht vorlägen; stattdessen sei die einfache Grundstückskürzung in Höhe von ... EUR zu gewähren. Zur Begründung führten sie aus, die Klägerin habe verschiedene Betriebsvorrichtungen, nämlich ein Löschwasserrückhaltebecken auf dem Grundstück P.-straße in S. und eine Sprinkleranlage auf dem Grundstück U.-straße Str. in S., an die R. (mit-) vermietet.
23Weiterhin kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Grundbesitz im Streitjahr teilweise den Gewerbebetrieben der Gesellschafter der Klägerin, B. und G., gedient habe, was gem. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG steuerschädlich sei. Diese Gesellschaften hätten ihren Sitz auf dem Grundbesitz der Klägerin unterhalten, dort habe sich der Sitz ihrer Geschäftsleitung befunden und sei die Gesellschafterversammlung abgehalten worden. B. habe den Grundbesitz als Lager für die Grundstücksakten genutzt. Unerheblich sei, ob die Geschäftsführer hauptsächlich in anderweitigen Funktionen für den J.-Konzern tätig geworden seien.
24Die Betriebsprüfungs-Handakten sind nicht paginiert und nicht streng chronologisch geordnet. Sie enthalten u.a. einen Vermerk über den Beginn der Prüfung am 02.12.2015 und den Arbeitsbogen. Nachfolgend wurden Unterlagen aus einer vorangegangenen Betriebsprüfung bei der B. kopiert und abgeheftet. Sämtliche in der Handakte dokumentierten Prüferanfragen stammen aus dem Jahr 2019.
25Das beklagte Finanzamt (FA) erhöhte mit Bescheid vom 28.05.2020 entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung den Gewerbesteuermessbetrag von 0 EUR auf ... EUR und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
26Die Klägerin legte gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein. Sie wandte sich gegen die Annahme einer schädlichen Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen. Das Löschwasserrückhaltebecken und die Sprinkleranlage seien keine Betriebsvorrichtungen. Der Grundbesitz diene auch nicht den Gewerbebetrieben ihrer Gesellschafter.
27Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2022 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde mit einfachem Brief bekannt gegeben.
28Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die Voraussetzungen der erweiterten Grundstückskürzung lägen vor.
29Sie macht – insb. nach Einsicht in die Betriebsprüfungs-Handakten – außerdem geltend, der Änderungsbescheid sei bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht wirksam durch den Beginn der Außenprüfung gehemmt worden. Das FA GKBP habe die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten habe, unterbrochen. Bei Erlass des Änderungsbescheides sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Diese sei von Amts wegen zu berücksichtigen und stelle anders als im Zivilrecht keine Einrede dar.
30Es komme daher auch nicht darauf an, ob die Verfahrensbeteiligten vor Eintritt der Verjährung diesbezüglich Absprachen getroffen hätten. Die Klägerin habe sich im Übrigen an diese Absprachen gehalten. Den Vertretern der Bevollmächtigten sei bei der Besprechung am 29.09.2015 die Problematik des § 171 Abs. 4 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) gar nicht bewusst gewesen. Sie hätten angenommen, es ginge um den rechtzeitigen Beginn der Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO. Die Absprache sei so zu verstehen, dass das FA GKBP die Fälle so „anprüfen“ solle, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung gehemmt würde.
31Es treffe nicht zu, dass der Betriebsprüfung für die Jahre 2007-2009 Vorrang vor der Prüfung für die Jahre 2010-2012 habe eingeräumt werden müssen. Dies zeige sich am Prüfungsverlauf und auch daran, dass die Prüfung für die Jahre 2010-2012 bei einzelnen Konzerngesellschaften bereits Anfang 2016 fortgesetzt worden sei. Hinsichtlich der für das FA interessanten Erhebungszeitzeiträume 2011 und 2012 sei ohnehin Festsetzungsverjährung erst am 31.12.2017 eingetreten. Vor diesem Hintergrund habe 2015 keine Zeitnot bestanden. Die Vertreter hätten nicht erklärt, auf verjährungsbezogene Einwendungen zu verzichten.
