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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung).
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung um die Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren bzw. hilfsweise um die Höhe des Vergleichswerts.
4Die Antragsteller sind je zur Hälfte Rechtsnachfolger des am 22.07.2022 verstorbenen P. . Zum Nachlass gehörte ein Einfamilienhaus unter der Adresse S.-straße in G. . Die Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamtes C. fragte beim Antragsgegner durch Schreiben vom 25.04.2023 die Feststellung eines Grundbesitzwerts auf den 22.07.2022 an.
5Die Antragsteller reichten eine Bedarfswerterklärung zur Bewertung dieses Grundstücks ein. Nach dieser Erklärung ergab sich unter Anwendung des Sachwertverfahrens ein festzustellender Wert i.H.v. 494.286 €. Dieser Wert ergab sich aus einem vorläufigen Sachwert i.H.v. 549.206 € unter Anwendung einer Wertzahl i.H.v. 0,90.
6Der Antragsgegner erließ am 27.11.2023 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.07.2022 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Hierin stellte er den Wert der wirtschaftlichen Einheit auf 584.500 € fest. Zur Begründung verwies er auf eine dem Bescheid beigefügte Anlage. In dieser Anlage befand sich ein Auszug aus dem unter der Webseite www.boris.nrw.de aufzufindenden Immobilienpreiskalkulator vom 17.10.2023 mit folgendem Inhalt:
7Eigenschaften |
Immobilienrichtwert |
Ihre Angaben |
Anpassung |
Stichtag |
01.01.2022 |
||
Immobilienrichtwert |
3830 €/m² |
||
Gemeinde |
G. |
||
Immobilienrichtwertnummer |
N01 |
||
Gebäudeart |
Einfamilienhaus |
Einfamilienhaus |
0% |
Ergänzende Gebäudeart |
freistehend |
freistehend |
0% |
Baujahr |
... |
... |
1% |
Wohnfläche |
170 m² |
131 m² |
15% |
Keller |
vorhanden |
vorhanden |
0% |
Modernisierungsgrad |
mittlerer Modernisierungsgrad |
kleinere Modernisierungen im Rahmen der Instandhaltung |
-3% |
Ausstattungsklasse |
mittel |
einfach - mittel |
-7% |
Mietsituation |
unvermietet |
unvermietet |
0% |
Grundstücksgröße |
650 m² |
1.000 m² |
10% |
Wohnlage |
gut |
gut |
0% |
Immobilienpreis pro m² für Wohnfläche |
... €/m² |
||
Immobilienpreis für das angefragte Objekt |
580.000 € |
Hierzu addierte der Antragsgegner einen Wert für die Garage i.H.v. 4.500 €.
9Der Immobilienrichtwert i.H.v. ... € pro Quadratmeter lässt sich für das Jahr 2022 für die wirtschaftliche Einheit S.-straße der Webseite www.boris.nrw.de entnehmen. Der Grundstücksmarktbericht für 2022 für die Stadt G. enthält für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens gemäß § 20 der Immobilienwertermittlungsverordnung auf den Seiten 27-29 Tabellen zur Bestimmung der Umrechnungskoeffizienten. Diese finden sich gleichlautend in den auf der Webseite www.boris.nrw.de für die wirtschaftliche Einheit veröffentlichten Fachinformationen mit dem Hinweis, dass die Anpassung des Richtwerts auf das Bewertungsobjekt mit diesen Umrechnungskoeffizienten erfolgt.
10Überdies findet sich für das Sachwertverfahren ein Sachwertfaktor von 1,14 für die Anwendung des Sachwertverfahrens, sofern der vorläufige Sachwert zwischen 500.000 und 550.000 € liegt; bei guter Lage erfolgt eine Erhöhung um 0,04 (Seite 30 des Grundstücksmarktberichts 2022).
11Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller durch Schreiben vom 07.12.2023 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Sie beantragten ferner die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner durch Schreiben vom 02.01.2024 ablehnte.
12Die Antragsteller haben durch elektronische Übermittlung vom 11.01.2024 bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragt.