32Die Prüferin habe zwar – unstreitig – Ende 2015 mit der Prüfung begonnen. Davon zu unterscheiden sei jedoch die im Streitfall entscheidende Frage, ob die Prüfung danach unterbrochen worden sei. Durch die Feststellung, dass eine Prüfungshandlung geeignet gewesen sei, mit der Prüfung zu beginnen, werde nicht zugleich ausgeschlossen, dass die Prüfung unmittelbar danach unterbrochen worden sei. Denn andernfalls wäre die Vorschrift des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO bedeutungslos.
33Maßgeblich sei insoweit die Dokumentation der Prüfungshandlungen in den Handakten. Die Prüfungstätigkeiten hätten sich auf die Teilnahme der Betriebsprüfer an der Besprechung am 02.12.2015, die Entgegennahme der Daten-CDs, die Rückfrage zu den Einzelheiten der Ermittlung der Steuerbilanzwerte 2012 mit der Sammelanfrage vom 16.12.2015 sowie die Überprüfung der Antwort darauf beschränkt. Der damit verbundene Zeitaufwand sei gering gewesen.
34Dem Erhalt dieser Daten seien keine Ermittlungen der Prüfer vorausgegangen, so dass die Daten auch keine Ermittlungsergebnisse im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellten. Andernfalls ergäbe sich zudem das sinnwidrige Ergebnis, dass der Empfang der Daten zugleich den Beginn der Außenprüfung bewirke und zu Ermittlungsergebnissen führe, die § 171 Abs. 4 Satz 2 AO bedeutungslos machten. Ein Ermittlungsergebnis müsse daher ein größeres Gewicht haben als die bloße Anforderung von Buchhaltungsunterlagen.
35Die Prüfer hätten die Daten-CDs nur im Hinblick auf ihre Lesbarkeit überprüft. Es habe keine wirkliche (inhaltliche) Prüfung der Daten, auch nicht mit der Software IDEA, stattgefunden. Für inhaltliche Prüfungen fänden sich in den Akten bis zum Ende des Jahres 2017 keine Anhaltspunkte. Die Daten, die nach Angaben des Beklagten erst 2019 nachgeliefert worden seien, könnten schon deshalb nicht vor diesem Zeitpunkt geprüft worden sein.
36Die Nachforderung der Daten für das Jahr 2011 stelle keine qualifizierte Prüfungshandlung dar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Prüfer einen unmittelbaren Zugang zum SAP-System der Klägerin gehabt hätten.
37Die Prüferanfrage Nr. 1 habe nur auf eine Vervollständigung der in anderen Jahren durch die Gesellschaften ohnehin zu den jeweiligen Steuererklärungen beigefügten Unterlagen gezielt und stelle keine qualifizierte Prüfungshandlung dar. Es handele sich um eine konzernübergreifende Anfrage, die an N01 Konzerngesellschaften gerichtet gewesen sei. Darunter seien auch solche gewesen, deren Bilanzen gar keine Abweichungen von den steuerlichen Vorschriften ausgewiesen hätten. Es handele sich um keine gezielte Ermittlungsmaßnahme, sondern um einen „Rundumschlag“, wegen ggf. bestehender Steuerbilanzabweichungen.
38Die Abweichungen der Handels- von der Steuerbilanz hätten auf der Einbringung der Grundstücke in die Klägerin im Jahre 2011 beruht. Entsprechend seien die Steuerbilanzabweichungen bereits 2011 zu ermitteln und 2012 nur rechnerisch fortzuführen gewesen. Die relevanten Prüfungen seien erst 2019 erfolgt. Die handschriftlichen Vermerke auf der Überleitungsrechnung, die einen Abgleich und die Addition der Steuerbilanzabweichungen dokumentierten, seien erst durch den Zeugen Q. im Jahr 2019 angebracht worden.
39Auch bei einer Konzernbetriebsprüfung komme es darauf an, ob Prüfungshandlungen hinsichtlich des konkreten Konzernunternehmens vorgenommen worden seien, und nicht darauf, ob bei anderen Konzernunternehmen Prüfungshandlungen vorgenommen worden seien. Es könne daher nicht darauf abgestellt werden, dass das Prüferzimmer sich in einer Immobilie der Klägerin befunden habe. Auch hinsichtlich der diversen Jour fixes sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen, dass darin auf sie bezogene Prüfungshandlungen stattgefunden hätten. Entsprechende Vermerke seien auch nicht in die Handakten gelangt.
40Prüfungshandlungen von Gewicht bezogen auf die Gewerbesteuer seien erst nach dem Eintritt des zusätzlichen Prüfers, des Zeugen Q., im Jahre 2019 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei schon Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Vor 2019 ließen sich die Prüfungsaktivitäten – wenn überhaupt – als Vorbereitungshandlungen bzw. als allgemeines Aktenstudium charakterisieren.
41Aus der Prüferanfrage Nr. 2 vom 22.09.2017 an die B. habe die Klägerin nicht erkennen können, dass die Prüfung bei ihr fortgesetzt würde. Recherchen des Prüfers Z. betreffend die erweiterte Grundstückskürzung im Jahr 2017 stellten reine Handlungen im Innendienst dar, die von der Klägerin ebenfalls nicht als Fortsetzung der Prüfung hätten wahrgenommen werden können.
42Die Gründe, warum die Betriebsprüfung bei der Klägerin unterbrochen worden sei, lägen allein im Verantwortungsbereich der Finanzbehörde. Soweit Probleme mit dem Datenzugriff bestanden hätten, was die Klägerin bezweifele, seien diese erst 2019 aufgefallen. Dies spreche dafür, dass die Prüfung bis dahin vollends unterbrochen gewesen sei. Die Prüfer hätten im Übrigen einen direkten Zugriff („Z1“) zum SAP-System gehabt. Eine solchen direkten Zugriff hätten die Prüfer in ihrer Prüfungsanforderung selbst angefordert.
43In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht auf die vor Beginn der Prüfung erfolgten Gespräche abgestellt werden. Die Klägerin habe keinen Antrag auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung im Sinne des § 197 Abs. 2 AO gestellt. Selbst wenn sie einen solchen Antrag gestellt hätte, hätte dies dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 171 Nr. 3.2.3 zufolge keinen Einfluss auf die Ablaufhemmung. Denn die Finanzverwaltung sei wegen starker Arbeitsbelastung gar nicht in der Lage gewesen, mit einer inhaltlichen Außenprüfung bei der Klägerin zu beginnen.
44Die Klägerin beantragt,
45den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2012 vom 28.05.2020 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2022 aufzuheben.
46Der Beklagte beantragt,
47festzustellen, dass der Gewerbesteuermessbescheid 2012 vom 28.05.2020 vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist.
48Das FA ist der Auffassung, der Ablauf der Festsetzungsfrist sei durch den Beginn der Außenprüfung gehemmt worden. Die Prüfung sei nicht für mehr als sechs Monate unterbrochen worden. Die Prüfer hätten sich seit dem Beginn der Prüfungen arbeitstäglich in dem Prüferzimmer aufgehalten. Die Prüfung sei insb. nicht über mehrere Monate hinweg, z.B. wegen Krankheit oder Urlaubs, unterbrochen worden. Die Anwesenheit sei der Klägerin bekannt gewesen, da sich das Prüferzimmer in einer ihrer Immobilien befunden habe.
49Es hätten zahlreiche Besprechungen und Telefonate mit N. stattgefunden. Allein im Jahr 2016 hätten sieben Jour fixes mit N. in dem Prüferzimmer stattgefunden, in den Jahren 2017 und 2018 jeweils neun. Entsprechende Vermerke seien nicht in den Betriebsprüfungs-Handakten (betreffend die Klägerin) abgeheftet worden, weil sie alle geprüften Konzerngesellschaften betroffen hätten. Die Klägerin habe daher davon ausgehen müssen, dass die Prüfung ununterbrochen stattfinde.