13Zur Begründung machen sie geltend, dass das Haus – wie in der eingereichten Bedarfswerterklärung – im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Die Bewertung mithilfe des Immobilienpreiskalkulators sei nicht zulässig. Dieser Wert werde ausdrücklich als Schätzwert ausgewiesen. Auch der Marktbericht des Gutachterausschusses der Stadt G. erwähne diesen Immobilienpreiskalkulator nicht. Vielmehr verweise er auf Umrechnungskoeffizienten zum Vergleichswertfaktor. Überdies berufen sich die Antragsteller ergänzend auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 11.04.2014 (1 K 107/11, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 1364).
14Zudem beziehe sich der Grundstücksmarktbericht für die Jahre 2022 und 2023 für das Vergleichswertverfahren auf Umrechnungskoeffizienten. Nach ihren eigenen Berechnungen sei für 2022 von einem Umrechnungskoeffizienten i.H.v. 1,01 auszugehen. Unterstelle man mit dem Beklagten, dass ein Vergleichswert von ... € zum Ansatz käme, sei ein Grundbesitzwert i.H.v. 511.208 € festzustellen.
15Des Weiteren habe der Antragsgegner zu Unrecht den Grundstücksmarkt für das Jahr 2022 herangezogen. Im Grundstücksmarktbericht für 2022 sei der Berichtszeitraum für Grundstückskäufe vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 umfasst. Insbesondere seien Kauffälle für die Jahre 2017-2021 zur Ermittlung des Sachwertfaktors herangezogen worden. Der steuerlich relevante Sachverhalt habe sich jedoch am 22.07.2022 ereignet. Deshalb sei der Sachwertfaktor aus dem Grundstücksmarktbericht 2023 i.H.v. 0,95 anzuwenden. Auch wenn das Vergleichswertverfahren anwendbar sei, sei unter Anwendung des Grundstücksmarktberichtes 2023 nach den eigenen Berechnungen der Antragsteller von einem Vergleichswert i.H.v. 510.553 € auszugehen.
16Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
17den Bescheid über die gesonderte und eine einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.07.2022 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 27.11.2023 insoweit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung von der Vollziehung auszusetzen, als ein Grundbesitzwert von über 494.286 €, hilfsweise von über 510.553 € festgestellt wurde.
18Der Antragsgegner beantragt,
19den Antrag abzulehnen.
20Der Antragsgegner hat im Rahmen des Antragsverfahrens eine Prüfberechnung im Sachwertverfahren vorgelegt. Daraus ergibt sich ein Sachwert i.H.v. 626.093 €. Diese geht von einem vorläufigen Sachwert i.H.v. 549.205 € aus, wendet aber eine Wertzahl laut Gutachterausschuss von 1,14 € aus dem Grundstücksmarktbericht für 2022 an.
21Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Grundstücksmarktberichte der Stadt G. für die Jahre 2022 und 2023 Bezug.
22I.
23Der Antrag ist unbegründet.
24I. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie der Misserfolg (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 89 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
25Der Senat hat nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
261. Die angestrebte Bewertung im Sachwertverfahren kommt nicht in Betracht.
27Gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes – BewG – sind Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Im Sachwertverfahren sind Grundstücke im Sinne von § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG zu bewerten, wenn kein Vergleichswert vorliegt (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG).
28Danach ist die Bewertung im Sachwertverfahren bereits ausgeschlossen, da ein Vergleichswert vorliegt (siehe unten unter 2.).
29Überdies ergäbe sich bei Anwendung des Sachwertverfahrens ein Grundbesitzwert, der den im Vergleichswertverfahren festgestellten Grundbesitzwert übersteigt. Die seitens des Antragsgegners in der übersandten Prüfberechnung dargestellten Berechnungsgrundlagen sind zwischen den Beteiligten mit Ausnahme der Wertzahl i.H.v. 1,14 unstreitig.
30Der Ansatz dieses Sachwertfaktors wäre im Sachwertverfahren noch zu gering.