50Zu einer Unterbrechung sei es jedenfalls nicht unmittelbar nach dem Beginn der Prüfung gekommen. Vielmehr hätten nach ihrem Beginn mehrere qualifizierte Prüfungshandlungen stattgefunden, nämlich:
51die E-Mails der Zeugin A. an N. vom 02. bzw. 03.12.2015 mit dem Inhalt, dass aus den Daten kein Standardjournal erstellt werden könne;
die Entgegennahme neuer Daten-CDs am 07.12.2015;
das Einlesen der IDEA-Daten am 11.12.2015, bei dem die Unvollständigkeit der Daten-CDs festgestellt worden sei;
die Absprache zur Nachlieferung der fehlenden Daten in der Besprechung am 15.12.2015;
die Anforderung der Überleitungsrechnung mit der konzernübergreifenden Prüferanfrage Nr. 1 vom 16.12.2015 und
ihre Entgegennahme am 01.02.2016.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 637 f. Bd. III d.A. Bezug genommen.
59Der Hintergrund der Prüferanfrage Nr. 1 sei gewesen, dass dem FA aus einer Vorprüfung bekannt gewesen sei, dass die Ansätze für den Grundbesitz in der Handels- und Steuerbilanz des von der B. eingebrachten Grundbesitzes erheblich voneinander abwichen. Aus den ihnen vorliegenden Unterlagen (Überleitungsrechnung der B. und Überleitungsrechnungen der Klägerin in Kurzform) hätten die Prüfer die Positionen nicht – im Hinblick auf die Zuordnung der Positionen zu B. bzw. zur Klägerin und ihre Weiterentwicklung nach der Einbringung – überprüfen können. Anhand der eingereichten (ausführlichen) Überleitungsrechnung hätten die Prüfer die von der Handelsbilanz abweichenden AfA-Beträge überprüft. Es habe sich dabei nicht nur um eine rein mathematische Überprüfung gehandelt. Wegen der Einzelheiten hinsichtlich der vorgenommenen Überprüfungsschritte wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 29.04.2024 (Bl. 529-531 Bd. II d.A.) Bezug genommen.
60Es sei unerheblich, dass der Zeuge Q. die Überleitungsrechnung erst in 2019 überprüft habe. Entscheidend sei allein, dass die Prüferanfrage 2016 Ermittlungsergebnisse erbracht habe, an die der Zeuge Q. bei der Wiederaufnahme der Prüfung habe anknüpfen können.
61Eine Unterbrechung sei zudem nicht aus von der Finanzbehörde zu vertretenden Gründen eingetreten. Zum einen sei es aus technischen Gründen nicht möglich gewesen, in die Prüfung einzusteigen, weil die Klägerin die Daten erst vollständig im Jahr 2019 vorgelegt habe. Die Prüfer seien auch berechtigt gewesen, auf den Direktzugriff auf das SAP-System („Z1“) zu verzichten und stattdessen eine Daten-CD zu verlangen („Z3“). Letzteres erlaube eine gerichtssichere Speicherung der Daten.
62Zum anderen beruhe die späte Vornahme der zeitaufwendigen Prüfungshandlungen auf der gemeinsamen Absprache in dem Jour fixe am 29.09.2015. Der Vermerk der Prüfer gebe den Inhalt der Besprechung exakt wieder, insb., was § 171 Abs. 4 Satz 2 AO anbelange. Der Vermerk der Vertreter der N. sei dagegen wenig detailliert und erst deutlich später abgefasst worden.
63Da die Absprache aus einem gemeinsamen Interesse der Klägerin und des Prüfungsamtes heraus getroffen worden sei, könne die absprachegemäße Umsetzung nicht allein dem Prüfungsamt zugerechnet werden, sondern sei auch der Klägerin anzulasten. Es habe damals zumindest für den Prüfungszeitraum 2010 Festsetzungsverjährung gedroht. Durch die Abrede sei es beiden Seiten möglich gewesen, zeitliche Freiräume für die Abwicklung der Prüfung für die Jahre 2007-2009 zu schaffen. Die nunmehr von der Klägerin erhobenen Einwendungen betreffend die Festsetzungsverjährung verstießen gegen diese Abrede.
64Schließlich sei die Prüfung rechtzeitig vor Eintritt der (regulären) Festsetzungsverjährung, am 31.12.2017, wiederaufgenommen worden. Vor Ablauf der Frist hätten drei qualifizierte Prüfungshandlungen stattgefunden:
65die Anforderung des Grundstückskaufvertrages vom 14.12.2010 durch die Prüferanfrage Nr. 2 vom 22.09.2017 an die B.;
die Entgegennahme des Kaufvertrages am 28.09.2017 und
die eingehende Befassung des Prüfers Z. mit Einzelfragen zur erweiterten Grundstückskürzung.
Die Prüfer hätten im Laufe der Konzernbetriebsprüfung festgestellt, dass der von B. und der Klägerin geschlossene Grundstücksübertragungsvertrag vom 14.12.2010 nicht aktenkundig gewesen sei. Sie hätten diesen mit der Prüferanfrage Nr. 2 vom 22.09.2017 im Rahmen der Prüfung der B. von dieser angefordert. Eine Kopie des Vertrages sei in die Betriebsprüfungs-Handakte betreffend die Klägerin gelangt. Die Unterlagen hätten aber auch von der Klägerin angefordert werden können. Anhand des Vertrages hätten die Prüfer die Übertragung des Grundbesitzes zu Buchwerten gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG überprüft. Das Ergebnis der Überprüfung sei in Aktenvermerken in den Handakten der B. und der Klägerin im Jahre 2019 niedergelegt worden. Die Prüferanfrage sei nicht in der Handakte der Klägerin abgeheftet worden.
70Der Prüfer Z. habe sich in den Monaten September und Oktober 2017 intensiv mit Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen zur erweiterten Grundstückskürzung beschäftigt. Entsprechende Rechercheunterlagen lägen in digitaler Form vor und seien z.T. ausgedruckt in den Betriebsprüfungs-Handakten abgelegt worden.
71Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hat die Klageschrift zunächst als nicht qualifiziert signiertes PDF-Dokument per De-Mail ohne Absenderbestätigung übersandt. Auf richterlichen Hinweis hat sie die Klageschrift am 31.10.2022 (Montag) per Fax übermittelt. Die Klageschrift wurde von zwei Steuerberatern unterzeichnet.
72Das Gericht hat die Zeugen A. und Q. dazu vernommen, welche Prüfungshandlungen sie nach dem Beginn der Prüfung unternommen haben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2024 Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe
741. Der Senat entscheidet gem. § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Zwischenurteil über die Frage der Festsetzungsverjährung. Dies erscheint zwecks Verfahrensvereinfachung sachdienlich, da bereits der Streit um diese formell-rechtliche Vorfrage sehr umfangreich geführt wurde und eine Beweisaufnahme erforderte. Die Beteiligten haben der Entscheidung durch Zwischenurteil nicht widersprochen.
752. Die Klage ist zulässig, insb. formwirksam per Fax vor Ablauf der Klagefrist am 31.10.2022 (§ 47 FGO) erhoben worden. Die zunächst per De-Mail ohne Bestätigung der sicheren Anmeldung und ohne qualifizierte elektronische Signatur übermittelte Klageschrift war gem. § 52a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 FGO formunwirksam. Die Übermittlung per Fax war dagegen formwirksam, weil zu diesem Zeitpunkt weder die Prozessbevollmächtige, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, noch die für sie handelnden Vertreter, beide Steuerberater, gem. § 52d Satz 2 FGO zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet waren.
763. Der angefochtene Änderungsbescheid zur Gewerbesteuer 2012 ist vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Deren Ablauf ist durch den Beginn der Außenprüfung gehemmt worden.
77Gem. §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 169 Abs. 1 Satz 1 AO darf ein Gewerbesteuermessbescheid nicht mehr geändert werden, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist begann am 31.12.2013 zu laufen und endete regulär am 31.12.2017 (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), sofern ihr Ablauf nicht zuvor nach § 171 AO gehemmt wurde.
78Auf den Streitfall ist § 171 Abs. 4 AO in der am 31.12.2022 geltenden Fassung anzuwenden, weil die Steuer vor dem 01.01.2025 entstanden und die Prüfungsanordnung vor diesem Stichtag ergangen ist (Art. 97 § 37 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).
79Die Festsetzungsfrist wurde unstreitig durch den Beginn der Prüfung gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt. Bei der Besprechung am 02.12.2015 sind ausreichende Prüfungshandlungen vorgenommen worden, nämlich in Form der Entgegennahme der Daten-CDs (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.2017 I R 76/15, BStBl. II 2017, 1159 Rn. 21).