31Gemäß § 189 Abs. 3 S. 1 BewG ergeben der Bodenwert und der Gebäudesachwert (§ 190 BewG) den vorläufigen Sachwert des Grundstücks. Nach S. 2 ist dieser zur Anpassung an den gemeinen Wert mit einer Wertzahl nach § 191 BewG zu multiplizieren. Nach § 191 Abs. 1 S. 1 BewG (in der für das Jahr 2022 anzuwendenden Fassung vom 16.07.2021, a.F.) sind als Wertzahlen im Sinne des § 189 Abs. 3 BewG die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs ermittelten Sachwertfaktoren anzusetzen. S. 2 a.F. präzisiert dies dahingehend, dass die Sachwertfaktoren anzuwenden sind, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Sachwertfaktoren zur Verfügung stehen, sind gemäß § 191 Abs. 2 BewG a.F. die in der Anl. 25 zum BewG bestimmten Wertzahlen zu verwenden.
32Danach wäre im Sachwertverfahren eine Feststellung in Höhe von grundsätzlich 626.093 € zutreffend. Der Ansatz der Wertzahl i.H.v. 1,14 auf den vorläufigen Sachwert i.H.v. 549.205 € wäre nach dem Grundstücksmarktbericht zunächst folgerichtig. Allerdings wäre die Wertzahlt wegen der von beiden Beteiligten angenommenen „guten Lage“ wohl noch gemäß S. 30 des Grundstückmarktberichts 2022 um 0,04 zu erhöhen. Es ist entgegen der Auffassung der Antragsteller im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner für die Ermittlung der Wertzahl Grundstücksmarktbericht für 2022 zurückgegriffen hat, da § 191 Abs. 1 S. 2 BewG dies gerade anordnet. Dieser Grundstücksmarktbericht bezieht sich auf den letzten Auswertungszeitraum, der vor dem einschlägigen Kalenderjahr 2022 endet und umfasste die Jahre 2017 bis einschließlich 2021.
332. Der im Vergleichsfaktorverfahren festgestellte Vergleichswert ist – auch der Höhe nach – nicht zu beanstanden.
34a) Das Vergleichsfaktorverfahren ist anwendbar.
35Gemäß § 183 Abs. 1 S. 1 BewG sind bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind nach S. 2 vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise.
36Das Gesetz beschreibt in § 183 Abs. 1 BewG das sog. Vergleichspreisverfahren.
37Anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke können gemäß § 183 Abs. 2 S. 1 BewG von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden.
38§ 183 Abs. 2 BewG enthält danach die Vorgaben für das sog. Vergleichsfaktorverfahren.
39Der Senat hält das Vergleichspreisverfahren gemäß § 183 Abs. 1 BewG und das Vergleichsfaktorverfahren gemäß § 183 Abs. 2 BewG für gleichrangig nebeneinanderstehende Verfahren (so auch gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.03.2023, Bundessteuerblatt – BStBl. – I 2023, 738 Rn. 11 S. 2; Mannek in von Oertzen/Loose Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht § 183 BewG Rn. 45). Hierfür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der sich kein Vorrang eines Verfahrens entnehmen lässt (BT-Drucksache 16/7918 S. 20; BR-Drucksache 4/1/08 S. 35; Mannek in von Oertzen/Loose Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht § 183 BewG Rn. 45). Auch der Wortlaut von § 183 Abs. 2 BewG spricht für diese Sichtweise. Nach diesem „kann“ „anstelle“ des Vergleichspreisverfahrens das Vergleichsfaktorverfahren Anwendung finden. Es steht daher im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, sich für eines der beiden Verfahren zu entscheiden. Liegen neben Vergleichsfaktoren auch ordnungsgemäße Vergleichspreise vor, dürfte die Finanzbehörde gehalten sein, ihr Ermessen grundsätzlich dahingehend auszuüben, dass zugunsten des Steuerpflichtigen das Verfahren zur Anwendung kommt, dass zur niedrigeren Bewertung führt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie darf die Finanzverwaltung jedoch auch auf das Vergleichsfaktorverfahren zurückgreifen, ohne den Versuch zu unternehmen, geeignete Vergleichspreise zu ermitteln (FG Hamburg Beschluss vom 07.07.2015 3 K 244/14, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2015, 603).
40Aus § 183 Abs. 1 S. 2 BewG folgt nichts anderes. Diese Vorschrift knüpft systematisch an § 183 Abs. 1 S. 1 BewG an. Die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise haben nur Vorrang, sofern auch andere, anderweitig ermittelte Vergleichspreise i.S.v. § 183 Abs. 1 S. 1 BewG vorliegen (BFH Urteil vom 24.08.2022 II R 14/20, BStBl. II 2023, 693). Ein weitergehender Zusammenhang mit § 183 Abs. 2 BewG ist nicht ersichtlich.
41Der Senat folgt aus diesen Gründen nicht der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Auffassung, nach der das Vergleichsfaktorverfahren gegenüber dem Vergleichspreisverfahren nachrangig ist (Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 11.04.2014 I K 107/11, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 1364; Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 17.11.2022 1 K 136/18, EFG 2023, 621; Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 01.12.2022 1 K 90/19, EFG 2023, 760; Schnitter in Wilms/Jochum Erbschaftssteuergesetz/Bewertungsgesetz/Grunderwerb-steuergesetz § 183 Rn. 14).
42b) Der mithilfe des Immobilienpreiskalkulators festgestellte Vergleichswert erfüllt die Anforderungen von § 183 Abs. 2 S. 1 BewG.
43Für die Anwendung des Vergleichsfaktorverfahrens gemäß § 183 Abs. 2 S. 1 BewG ermittelt der Gutachterausschuss für Grundstückswerte geeignete Vergleichsfaktoren und teilt diese dem Finanzamt mit. Die maßgebenden Vergleichswertfaktoren ergeben sich aus den jeweiligen Grundstücksmarktberichten der örtlichen Gutachterausschüsse. Häufig wird der örtliche Gutachterausschuss nicht nur Vergleichsfaktoren veröffentlichen, sondern ebenfalls angeben, unter welchen Voraussetzungen die Vergleichsfaktoren angewandt werden können. Die Anwendung der Vergleichsfaktoren setzt voraus, dass die wertbeeinflussenden Merkmale der Vergleichsgrundstücke beziehungsweise der Grundstücke, für die Vergleichsfaktoren bebauter Grundstücke abgeleitet worden sind, mit dem Zustand des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen. Liegen hier Abweichungen vor, sind diese durch Zu- oder Abschläge (Umrechnungskoeffizienten) zu berücksichtigen. Dabei sind die Vorgaben des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte maßgebend. Typische Abweichungen können beispielsweise bei der maßgebenden Wohnungsgröße vorliegen. In diesen Fällen wird der örtliche Gutachterausschuss häufig auch Indexreihen oder Umrechnungskoeffizienten zur Verfügung stellen, damit die Vergleichsfaktoren für möglichst viele Fallkonstellationen angewandt werden können (Mannek in Stenger/Loose Bewertungsrecht § 183 BewG Rn. 39, 40).
44Diesen Anforderungen wird der mithilfe des Immobilienpreiskalkulators ermittelte Vergleichswert gerecht. Alle Umrechnungskoeffizienten lassen sich der Webseite www.boris.nrw.de bzw. dem dort veröffentlichten Grundstücksmarktbericht für 2022 entnehmen. Dies gilt zunächst für den Immobilienrichtwert i.H.v. ... € pro Quadratmeter Wohnfläche, der sich der im Internet abgebildeten Immobilienrichtwertkarte entnehmen lässt. Auch die in der Anlage des angefochtenen Bescheids enthaltenen Anpassungen dieses Immobilienrichtwerts sind anhand der in den Fachinformationen bzw. dem Grundstücksmarktbericht 2022 enthaltenen, nachfolgenden Tabellen zur Ermittlung der Umrechnungskoeffizienten nachvollziehbar.