80Gem. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung rückwirkend, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn nach Beginn der Außenprüfung sind durch das Einlesen und Aufbereiten der Buchführungsdaten mittels IDEA sowie die damit verbundene Plausibilitätskontrolle hinreichend qualifizierte Prüfungshandlungen vorgenommen worden. Die erst danach eingetretene Unterbrechung der Außenprüfung ist nicht unmittelbar nach dem Beginn erfolgt und lässt daher die Ablaufhemmung nicht entfallen (vgl. nur Rüsken in Klein, AO, 17. A. 2023, § 171 Rn. 91 m.w.N.).
81Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (insb. BFH-Urteil vom 26.04.2017 I R 76/15, BStBl. II 2017, 1159 Rn. 25 m.w.N.) ist die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die „Gewichtigkeit“ der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist.
82Eine Außenprüfung ist danach nicht mehr unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (sog. qualifizierte Prüfungshandlungen). Letzteres bedeutet nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.
83In Anwendung dieser Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Einlesen der Buchführungsdaten der Klägerin mittels IDEA und die nachfolgende Aufbereitung der Daten inklusive der in diesem Zuge vorgenommenen Plausibilitätskontrolle als eine hinreichend qualifizierte Prüfungshandlung anzusehen ist, so dass die Unterbrechung nicht unmittelbar nach dem Beginn der Prüfung eingetreten ist (nachfolgend Buchst. d). Den übrigen Argumenten des FA, warum die Ablaufhemmung nicht rückwirkend entfallen sein soll (nachfolgend Buchst. a-c), folgt der Senat demgegenüber nicht.
84a) Der Senat geht dabei zunächst davon aus, dass die Prüfung ab Februar 2016 tatsächlich für länger als sechs Monate unterbrochen wurde. Die für diese Zeit aktenkundigen konzernübergreifenden Prüfungshandlungen, insb. die Anwesenheit der Prüfer in dem Prüferraum in einer Immobilie der Klägerin und die diversen konzernübergreifenden Jour fixes, können nicht konkret der Außenprüfung bei der Klägerin zugeordnet werden.
85Eine konzernübergreifende Betrachtung, nach der bei einer Konzernprüfung auch Prüfungshandlungen bei anderen Konzerngesellschaften einer Unterbrechung entgegenstünden, ist aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. Es muss auch bei einer Konzernprüfung eindeutig feststehen, hinsichtlich welcher Steueransprüche Ablaufhemmung eintritt (BFH-Urteil vom 11.10.1983 VIII R 11/82, BStBl. II 1984, 125 Rn. 26; Köstler in Hruschka/ Peters/ von Freeden, Steuerliche Betriebsprüfung, 1. A. 2022, Tz. 6.61 und 6.67). Es muss somit für jedes Konzernunternehmen erkennbar sein, welche Prüfungshandlungen durchgeführt werden. Insofern müsste man zumindest aus dem Protokollen der Jour fixes erkennen können, dass die Klägerin betreffende Punkte auf der Tagesordnung standen. Dies ist im Streitfall nicht gegeben.
86b) Die Prüfung ist nicht rechtzeitig vor dem Ablauf der regulären Festsetzungsfrist wiederaufgenommen worden. Die ersten feststellbaren qualifizierten Prüfungshandlungen hat vielmehr der Zeuge Q. erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist, Anfang des Jahres 2019, vorgenommen.
87An die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Prüfung sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an den Beginn einer Prüfung; der Steuerpflichtige muss erkennen können, dass die Prüfung fortgesetzt wird (BFH-Urteil vom 24.04.2003 VII R 3/02, BStBl. II 2003, 739 Rn. 28; Rüsken in Klein, AO, § 171 Rn. 92; Banniza in Hübschmann/ Hepp/ Spitalter, AO/ FGO, § 171 AO Rn. 103).