45Die entsprechenden Tabellen sehen wie folgt aus:
46Baujahr |
2018 |
2010 |
2000 |
1990 |
1980 |
1960 |
1940 |
<=1930 |
Umrechnungskoeffizient |
1,17 |
1,09 |
1,04 |
1 |
0,96 |
0,91 |
0,89 |
0,88 |
Wohnfläche |
80 |
100 |
120 |
140 |
160 |
180 |
200 |
250 |
300 |
Umrechnungskoeffizient |
1,2 |
1,09 |
1 |
0,92 |
0,86 |
0,8 |
0,75 |
0,65 |
0,57 |
Ausstattungsklasse |
einfach |
einfach-mittel |
mittel |
mittel-gehoben |
gehoben |
Umrechnungskoeffizient |
0,85 |
0,93 |
1 |
1,13 |
1,24 |
Grundstücksfläche |
250 |
300 |
400 |
500 |
600 |
800 |
1000 |
1200 |
Umrechnungskoeffizient |
0,82 |
0,86 |
0,91 |
0,96 |
1 |
1,07 |
1,12 |
1,17 |
Gebäudeart |
Einfamilienhaus |
Zweifamilienhaus |
Umrechnungskoeffizient |
1 |
0,94 |
Keller |
vorhanden |
nicht vorhanden |
Umrechnungskoeffizient |
1 |
0,93 |
Modernisierungsgrad |
nicht modernisiert |
kleinere Instandhaltungen im Rahmen der Modernisierung |
mittlerer Modernisierungsgrad |
überwiegend modernisiert |
umfassend modernisiert |
Umrechnungskoeffizient |
1 |
1,03 |
1,06 |
1,11 |
1,16 |
Wohnlage |
einfach |
einfach-mittel |
mittel |
mittel-gut |
gut |
gut-sehr gut |
sehr gut |
Umrechnungskoeffizient |
0,95 |
0,97 |
1 |
1,05 |
1,09 |
1,12 |
1,15 |
Mietsituation |
unvermietet |
vermietet |
Umrechnungskoeffizient |
1 |
0,95 |
Bei der Anwendung dieser Werte ist zu beachten, dass man zunächst für das Richtwertgrundstück eine Anpassung anhand der Umrechnungskoeffizienten berechnet (aa) und diese Berechnung anschließend für das Bewertungsobjekt wiederholt (bb). Anschließend werden die hieraus abgeleiteten Umrechnungskoeffizienten ins Verhältnis gesetzt (cc, siehe dazu auch das Berechnungsbeispiel zur Vergleichswertermittlung für Eigentumswohnungen auf S. 52 des Grundstückmarktberichts 2022). Diese ergeben dann die in der Anlage zum Bescheid wiedergegebenen Anpassungen. Die einzelnen Umrechnungskoeffizienten sind miteinander zu multiplizieren (S. 27 des Grundstücksmarktberichts 2022). Zur Ermittlung der Anpassungen für die wirtschaftliche Einheit S.-straße verweist der Senat im Einzelnen auf nachfolgende Berechnungen:
56aa) Anpassung des Richtwertgrundstücks anhand der Tabellen auf S. 27-29 des Grundstücksmarkberichts 2022 durch Interpolation:
57Eigenschaften des Richtwert-grundstücks |
Ansatz für das Richtwertgrundstück |
Interpoliert zwischen den Werten aus dem Grund-stücksmarktbericht 2022 |
Berechnung mit den Werten aus den veröffentlichten Tabellen |
|
Baujahr |
... |
0,9225 |
0,96 (1980) und 0,91 (1960) |
=(0,96-0,91)*5/20+0,91 |
Wohnfläche |
170 m² |
0,83 |
0,8 (180 m²) und 0,86 (160 m²) |
=(0,86-0,83)*10/20+0,8 |
Ausstattungsklasse |
mittel |
1 |
n.a. |
n.a. |
Grundstücksfläche |
650 m² |
1,0175 |
1 (600 m²) und 1,07 (800 m²) |
=(1,07-1)*50/200+1 |
Gebäudeart |
Einfamilienhaus |
1 |
n.a. |
n.a. |
Keller |
vorhanden |
1 |
n.a. |
n.a. |
Modernisierungsgrad |
Mittlerer Modernisierungsgrad |
1,06 |
n.a. |
n.a. |
Wohnlage |
gut |
1,09 |
n.a. |
n.a. |
Mietsituation |
unvermietet |
1 |
n.a. |
n.a. |
Gesamt |
0,90 |
bb) Anpassung des Bewertungsobjekts anhand der Tabellen auf S. 27-29 des Grundstücksmarkberichts 2022 durch Interpolation:
59Eigenschaften des Bewertungs-grundstücks |
Ansatz für das Richtwertgrundstück |
Interpoliert zwischen den Werten aus dem Grund-stücksmarktbericht 2022 |