88Nach diesen Maßstäben ist die Prüfung nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist wiederaufgenommen worden:
89aa) Die Internet- bzw. Juris-Recherchen des Prüfers Z. ab September 2017 zu Fragen der erweiterten Grundstückskürzung bzw. Betriebsaufspaltung stellen ein reines Verwaltungsinternum, eine Tätigkeit im Innendienst, dar. An diesem Ergebnis ändert auch die Aussage des Zeugen Q. nichts. Zwar hat dieser glaubhaft ausgesagt, dass die von ihm vorgefundenen Recherchen des Zeugen Z. schon „sehr konkret“ gewesen seien und er an das von diesem gefundene „Ergebnis“ habe anknüpfen können. An seiner Glaubwürdigkeit hat der Senat keine Zweifel.
90Seine Aussage bestätigt aber letztlich nur das, was sich bereits aus den beigezogenen Betriebsprüfungs-Handakten ergibt. Die Tätigkeit des Prüfers Z. beschränkte sich auf das Abheften von ausgedruckten bzw. kopierten Juris-Entscheidungen, Literaturstimmen und Verwaltungsanweisungen. Aus ihnen allein konnte die Klägerin nicht erkennen, dass die Prüfung fortgesetzt würde.
91bb) Auch die an die B. gerichtete Prüferanfrage Nr. 2 aus dem Jahr 2017 führte nicht zu einer Fortsetzung der Prüfung vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist. Diese Prüferanfrage bezog sich auf einen Grundstücksvertrag der B. mit der Klägerin. Es ist zwar zutreffend, wenn das FA insoweit ausführt, dass eine Prüferanfrage möglicherweise auch an die Klägerin hätte gerichtet werden können. Tatsächlich ist dies aber nicht geschehen.
92Die Prüferanfrage gelangte entsprechend, anders als eine Kopie des notariellen Vertrages, nicht in die Betriebsprüfungs-Handakten der Klägerin. Die Aktenvermerke belegen nur, dass eine Prüfung dieses Punktes durch den Zeugen Q. in 2019, mithin nach Ablauf der Festsetzungsfrist, stattfand.
93Im Hinblick darauf, dass einerseits – wie bereits ausgeführt – aus Gründen der Rechtssicherheit auch bei einer Konzernprüfung für den Steuerpflichtigen klar sein muss, welche Konzerngesellschaft von der Prüfung betroffen ist, und andererseits aus den Betriebsprüfungs-Handakten erst ab 2019 wieder Prüferaktivitäten erkennbar sind, kann insoweit von einer Wiederaufnahme der Prüfung nicht ausgegangen werden.
94c) Die Unterbrechung ist auch von dem FA GKBP zu vertreten. Das FA tritt dem mit der Begründung entgegen, die Klägerin habe nicht die vollständigen Daten bereitgestellt, und verweist außerdem auf eine Absprache aus dem Jour fixe vom 29.09.2015. Dem ist nicht zu folgen.
95Unabhängig davon, dass das FA GKPB einen Direktzugriff auf die SAP-Daten hatte, ist nach Aktenlage in keiner Weise ersichtlich, dass es die nachgeforderten Daten angemahnt hätte. Vielmehr spricht schon der Vermerk über den Jour fixe vom 29.09.2015 dafür, dass das FA GKBP in der Tat den Fall nur „anprüfen“, d.h. die Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 4 AO mit einer gerade ausreichenden Prüfungshandlung herbeiführen wollte, um danach die Prüfung zu unterbrechen. Die Gründe dafür liegen im Verantwortungsbereich der Finanzbehörden. Es kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin die Prüfung verzögert hätte.
96Weiterhin ist für den Senat nicht ersichtlich, welche Bedeutung eine etwaige Absprache am 29.09.2015 in diesem Zusammenhang haben sollte. Die Festsetzungsverjährung stellt anders als die zivilrechtliche Verjährung keine bloße Einrede dar, auf die der Steuerpflichtige verzichten könnte (vgl. nur Banniza in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 169 AO Rn. 115 f. m.w.N.). Unterstellt, die Klägerin hätte tatsächlich angekündigt, auf verjährungsbezogene Einwendungen zu verzichten, so hätte dies keinerlei rechtliche Auswirkungen; auch der Grundsatz von Treu und Glauben findet keine Anwendung (BFH-Urteil vom 11.10.1983 VIII R 11/82, BStBl. II 1984, 125 Rn. 27 f.).