Berechnung mit den Werten aus den veröffentlichten Tabellen |
|
Baujahr |
... |
0,9325 |
0,96 (1980) und 0,91 (1960) |
=(0,96-0,91)*9/20+0,91 |
Wohnfläche |
131 m² |
0,964 |
1 (120 m²) und 0,92 (140 m²) |
=(0,1-0,92)*11/20+0,92 |
Ausstattungsklasse |
Einfach-mittel |
0,93 |
n.a. |
n.a. |
Grundstücksfläche |
1.000 m² |
1,12 |
n.a. |
n.a. |
Gebäudeart |
Einfamilienhaus |
1 |
n.a. |
n.a. |
Keller |
vorhanden |
1 |
n.a. |
n.a. |
Modernisierungsgrad |
Kleinere Modernisierungen im Rahmen der Instandhaltung |
1,03 |
n.a. |
n.a. |
Wohnlage |
gut |
1,09 |
n.a. |
n.a. |
Mietsituation |
unvermietet |
1 |
n.a. |
n.a. |
Gesamt |
1,05 |
cc) Setzt man die so für das Richtwertgrundstück und das Bewertungsobjekt errechneten Umrechnungskoffizienten ins Verhältnis, ergeben sich im Wesentlichen die im Immobilienpreiskalkulator für das Bewertungsobjekt dargestellten prozentualen Anpassungen.
61Ausstattungsmerkmal |
Anpassung vom Richtwert zum Bewertungsobjekt |
Formel |
Baujahr |
1,01084011 |
0,9325/0,9225 |
Wohnfläche |
1,16144578 |
0,964/0,83 |
Ausstattungsklasse |
0,93 |
0,93/1 |
Grundstücksfläche |
1,1007371 |
1,12/1,0175 |
Gebäudeart |
1 |
1/1 |
Keller |
1 |
1/1 |
Modernisierungsgrad |
0,97169811 |
1,03/1,06 |
Wohnlage |
1 |
1,09/1,09 |
Mietsituation |
1 |
1/1 |
Aus dem Produkt der einzelnen Umrechnungskoeffizienten ergibt sich insgesamt ein Umrechnungskoeffizient von 1,16782917. Auf den Immobilienrichtwert von ... € bezogen folgt für die wirtschaftliche Einheit S.-straße daraus ein anzuwendender Vergleichsfaktor von ... € pro Quadratmeter Wohnfläche bzw. ohne Berücksichtigung der Garage ein Vergleichswert i.H.v. 585.832 €. Kleinere Abweichungen gegenüber dem festgesetzten Wert resultieren aus Rundungsungenauigkeiten. Da sich diese jedoch nicht zulasten, sondern zugunsten der Antragsteller auswirken, lässt sich eine Rechtsverletzung der Antragsteller daraus nicht ableiten.
63Der Grundstücksmarktbericht enthält danach – wie es § 183 Abs. 2 S. 3 BewG a.F. erfordert – alle anzuwendenden Umrechnungskoeffizienten für die Ermittlung des Vergleichsfaktors. Die Zurverfügungstellung des Immobilienpreiskalkulators zur vereinfachten Berechnung dieses Vergleichswerts stellt vor diesem Hintergrund nur eine zusätzliche Dienstleistung zugunsten des Bürgers und der Finanzverwaltung dar.
64Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist der Grundstücksmarktbericht für das Jahr 2022 zur Ermittlung des Vergleichswerts maßgeblich. Gemäß § 183 Abs. 2 S. 3 BewG a.F. sind die Vergleichsfaktoren anzuwenden, von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Gemäß § 177 Abs. 2 S. 1 BewG a.F. sind diese für längstens zwei Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres maßgeblich, in dem der vom Gutachterausschuss zugrunde gelegte Auswertungszeitraum endet. Dementsprechend ist der Grundstücksmarktbericht des Jahres 2022 mit dem Berichtszeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 maßgeblich, da dies der letzte Auswertungszeitraum ist, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag 22.07.2022 liegt und dieser weniger als zwei Jahre zurückliegt. Die §§ 183 Abs. 2 S. 3 und 177 Abs. 2 S. 2 BewG in der Fassung vom 16.12.2022 gelten gemäß § 265 Abs. 14 BewG erst für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022.
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.