97d) Entscheidend ist deshalb allein, dass die Prüfung nicht unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen wurde, wie es § 171 Abs. 4 Satz 2 AO verlangt. Die (unmittelbar) nach ihrem Beginn vorgenommenen Prüfungsmaßnahmen, nämlich das Einlesen und Aufbereiten der Buchführungsdaten mittels IDEA und die damit automatisch vorgenommene Plausibilitätskontrolle, erfüllten die Anforderungen an eine qualifizierte Prüfungshandlung im Sinne der o.g. höchstrichterlichen Rechtsprechung. In diesem Sinne verstanden hat das FA GKBP den Fall im Ergebnis hinreichend „angeprüft“, um eine Ablaufhemmung herbeizuführen.
98aa) Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 26.04.2017 (I R 76/15, BStBl. II 2017, 1159 Rn. 27) erkannt, dass bereits das Einlesen der Buchführungsdaten mittels IDEA und die von dem Programm vorgenommene Plausibilitätskontrolle eine ausreichend qualifizierte Prüfungshandlung darstellt, die der Person, die die Plausibilitätskontrolle veranlasst hat, zuzurechnen ist. Der Senat kommt nach der Vernehmung der Zeugen A. und Q. zu dem Ergebnis, dass auch im Streitfall die Buchführungsdaten der Klägerin von der Zeugin A. mittels IDEA noch im Dezember 2015 eingelesen und aufbereitet worden sind. Infolgedessen konnte, nachdem der erste Versuch des Datenimports gescheitert war, ein Standardjournal erstellt werden. Beim Einlesen und Aufbereiten der Buchführungsdaten führt IDEA automatisch eine Plausibilitätskontrolle durch. Wie insb. der Zeuge Q. ausgeführt hat, beschränken sich diese Prüfungen auf die Frage der Vollständigkeit der Daten, so dass es regelmäßig beim Einsatz von SAP zu keinen Auffälligkeiten kommt.
99Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen und der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Insb. die Zeugin A. hat deutlich gemacht, dass sie zu den technischen Einzelheiten der Plausibilitätskontrolle keine näheren Angaben machen könne. Der Zeuge Q. konnte ihre Aussage in diesem Punkt hinreichend ergänzen.
100Der Senat verkennt nicht, dass die Plausibilitäts- und Schlüssigkeitskontrollen, die IDEA beim Einlesen und Aufbereiten automatisch durchführt, keine näheren inhaltlichen oder fachlichen Prüfungen der Daten darstellen, sondern nur die Lesbarkeit und Vollständigkeit der importierten Daten betreffen. Solche inhaltlichen oder fachlichen Prüfungen sind mittels der Software erst nach dem Einlesen und Aufbereiten der Daten möglich, aber im Streitfall tatsächlich nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt. Weiterhin führen die Plausibilitätskontrollen zumindest beim Import von mittels SAP erstellten Buchführungsdaten erfahrungsgemäß und regelmäßig zu keinen Beanstandungen.
101Der Senat versteht die o.g. höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch in dem Sinne, dass bereits die mit dem Einlesen und Aufbereiten der Daten verbundene Plausibilitätskontrolle auch ohne weitere inhaltliche oder fachliche Prüfungen als hinreichend qualifizierte Prüfungshandlung anzusehen ist. Insoweit wird man sicher nicht annehmen können, dass diese automatisierte Prüfung an Umfang oder Zeitaufwand gemessen ein „erhebliches Gewicht“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung erreicht. Der Bundesfinanzhof stellt aber alternativ darauf ab, ob die Prüfungshandlungen „erste verwertbare Ergebnisse“ gezeitigt haben, an die ein Prüfer bei der Wiederaufnahme nach der Unterbrechung anknüpfen kann. Als solche wird man die aufbereiteten Buchführungsdaten und die Ergebnisse der Plausibilitätskontrolle ansehen können.
102bb) Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob auch die Prüferanfrage Nr. 1 als qualifizierte Prüfungshandlung anzusehen ist. Dagegen spricht allerdings, dass diese konzernübergreifende Anfrage im Wesentlichen auf die Vervollständigung der angeforderten Unterlagen zielte und somit eher als Vorbereitungshandlung anzusehen ist. Weitergehende Prüfungen fanden erst 2019 statt.
1034. Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
1045. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.